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Wozu all diese Briefe gut waren...
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eBook480 Seiten5 Stunden

Wozu all diese Briefe gut waren...

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Über dieses E-Book

Georg Aeberhards Briefe führen uns seit den 50er Jahren bis heute durch sein Leben, das in Prag einen Anfang nahm (geb. 1949) und quer durch Europa bis nach Kalifornien, Brasilien, Peru oder Australien verlief. Sie geben Zeugnis davon, wie das Weltgeschehen sein Leben prägte; sie tun es auf eine persönliche Art und Weise, rufen uns in Erinnerung, welche Wichtigkeit diese Art von Kommunikation hatte - wozu die Briefe gut waren...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum13. Apr. 2023
ISBN9783756282982
Wozu all diese Briefe gut waren...
Autor

Georg Aeberhard

Georg Aeberhard? Ein Asylant in der Schweiz, ein eingebürgerter Schweizer (1988), ein ausgebürgerter Prager (1988), ein wieder eingebürgerter Prager (1990), ein Auslandschweizer (1997-2009), einer, der in Solothurn gestrandet ist. Jiri Havrda aka Georg Aeberhard war Drehbuchautor, Filmegisseur, Galerieinhaber in Prag und in Solothurn (galerie9.com). Georg Aeberhard ist ein Pseudonym, das Jiri Havrda als Schriftsteller seit 2017 verwendet; er schreibt auf Englisch ("Rien Ne Va Plus") oder auf Deutsch ("AUF DEN HUND GEKOMMEN", I - III.)

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    Buchvorschau

    Wozu all diese Briefe gut waren... - Georg Aeberhard

    EINLEITUNG

    Alberto Manguel³: Jede Sprache ermögliche eine eigene Form des Denkens, ...

    Oder nach Gustavo Pérez Firmat⁴: The fact that I am writing to you in English already falsifies what I wanted to tell you. My subject: how to explain to you that I don’t belong to English though I belong nowhere else.

    Nun, where do I belong to? Welche ist meine Sprache? Die Muttersprache Tschechisch, die erlernte und mit einem BA in Arts belohnte englische Sprache? Oder ist es die angelernte deutsche Sprache und deren Schweizer Dialekt? Ich habe mich entschlossen, dieses Buch über die Rolle der Briefe in meinem Leben auf Deutsch zu schreiben. Ganz einfach, weil meine Kinder in der Schweiz leben und mein Leben hier zum Abschluss kommt. Aber die meisten Briefe von mir und zu mir sind nicht Deutsch geschrieben; ihre Übersetzung nivelliert (falsifies) ihre Aussage, obwohl ich bemüht war, die Tonart einer jeden Sprache am treffendsten zum Klingen zu bringen.

    Es gibt jedoch auch Kapitel, die ich nicht in allen Passagen übersetzt habe, damit der sprachliche Wirrwarr im O-Ton auf den Leser prasselt; es ist auch klar, dass zu so einem Briefwechsel ein Konterpart notwendig war, der die verwendeten Sprachen beherrschte und sie ausspielen konnte (nebst Deutsch und Tschechisch vor allem Englisch, wie auch Französisch und Italienisch, sowie Schweizer Dialekt obendrein); es sind einige Absätze resp. einzelne Sätze in den Kapiteln:

    ETHIK DER ANPASSUNG [E]

    DAS THEATER [E]

    SAN FRANCISCO, EIN ABSCHIED [E]

    DIE LIEBESBRIEFE [I, E]

    PERU & BRASILIEN & ITALIEN [E, I]

    Manche Passagen in diversen Fremdsprachen habe ich nicht übersetzt, da es Gedichte sind, oder sie beziehen sich inhaltlich zu Personen oder Geschehnissen, die sowieso nur im Kontext des angelsächsischen Kulturkreises zu verstehen sind. Oder ganz einfach, weil ich nicht den Mut habe, sie zu übersetzen, vor Angst, den Originalzeilen in ihrem multilingualen Zauber nicht gerecht zu werden.

    WOZU ALL DIESE BRIEFE GUT WAREN

    (Und immer noch sind - als e-mails & SMS)

    Bitte schreibe bald wieder - Worte von Dir heitern mich auf und sie verhindern es, den Verstand zu verlieren.

    Mit freundlichster Zuneigung und Küsschen, Verne (1977, Tschad)


    ³ Zitiert nach NZZ, 6.6.2011, Roman Bucheli

    ⁴ https://www.azquotes.com/author/34028-Gustavo_Perez_Firmat

    DAS RAD ROLLT AN

    Was geschrieben steht, muss nicht ganz wahr sein, aber es kann zur Wahrheit führen, zumindest einer gefühlten. Um Briefe, von denen da die Rede sein wird, ganz zu verstehen, muss man ihre Einbettung aufleben lassen. Deshalb jetzt am Anfang - und später immer wieder -, folgen einige Sätze, welche die Ursprünge einer Freundschaft, respektive Verwandtschaft beleuchten; Verwandtschaft im doppelten Sinne: mit den Eltern, den Grosseltern und mit meiner Schwester einerseits, mit Freunden in einer Einstellung zum Leben verwandt, welche die gleichen Vorlieben und Werte teilen, mit Freundinnen und Ehefrauen desgleichen, aber um das Grundgefühl der Liebe reicher.

