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eBook263 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

In einer malerischen Kleinstadt des ländlichen Frankreich wird durch glücklichen Zufall eine uralte Schrift entdeckt. Sie ist das einzig verbliebene Dokument einer längst vergessenen Religion, die sich auf eine Göttin bezieht. Sie lehrte die Philosophie des Lebens, die Macht des Augenblicks, die Erweiterung des Bewusstseins hin zum Erkennen der eigenen Beschränkungen.

Jene Religion, die etwa 250 Jahre vor Christi Geburt im antiken Griechenland entstand und über die Enklave Marseille oder „Massalia“ nach Nordeuropa kam, wurde in einer immer kleiner werdenden Gemeinschaft gepflegt und schließlich von der letzten Zeugin, einer alten Französin, zwei Autoren aus Deutschland offenbart. – Oder ist alles ein Fake?

 

Der Roman „Lust“ ist der erste aus einer Reihe, die sich im Rahmen von erzählerischen Geschichten mit philosophischen Themen beschäftigen. Es gibt in allen jeweils eine Gruppe von Freunden, die sich in ihren Gesprächen, Aktivitäten, Reisen, Plänen und Träumen gemeinsam auf diese (philosophische) Weise weiterentwickelt.

 „Lust“ erzählt in zwei sich verstrickenden Handlungssträngen einerseits von einem Freundeskreis, der in einer gewissen Krise steckt, weil allen vier Teilnehmern klar geworden ist, wie autonom und uneinnehmbar die individuellen Weltbilder doch sind. Der Protagonist (der Ich-Erzähler) zieht sich zurück ins private, idyllische Leben zuhause und erlebt, wie die tiefgreifenden Gespräche der Gruppe andererseits zum Trigger für einen zweiten Erzählstrang werden, der sich um Epikurs Garten rankt.

Die alte Schule dieser griechischen Philosophierichtung fasziniert ihn zunehmend und wird in seinen Vorstellungen lebendig.

Einer seiner Freunde reaktiviert ihn mit einer Idee voller Enthusiasmus und Kreativität: Er überredet ihn, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten, das verrückter und absurder in der modernen Zeit des 21ten Jahrhunderts nicht sein könnte: die Gründung einer neuen Religion.

Nach anfänglicher Skepsis lässt sich der Protagonist auf die Ideen seines Freundes Fred ein und auch die übrigen Teilnehmer des Vierer-Kreises gesellen sich nach und nach zögernd dazu.

Epikur und seine Philosophie liefern in der Phantasie des Erzählers die Grundlage für etwas, das schon einmal, vor zweitausend Jahren, an der Schwelle zu einer eigenen Religion stand. Und bei allem ernsthaften Bemühen der Gruppe wird das Unternehmen trotzdem schon bald karikaturhafte Formen gewinnen, ohne dass sie selbst es bemerken.

Epikurs Garten als Legende, als Symbol für eine Befreiungsphilosophie, geht aus den Wirren um die Bemühungen Freds und seiner Freunde am Ende rein und geläutert hervor, während alle Aktivitäten um ein angeblich in Frankreich aufgefundenes antikes Dokument und eine noch lebende letzte Zeugin der untergegangenen Religion in ein Dilemma abrutschen, das alle Beteiligten zurückruft zu einer Besinnung auf die Urantriebe für genaues und ehrliches Denken und Empfinden.

 

Die Unternehmung der vier Hobby-Philosophen jedoch gewinnt aufgrund der investierten Euphorie eine Eigendynamik, die sich bis zum Zusammenbruch der Phantasien kontinuierlich steigert. Zunächst scheint alles zu gelingen; es bilden sich die ersten ernstgemeinten Keimzellen des neuen Glaubens. Es kommt zu einem lebhaften Interesse von Seiten der Medien. Die Motivationen wirken echt und korrekt. Und doch  bleibt ein leiser Zweifel des Ich-Erzählers. Sind doch die Zutaten zur Religionsgründung nicht wirklich belastbar, manifest; handelt es sich doch um zweckdienliche Versatzstücke, die man geschickt einsetzt.

