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Abbazia: K. u. k. Sehnsuchtsort an der Adria
Abbazia: K. u. k. Sehnsuchtsort an der Adria
Abbazia: K. u. k. Sehnsuchtsort an der Adria
eBook352 Seiten3 Stunden

Abbazia: K. u. k. Sehnsuchtsort an der Adria

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Über dieses E-Book

Wer immer in österreichisch-ungarischen Landen an Fernweh litt und vom Süden träumte, dachte an Abbazia (Opatija). Abbazia – das war die klangvolle Metapher für die große Sehnsucht, für das kakanische Paradies schlechthin. Man schwärmte vom milden Klima Abbazias und von seiner Exklusivität, von seinen „Strandseebädern“und Prachthotels, von seinen modernen Kuranstalten und luxuriösen Villen. Hier traf sich die vornehme Gesellschaft aus Wien, Prag und Budapest; man logierte im „Quisisana“ oder im „Kronprinzessin Stephanie“, promenierte am Strandweg nach Lovrana und dinierte im „Adriaclub“. Gestützt auf umfangreiches Quellenmaterial schildert Johannes Sachslehner in diesem reich illustrierten Band den Aufstieg Abbazias von der kleinen „klimatischen Winterstation“ der k. k. priv. Südbahn-Gesellschaft zum mondänen Seebad an der Österreichischen Riviera, einfühlsam zeichnet er das Bild einer versunkenen Zauberwelt
SpracheDeutsch
HerausgeberStyria Verlag
Erscheinungsdatum30. Jan. 2015
ISBN9783990403488
Abbazia: K. u. k. Sehnsuchtsort an der Adria

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    Buchvorschau

    Abbazia - Johannes Sachslehner

    ABBAZIA

    Am Strand. Algraphie von Stephanie Glax aus dem Zyklus „Der Tag einer Dame", geschaffen 1900 während ihres letzten Studienjahrs an der Kunstgewerbeschule in Wien.

    Johannes Sachslehner

    K. u. k. Sehnsuchtsort an der Adria

    INHALT

    Cover

    Titel

    SEHNSUCHT NACH DEM SÜDEN

    EIN BRIGHTON IM SOMMER UND EIN CANNESIM WINTER

    Eine neue Epoche beginnt

    Schüler und sein Team

    Unser Abbazia: Theodor Billroths Werbefeldzug

    DIE ERSTEN HOTELS

    Der Mann, der die Villen baut

    Steter Aufschwung

    Das kleine Monte Carlo

    VORNEHME GÄSTE

    Ein Steirer am Strand von Abbazia

    Von Abbazia nach Mayerling

    „Bolla" und Nora

    KUR-ALLTAG MIT GRANTIGEM HELDEN

    Um die Meisterschaft von Abbazia

    TRAGÖDIE AM KARFREITAG

    Max Constantin Herz: Unser Abbazia gegenacute chronische Männerscheu

    KAISERTREFFEN AM QUARNERO

    Wilhelm, Phili, Linschi und Lilli beim Lawn-Tennis

    Entrevue mit Oskar

    ANTON TSCHECHOW TRIFFT IN ABBAZIAEINEN K. U. K. GENERAL

    Ein Posträuber in Abbazia

    Flora Horn: Wie lebt sich’s in Abbazia

    OLGA, ARTHUR & SOPHIE: FLUCHTPUNKT ABBAZIA

    AUS DEM LEBEN EINES KURARZTS

    Die alte Lynker

    Flora Horn: Abbazias Mondnächte

    SKANDAL UM LOUISE

    ICH BADE IM MEERE MEIN HERZ

    Skandal um Isadora Duncans Badekostüm

    Ida Barber: Frühlingsmoden in Abbazia

    DER LETZTE RITTER DES KÖNIGSGAMBITS

    AUTOMOBILE, MOTORBOOTE & SCHLACHTSCHIFFE

    UND DANN KOMMEN AUCH DIE MINISTERNACH ABBAZIA …

    Am Vorabend des Großen Kriegs

    LITERATURVERZEICHNIS

    Ein herzliches Danke

    Bildnachweis

    Impressum

    Attraktion für die Gäste aus dem Norden: die Palmen von Abbazia. Ansichtskarte, um 1905.

