Dr. Norden Bestseller 177 – Arztroman: Ein Weg ins Ungewisse
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Über dieses E-Book
Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Dr. Andreas Burkhard, Studienrat für Mathematik und Physik, stand vor seiner Klasse und verteilte die Schulaufgaben.
»Jetzt dürft ihr euch auf die Hosenböden setzen«, sagte er mit erzwungener Ruhe, weil ein dunkles Augenpaar ihn unverwandt anblickte. »Dieses Ergebnis kann ich nur als miserabel bezeichnen.«
»Sie war zu schwer«, sagte Thilo Rimstig.
»Du brauchst dich nicht zu beklagen«, erwiderte Dr. Burkhard. »Die einzige Zwei. Und mir braucht ihr keinen Vorwurf zu machen. Ich mache die Aufgaben nicht.«
Sein Tonfall drückte aus, was ihn störte. Er wußte, daß die Schüler der zwölften Klasse manchmal überfordert waren, aber für eine sah er besonders schwarz, und ihm behagte es nicht, daß dies ausgerechnet Iris van der Bourg war.
Ihr gab er die Zettel wortlos und wich diesen samtdunklen Augen aus. Sie zuckte die Schultern und setzte sich. Als sie die Fünf sah, lächelte sie hintergründig.
Dann läutete es. »Schönes Wochenende dennoch«, sagte Dr. Burkhard und verließ das Klassenzimmer fast überstürzt.
Thilo beugte sich über die Schulter der hübschen Iris. »Ist ja nur eine Fünf«, sagte er anzüglich. »Da hast du wohl im letzten Augenblick noch abgeschaut und ein paar Korrekturen vorgenommen.«
»Blödmann«, stieß sie hervor.
»Soll ich dir Nachhilfe erteilen?« fragte er.
»Du wärest der Richtige«, erwiderte sie schnippisch. Dann raffte sie ihre Sachen zusammen und ging.
Thilo drehte sich um und sagte anzüglich: »Sie denkt wahrscheinlich, daß Burki ihr eine Zwei zaubert, wenn sie ihm einheizt.«
»Sei nicht so gemein, Thilo«, sagte Peter Breul. »Burti ist ein dufter Lehrer. Er will doch für uns das Bestmögliche herausholen.«
Iris hatte Dr. Burkhard nachlaufen wollen, aber er war
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Dr. Norden Bestseller 177 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller
– 177 –
Ein Weg ins Ungewisse
Patricia Vandenberg
Dr. Andreas Burkhard, Studienrat für Mathematik und Physik, stand vor seiner Klasse und verteilte die Schulaufgaben.
»Jetzt dürft ihr euch auf die Hosenböden setzen«, sagte er mit erzwungener Ruhe, weil ein dunkles Augenpaar ihn unverwandt anblickte. »Dieses Ergebnis kann ich nur als miserabel bezeichnen.«
»Sie war zu schwer«, sagte Thilo Rimstig.
»Du brauchst dich nicht zu beklagen«, erwiderte Dr. Burkhard. »Die einzige Zwei. Und mir braucht ihr keinen Vorwurf zu machen. Ich mache die Aufgaben nicht.«
Sein Tonfall drückte aus, was ihn störte. Er wußte, daß die Schüler der zwölften Klasse manchmal überfordert waren, aber für eine sah er besonders schwarz, und ihm behagte es nicht, daß dies ausgerechnet Iris van der Bourg war.
Ihr gab er die Zettel wortlos und wich diesen samtdunklen Augen aus. Sie zuckte die Schultern und setzte sich. Als sie die Fünf sah, lächelte sie hintergründig.
Dann läutete es. »Schönes Wochenende dennoch«, sagte Dr. Burkhard und verließ das Klassenzimmer fast überstürzt.
Thilo beugte sich über die Schulter der hübschen Iris. »Ist ja nur eine Fünf«, sagte er anzüglich. »Da hast du wohl im letzten Augenblick noch abgeschaut und ein paar Korrekturen vorgenommen.«
»Blödmann«, stieß sie hervor.
»Soll ich dir Nachhilfe erteilen?« fragte er.
»Du wärest der Richtige«, erwiderte sie schnippisch. Dann raffte sie ihre Sachen zusammen und ging.
Thilo drehte sich um und sagte anzüglich: »Sie denkt wahrscheinlich, daß Burki ihr eine Zwei zaubert, wenn sie ihm einheizt.«
»Sei nicht so gemein, Thilo«, sagte Peter Breul. »Burti ist ein dufter Lehrer. Er will doch für uns das Bestmögliche herausholen.«
Iris hatte Dr. Burkhard nachlaufen wollen, aber er war schon im Lehrerzimmer verschwunden. Die Studienassessorin Ricarda Keller kam die Treppe herunter.