Auf dem Höhepunkt der erfolgreichen Aufwärtsbewegung holt die Realität schließlich diese Fata Morgana ein. Die letzte Zeugin jener erfunden Religion und ihr „Dokument“ bringen den Schwindel zu Fall. Es bleibt eine Rückbesinnung auf den von jedem Ehrgeiz freien Kern der Philosophie Epikurs, die ursprünglich als Vorbild gedient hatte. Hier treffen sich die beiden Handlungsstränge und nur der

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum11. Dez. 2021
ISBN9783755402640
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    Buchvorschau

    Lust - Walter Gerten

    Lust

    I M P R E S S U M

    Lust

    von Walter Gerten

    © 2021 Walter Gerten.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Autor: Walter Gerten

    Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne

    Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.

    Text, Zeichnungen, Bilder und Fotos von Walter Gerten. © 2021 Walter Gerten

    Der Autor:

    Walter Gerten lebt seit vielen Jahren in der ländlichen Südeifel. Als Autor betätigt er sich seit dem Jahr 1999. In der Anfangsphase, ab 2000 bis 2003 nahm er an einer intensiven Schreibwerkstatt teil, es folgten Lesevorträge. Daneben betreibt er seit dem Studium Malerei und Grafik, die ebenfalls teilweise als Illustration Einzug in seine Schriftwerke findet.

    Weitere Romane:

    Manfred Wilt und der Tote am Fluss

    Manfred Wilt und die Rocker

    Der Bote des Zarathustra

    Monte Nudo

    Unterwegs mit Tom Kerouac

    Ich bin ein Schiff

    Die Sternenbücher 1 Professor Montagnola

    Die Sternenbücher 2 Akba

    Die Sternenbücher 3 Die dunkle Seite des Mondes

    Die Sternenbücher 4 Der Sinn des Lebens

    Die Sternenbücher 5 Planet der Phantome

    Die Sternenbücher 6 Das Nichts

    Die Sternenbücher 7 Tod eines Springers

    Die Sternenbücher 8 Paradise2

    Die Sternenbücher 9 Solitan

    Die Sternenbücher 10 Das Symbol für Solitan

    Die Sternenbücher 11 Das Ubewu

    Die Sternenbücher 12 Ich und Es

    Die Sternenbücher 13 Der dreizehnte Stern

    Die Sternenbücher 14 Die Raumzeit

    Die Sternenbücher 15 Selbst Ich

    Die Sternenbücher 16 Vergehen und Werden

    Die Sternenbücher 17 Die zweite Reise zum JETZT

    Die Sternenbücher 18 Marielle

    Die Sternenbücher 19 Arkadien

    Die Sternenbücher 20 Das letzte Abenteuer

    Die philosophischen Romane:

    Lust

    Pilgern

    Scheitern

    Irritation

    Scheitern

    Stille

    Inhalt

    Das Buch

    In einer malerischen Kleinstadt des ländlichen Frankreich wird durch glücklichen Zufall eine uralte Schrift entdeckt. Sie ist das einzig verbliebene Dokument einer längst vergessenen Religion, die sich auf eine Göttin bezieht. Sie lehrte die Philosophie des Lebens, die Macht des Augenblicks, die Erweiterung des Bewusstseins hin zum Erkennen der eigenen Beschränkungen.

    Jene Religion, die etwa 250 Jahre vor Christi Geburt im antiken Griechenland entstand und über die Enklave Marseille oder „Massalia" nach Nordeuropa kam, wurde in einer immer kleiner werdenden Gemeinschaft gepflegt und schließlich von der letzten Zeugin, einer alten Französin, zwei Autoren aus Deutschland offenbart. – Oder ist alles ein Fake?

    Der Roman „Lust" ist der erste aus einer Reihe, die sich im Rahmen von erzählerischen Geschichten mit philosophischen Themen beschäftigen. Es gibt in allen jeweils eine Gruppe von Freunden, die sich in ihren Gesprächen, Aktivitäten, Reisen, Plänen und Träumen gemeinsam auf diese (philosophische) Weise weiterentwickelt.

    „Lust" erzählt in zwei sich verstrickenden Handlungssträngen einerseits von einem Freundeskreis, der in einer gewissen Krise steckt, weil allen vier Teilnehmern klar geworden ist, wie autonom und uneinnehmbar die individuellen Weltbilder doch sind. Der Protagonist (der Ich-Erzähler) zieht sich zurück ins private, idyllische Leben zuhause und erlebt, wie die tiefgreifenden Gespräche der Gruppe andererseits zum Trigger für einen zweiten Erzählstrang werden, der sich um Epikurs Garten rankt.