    SEHNSUCHT NACH DEM SÜDEN

    ür die Menschen Kakaniens, des Landes unter dem Doppeladler, ist es das Traum-Reiseziel schlechthin: Abbazia, die aus dem Nichts gewachsene Versammlung von kaisergelben Hotelpalästen und Villen im nordwestlichen Winkel des Golfs von Fiume. Klimatischer Curort und Seebad zugleich, verheißt es seinen Gästen den Eintritt in die elitäre Welt des Müßiggangs und des exklusiven Vergnügens. „Herrliche Paläste winken mir zu im Lorbeerhaine, Prunk und Pracht, schöne Frauen, liebliche Musik! Als ob das Feinste der feinen Welt sich hier versammelt hätte, um mich zu grüßen", schwärmt Besucher Peter Rosegger in seiner Reiseskizze Am Strande von Abbazia. Ja, ihm, dem Dichter aus dem Norden, der ansonsten den Besuch von Kurorten vermeidet, ist hier am Ufer des Quarnero so „wohl wie einem Seligen nach Erdennoth und Sterben, er feiert hier die mystische Begegnung mit dem „sommerlich sonnigen Meer, der „gewaltigen Harfe Gottes: „Ich liebe das Meer und bade in demselben mein Herz.

    Für die eleganten Damen und Herren aus Wien und Budapest, aus Prag, Krakau und Lemberg, die plaudernd den Strandweg am Felsenufer entlang promenieren, ist der Aufenthalt in Abbazia zum willkommenen gesellschaftlichen Ritual geworden. Es ist ein „Bild voll Leben, Bewegung und Fashion, die Damen beeindrucken mit „lichten, duftigen Toiletten, die Herren tragen schon zur Mittagszeit den Smoking. Man ist stolz darauf, dass man hier, an diesem einzigartigen kakanischen „Sammelpunkt des high-life, präsent ist, genießt nach „Lust und Laune sociale Amusements oder gibt sich auch nur der ungestörten Ruhe hin. Belohnt wird der Erholungsreisende mit der „Empfindung gehobener Kraft und frischesten Lebensmuthes; Voraussetzung dafür sind eine gut gefüllte Reisekasse und eine entsprechende seelische und charakterliche Disposition: „Abbazia ist nichts für Herdenmenschen! Es ist ein vornehm stiller Kurort, ein zur Wirklichkeit gewordenes süßes Märchen, das seine eigens dafür gestimmten Gemüther verlangt, schreibt 1897 die Reisejournalistin Flora Horn aus Grüna in Sachsen über die ganz besondere Atmosphäre des Seebads, dem sie, angezogen von der unwiderstehlichen „Sehnsucht nach Blüthenduft und lauen Lüften, im Frühling und Sommer 1896 einen Besuch abstattet: wohlhabende, distinguierte Menschen in gepflegter Umgebung, ohne Hektik, eingebettet in die lichtdurchflutete Welt der Adriaküste. „Es lernt sich hier sehr schnell das Nichtsthun, eine Fähigkeit, die zu üben der an Thätigkeit gewöhnte Mensch an anderen Orten oft viele Mühe braucht, weiß Flora Horn ihren Lesern zu berichten. Das dolce far niente erfüllt den Augenblick, der Alltag des Nordens verliert in diesem „köstlichen Hafen des Friedens seine Bedeutung, Dasein ist wunschloses Genießen: „Wir schwelgen in Meereswollust und dem schmeichelnden Musikgesang … nur der Minute gehört jetzt unser ganzes Sein, kein Vorwärts, kein Zurück … eine stumme Bitte: ,O Sonne, stehe still!‘ und ein Zurückdrängen alles Kommenden: ,après nous le déluge!‘

    Attraktion für die Gäste aus dem Norden: die Palmen von Abbazia. Ansichtskarte, um 1905.