    Um was es dem Autor geht? Warum taucht er in die Vergangenheit ein und zerrt das Vergangene wieder ans Tageslicht? Die Antwort mag im Befund Heideggers liegen, wenn er das Dasein des Menschen als Sein, dem es in seinem Sein um sein Sein selber geht¹.

    Im Alter von 70 Jahren habe ich keine Ambitionen, was eine Veröffentlichung anbetrifft. Die meisten Brieffragmente sind übersetzt, aus dem Tschechischen oder aus dem Englischen. Ich bin dieses Manuskript angegangen, wie ich die Briefe und Tage- und Notizbücher im Laufe meines Lebens geschrieben habe, dem Instinkt gehorchend, jeweils das Teuerste oder das Bewegendste festzuhalten - für mich allein, mich am Guten wie Schlechten berauschend. Ich war mein eigener Leser, ich bin es noch, und obwohl vielfach Tränen flossen, ich wieder Schmerz oder Rührung verspürte, so habe ich oft ein Lächeln um meine Mundwinkel gespürt, manchmal sogar laut auflachen müssen. Falls also noch weitere Leser die nachfolgenden Kapitel lesen sollten, wünsche ich ihnen das gleiche, die Stimmung wechselnde Vergnügen.

    Das Schreiben von Briefen und Postkarten fing mit vorab adressierten Korrespondenzkarten an, die ich als Kind meinen Eltern und meiner Grossmutter zu schicken hatte. Es waren karge Mitteilungen aus den Ferienlagern betreffend Wetter, Essen (Mami, schicke mir bitte mehr von den Äpfeln, sie schmeckten mir sehr...), Klagen über mangelndes Taschengeld und die Rückkehr ankündigend: Ich bleibe auf dem Bahnsteig bis ihr mich findet.

    Einen der ersten Briefe, den ich bekommen hatte, mit etwa zwölf, war von meiner Schwester Eli, eine Antwort auf einen Brief von mir:

    Lieber Jirko,

    ich danke Dir für Deinen Brief und ich muss gestehen, dass ich sehr angenehm überrascht war. Ich verstehe Deine Sorgen mit dem Lernen und ich halte Dir die Daumen, damit alles gut kommt und Du die Winterferien geniessen kannst. Falls nichts anderes aufkommt, den Weg nach Dubeč kennst Du ja!"

    Dubeč hiess das Dorf in der Nähe von Prag, wo unser Grossvater ein Haus bauen liess, in welchem jetzt meine verheiratete Schwester mit ihren Kindern wohnte und wohin ich von Prag aus immer wieder radelte.

    Es folgte die obligatorische Korrespondenz mit Freunden aus den Ländern des sozialistischen Lagers, die wir auf Russisch zu führen hatten. Wenn die Lehrerin jeweils die Klasse mit den Briefen in der Hand betrat, war ein gewisses Seufzen zu vernehmen; mein Widerstand Moskau gegenüber zeigte sich darin, dass ich womöglich eine Brieffreundin aus Polen oder Estland wählte. Ihre Namen sind mir nicht mehr geläufig, aber ich weiss, dass die eine aus Bialystok war, die andere aus Tallinn; später kam noch Leana aus der brüderlichen DDR dazu, eine Diskuswerferin aus Erfurt. Obwohl die Korrespondenz auf Russisch erfolgte, ideologisch war sie keineswegs; es blieb beim Wetter, das genügte für eine positive, persönliche Beurteilung als klassenbewusster Pionier.

    Die nächsten Stufen waren die unbeholfen-romantischen, handschriftlichen Annäherungsversuche an Mädchen aus der nahen wie der fernen Umgebung (Stadtquartiere Prags) oder an Ferien- oder Sportlager-Bekanntschaften. Die kürzeste Antwort klang dann so: Wie geht es Dir? Regnet es in Prag auch? Das genügt jetzt. Ahoi. Ja, ich entbrannte schnell, ich suchte das Weibliche. Diese Sucht - oder besser Sehnsucht? - ist wohl der Tatsache zu verdanken, dass ich kränklich zur Welt kam, lange an komplizierter, schwerer Mittelohrentzündung litt; kurz, ich hing am Rockzipfel meiner Mama. Das führte dazu, dass sie Heimarbeit für eine volkseigene Bekleidungsgrossfirma ausführte, das richtige Geld jedoch abends mit Schwarzarbeit für ihre alte Klientel verdiente. Da meine Mutter vor dem Kommunistenputsch als selbstständige Damenschneiderin arbeitete, blieben ihr diejenigen Kundinnen treu, denen das linientreue, beschränkte Konfektionsangebot nicht genügte, und somit hatten wir viel Damenbesuch.