    Die alte Schule dieser griechischen Philosophierichtung fasziniert ihn zunehmend und wird in seinen Vorstellungen lebendig.

    Einer seiner Freunde reaktiviert ihn mit einer Idee voller Enthusiasmus und Kreativität: Er überredet ihn, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten, das verrückter und absurder in der modernen Zeit des 21ten Jahrhunderts nicht sein könnte: die Gründung einer neuen Religion.

    Nach anfänglicher Skepsis lässt sich der Protagonist auf die Ideen seines Freundes Fred ein und auch die übrigen Teilnehmer des Vierer-Kreises gesellen sich nach und nach zögernd dazu.

    Epikur und seine Philosophie liefern in der Phantasie des Erzählers die Grundlage für etwas, das schon einmal, vor zweitausend Jahren, an der Schwelle zu einer eigenen Religion stand. Und bei allem ernsthaften Bemühen der Gruppe wird das Unternehmen trotzdem schon bald karikaturhafte Formen gewinnen, ohne dass sie selbst es bemerken.

    Epikurs Garten als Legende, als Symbol für eine Befreiungsphilosophie, geht aus den Wirren um die Bemühungen Freds und seiner Freunde am Ende rein und geläutert hervor, während alle Aktivitäten um ein angeblich in Frankreich aufgefundenes antikes Dokument und eine noch lebende letzte Zeugin der untergegangenen Religion in ein Dilemma abrutschen, das alle Beteiligten zurückruft zu einer Besinnung auf die Urantriebe für genaues und ehrliches Denken und Empfinden.

    Die Unternehmung der vier Hobby-Philosophen jedoch gewinnt aufgrund der investierten Euphorie eine Eigendynamik, die sich bis zum Zusammenbruch der Phantasien kontinuierlich steigert. Zunächst scheint alles zu gelingen; es bilden sich die ersten ernstgemeinten Keimzellen des neuen Glaubens. Es kommt zu einem lebhaften Interesse von Seiten der Medien. Die Motivationen wirken echt und korrekt. Und doch bleibt ein leiser Zweifel des Ich-Erzählers. Sind doch die Zutaten zur Religionsgründung nicht wirklich belastbar, manifest; handelt es sich doch um zweckdienliche Versatzstücke, die man geschickt einsetzt.

    Auf dem Höhepunkt der erfolgreichen Aufwärtsbewegung holt die Realität schließlich diese Fata Morgana ein. Die letzte Zeugin jener erfunden Religion und ihr „Dokument" bringen den Schwindel zu Fall. Es bleibt eine Rückbesinnung auf den von jedem Ehrgeiz freien Kern der Philosophie Epikurs, die ursprünglich als Vorbild gedient hatte. Hier treffen sich die beiden Handlungsstränge und nur der ehrliche, von reiner Tiefe bewegte beweist seine innere Qualität.

    I M P R E S S U M

    Inhalt

    Vorwort

    Elias

    Die Runde

    Epikur

    Der Tunnel

    Die Lust

    Religionsgründung

    Reisebericht, erschienen in „Psychologie im Trend", sowie zwölf weiteren artverwandten Zeitschriften und Online-Medien. Autoren: M...x und F...x.

    Interview eins bis drei

    Anfangserfolge

    Giselle

    Artefakte

    Probleme

    Vermutungen

    Ich bin Kunst

    Nachwort

    Vorwort

    Die Angst des Autors beim Schreiben

    Der Schreiberling kennt den Leser nicht. Er hält ihn für einen positiven, gebildeten, neugierigen Menschen, der eine gewisse Lieferung, einen Gegenwert, ein „Produkt erwartet. Also bemüht sich der Schreiberling um einen „Hook, einen Haken im Text, der genügend Potential hat, um den Leser zu fesseln, ihn hineinzuführen in einen Spannungsbogen, eine Geschichte, die ihn persönlich fesselt, ihn interessiert und bindet.

    Selbst Nietzsche bemühte sich in seinem Hauptwerk, dem „Zarathustra", um einen solchen Effekt auf den Leser. Er milderte seine Sperrigkeit um einen gehörigen Betrag, allein um dem Leser zu gefallen.