    „Nach uns die Sintflut!" – nirgendwo passt dieses Wort besser als hier, wo sich ein distinguirtes Curpublicum allenfalls über die Höhepunkte des nächsten „Weißen-Kreuz-Balls im Hotel Kronprinzessin Stephanie echauffiert, nicht aber über Preiserhöhungen bei Brot und Fleisch, die die Arbeiter Wiens auf die Straße treiben. Abbazia, das „gottgesegnete Stück Land an der Küste des Quarnero, ist die Enklave des Mondänen in Altösterreich, ein Ort, an dem das Verdrängen und Vergessen der wirklichen Welt zum Prinzip erhoben worden ist, glanzvolle Bühne für eine Gesellschaft, die in Ruhe und Stille genießt, die das Laute scheut, manches Unangenehme ausblendet. Ein Ort mit eigenem Rhythmus, frei vom „modernen Teufel, genannt Nervosität (Peter Rosegger), ihn „zu preisen reicht weder Zunge noch Feder hin, schwärmt 1890 der bekannte Kurarzt k. k. Sanithäts-Rat Dr. Alexander Wettendorfer aus Baden. Ja, man ist stolz auf Abbazia, denn es ist die Geschichte eines kakanischen Erfolgs, über die man berichten kann; wo einst „Dürftigkeit und Weltvergessenheit vorwalteten, blüht nun ein Winter-Kurort und Seebad, der „wirtschaftlichen Segen entlang der ganzen Küste, der „Österreichischen Riviera, verbreitet, der dem „internationalen High-life Rendezvous gibt und für immer mehr gut betuchte Gäste zur Alternative für Nizza, Cannes oder Hyère wird. „Jedem Österreicher, so behauptet die „illustrirte Cur- und Bade-Zeitung Hygiea, „ist Abbazia in’s Herz gewachsen, sein „Aufstreben bedeute ein „österreichisches Interesse".

    In Abbazia erschafft sich Kakanien in wenigen Jahrzehnten eine eigentümliche Parallelwelt, aufgebaut aus an den Quarnero exportierten kulturellen Versatzstücken, die das Land der Lorbeerhaine in ein zauberhaftes Stück „Österreich am Meer verwandeln, in eine perfekte „Heillandschaft, in der die „fröhliche Apokalypse, von der Hermann Broch später spricht, virtuos zelebriert wird: Nirgendwo sonst blühen Tratsch und Klatsch prächtiger, nirgendwo sonst fühlen sich die Kranken gesünder und die Einsamen glücklicher, nirgendwo sonst gibt man sich sorgloser angesichts einer Welt, die immer dreister mit dem Feuer spielt. Das Amüsement kennt hier keine Pause und kurz ist die Langeweile, immer raffinierter, immer vielfältiger wird das Angebot: Zwischen weichen Walzerklängen und schmetternden Märschen, zwischen Konfettischlachten und Varietéabenden, Tanzkränzchen und Parkfesten, Lawn-Tennis-Turnieren und Schwimmkonkurrenzen fällt es leicht, sich unbeschwert und unpolitisch zu geben; es ist ein Schweben in Genuss und Glück und Leichtsinn vor prachtvoller Kulisse und in herrlichen Dekorationen. Ja, hier am Quarnero will man diese Augenblicke ungetrübter Lebensfreude festhalten, sie festzurren unter diesem unheimlich blauen Himmel und nie mehr entfliehen lassen. Die Erste Gesellschaft Kakaniens feiert in Abbazia, der heiteren Bastion des Doppeladlers am Meer, ihre letzte Erfüllung, findet hier zu ihrer vollendeten, reinen Form, ehe sie mitgerissen wird vom verhängnisvollen Gang der Weltgeschichte. Was blieb, ist der Traum von einem Ort im Süden, der „einmal bei Österreich war, der italienisch wurde, später jugoslawisch und kroatisch und in dem die Hauptstraße „Marschall-Tito-Straße heißt und nicht mehr „Kaiser-Franz-Josef-Jubiläums-Reichsstraße, in dem die Hotels und Villen zwar vielfach andere Namen tragen, aber heller in imperialem Glanz erstrahlen denn je. Der alte Geist Kakaniens ist noch zu spüren, wer ihn fassen, ihm ahnend begegnen möchte, muss nur die Augen öffnen … Abbazia ist versunken, Opatija jedoch nicht unerreichbar. Wie sang man doch im Wien der Zwischenkriegszeit so treffend:

