Tintenfrische II
Von Lektora
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Über dieses E-Book
Es sind die Texte einer Generation, die viel zu sagen hat, deren Worte man hören muss. Wie der deutschsprachige Poetry-Slam-Champion Sebastian 23 so treffend sagt: "Man braucht den Leuten oft nur einen Zettel, einen Stift und ein Mikro zu geben und schon sprudelt es nur so aus ihnen heraus. Wie will man sonst auch ihre Stimme hören, wenn man sie nichts sagen lässt?" Auffällig ist auch, dass die Autoren ihren Standpunkt oft mit derber Sprache darbieten, viel Humor zeigen und schlechte Witze machen, über die man letztendlich doch lachen muss.
Slam-Poetin Theresa Hahl, die seit 2009 in der Szene bekannt ist, ist heute wie damals begeistert von den Texten und äußert: "Man könnte meinen, irgendwann muss doch im Poetry Slam einmal ein Textzenit erreicht sein, aber die jungen Poeten sprengen jegliche Horizonte." Jeder der Autoren entwickelt seinen ganz eigenen Schreibstil, wobei sie mit Poesie und Lyrik spielen und auf kreativem Weg dem Leser offenbaren, was in ihnen schlummert. "Es ist nicht so, dass die jungen Poeten sich an uns messen müssen. Wir müssen uns an ihnen messen – und das ist schwer!", kommentiert Szene-Größe Felix Römer.
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Buchvorschau
Tintenfrische II - Lektora
Hand.
Jason Bartsch. Postpoetry.NRW-Preisträger 2012, Treffen Junger Autoren Berlin 2013, Longlist des internationalen New Voices Award der PEN 2014, Teil des Jahrbuchs der Lyrik 2015 der DVA. Halbfinalist der deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam 2013, Finalist in der Kategorie U20, Vizemeister der NRW-Meisterschaften. Veranstalter sämtlicher Poetry Slams im Ruhrgebiet. Lebt und arbeitet in Bochum und Darmstadt.
Ein Text, der verstehen helfen soll
Als ich noch jünger war, schrieb ich kryptische Gedichte.
In Versform erzählte ich verwirrende Geschichten, saß zuhause, hörte Musik, die niemand hören will, weil sie verstörend wirkt und sich kanalisiert und verdichtet,
dein Gehirn im Zentrum auf die kreative Schaffensphase richtet.
Ja, vermutlich war ich irgendwie verschroben, ohne Sozialkontakte ein wenig abgehoben, doch wenn man als Pubertierender schon nicht weiß wohin, dann doch nach oben.
Man ist schließlich auch Nichts-zu-Verlierender, worin man sieht, dass mein Glas damals schon halb voll war.
Mit Bier.
Mein Bücherregal war auch voll.
Mit Bukowski.
Und hier begann ich auch zu rauchen,
mit Verlaub auch wenn
die Argumente fürs Rauchen mit dem Älterwerden schwinden,
Fakt ist doch:
Rauchen lässt dich gut aussehen und schneller Freunde finden.
Irgendwann kam einer dieser „Freunde, die ich hinter der Turnhalle kennengelernt habe, zu mir nach Hause und fragte mich, ob ich Poetry Slam kenne, und wie das unter oberflächlichen Freunden so ist, habe ich natürlich „Ja
gesagt. Und wie das unter oberflächlichen Freunden so ist, hat er trotzdem Youtube aufgemacht, mir ein Bier rübergereicht und schon war ich verliebt. Ich bin der Meinung, dass jeder Junge Idole braucht und er gab mir meine.
In dem rhythmischen Rattern der Reime versank ich, verliebte mich in Sebastian23.
Für die Wunder der Sprechkunst im Klang unverhofft, man
verguckt sich so leicht in Songs von Toby Hoffmann.
Und für mich noch immer erste Wahl:
Für Rosenrabauken und Räubertöchter,
Ginstergespenster und Traumverfechter,
das Slam-Gesicht schlechthin: Theresa Hahl.
(Mittlerweile wohne ich mit ihr zusammen, Jackpot.)