    Was würde Gegenpart des Autors, dieser wichtige Teilnehmer der Unternehmung „Schreiben erwarten, wie würde man ihn (den Leser) zufrieden stellen können, ihn bei der Stange halten? Die „Stange assoziiert die Tänzerin in einer Oben-Ohne-Bar, die mit gekonnter Vorführung ihrer körperlich-formalen Qualitäten die Zuschauer zu fesseln beabsichtigt. Mit erotischer Betonung gewisser Zonen versucht sie, die Anwesenden zu faszinieren, ihre Instinkte zu aktivieren, ihnen Vergnügen zu bereiten.

    Nietzsche ist jenseits aller Verdächtigungen, dass er sich zu prostituieren beabsichtigte, - ganz gewiss! Und doch tat er, - ja er sagte, er habe es für die Poesie getan -, einen Schritt heraus aus der direkten Sprache und auf den Leser zu und bot ihm eine Darreichungsform, die sich seinen Bedürfnissen beugte. Er konstruierte sein Werk FÜR den Leser.

    Der Schreiberling hofft auf die Geduld, auf die Neugier, die auch von unscheinbaren Sujets angefacht wird, auf die Sensitivität, die nicht auf Morde, Katastrophen, Explosionen, Verzweiflungen, Sensationen anspringt, sondern im Gegenteil von solch üblichen Mustern gelangweilt ist. Dass es unter- oder oberhalb solcher Konzepte genügend Material, ausreichend Beobachtungen, Phänomene, Beschreibungen für eine interessante Reise im Reich der Schriftsprache geben möge, das ist die Hoffnung des Schreiberlings, der hiermit schon einen gewissen Vorgeschmack zu generieren hofft: hier geht es um die Aufmerksamkeit für nicht ganz so offensichtliche Begebenheiten.

    Elias

    1 Elias

    Ich dachte darüber nach, wie lange ich ihn denn schon kannte. - Eigentlich schon immer, mindestens vierzig Jahre -. Aber wann war er in mein Leben getreten? Wann hatte man ihn mir vorgestellt? Wer hatte ihn mir nahegebracht, empfohlen, ihn als interessant und bemerkenswert bezeichnet? Sylvie, Marcel, Christoph? Ich erinnerte mich nicht. Sicher war, dass ich ihn weder aus dem Sandkasten noch aus der Schule kannte. Irgendwann danach war er erschienen.

    Sein Elternhaus war mir unbekannt, dabei hatte ich bei all meinen anderen Freundschaften stets die jeweiligen Eltern früher oder später kennen gelernt. Nur seine nicht. Vermutlich waren sie Griechen. In Griechenland beheimatete Griechen. Dort wohnhafte Eltern, während er nach Deutschland ausgewandert war, - irgendwann.

    Sein Name deutete darauf hin. Auch seine Gesichtszüge erinnerten an Griechenland; - das alte Griechenland; - das Griechenland der Antike, der Philosophen und Lebenskünstler. Die prägnante Nase, an einen Greifvogel gemahnend, leicht gebogen und nicht zu klein. Die direkten und doch weichen dunklen Augen. Die Augenbrauen, die ebenso gut zu einem erheblich älteren Mann gepasst hätten. Aber die Fältchen um den breiten Mund waren noch verspielt, spöttisch, nicht so verhärmt

    wie bei älteren Menschen. Die Stirn zeigte bereits einige Furchen, auch noch vorläufig und noch unausgereift. Also war er jünger als ich, - oder?

    Während ich noch unentschlossen bezüglich seines Auftauchens mit meiner Erinnerung an ihn herumspielte, ihn drehte und wendete, - ohne eine Gravur, eine Punze, eine eindeutige Zuordnung aufzufinden. Während ich an eine prüfende Begutachtung dachte, entzog sich mir sein Bild, verschwamm und verflüchtigte sich, lockte meine Aufmerksamkeit auf einen anderen Aspekt meines Lebens, die Gegenwart. Dort war durchaus auch sein Refugium, das spürte ich nun. Er war, das konnte ich nicht leugnen, ein Begleiter all meiner reflexiven Tätigkeit.

    Wie eine Norm, ein Prüfstein für Güte und Vertrauen, Verlässlichkeit und Qualität, mischte sich sein Double in meine Gedankentätigkeit ein und spielte die Rolle, die er, der Grieche, beanspruchte.