    Ich war ständig während den Anproben dabei, und die Damen nahmen mich gerne auf den Schoss, wenn sie jeweils auf unserer Couch auf die nächste Anpassung warteten. Ja, ich war zum Schmusen gut, und ich genoss es auch. Wir wohnten in einer Zwei-Zimmerwohnung und die Couch war in der Küche, wo auch die manuelle Singer-Nähmaschine in einer Ecke stand. Das ins Freie nach Süden gerichtete Zimmer war für alles Mögliche geeignet: es diente, um zu kochen, zu essen, zu nähen und für den Vater auch zum Schlafen, da die Couch ausziehbar war. Wenn die Anproben stattfanden, musste sich Vater ins Wohn- und Schlafzimmer zurückziehen, und ich blieb der alleinige Prinz unter den Damen. Ich liebte es zu beobachten, wie sie im silbern schimmernden Tüll-Unterrock auf den Hocker stiegen, wie sie sich langsam um die eigene Achse drehten, während meine Mama ihnen den eigentlichen Kleiderstoff umlegte und mit Nadeln absteckte. Die Frauen glichen glänzenden Porzellanfigürchen, die sich auf einer Musikdose drehen würden.

    In der Altersgrösse eines Krabbeltierchens profitierte ich noch von einer anderen Konstellation: unsere Etagen-Nachbarn links von uns hatten eine Tochter namens Milada, die rechts deren drei, namens Milena, Jiřina und Věra. Milada, die fast schon erwachsen war, kam gern auf einen Klatsch zu meiner Mama, die drei Schwestern wiederum waren meine Babysitter, wenn es mal dazu kam, dass meine Eltern gemeinsam in den Ausgang gingen. Der schönen, blonden Milada legte ich gerne meinen Kopf in den Schoss, so dass ich das weiche Gewicht ihrer Brust zu spüren bekam. Meine Mama und Milada tratschten los, die Nähmaschine surrte immer wieder auf, und es mag sein, dass ich in dieser behüteten Lage gleich einem Kater schnurrte... Cees Noteboom beschreibt in seinem Buch Rituale diesen Urzustand folgendermassen: 'An jenem Tage waren die Frauen zu seiner Religion geworden, zum Zentrum, zum Wesen aller Dinge, zu dem grossen Wagenrad, auf dem die Welt sich drehte.


    ¹ https://de.wikipedia.org/wiki/Fundamentalontologie

    ⁵ Rituale, 1985, Frankfurt a. M., 2004. ISBN 3-518-38946-7

    ERSTE LIEBE

    Durch die Damenbesuche von Mutters Kundschaft und die Zuwendung meiner Nachbarinnen konditioniert, wurde ich wohl nicht nur gesund, sondern auch fähig, in den Kindergarten zu gehen. Und da passierte es zum ersten Mal, dass ich mich verliebte, ja, die Zuneigung zum weiblichen Geschlecht verwandelte sich in Liebe, im Alter von etwa vier, fünf Jahren. Und zwar zuerst im Traum. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Mama am Morgen danach fragte, ob mein Hals sauber sei, besser gesagt, ob mein Kragen nicht schmutzig war bevor ich in den Kindergarten aufbrach. Ich war ernsthaft besorgt - so schilderte es auch Mama später immer wieder einer Anekdote gleich - , dass mein Traummädchen an einem dreckigen Hals Anstoss nehmen könnte. Das Mädchen hiess Pavla. Im Traum tanzten wir mit anderen Kindern in einem Kreis zusammen, wir alle trugen Negligé-Nachthemden wie in einem Märchen, Engelchen gleich, ich sah jedoch nur Pavlas niedliches Gesicht vor mir, ich war hin und weg...

    Pavla bin ich bis in die Sekundarschule, die wir ebenfalls zusammen besuchten, treu geblieben, (einen letzten Brief hatte sie mir mit 15 Jahren geschrieben), dann wurde es mir zu viel, da sie drei kleinere Schwestern hatte, um die sie sich kümmern musste und wir kaum allein sein konnten; ich kam ja in das Alter, in dem ich gern meine Hände da anlegte, wo die weiblichen Reize sich verstecken - das grosse Wagenrad rollte unbeirrt weiter.

