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Ehrlichkeit
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eBook256 Seiten3 Stunden

Ehrlichkeit

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Über dieses E-Book

Sie nennt sich „die Tafelrunde“ und ist doch nur eine lose Gemeinschaft, die von einer langen Freundschaft füreinander geprägt ist. Und Prägung ist irgendwann durch beiläufige Umstände zum Thema der Gespräche, der Gefühle und auch der Handlungen geworden. Prägung oder Ehrlichkeit, den eigenen Antrieben gegenüber – schließt sich das nicht gegenseitig aus, fragt man sich? Und so nagt der Verdacht, der Zweifel, an der Aufrichtigkeit, der eigenen und der anderen. Ist es Reinheit oder ist es Gewohnheit, Eitelkeit, Musterhaftigkeit, die an der Tafelrunde zirkuliert? Und so zerfällt die Runde, verteilt sich im Unauffindbaren, wandert davon und folgt der Zentrifugalkraft. Doch im Inneren lebt sie weiter und tagt an der Tafel, sehnt sich nach der Wiedervereinigung. Doch wo soll man suchen?

Die Handlung und die Namen der Personen sind frei erfunden.

Dieses Buch erhebt keinerlei Anspruch auf Richtigkeit im physikalischen, mathematischen, politischen, historischen, wissenschaftlichen, religiösen, philosophischen oder medizinischen Bereich.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum17. Jan. 2022
ISBN9783755405634
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    Buchvorschau

    Ehrlichkeit - Walter Gerten

    I M P R E S S U M

    Ehrlichkeit

    von Walter Gerten

    © 2022 Walter Gerten.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Autor: Walter Gerten

    Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne

    Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.

    Text, Zeichnungen, Bilder und Fotos von Walter Gerten. © 2022 Walter Gerten

    Der Autor:

    Walter Gerten lebt seit vielen Jahren in der ländlichen Südeifel. Als Autor betätigt er sich seit dem Jahr 1999. In der Anfangsphase, ab 2000 bis 2003 nahm er an einer intensiven Schreibwerkstatt teil, es folgten Lesevorträge. Daneben betreibt er seit dem Studium Malerei und Grafik, die ebenfalls teilweise als Illustration Einzug in seine Schriftwerke findet.

    Weitere Romane:

    Manfred Wilt und der Tote am Fluss

    Manfred Wilt und die Rocker

    Der Bote des Zarathustra

    Monte Nudo

    Unterwegs mit Tom Kerouac

    Ich bin ein Schiff

    Die Sternenbücher 1 Professor Montagnola

    Die Sternenbücher 2 Akba

    Die Sternenbücher 3 Die dunkle Seite des Mondes

    Die Sternenbücher 4 Der Sinn des Lebens

    Die Sternenbücher 5 Planet der Phantome

    Die Sternenbücher 6 Das Nichts

    Die Sternenbücher 7 Tod eines Springers

    Die Sternenbücher 8 Paradise2

    Die Sternenbücher 9 Solitan

    Die Sternenbücher 10 Das Symbol für Solitan

    Die Sternenbücher 11 Das Ubewu

    Die Sternenbücher 12 Ich und Es

    Die Sternenbücher 13 Der dreizehnte Stern

    Die Sternenbücher 14 Die Raumzeit

    Die Sternenbücher 15 Selbst Ich

    Die Sternenbücher 16 Vergehen und Werden

    Die Sternenbücher 17 Die zweite Reise zum JETZT

    Die Sternenbücher 18 Marielle

    Die Sternenbücher 19 Arkadien

    Die Sternenbücher 20 Das letzte Abenteuer

    Die philosophischen Romane:

    Lust

    Pilgern

    Scheitern

    Irritation

    Ehrlichkeit

    Stille

    Das Buch

    Sie nennt sich „die Tafelrunde" und ist doch nur eine lose Gemeinschaft, die von einer langen Freundschaft füreinander geprägt ist. Und Prägung ist irgendwann durch beiläufige Umstände zum Thema der Gespräche, der Gefühle und auch der Handlungen geworden. Prägung oder Ehrlichkeit, den eigenen Antrieben gegenüber – schließt sich das nicht gegenseitig aus, fragt man sich? Und so nagt der Verdacht, der Zweifel, an der Aufrichtigkeit, der eigenen und der anderen. Ist es Reinheit oder ist es Gewohnheit, Eitelkeit, Musterhaftigkeit, die an der Tafelrunde zirkuliert? Und so zerfällt die Runde, verteilt sich im Unauffindbaren, wandert davon und folgt der Zentrifugalkraft. Doch im Inneren lebt sie weiter und tagt an der Tafel, sehnt sich nach der Wiedervereinigung. Doch wo soll man suchen?