»Wollten Sie mich sprechen, Iris?« fragte sie freundlich.
Iris bewies Geistesgegenwart. Sie nickte. »Ich habe Mathe mal wieder verhauen. Könnten Sie mir vielleicht einen guten Nachhilfelehrer nennen?«
»Nicht aus dem Stegreif, Iris. Ich lasse es mir durch den Kopf gehen. Aber immerhin können Sie durch Sprachen ausgleichen.«
»Sie kennen ja meinen Vater«, sagte Iris mit einem Unterton, der Ricarda nicht gefiel, aber sie konnte sich beherrschen.
»Wir werden das schon hinbringen, Iris«, sagte sie.
»Danke«, sagte das Mädchen, aber ihre Lippen wölbten sich spöttisch.
Sie ist ein richtiges kleines Biest, dachte Ricarda, aber sie mußte ja gute Miene machen, denn der allmächtige Bankier Carlo van der Bourg spielte in ihrem Leben eine nicht unbeträchtliche Rolle. Nicht in privater Hinsicht, aber zufällig waren sie Nachbarn, und der Vater von Iris war schon längst darauf aus, Ricardas Elternhaus, eine alte Villa, zu erwerben.
Als Ricarda das Lehrerzimmer betrat, herrschte dort ein rechtes Durcheinander. Jeder redete mit jedem, und keiner von den Lehrern hatte Grund zur Freude.
»Es ist ein Skandal«, sagte Direktor Huber. »Ein Oberstudienrat ist gleichzeitig Kneipenwirt. Das wird einen Wirbel geben. Jetzt wissen wir wenigstens, warum er so oft krank ist.«
Dr. Burkhard sprang auf. »Es ist doch keine Kneipe, es ist ein anständiges Lokal, und es gehört seiner Frau«, sagte er. »Und bevor man jemanden verleumdet, sollte man sich erst einmal erkundigen, ob Schneiders nicht wirklich krank ist.«
Huber starrte ihn an. »Was wissen Sie, heraus mit der Sprache!« stieß erwütend hervor.
»Ich weiß nur, daß der Vater von Frau Schneiders gestorben ist und sie das Lokal weiterführen will. Schließlich haben sie vier Kinder, und wenn Schneiders vorzeitig pensioniert werden muß, haben sie wenigstens noch eine Existenz. Frau Schneiders ist jedenfalls eine sehr tüchtige Frau, und ich kann die Kollegen nur auffordern, einmal beim ›Alten Wirt‹ zu essen, um sich davon zu überzeugen, bevor ein Kollege verleumdet wird.«
Dann herrschte betroffenes Schweigen, bis Ricarda sagte: »Schneiders ist krank. Ich habe ihn gestern gesehen. Er sieht zum Erbarmen aus.«
Und dann sagte ein junger Referendar: »Ich wäre froh, wenn meine Frau eine gutgehende Gastwirtschaft erben würde. Aber mein Schwiegervater ist leider nur ein schlechtbezahlter Postbeamter. Mahlzeit allerseits.«
»Ein Ton reißt bei uns ein, den ich nicht billigen kann«, sagte Direktor Huber. »Aber wir wollen uns nicht aufhalten. Das Wochenende steht bevor.«
Ricarda verließ neben Andreas Burkhard das Lehrerzimmer.
»Nett von Ihnen, daß Sie Schneiders die Stange gehalten haben, Andreas«, sagte sie.
»Danke gleichfalls«, erwiderte er.
»Ich weiß, daß er sehr krank ist«, sagte sie leise. »Seine Frau weiß es auch. Aber er weiß es nicht, und man kann ihm doch nicht nahelegen, seine Pensionierung selbst einzureichen. Er ist vierzig Jahre.«
»Sie meinen, daß er nicht mehr gesund wird?« fragte Andreas bestürzt.
»Es sieht so aus. Aber das sage ich Ihnen nur ganz im Vertrauen.«
»Wie kann man ihm helfen?« fragte er.
»Sie haben ihm doch schon geholfen. Was könnten wir jetzt sonst noch tun?«
»Wissen Sie zufällig, von welchem Arzt er betreut wird?«
»Von Dr. Norden. Ein sehr guter Arzt. Kann ich Ihnen auch empfehlen, falls Sie mal einen brauchen sollten. Sie sehen ziemlich angegriffen aus.«
»Mich schlaucht es nur, daß die Zwölfte in Mathe nicht besser wird.«
»Die Auslese findet statt«, sagte Ricarda sarkastisch.