    An die vierzig waren wir in unserer Klasse, gleichviel Knaben und Mädchen, und bei den Mädchen merkte man, wie sie sich entwickelten, wie ihre Busen allmählich anschwellten. Wir provozierten sie, sie kreischten, in den Pausen kam es immer wieder zu einem ungelenken Körperreigen, für eine Sekunde konnte man die Weiblichkeit zu fassen bekommen, womöglich den Venushügel. In den Turnstunden waren wir auch alle zusammen, und da hatte man auch etwas für das Auge: aus den unförmigen Unterhosen wanden sich widerspenstige Schamhaare heraus und wirkten ungemein erotisch. Diese Eindrücke blieben im Bewusstsein sowie im Unterbewusstsein gespeichert, nachts hatten sie die Kraft, feuchte Träume herbeizuzaubern. Ja, ich wüsste noch die Namen der Klassenmädchen (siehe Abb.), die schon im Begriff waren, richtige Frauen zu werden. Mit einer, die eben auch so frühreif war, wechselte ich einige Briefe, aber erst Jahrzehnte später, als ich bereits im Westen lebte und Ivana in Syrien, wohin sie kurz nach 1968 geheiratet hatte; einen dieser Studenten aus der Dritten Welt, denen die Länder des sozialistischen Lagers Ausbildung zu bieten hatten; glücklich wurde meine blonde, langbeinige Schönheit nicht.

    Ich denke oft an sie, mit jeder Nachricht, die seit Jahren aus diesem geplagten Land eintrifft; ich frage mich, wie es ihr geht, ob sie noch lebt. Seitdem meine Mutter verstorben ist weiss ich von Ivana nichts mehr. Verschollen.

    Postkarte zum Namenstag des Hl. Georgs, 24.4.1964

    Gewiss nicht wenig eitel diese Glückwunschkarte zu zeigen - Pavlas und Ivanas Unterschriften fehlen da nicht.

    ENGLISCH, NICHT RUSSISCH

    Der leuchtendste Juwel, sagte der persische Dichter, der am Halse eines jungen Mannes funkelt, ist der Abenteuergeist.

    Walt Whitman, Leben und Abenteuer von Jack Engle, 2019

    Es kam also der Zeitpunkt, da erwachte in mir der Junge, der Halbstarke, der nicht mehr verprügelt wurde, da er dem lokalen Leichtathletikverein beigetreten war und bis zu fünfmal wöchentlich ins Training ging. Es war die Zeit nach den Olympischen Spielen in Rom, und wir wollten alle die nächsten Olympiasieger werden. Es war uns ernst. Und dieser sehnsüchtige Blick in die Welt hinaus hiess - Englisch zu lernen. Das war die Sprache der gelobten Länder hinter dem Eisernen Vorhang. In der Schule gab es nebst dem obligatorischen Russisch keine Sprachkurse, und so kramte ich Vaters Lehrbüchlein Teach yourself English by yourself hervor. Aber als ich damit anfing, spürte ich, dass ich auch sonst an die Angelsächsische Kultur anknüpfen wollte; wir hörten Radio Luxemburg, wir wussten von The Shadows, The Beatles, The Rolling Stones, usw. Bei uns liefen die Songs jedoch als Cover Versionen, da die Texte Tschechisch sein mussten. Mich an die Briefe aus den sozialistischen Brüderländern erinnernd, träumte ich von einer Brieffreundschaft mit jemandem aus England. Im Hause von meiner Tante Eugenie und meinem Lieblingsonkel Rudolf fand ich eine uralte Nummer der satirischen Zeitschrift The Punch, und ich schrieb an die Redaktion einen Brief, in dem ich meine Bitte vorbrachte. Und siehe da:

    Dear George

    I work for the publishing firm that you sent your letter to and I would be glad to correspond with you. Do you wish me to correct your English for you? I’m 16 1/2 and I work as a short-hand typist for Punch Publications Ltd. ...

    ...

    Yours Sincerely

    Sandra Lyons

    So ging es los zwischen mir und Sandra, und es dauert immer noch an, obwohl wir uns bloss ein einziges Mal persönlich begegnet sind, in London zu Ostern 1969, ein halbes Jahr nachdem ich aus der CSSR emigriert war - mit einem erlogenen Einreisevisum nach Grossbritannien, das ich dank einem fingierten Einladungsbrief zu Sandras fiktiver Hochzeit bei der Ausreise vorweisen konnte; die fiktive Einladung legte ich in einen richtigen Briefumschlag von einem kürzlich erhaltenen Brief Sandras. Mein pen-friend korrigierte seit 1965 fleissig mein werdendes Englisch, so dass drei Jahre später der von mir getippte Einladungsbrief die Gnade des das Visum erteilenden Botschaftsbeamten gefunden hatte. Ich machte gute Fortschritte mit meinem Englisch, und es war auch diese Fremdsprache, die ich in der Schweiz zunächst benutzte (mit einer Aussprache à la Radio Luxemburg, dem Sender der US-Forces in Europa).