    Diese Rolle war selten im erkennbaren Bewusstsein meiner Wahrnehmung anzutreffen. Doch im Nebel des Schattens, im dubiosen Raum meiner versteckten Bestandteile war er nicht mehr wegzudenken. Durch bestimmte Erlebnisse, die fundamental zum Bestandteil meines eigenen Schauspiels, zum Theaterfundus meiner inneren Bühne, zur Klaviatur meiner Musik gehörten, war er Mitglied meiner inneren Familie geworden, so wie viele andere auch.

    Der Grieche, - er hieß Elias -, hatte einst eine Schlüsselrolle in meiner Initiation gespielt, das wusste ich noch. Doch mittlerweile, einige Jahrzehnte später, hatte ich das Gefühl, ihn immer schon gekannt zu haben. Wahrscheinlich übertrieb ich alles, was mit der Initiation, dem Vorstoß ins Unbekannte zu tun hatte und Elias hatte längst nicht eine so wichtige Funktion dabei gespielt, wie ich nun dachte. Vermutlich war es nur eine zeitliche Synchronizität gewesen, die mich dazu veranlasste, ihn in dieser Rolle zu sehen. Ihm selbst war das sehr wahrscheinlich gar nicht bewusst gewesen. Sicherlich baute ich ein Szenario auf, das nie existiert hatte. Gewiss war ich mit der Struktur meiner inneren Räumlichkeiten befasst, die ich als guter Architekt korrekt und makellos sehen wollte, obwohl sie auf chaotische und planlose Weise entstanden waren.

    Dabei war wirklich wenig an seinem Beitrag makellos gewesen, bei Gott! Nun, Gott wertete ich schon lange nicht mehr als Maßstab, dafür hatte er einfach zu oft versagt. Aber Elias ebenso. Nur war durch seine erweckende Funktion, die er während meiner Initiation wahrgenommen hatte, alles in ein verklärendes Licht getaucht, was er tat. Bis irgendwann, - dann war der Zauber erloschen und Elias war zu einem normalen Menschen zurecht gestuft worden, - wohl auch von meinem ominösen Unterbewusstsein.

    Allein die Tatsache, dass er aus Griechenland stammte, jenem antiken Vorreiter unserer Kultur und Weltanschauung, gab ihm dennoch einen Status in meiner Gedankenwelt, der ihn verklärte. Er wurde, peu à peu, zu einem Mitspieler im Elferrat meiner Qualitätskontrolle, zu einem Beisitzer in der Jury der Bewerter meines Tuns und Denkens. Basta!

    Die Archetypen, jene urtümlichen Mächte im Dunkel meiner Psyche, waren sich oft uneins, wenn es um ihr Eingreifen in den Fluss meines Wirkens ging. Schließlich war es höchstes Ziel und feinste Ausübung der Lebenskunst, die Strömungen und Wirbel im Flussbett nicht zusätzlich zu stören, sondern stattdessen jedes Driften auf diesen Einflüssen nach Möglichkeit und Kräften zu fördern.

    Also übten sie ihr Korrektiv wenig bis gar nicht aus, jene Mächte im Dunkel, beschränkten sich auf ihr Erscheinen in den denkerischen Abschnitten, vermieden das Auftauchen von Zweifeln, soweit möglich.

    Viele dieser antiken Archetypen waren mir unbekannt. Ich hatte noch nicht einmal einen Namen für sie, geschweige denn ein Gesicht oder eine figurative Imagination. Es war zum Beispiel der Logos oder der Krieger, der Magier, der Liebende, die Vernunft. Doch daneben gab es reale, neuzeitliche Personen, die einen Platz gefunden hatten in diesem Konglomerat wirkmächtiger Kräfte. Elias gehörte dazu.

    Ich hatte ihn kennen gelernt, als wir uns in einem fliegenden, schwerkraftfreien Bereich nach Abschluss der Hochschulreife befanden. Man erwartete von Gesellschaftsseite eine Art Selbstfindung, eine Orientierung im Thema Beruf, Karriere, Geld, Entwicklung, Partnerfindung. Man stellte mit gewisser erzwungener Geduld eine begrenzte Auszeit zur Alternative, die man aber niedriger wertete.