    Wer a Göd hot, der foahrt noch Abbazia,

    und wer kans hot, foahrt in ’n Übazieha …

    Erstes Südbahnhotel in Abbazia: das Hotel Quarnero. Photochromdruck, um 1890.

    Das Hotel Kvarner heute.

    EIN BRIGHTON IM SOMMER UND EIN CANNES IM WINTER

    urch Jahrhunderte, ja, Jahrtausende war es das Land der Fischer und der Piraten gewesen. Nie hätte sich hier jemand freiwillig niedergelassen, nur um die Schönheit der Landschaft zu genießen. Liburnia hatten die Römer diesen Küstenstrich Illyriens genannt und seine Bewohner, die Liburnier, waren geschätzt für ihre Fertigkeit im Bau seetüchtiger Schiffe, gefürchtet für ihre Raubzüge über Meer. Eine ganze Kriegsflotte hatte das Imperium zur Unterwerfung der Liburnier in das Meer vor der istrischen Küste entsandt; einen Winter lang lagen die Galeeren im Hafen von Val Augusta (Mali Lošinj) und machten von hier aus Jagd auf die liburnischen Schiffe. Den Schauplatz dieser langwierigen Kämpfe bezeichnete man als Mare Quaternarium, das „aus vier Teilen bestehende Meer", für dessen merkwürdig zerrissene Inselwelt die Römer im Mythos eine makabre Erklärung fanden: Medea, die mörderische Königstochter aus Kolchis, hätte auf der Flucht ihren Bruder Absyrtos zerstückelt, um so König Aetes, ihren Vater und Verfolger, aufzuhalten. Die einzelnen Gliedmaßen des armen Absyrtos lägen so noch immer verstreut im Meer: einen Schenkelknochen könne man in der Insel Cherso (Cres) erkennen, einen dünnen Armknochen in Lussin (Lošinj), Veglia (Krk) sei sein Schulterblatt gewesen und die Inseln Unie, Levrera und Sansego seien weitere Knöchelchen des Ermordeten. Die Eilande des Quarnero (heute: Kvarner) trugen daher in alter Zeit auch den Namen „Absyrtische Inseln". Freilich gab es auch andere Erklärungsversuche: Eingedenk der zahlreichen Opfer, die schwere Stürme hier immer wieder unter den Seeleuten forderten, leiteten die Venezianer, jahrhundertelang Herrscher über den Quarnero, seinen Namen von italienisch carnivoro (= „der Fleischfressende) ab. Und nüchterne Interpreten aus dem Norden wollten noch später eine Verwandtschaft zu „Karst und „Kärnten erblicken – Quarnero hätte also seine Wurzel in kar, dem keltischen Wort für „Stein, Felsen".

    Wäschermädchen am Strand von Abbazia. Gemälde von Olga Wisinger-Florian.

    © Giese & Schweiger, Kunsthandel Wien.

    Die Mönche von St. Jakob. Algraphie von Stephanie Glax aus dem 1906 entstandenen Mappenwerk „Abbazia".