    Die Handlung und die Namen der Personen sind frei erfunden.

    Dieses Buch erhebt keinerlei Anspruch auf Richtigkeit im physikalischen, mathematischen, politischen, historischen, wissenschaftlichen, religiösen, philosophischen oder medizinischen Bereich.

    Inhalt

    I M P R E S S U M

    Das Buch

    Inhalt

    Die geheime Tafelrunde

    Hagen

    Muster

    Traum

    Hilda

    Simon

    Abwärts

    Greta

    Ludwig

    10. Jochen

    Talsohle

    Erwartungen

    Der Drache

    Ludwig

    Tina

    Helden

    Qi

    Tapeten

    Zirkulation

    Unsterblichkeit

    Perspektivwechsel

    Giselle

    Antoine

    Fledermaus

    Napoleon

    Verstecke

    Bremm

    Klage

    1. Die geheime Tafelrunde

    Sengende Hitze lag über dem Garten. Aber er wollte noch die erste Etappe der Arbeiten abschließen, auch wenn es nur provisorisch sein würde. Sobald er den spärlichen Schatten verlassen musste und die Glut der Sonne auf seinem Rücken spürte, wurden ihm die körperlichen Grenzen des Arbeitens unter solchen Bedingungen bewusst.

    Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, damit die salzigen Tropfen nicht in seine Augen rannen. Es war ein tropischer Sommer, wie er bislang nicht üblich gewesen war für diese Region. Doch genau das würde zukünftig zur Regel werden und deshalb bereitete er sich - beziehungsweise den Garten - auf diese Zukunft vor. Man würde bewässern müssen, weit mehr als zurzeit. Ein Gewässer, ein Brunnen, ein Bach, eine Quelle, - all das stand ihm nicht zur Verfügung. Also legte er eine Zisterne an, um den segensreichen Regen dann zu sammeln, wenn er fiel.

    Eine muntere Plauder-Runde - das sogenannte innere Gespräch - in seinem Kopf begleitete die Planung und die Arbeit, sorgte für seine Unterhaltung und die Abwägung aller relevanten Argumente. Natürlich war in diesem Gremium des geheimen inneren Parlamentes auch die eine oder andere düstere Zukunftsvision zur Sprache gekommen. Aber dominant waren sie bislang nicht geworden. Wichtiger war die Umsetzung von Vorstellungen, die Berechnung von Kosten, die Bemaßung von Leitungen, die Beschaffung von zusammen passenden Materialien.

    Stimmen in seinem Kopf kommentierten seine Gedanken, unterzogen sie einer gnadenlosen Prüfung. Und er wusste, dass sie nicht einmal im Schlaf schweigen würden, wenn er den Kopf auf das heiße Kissen legte, die schmerzenden Handgelenke entspannte, die Arme streckte und mit den Beinen die dünne Decke vom Körper schob, weil sie ihn zu sehr erwärmte. Im Traum kehrte sie wieder, die illustre Runde der Denker und Planer, der Fachkundigen und Dilettanten, der schnellen Schrauber und der routinierten Mahner.

    Im Wachbewusstsein bezog er (nennen wir ihn Hagen, weil er von seinen Eltern so genannt worden war) seine Stellung und fällte seine Entscheidungen und dann, wenn er sich belustigt von diesem inneren Gespräch abwandte, dann fiel ihm auf, dass die Bevölkerung seines „Kopfes" sich auch in ganz anderen Situationen, in völlig unterschiedlichen Momenten und Verläufen an ihrem gewohnten Stammtisch zusammen setzte und ihr Palaver abhielt. Andere Besetzung, andere Themen, andere Randbedingungen, - aber gleiche Arbeitsweise. Hagen und seine geheime Tafelrunde.

    Er träumte von einem Badeteich im Garten, von klarem Wasser in ausreichender Menge, von der Kühle des Wassers am Körper, an der Haut. Er imaginierte sich selbst in diesem kleinen Gewässer, sich und seine Frau. Wasser auf erfrischter Haut, die Tropfen glitzernd in der Sonne wie kleine Prismen, die das Licht auffächerten in Gelb und Ultramarin und Purpur. Lässiges Leben neben dem ebenfalls genüsslich räkelnden Körper von Hilda, die ihn anlächelte. Nur eine Imagination.