    Nun, sowohl mir, als auch Elias und vielen Anderen aus meinem Umfeld war diese Erwartung herzlich egal. Was die Gesellschaft unter „Selbstfindung" verstand, war nicht unser Thema. Wir waren erheblich weiter, ehrlicher, ernster in diesem Themenkomplex: Wir hinterfragten die Gesellschaft. Elias als Dissident, als eingewanderter griechischer Auswanderer, als Sonderling im technokratischen Europa der siebziger Jahre des 20ten Jahrhunderts, als Exot im Aquarium stupider Guppys mitteleuropäischer Schwarmfische, als Individuum inmitten von Gruppenmenschen warf einen Handschuh in den Ring. Er hatte die Zeichen der Zeit erkannt und demonstrierte das völlige Desinteresse an den Interessen der Gesellschaft. Elias war nur einer von vielen. Nur ein Echo von ihm in meiner Erinnerung überdauerte die Zeit. Es blieb seine Stimme in der Jury, dem Rat der Weisen, der jeden Menschen begleitet bis zum Tod.

    Die Geschichte seiner Person, seines Lebenslaufes, seiner Kontakte mit meinem eigenen Lauf der Dinge mag nicht derart wichtig erscheinen, dass ihre Erzählung hier lohnt. Aber es bleibt für mich als Beobachter der Vorgänge in meiner Schattenwelt, dem unter-bewussten meines Daseins, die Frage nach der Besetzung jenes Gremiums, das mein Handeln bewertet, meine Planung lenkt und meine Gedanken zu einem fließenden Musizieren in der rechten Tonart formt, die ich so liebe. Andere Personen leisteten Beiträge zum Fundus jenes Theaters, zum Konvolut denkwürdiger Denkvorgänge im Vorfeld durchlebten Lebens. Elias lebt in mir. Ich denke, er weiß das.

    Damals, in der Frühzeit experimentellen Eroberns der Welt hatte er mich begleitet, als wir weibliche Schönheiten bewunderten, ihre Formen begutachteten und ihre Tauglichkeit in einer neuen Welt, einer neuen Kultur, einer explosiv-spontanen Lebensäußerung abschätzten, ohne sie jemals zu berühren. Es war der Schatz, den es zu heben galt, die Versüßung, der Lohn, der Antrieb unserer Forschung und Kreativität, so wie Freud es lange zuvor formuliert hatte und Marx es nicht gewagt hatte zu sehen, - die Libido, die uns als Treibstoff diente, solange sie uns unbewusst blieb. Das ewig lockende Weib.

    Elias war trotz seiner chaotischen Pläne erfolgreicher, möglicherweise wegen des Exotenstatus seiner Herkunft und seines Erscheinens. War doch sein eher kurz geschorenes Haar, sein klarer Blick, sein rückhaltloses Gesicht mit der unbeeindruckten Mimik um so einen erheblichen Betrag eindrucksvoller als mein scheues Ausweichen.

    Sein Beitrag zu meinem Erwachsenwerden war nicht unerheblich und soll nicht gering geschätzt werden. Er führte ins Land der Phantasie, der virtuosen Kreativität. Eigenständiges Potential zur Entfaltung des Individuums war die Maxime, wurde meinerseits dankbar aufgenommen und umgesetzt. Doch auch davon, von der eliaschen Maxime gab es eine Emanzipation, die mich weiterführte auf meinem Weg. Alles andere wäre kontraproduktiv gewesen, wenn man die Individuation als Herausschälen dessen betrachtete und ernst nahm, das maßgeblich war.

    Die griechischen Götter, die archetypischen Beweger der inneren Bewegung, sofern man sie so verstand, - sie waren Platzhalter für das, was maßgeblich war im Handeln und Denken oder Denken und Handeln, - wie auch immer. Wo kam es her, das diesen Maßstab bildete? Von Christoph, Sylvie, Marcel, oder gar Sarah? Von allen ein wenig.

    Ich war nicht sonderlich mit Griechenland verbunden, weder durch Reisetätigkeit, noch durch Interesse. Die griechischen Götter kannte ich nur sehr oberflächlich und ihre Verknüpfungen, ihr inzestuöses Tun und die eigensüchtigen Feindschaften unter ihnen waren mir schon immer suspekt gewesen. Ich verstand nicht, dass sie von den Griechen im Alltag wahrgenommen wurden, so wie ein neuzeitlicher Christ vielleicht sagen würde: „Jesus lebt!" Nein, das verstand ich nicht.