    Die Art und Weise, wie Sandra an meinem Englisch arbeitete, mir ihre Korrekturen mitteilte, verdient eines Beispiels, einer Kostprobe:

    Nebst Grammatik lernte ich auch Wörter, die in den alten Wörterbüchern gar nicht vorkamen, wie z.B. das Verb two-time: Ich bin nie mit zwei Jungen gleichzeitig gegangen und ich habe nie einen versetzt, aber das alles ändert sich nun, ich will nicht mehr so weichherzig sein, ich werde gemein sein, ich werde mit zwei gleichzeitig gehen, und ich will die Jungen versetzen. Ich will ihnen alles das antun, was mir angetan worden ist, und ich werde sie wie Dreck behandeln. Es ist mir egal, jetzt bin ich daran, herzlos zu sein und schauen, wie es ihnen gefällt. Den Jungen ist es egal wie stark sie weh tun, sie haben kein Herz. Ich bin gerade so traurig, dass ich spüre wie mir die Tränen die Wangen runter laufen. Die Welt ist ungerecht, es ist die Welt der Jungen, die Mädchen haben keine Chance. Die Jungen dürfen sagen was sie wollen, tun und uns behandeln, wie es ihnen gefällt, und wir stehen bloss da und müssen damit fertig werden. Wenn wir etwas zu machen versuchen, heisst es sofort, wir verfolgen sie, und Mädchen sollen den Regeln zufolge keinen verfolgen.

    Aber eben, wozu waren diese Briefe sonst noch gut? Sandras Wutausbruch heute lesend, 50 Jahre später, zeugt er von einer unbändigen Lust, das Lebe zu meistern; und Sandras Teenager-Lust war riesig, da hatte ich fast Mühe mitzuhalten. Heute füllen sich meine Augen mit Lach- oder Mitleid-Tränen, je nachdem, wenn ich die folgenden Sätze lese: Du fragst nach der Kürze der Röcke? Gut, das ist die Frage. Wenn Du die traditionelle meinst, old fashioned, dann nicht. Mir gefallen moderne Kleider und moderne Tanzstile und alle anderen modernen Dinge, aber ganz kurze Röcke, Schenkel hoch, dafür musst du gross gewachsen und schlank sein, damit es gut aussieht, und die Jungen denken nicht gut über Mädchen, die sie kurz tragen, so trage ich meine Röcke kurz, aber nur so knapp über den Knien, was auch sehr modisch ist, noch nicht unanständig, genau richtig, sagt John. Aber ich selbst denke, ich habe nicht so schöne Beine, dass ich kurze Röcke tragen sollte.

    So, jetzt muss ich Schluss machen und zurück an die Arbeit. Tschüss und schreibe mir bitte bald wieder. Und liebe Grüsse an deine Mutter und deinen Vater, und meine besten Wünsche und Grüsse an Alena.

    Deine Freundin für alle Zeiten

    SANDRA

    Retrospektiv würde ich unsere Korrespondenz in ihrer Funktion als eine Art intimes Tagebuch sehen, etwa ähnlich wie es Sue Townsend in ihrem Buch The Secret Diary of Adrian Mole. ⁶ gelang. (Wie ginge es wohl Sandra, falls sie meine Briefe heute lesen würde?)

    Die fortschreitenden love affairs, unser Feuer oder Enttäuschungen vertrauten wir uns gegenseitig an, und dank den Briefen weiss ich noch, für wen mein Herz entbrannte, schlug oder schmerzte: Alena, Silvia, Helena, Anina... Und schliesslich Lucie. Und Sandra? John (zweimal), Dave, Richard, Fuzz, Chick, Steve, Pete, Mackie, und Frank... Frank! Sandras Beschreibung von Frank ist köstlich: Ich wollte nicht mit ihnen ausgehen, weil Frank so was wie viel zu viele Hände hat, du weisst, was ich meine! Mit ihm auszugehen ist wie mit einem Kraken zu gehen, er hat so viele Hände, dass es schwierig ist, auf alle aufzupassen - und das mag ich nicht.

    Mit Sandra tauschten wir auch diverse Texte aus, die wir selber schrieben; und es kam sogar dazu, dass ich einen Artikel für eine Jugendzeitschrift schreiben durfte - für eine Gage in der Höhe von einem Pfund.

    In der vollen Schuhschachtel, in der ich unsere über 50 Jahre währende Korrespondenz aufbewahre, liegen auch Fotos, die wir uns hin und her schickten, da wir manche nur einmal hatten und sie selbst nicht missen mochten. Im Zeitalter der Smartphones und der sonstigen social media mag einem so etwas wirklich prähistorisch vorkommen. Das hiess dann so: Ich lege zwei Fotos aus den Ferien bei, aber schicke sie mir wieder zurück, da ich nur diese habe, und ich will sie behalten.

    Wir gingen zusammen durch die ganzen gesellschaftlichen und kulturellen Umwälzungen. Wir schickten einander auch Geschenke, so kam ich zu meinen ersten Schallplatten; es waren The West Side Story und dann The Sergeant Pepper’s Lonely Heart Club Band.