    Wie dem auch sei – die Liburnier unterwarfen sich schließlich im 2. Jahrhundert vor Christus den Römern und bauten nun Schiffe für ihre neuen Herren. Iulius Caesar und später die Feldherren der Kaiser fuhren auf ihnen gegen die Feinde Roms. Nach dem Untergang des Imperium Romanum, in den Stürmen der „Völkerwanderung", verwandelte sich auch die Welt am Quarnero; der byzantinische Kaiser Heraklios erlaubte schließlich im 7. Jahrhundert die Landnahme durch das slawische Volk der Chrovati (Kroaten); das alte Liburnien fiel an das Patriarchat von Aquileja, das wiederum die Grafen von Duino als Lehensherren einsetzte. Doch 1372 kündigten die Grafen von Duino dem Patriarchen die Lehenspflicht auf und wandten sich neuen mächtigen Herren zu, die von nun an die Geschicke Istriens mitbestimmten: den Habsburgern.

    Irgendwann zwischen 1422 und 1431 kamen Benediktinermönche aus der zerstörten friulanischen Abtei St. Peter in Rosazzo an den Quarnero und gründeten hier ein kleines Kloster, das sie Abbazia S. Giacomo al palo nannten, die „Abtei St. Jakob am Stöckchen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1449 erwähnt ein erstes Mal diese bescheidene Niederlassung des mächtigen Benediktinerordens im istrischen Küstenland, die bald schwer unter den häufigen Einfällen der Türken und Venezianer zu leiden hatte. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts verließen die Mönche des heiligen Benedikt das Kloster, das nun von Weltpriestern geführt wurde und der kleinen Ansiedlung, die rund um die Abtei herangewachsen war, ihren Namen gab. Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, schenkte San Giacomo 1560 den Augustinern von Fiume für „immerwährende Zeiten, doch auch diese sollten zu Ende gehen: 1723 erwarben die Jesuiten des Fiumaner Seminars um 2.650 Gulden die Abtei im grünen Lorbeerwald; mit der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 und der Einziehung seiner Besitzungen wurde der größte Teil der Klostergründe an Private verkauft; den kleinen Rest verlieh man an den Archidiakon von Fiume, der sich nun auch „Abt von St. Jakob nennen durfte. Verbunden war diese Verleihung einzig mit der Auflage, dass der Archidiakon einen Priester zum Kirchendienst in Abbazia unterhalten müsse – es wurde still um das „ärmliche Kirchlein am Gestade der Adria.

    EINE NEUE EPOCHE BEGINNT

    Am Gang der Dinge auf diesem verträumten Flecken Erde ändert sich wenig – bis eines Tages der Holz- und Weizenhändler Higinio Scarpa (1794 – 1866) aus Fiume sich für das Terrain rund um die Abtei zu interessieren beginnt. Scarpa, Freimaurer und tüchtiger Geschäftsmann, zählt zu den Patriziern Fiumes und hat sich einen beachtlichen Wohlstand erarbeitet. Er will sein Geld sinnvoll investieren und kauft so zu Beginn der 1840er-Jahre einem gewissen Baron Haller von Hallerstein aus Triest in Abbazia ein Grundstück mit Gebäude ab, der Kaufpreis ist ein wahres Schnäppchen: Scarpa zahlt 700 Gulden für das gesamte riesige Areal – allein der heutige Park umfasst 3,64 Hektar. Er lässt das vorhandene kleine Gebäude, das Wohnsitz eines Abbazianer Seemanns namens Matija Justi ist, im Stil des späten Biedermeiers zur eleganten Sommerresidenz umbauen und nennt es nach seiner bereits 1832 verstorbenen Frau, einer geborenen Sartori, „Villa Angiolina". Das Gebäude weist im oberen Stockwerk – im Unterschied zu heute – noch zwei offene Terrassen auf, von denen sich ein herrlicher Blick auf den Quarnero bietet.