    Die Wiege der Philosophie war mir sogar noch unbekannter. Sokrates, Plato und Aristoteles, Euklid, Pythagoras, Thales, Diogenes, Archimedes, Plutarch, Empedokles, Sophokles; - ihre Namen kannte ich zwar, aber kaum mehr.

    Elias gab einmal zu, dass er nur wenig mehr über sie wusste. Einige dieser Helden hatten sich daran begeben, die Götter zu stürzen, sie durch schnöde gedankliche Thesen zu ersetzen, den Zauber der Poesie, den sie aufrecht erhielten, zu zerstören. Elias tat es ihnen zwar nicht gleich, war aber diesbezüglich Kind seiner Zeit, wie eben auch ich. Wir glaubten nicht mehr an Götter. Die Ratio, der alte griechische Begriff, hatte gesiegt.

    Er, Elias, war für mich dennoch ein Überbringer guter Botschaften gewesen, eben weil er durch seine frühe Eigenständigkeit das Zeug dazu hatte, mich zu beeindrucken, mir als Vorreiter, als Beispiel zu dienen, - vermutlich ohne es selbst zu bemerken. Der Vorgang der Individuation, des Heranwachsens an die persönliche Eigenständigkeit wurde damals von ihm in Gang gesetzt. Also gebührte ihm ein kleiner Thron in meiner Erinnerung. Er erschien mir schemenhaft, wenn ich um die Wertigkeit meines Handelns und Denkens kämpfte, um die Ethik.

    In Wirklichkeit war das nur ein beruhigendes Gefühl für das Selbstbildnis; - ja, du machst das richtig! Selbst bei wenig überzeugenden Episoden funktionierte diese Beruhigung. Erst später, viel später, eigentlich erst, nachdem dieser Beruhigungsmechanismus mir bekannt wurde, schränkte sich seine Funktion massiv ein. Aber es gab noch andere Verteidiger meiner Makellosigkeit.

    Im unbekannten Dunkel der inneren Räume meines Geistes gab es Verschiebungen, Neubewertungen, Vergleiche, Abgleiche, Angleichungen an gleich fragwürdige Vorbilder, Übertragungen. Elias war dafür nicht zuständig, sein Ressort war die Ethik in griechisch-antiker Machart. Für die moderneren Strategien gab es Notfallassistenten.

    Sie sprangen mir bei, wenn Not am Mann war, wenn mein Selbstbild litt. Ich war es nicht gewohnt, mich selbst nicht am höchsten zu werten. Das gehörte nicht zu meinem Verständnis von Individuation. Im schlimmsten Fall plädierte ich auf das Recht des Künstlers, des irrenden Lebenskünstlers, der selbst seine Irrungen noch als autobiographisches Highlight wahrzunehmen imstande war.

    Einige der Helfer in meinen dunklen Innenräumen mühten sich ab, plagten sich mit lastenden Stressoren, schufen mit positiv orientierter Kraft Szenarien für den glücklichen Exit aus verzwickten Situationen, blieben selbst unkenntlich und ohne gebührenden Lohn, denn ich erblickte sie nicht, spürte lediglich den Erfolg ihrer Arbeit, ohne die Tätigkeiten selbst je wahrzunehmen.

    Beachtenswert, - und doch stets unbeachtet! Nur einige von ihnen, Platzhalter für Figuren meiner Erinnerung, hatten so etwas wie ein Gesicht. Elias, der Grieche, sein nicht allzu hochgeschossener Körper, seine breiten Schultern, sein kräftiger Brustkorb, die blauen Augen und die dichten, kurz-gelockten Haare, - er war als geistiges Erinnerungsbild immer da, wenn ich mich an einer ominösen Ethik abglich.

    Ein anderer war Max. Wir hatten ihn früher, in den glorreichen Siebzigern oft Max Mustermann genannt. Und genau dieser Aspekt seines Wesens, seines Lebenslaufes war dominant; - dominant gewesen. Denn ich hatte ihn ebenso wie Elias ewig nicht wiedergesehen. Max stand in

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