    Im Mai 1966 schreibt mir Sandra, dass sie im nächsten Monat 17 sein wird, soweit war ich schon im Februar des gleichen Jahres. Ja, wir waren gleich alt und unser Vertrauen zueinander gefestigt. Als PS in diesem Brief schreibt mein Penpal: Ich habe einige alte Briefe von dir durchgelesen und ich bin so froh, dass das Briefschreiben an deinen Teddy Bear in London deine beliebteste Freizeitbeschäftigung geworden ist, tschüss (Dedek), in Liebe Sandra

    Wegen unserer Korrespondenz wurde Sandras boy-friend sogar eifersüchtig: ... er denkt, dass ich mich früher oder später in dich verliebe, oder du verliebst dich in mich... Er denkt, da er sich in mich verliebt hat, alle andere machen das gleiche, und er denkt, er sei nicht gut aussehend, oder genügend reich, um mich halten zu können, dass ich früher oder später seiner müde werde und mit einem anderen gehe, der mich mit einem Auto ausfährt, einer der hübsch ist... Das mache ich nicht, ich will keinen anderen ausser ihm.

    Wir hatten vor, dass Sandra zusammen mit ihrer Freundin Christine nach Prag kommen sollte, und zu diesem Zweck wäre es passend, wenn mein damaliger Schulfreund Peter mit Christine korrespondieren würde. Anlässlich der Planung der Reise nach Prag, warnte mich Sandra ausdrücklich: Ich denke wir sollten Dich darauf vorbereiten, dass wir beide manchmal sehr verrückt sein können, wir machen verrückte Sachen, es passiert oft, also wenn wir den Anschein erwecken sollten, verrückt d.h. wahnsinnig geworden zu sein, beachte es einfach nicht.

    Ich hatte das Vergnügen nicht, die Launen der zwei Mädels aus London zu erleben, denn die Reise fand nicht statt. Es verlief sich irgendwie. Aber eines musste ich Sandra mitteilen...

    Ich weiss gar nicht mehr, ob Peter den Anlauf nach England zu schreiben nahm, er konnte ja ein bisschen Englisch, denn eine dramatische Wende veränderte seinen Lebensverlauf radikal. Wir zwei wurden vom ersten Tag an Schulfreunde am Gymnasium, immer für Blödsinn zu haben. Wir waren unter unseren Mitschülern beliebt, man schaute zu uns auf, da wir alle um einen Kopf überragten, zu dritt noch mit einem anderen Peter zusammen, der bald den Spitznamen Mundy bekam; ich blieb der Dědek, der Grossvater, was mit sich brachte, dass ich der Klassenvorsteher wurde. Mit Peter zusammen besuchten wir die Tanzkurse im Lucerna-Palast beim renommierten Tanzmeister Brousek, bis wir nach Walzer, Polka, Mazurka, Jive bei Cha-Cha-Cha angekommen waren - und hinauskomplimentiert wurden. Trotz Anzug und weissen Handschuhen konnten wir unsere postpubertären Blödeleien nicht unter Kontrolle halten. Dem Tanzmeister gefiel vor allem nicht, wie wir uns jeweils nach seiner Aufforderung junge Herren, treffen sie bitte ihre Wahl auf die uns gegenüber in einer Linie wartenden toupierten und im glänzenden Taft gekleideten Tanzpartnerinnen stürzten, um vor allen anderen jungen Herren zu den schönsten von ihnen anzukommen (oder besser gesagt, auf dem Parkettboden zu ihnen hinüberzugleiten).

    Hinausgeworfen wurden wir auch aus einem Ferienjob, und demzufolge suchten wir im nächsten Jahr jeder von uns separat eine Arbeit. Aber was der Teufel nicht wollte, wir fanden uns wieder zusammen zwecks Vorstellungsgespräch im Warteraum einer Firma. Peter war ein schöner Junge, schwarze, krause Haare, tief versetzte Augen, sinnliche Lippen, meistens schüchtern-selbstironisch lächelnd. Er hatte breite Schultern, schmale Hüften (er konnte sehr gut den Gang von John Wayne imitieren), und trotzdem brach er an Liebeskummer zusammen.

    Ich machte ihn mit einer Leichtathletin von unserem Klub Slavia bekannt, er verliebte sich in sie, sie lehnte ihn jedoch ab. Er versuchte sich das Leben zu nehmen, und es folgte der Abbruch seines Studiums. Nach dem Selbstmordversuch wurde er wie üblich für 14 Tage in eine psychiatrische Anstalt zur Beobachtung eingewiesen, und dort verliebte er sich in eine Schicksalsgenossin, und bald darauf heirateten sie; ein Kind war unterwegs. Über den weiteren Verlauf hielt ich Sandra auf dem Laufenden und sie nahm sehr Anteil daran, so etwas passiere bei ihnen in London auch sehr häufig, teilte sie mir mit.