    Das Herrenhaus der Familie Scarpa: die Villa Angiolina.

    Die besondere Aufmerksamkeit Scarpas gilt der Gestaltung des Parks, für den er zahlreiche exotische Pflanzen nach Istrien bringen lässt, darunter Magnolien, Libanonzedern, Himalayazypressen und die japanische Kamelie (Camelia japonica). Um mit seiner Jacht bequem unmittelbar vor dem Ort vor Anker gehen zu können, investiert Higinio Scarpa auch noch in den Ausbau des Hafens, genannt „Porto Herdt" – eine Verballhornung des Wortes rt (= „Landzunge). Der leutselige Unternehmer führt ein offenes Haus und lädt immer wieder Gäste ein, für die er sogar einen eigenen Pendelverkehr mit Zweispännern zwischen Abbazia und Fiume einrichtet. Seine glanzvollen Feste erfreuen sich in der Fiumaner Gesellschaft großer Beliebtheit und bald kann er sich spektakulärer Besuche rühmen: 1854 kommen der Banus von Kroatien, Josef Freiherr von Jellačić, und seine Frau; 1860 hält sich Kaiserin Maria Anna zur Kur in Abbazia auf – die Villa Angiolina wird zum beliebten Anlaufpunkt der Ersten Gesellschaft des Reichs und mit ihr rückt auch die Region am Quarnero allmählich immer deutlicher ins Blickfeld des österreichischen und ungarischen Adels. Noch ist Abbazia ein Geheimtipp, doch langsam beginnt das einst so verschlafene Fischerdorf sein Gesicht zu verändern: Gegen Ende der 1860er-Jahre werden erste private Hotels und Gästehäuser errichtet und die Zahl der Besucher steigt. Unter jenen nicht allzu vielen „Touristen, die in dieser Zeit bereits den Weg in den österreichischen Süden finden, ist auch der bayrische Reiseschriftsteller Heinrich Noe (1835 – 1896). Auf seinen Wanderungen durch die Karstlandschaften Istriens und Dalmatiens kommt der polyglotte Münchner – angeblich kann er sich in 18 Sprachen verständigen – auch in das kleine Fischerdorf Abbazia und genießt hier die Gastfreundschaft der Familie Scarpa.

    Im alten Hafen: Ein „Barcarole" wartet auf Ausflügler. Foto, um 1885.

    Scheitert an der Wiener Bürokratie: Georg Mathias Šporers visionäres „Programm aus dem Jahre 1872 zur Errichtung einer „Balnear und Inhalations Heilanstalt in Abbazia.

    Paolo Ritter von Scarpa, „Gutsbesitzer, Besitzer mehrerer hoher Amten, Consul mehrerer Mächte, Patrizier und Gemeinderath von Fiume", pflegt wie sein Vater  sorgfältig die gesellschaftlichen Verbindungen der Familie; 1855 heiratet er Maria von Bruck, die Tochter des angesehenen Wirtschaftsfachmanns Karl Ludwig von Bruck, der eben in diesem Jahr von Franz Joseph auf den Posten des Finanzministers berufen wird. Bruck, ein glühender Patriot, tatkräftiger Reformer und eifriger Verfechter des Culturfortschritts in allen Bereichen, wird 1860 durch ungerechtfertigte Anschuldigungen in den Selbstmord getrieben; sein Schwiegersohn trägt diesen unruhigen Geist jedoch weiter, seine große Vision: der Ausbau Abbazias zu einem Bade- und Kurort.1869 gründet Paolo von Scarpa eine Aktiengesellschaft, die „Elisabeth Bad Aktiengesellschaft. Ihr Ziel es ist, in Abbazia ein maritimes „Badeinstitut, das „Elisabeth Bad", zu errichten. Dafür sollen weitere, an seinen Besitz angrenzende Grundstücke erworben werden,

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