    Hagen musste sich die Kommentare seiner inneren Tafelrunde anhören, wenn er die erotischen Formen badender Frauen bewunderte. Er wollte das nicht, aber es passierte ohne seinen Willen. Er war längst über das Alter hinaus, in dem Körperkonturen bewundert wurden, ohne Abstriche hinzunehmen. Er benötigte keine kritischen Stimmen. Er hatte längst die positive, lyrische Bewertung der realen Bewertung vorgezogen, schwelgte in der Fülle freiwilliger Überbetonung, der Illusion, der sexuellen Phantasie, der befruchtenden Vorstellung. Kurz, er akzeptierte, dass sich auch in Bezug auf sich selbst die Illusion eher lohnte als die krasse, konturierte Realität.

    Hagen spürte die bewusst wahrgenommene oder auch unterschwellige Präsenz jener Plauder-Runde, wenn er tat, was immer er auch tat. Sie waren stets dort, die heimlichen Begleiter, die spirituellen Pädagogen. Sie gingen ihm auf die Nerven, wenn sie gegen seinen Willen redeten, wenn sie seine vitale Kraft hinterfragten, seine chaotische Kreativität kritisch bewerteten, seine Sorglosigkeit mit Mahnungen zu bändigen suchten. Sie waren lästig!

    Der Garten war die Bühne seiner Aktivität, das Opfer seiner Vorstellungskraft. In der bildnerischen Vorstellung seiner Planung sah er ihn so werden, wie er ihn sich vorstellte. Und Hilda, seine geliebte Frau, war wie er in die Jahre gekommen … Doch noch immer spielte die Erotik eine Rolle in seiner Schaffenskraft. Neu war - und das war ihm bewusst geworden in den Jahrzehnten der Reife - dass sich eine routinierte Gelassenheit dazu gesellt hatte, die alles Schaffen zur reinen Freude machte. Auch darüber wurde diskutiert in seinem inneren Gespräch - kontrovers diskutiert.

    Hagen trug den Namen eines Helden. Er hatte seine Mutter nie gefragt, warum sie ihm diesen Namen gegeben hatte, nach dem Krieg. War es der Wunsch nach Helden, die man sich erträumte nach dem grandiosen Desaster? Er wusste es nicht. Jedenfalls waren die inneren Vorgänge, die er seit geraumer Zeit bewusst beobachtete, nicht anders als bei jedem Anderen auch. Vielleicht etwas bewusster, nun, nachdem sie ihm zunehmend auffielen und er ein Augenmerk darauf hatte. Es war seiner Neugier geschuldet, dass er sich damit beschäftigte. Und dem Umstand, dass er wenig Ablenkung hatte.

    2. Hagen

    Natürlich war ihm auch längst jener beängstigende Gedanke gekommen, der wohl ganz unbemerkt die längerfristige Beobachtung eines inneren Gespräches irgendwann begleitet. Die Frage: „Was, wenn es unregelmäßige oder auch fehlerhaft zu nennende Abläufe, Funktionen gäbe? Sind denn die Teilnehmer jener ominösen Tafelrunde unfehlbar? Und wer von ihnen trifft schlussendlich die Entscheidungen?"

    Hagen wusste nicht, ob solche Überlegungen auch Andere beschäftigte. Er hatte mit seinen Freunden darüber geredet und man hatte ihn komisch angeschaut. Erst wollten sie ein wenig darüber nachdenken …

    Natürlich verknüpfte man mit dieser merkwürdigen Thematik „Realitätsverlust". Realität war sowieso kein vorrangiges Thema, das ihn beschäftigte. Er hielt es mit Astrid Lindgren und ihrer Romanfigur Pippi Langstrumpf. Für ihn zählte vorrangig seine Vorstellung von lebenswerter Welt. Die Vorstellungswelt war der Quell seiner tagtäglichen Vergnügungen. Er vermutete, dass es in anderen Vorstellungswelten ähnliche Prämissen gab.

    Der Garten und seine Möglichkeiten in der hypothetischen Erlebniswelt der Zukunft. Darin nahm das Wasser einen wichtigen Platz ein. Denn ohne Wasser kein Leben, kein Wachstum, kein Lebensraum. Doch es gab darüber hinaus gehende Erwartungen in der Zukunftswelt der Vorstellungen. Abkühlung überhitzter Aktionen in einem Bereich der Regeneration. Ja, das war eine lohnende Vorstellung. Man konnte auf dieser Basis kreativ und tätig werden. Das bestätigte ihm sein innerer Stammtisch relevanter Stimmen. Die Erde und ihre Natur, ihre belebte Natur, war ein schöner Ort und außerdem gab es keinen anderen.