»Die kleinen Einsteins sollen herangezüchtet werden. Und im Zeichen der Gleichberechtigung sollen auch die Mädchen mithalten. Hat Iris Sie eigentlich schon gebeten, ihr Nachhilfe zu geben?«
Sie sagte es ganz beiläufig, aber er wurde verlegen. »Das geht doch gar nicht. Wenn sie dann bessere Noten schreibt, heißt es, daß sie bevorzugt wird.«
»Das wird Herr Bankdirektor van der Bourg voraussetzen. Schließlich ist Iris ein ganz besonderes Mädchen, nämlich seine einzige Tochter, und nachdem der Sohn in seinen Augen schon ein Blindgänger ist, darf sie ihn nicht enttäuschen. Aber auch in Anbetracht dessen, mißverstanden zu werden, lieber Kollege, möchte ich Ihnen raten, sehr vorsichtig zu sein, denn Iris ist die Tochter ihres Vaters.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Sie weiß ihre Vorteile zu nutzen, und die liegen unbestreitbar in ihrer Anziehungskraft. Man tuschelt schon darüber, wie sie Ihnen zu gefallen sucht.«
»Wer tuschelt darüber?« fragte er gereizt.
»Die jungen Männer der Zwölften. Als Buben kann man sie ja nicht mehr bezeichnen. Und ich kann nur sagen, daß ich auch so einiges mitmache, Andreas, wenn man darauf auch nicht so viel Augenmerk richtet, da ich schließlich wenigstens sieben Jahre älter bin als diese Burschen. Auch als Frau hat man es nicht leicht.«
»Aber Sie nehmen es anscheinend leicht«, sagte Andreas.
»Durchaus nicht. Ich bin meiner selbst nur sicher.«
Seltsamerweise fühlte er sich von ihr durchschaut, obgleich er überzeugt gewesen war, daß niemand es bemerkt haben konnte, wie verliebt er in Iris van der Bourg war, schon, als er vor einem Jahr zum ersten Mal diese Klasse übernommen hatte, und sie so dicht vor ihm saß, und ihn mit ihren großen dunklen Augen anblickte. Und er hatte ein paar Zahlen ausgebessert, damit sie wenigstens eine Fünf bekommen konnte, denn eigentlich hatte kein Ergebnis gestimmt.
Und Iris hatte das natürlich bemerkt.
*
Man aß im Hause van der Bourg nicht zu Mittag, es wurde gespeist, fürstlich gespeist, obgleich Melitta van der Bourg eigentlich auf ihre Figur achten mußte und Carlo van der Bourg sehr kritisch bemerkte, daß seine Frau aus allen Fugen geriet.
»Findest du nicht, daß du zu dick wirst?« bemerkte er höchst drastisch, und sofort ließ sie den Löffel fallen, obgleich das Dessert ganz köstlich schmeckte.
»Laß Mama doch essen«, sagte Iris anzüglich. »Sie gleicht damit Konflikte aus. Es würde dir doch nicht gefallen, Papa, wenn dir eine launische Superschlanke gegenübersitzen würde.«
»Dein bissiger Humor ist herzerfrischend, Iris«, bemerkte er. »Ich kann ja dich anschauen. Du wirst immer hübscher. Jedoch hoffe ich auch, daß deine schulischen Leistungen nicht darunter leiden.«
»In Mathe habe ich leider eine Fünf, Papa«, sagte Iris, »aber ich dachte mir, daß wir Dr. Burkhard und die Keller zu meinem Geburtstag einladen könnten. Sie ist meine Klassenlehrerin und er mein Mathelehrer.«
Carlo van der Bourg runzelte die Stirn. »Und was versprichst du dir davon?«
»Mein lieber Papa ist doch so loyal«, sagte sie. »Die Keller ist dir verpflichtet, und Burkhard ist einfach ein netter Mensch. Wenn man dem ein bißchen freundlich entgegenkommt, kann man allerhand erreichen.«
»Du bist frivol, Iris«, sagte Melitta van der Bourg empört. »Zu meiner Zeit…«, weiter kam sie nicht, denn sie wurde sogleich von ihrer Tochter unterbrochen.
»Zu deiner Zeit, liebe Mama, wurden höhere Töchter darauf dressiert, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen. Aber du hast eben nur eine Tochter