    Das Jahr 1968. Sandra wechselte wieder einmal ihre Arbeitsstelle, stets in der Nähe der famosen Fleet Street, sie arbeitete unter anderem auch für Penthouse, und sie verkündete ihre Verlobung mit einem David, der zwei Jahre älter war als sie; ein Jahr darauf wollten sie heiraten. Nach der Verlobung teilte sie mir ihr Glücksgefühl und die Hoffnung mit, dass du eines Tages auch das Glück findest, das ich habe, und dass es dich bald erfreuen wird. Hat Peters Frau das Kind schon?

    Obwohl es nur Briefe waren, wir hielten zueinander, wir verfolgten unsere Karrieren, sprachen uns Trost zu, wenn etwas schief ging, und freuten uns, wenn wir weiterkamen. Sandra von der Stenotypistin zur Journalistin und Schriftstellerin, ich vom Beleuchter bis zum Filmemacher.


    ⁶ Sue Townsend, The Secret Diary of Adrian Mole, 1982

    BORIS

    Etwa zur gleichen Zeit, als ich die Korrespondenz mit Sandra aufnahm, also 1965, lernte ich Boris kennen, einen zwei Jahre älteren Jungen, der ebenfalls Mitglied des Leichtathletikklubs Stadion Žižkov wurde. Unsere Disziplinen waren Kugelstossen und Diskuswerfern; wir waren selbstverständlich die zukünftigen Al Oerters oder Bill Niederers. Boris wurde mein bewundertes Vorbild, nicht nur seiner klar besseren Resultate wegen, aber vor allem, weil er in die Trainingsstunden Gedichte oder Grafiken brachte. Robinson Jeffers und Allen Ginsberg waren seine Lieblingsdichter; Jack Kerouac sein Lieblingsschriftsteller. Ich besuchte noch das letzte der neun Jahre dauernden Grundschule, er war bereits in der Typographie-Lehre; er spielte auch Gitarre in einer Laienband namens His Devils Masters. Nun, wir wurden Brieffreunde, gezwungenermassen, als wir beide 1968 Prag hinter uns liessen: seine Wege führten nach England, Kanada, Frankreich; schliesslich wurde er in Amsterdam sesshaft.

    Wenn ich nun von ihm zu erzählen beginne, möchte ich zuerst seinen allerletzten Brief zitieren, die Neujahrskarte 2019: Mein lieber Kamerad... Nach der unlängst erfolgten Rückkehr aus dem Land der Toten, wünsche ich Dir nur das Beste was das Jahr geben kann. Und für die weiteren Jahre ebenfalls, bis in alle Ewigkeit! Boris

    Gerade als ich dieses Wunder verkündenden Neujahrswunsch 2019 hier nieder tippte, kam eine SMS von unserem gemeinsamen Freund Reon, einem Maler im Stil des fantastischen Realismus, der anstelle eines Neujahrsgrusses den Titel eines gerade erstellten Bildes zum Besten gab: Das Wundertätige Tor in die kommende Epoche. Damit bringt dieser Zufall einen weiteren Brieffreund ins Spiel, zu dem ich aber erst etwas später komme: Geduld bitte, bald betreten wir Argondia, das imaginäre Reich, das Reon kreierte, und in dem als Drachen-, Teufel-, oder Mephisto-Abbildung das massige Gesicht von Boris dominiert...

    Ja, mein lebenslanger Freund Boris, inzwischen 72 Jahre alt, lag über ein Jahr lang im Koma. Monate hatte es gedauert, bis man herausfand, woran er erkrankt war (Morbus Whipple, intestinale Lipodystrophie) und man mit der entsprechenden Kur beginnen konnte. Seine Frau, eine gebürtige Holländerin, pflegte Boris zuhause. Anfangs der neunziger Jahre hatte er sie in Prag geheiratet (ja, die Hochzeit musste doch im Rathaus der Altstadt abgehalten werden!), aber sie lebten weiterhin in Amsterdam zusammen. Ich war im Rathaus dabei. Unversehens, im letzten Moment wandte sich Boris mit der Bitte an mich, ihm Trauzeuge zu sein, obwohl sein bester Freund, der Maler Reon, ursprünglich dafür ausersehen war. Es gab deswegen Krach zwischen den zwei alten Freunden, mit dem Resultat, dass Reon Boris mit einem langen Schmähbrief die Jahrzehnte währende Freundschaft aufkündigte, doch eine Gratulation seinerseits gab es zunächst schon noch; sie enthielt, mit einem Bild, das Boris verehrte, die folgenden Worte: Zur heutigen Gratulation gebietet mich bloss das Wesen meines Charakters und meiner Erziehung. Wegen der Deinerseits verursachten Tiefe meiner Erniedrigung bin ich nicht imstande, Dir meinen Segen zu geben.

    Reons Schmähbrief an Bohouš aka Boris

    Reon hielt es angebracht, mir die Kopie dieser Glückwunschkarte zur Hochzeit zu schicken, was mir wiederum grosse Gewissensbisse brachte, ich wäre besser in den Ausstand getreten. Aber ich wollte Martie, die Zukünftige aus Amsterdam, nicht enttäuschen, denn ihre Abneigung gegenüber Reon war spürbar, vor allem wegen der Tatsache, dass sie selbst malte und mit seinem Lebens- und Malstil nicht viel anfangen konnte.