Mein Freund schaute mich an,
sah, wie meine Augen glitzerten,
wir witzelten noch über Sinn und Verstand,
stand für mich schon längst fest:
Erst schreib’ ich ’nen Text und wenig später dann steh’ ich da oben, das ist schließlich meine einzige Richtung,
sodass man vielleicht irgendwann ein Video von mir bei Youtube finden kann.
Und ich schrieb und schrub und schrubte,
ich vergoss, vergrub und suchte,
ich verdroß genug und fluchte und
wenig später stand der Text und
ich schon auf einer kleinen Bühne in der Stadt.
Der Moderator war ein Arschloch
und ich hab’s hart verkackt.
Ja, der Boden der Tatsachen
greift auch nach Glasflaschen,
aber meine Flasche Bier war immer noch halb voll
und draußen vor dem Laden
standen Slammer, die sich gerade
über Termine unterhielten,
und ich verfiel in
Schockstarre, denn man hatte mich gebeten
in Wuppertal aufzutreten.
In Wuppertal.
Ich war völlig aus dem Häuschen,
man stieß noch mit mir an und kurz,
kurz war ich Bukowski,
bis ich wieder zu mir fand und
mit mir waren da Freunde.
Leute, denen ich sagen konnte, dass ich keine Ahnung hätte, wer Paul Auster sei oder Dalibor Markovic. Leute aus Städten, die ich nicht kannte, die mich einluden, als wär’ ich ein entfernterer Verwandter.
Sie sagten, ich könnte auf ihrer Couch schlafen, wenn ich käme.
Sie hätten nicht viel Geld für mich, aber ich hatte plötzlich Pläne.
Ich fuhr Zug und ich fuhr Zug und ich fuhr Zug und dann:
fuhr ich nach Herne.
Lernte Idole kennen, genoss diese Wärme,
so gut und gerne, wie ich sie alle nennen würde, sage ich Danke.
Ihr wisst, dass ihr gemeint seid,
ihr seid entferntere Verwandte.
Überall hast du fünf Minuten Zeit.
Fünf Minuten, um das Publikum zu begeistern, um dir selbst treu zu sein und deine Ängste zu meistern.
Fünf Minuten von dir selbst in einem Text, fünf Minuten Liebe, das meiste davon echt. In fünf Minuten noch ein Bier hinter der Bühne, fünf Minuten für Gedanken und Gefühle, ein bisschen Ruhm in fünf Minuten.
Fünf Minuten für die Lustigen, Bemühten, die Guten, fünf Minuten für das Schöne und Wahre,
die Zeit, die es braucht, um alles zu sagen.
Ich hasse Pathos eigentlich ziemlich, aber diese fünf Minuten können euer verdammtes Leben verändern, sonst würden nicht Hunderte von Poeten stundenlang Zugfahren, sich ihre Seele aus dem Leib schreien und von der Bühne gehen, um von einem Publikum bewertet zu werden, dass ja vielleicht ’nen schlechten Tag hatte, vielleicht auf Klappstühlen sitzt und vielleicht nur einen Bruchteil deiner Fahrtkosten als Eintritt gezahlt hat.
Aber du tust es so lange, bis die erste schlechte Wertung nicht mehr weh tut, bis du jeden im Backstage kennst und dein eigenes Zuhause mit ’nem Navi suchen musst.
Ich war in Flensburg und Hamburg,
Gießen und Frankfurt,
vor sechs Leuten im Jugendzentrum,
vor Tausend im Schauspielhaus,
auf alten Bierkästen im AZ und
auf Festivalbühnen.
Du fragst mich warum?
Du tust es für den einen Lacher,
der immer funktioniert,
für die eine Träne, die ein Mann vor dir verliert,
für den Applaus nach dem Auftritt,
für eine Wertung mit Aussicht auf’s Finale,
für eine 6.2, die dich rauskickt und gerade
für die Menschen, denen du Tag für Tag etwas
mitgeben kannst,
die, denen du vielleicht hilfst, und die,
die du zum Schweben bringen kannst.
Du tust es für