    Für weitere Spannung anlässlich der Hochzeit sorgte die Terminfrage im Rathaus; vor allem fehlten da noch einige Dokumente, die Boris in einer zentralen Institution in Brünn eiligst zu beschaffen hatte, gewiss ausser terminlich, und teils mit einer gewissen „Nötigung. Seine Taktik dabei war, da bin ich, und ich bewege mich nicht, bis ich die Papiere habe; er war von imposantem Wuchs, seine Gesichtszüge furchterregend, eine Mischung aus Zigeuner- und Tataren-Physiognomie. Er selbst sah sich als einen Abkömmling der Kelten (meine Mutter hatte für ihn den Spitznamen Teufel"). Die Papiere? Die Geburts-, die Scheidungs-, die Ausbürgerungs- und die Wiedereinbürgerungsurkunden...

    Die am Ende dieser Beschaffungs-Odyssee berufenen Ordnungskräfte trugen ihn hinaus. Er schlich durch einen Hintereingang wieder zurück. Schliesslich erzwang er die Herausgabe der benötigten Dokumente, und die ihn erneut hinausbefördernden Ordnungskräfte gratulierten ihm: Lieber Herr, so etwas kam hier bisher nicht vor... Bravo.

    Die Hochzeit fand statt, die Ehe dauert an, Lazarus ist auferstanden. Aber zurück zu den Briefen. Sie sind eigentlich nicht zahlreich, eher die anfänglichen Gedichte, die ich ein Leben lang bei mir behielt und die bis heute von der Reife meines damals jungen Freundes zeugen. Nein, es wurde nichts gedruckt, es gibt keine Kunstwerke von ihm. Er lebte drauflos, die Frauen lagen dem Teufel zu Füssen, und in gewissen Zeiten lag er im Clinch mit den Paragraphen; er spielte Schach um Geld oder betätigte sich als Bodyguard. Sein Credo war, dass alles nur eine Frage des Mutes oder der Angst sei. In der Blüte seiner Jahre war er eine starke Persönlichkeit, allein durch seine physische, sinnliche Ausstrahlung. In den Strassen stoppten die Autos, kaum war er in die Nähe des Randsteins gekommen; wenn er eine Bar betrat, verstummten die Anwesenden, währenddessen er bereits mit einem Lächeln seinen Charme verbreitete. Als ich den Schriftsteller Richard Brautigan kennengelernt und er seine Lesetour weiter von Zürich nach Amsterdam fortzusetzen hatte, gab ich ihm die Adresse meines Freundes. Das hätte ich lieber unterlassen sollen, denn Richard war eine genauso starke maskuline Persönlichkeit, extrem egozentrisch. Die beiden an sich eigentlich eher gutmütigen Machos aufeinander treffen zu lassen, das ging wohl gar nicht; und dies liess mich Richard in einem Brief wissen: OK, das Wichtigste zuerst: Du solltest keine Leute zu B. schicken. Es ist es nicht wert. Ich wäre besser daran, ihn nicht getroffen zu haben.

    Diese Ermahnung nahm ich mir nicht zu Herzen, ich selbst wurde von Freunden an Freunde weitergeleitet, es kam zu keinerlei Konflikten. Richard Brautigans Brief zitierend, kann ich nicht anders, als unseren brieflichen Austausch als eine kürzest ever Korrespondenz zu bezeichnen: ein Brief ostwärts, ein Brief westwärts, von Bolinas nach Zürich und von Zürich nach Bolinas. Auf Richards Vorwurf, besser Boris niemandem zu empfehlen, antwortete ich folgendermassen: Es tut mir leid, dass Boris nicht auf Deiner Linie lag. Ich habe seither nicht mit ihm gesprochen, und so habe ich keine Ahnung, zu welchen Schwierigkeiten es zwischen Euch gekommen ist: Ein Konflikt USA versus Europa? Oder sind einfach zwei starke Persönlichkeiten aneinandergeraten? Wie dem auch sei, ich schaffte es nicht nach Amsterdam, obwohl ich es mir gewünscht hatte.

    Daraufhin kam keine Zeile mehr von Richard, und ein halbes Jahr später wusste ich warum, da habe ich leider im TIME (Nov. 5, 1984) lesen können, dass er sich das Leben genommen hatte:

    "DIED. Richard Brautigan, 49, gentle, low-key novelist and poet of the California underground, whose offbeat books, including A Confederate General from Big Sur (1965), The Pill Versus the Springhill Mine Disaster (1968) and the bestselling Trout Fishing in America (1967), offered countercultural youth of the hippie era a kind of natural high with intense evocations of humor, romance and love of nature; of an apparently

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