    Das Leben hatte noch einige Reize für ihn bereit. Nicht nur die Vorstellung nasser Haut. Auch die weniger auffälligen Attribute des Daseins gliederten sich ein in geschickt gestalteten Genuss. Einen höheren Input erwartete er nicht. Weder träumte er von einer noch zu erwartenden Steigerung des Erlebens, noch von einer höheren Erkenntnis, einer Erleuchtung gar, die den Sinn des Ganzen final ersichtlich machen würde.

    All das erachtete Hagen als bereits gegeben, als vorhanden, präsent, dem willigen Menschen zugänglich. Wohl gemerkt begleitet von der Möglichkeit des Irrens, des ungeschickten Verlaufs seines inneren Disputs, den er konstatierte. Um das Potential des Gegebenen auszuschöpfen, bemühte Hagen sich um geschickten Umgang mit seiner Zeit. Doch parallel zu dieser bequemen, verlässlichen Zone des Vertrauens in das eigene Geschick gab es einen Verlauf, der aus einer anderen, unbekannten und beunruhigenden Zone kam. Es war nicht direkt beängstigend, eher kam es ihm vor wie eine Lücke im heimatlichen Weltbild, wie etwas, gegen das man sich wappnen und schützen sollte wie den Garten, der unter der Gluthitze der Sonne verdorren würde.

    Es war, wenn er weiter in dieser Richtung dachte, eine Art Gluthauch, ein heißer Atem, ein feuerspeiender Drache, der sich noch nicht bemerkbar gemacht hatte, aber als Vermutung und Sage eine Bedrohung darstellte. Noch gab es für Hagen keinen Anlass, sich damit zu beschäftigen, denn seine Schaffenskraft war groß, seine Vorstellung war präzise und farbig, sein Potenzial schöpfte die Kraft der Kreativität am Brunnen des vitalen Seins, des Lebens.

    Sein innerer Dialog, seine Gespräche mit sich selbst kreisten niemals um diese parallele Spur. Es gab zwar einen stummen Teilnehmer an jener Runde in seinem Kopf, der etwas darüber hätte beitragen können, aber er hatte sich nicht gemeldet und niemand hatte ihn aufgefordert. Lag es an einer Ahnung, die zwar schon spürbar war, aber die man noch verdrängen konnte, zugunsten des erfolgreichen Tagesgeschäftes? Hagen jedenfalls wusste darauf keine Antwort. Manchmal, in seinen Träumen, erlebte er fremdartige Szenerien, die er nicht mit seinem Alltagsleben überein bringen konnte. Es waren bedrückende Erlebnisse. Hinter Türen wüteten Unholde, aber sie waren bislang ungesehen, konturlos, unheimlich. Diesseits der Türen bewährten sich die Vorstellungen von Lebensenergie, über die Hagen zu verfügen wähnte in seinen Tagträumen, in seinen Projekten, in den Vorstellungen, die seine Projekte entwarfen, bevor sie entstanden.

    An der Tafel des Diskurses wurden die Ziele der Vorstellungen entworfen, immer befeuert vom Potenzial des Lebens, ohne dass Hagen immer teilnahm oder informiert war. Manchmal sah er die Tafelrunde vor sich, hörte die Dialoge, verfolgte die Tendenzen. Meist jedoch wähnte er sich nur in der entscheidenden Rolle des Hierarchen, des Helden, des Machthabers, ohne alles wirklich verfolgt zu haben. Die Tafelrunde mochte lamentieren, - es musste auch Entscheider, EINEN Entscheider geben. So sah es für ihn aus.

    Hagen hatte sich als Kind lange gegen seinen unzeitgemäßen Vornahmen gewehrt. Als ihm die Verknüpfung zur germanischen Sagenwelt im Alter von neun Jahren bewusst geworden war, hatte er sich zunächst eine Weile geschmeichelt gefühlt, doch später, nach einer weiteren halben Dekade hatte natürlich der Vergleich mit zeitüblichen Namen eingesetzt und die Frage nach der Motivation zu solcher Benennung. In der Folge wollte er über die unausgesprochenen Erwartungen an einen Sohn namens Hagen nichts mehr wissen und hören und lehnte ihn grundlegend ab.

    Es bleibt für den Leser lediglich zu konstatieren, dass es vielleicht (!) Verknüpfungen von Namen und Selbstbildern geben mag, dass man sich aber auf solche Vermutungen nicht verlassen kann. Der Held der Geschichte, Hagen, sah sie nicht. Aber wer war er im Gefüge seiner inneren Tafelrunde? Beobachter, Weisungsgebender, Dulder, Teilnehmer oder eine ganz andere Rolle?

    Der Leser wird Hagens Freunde und diverse weitere Personen kennenlernen und er mag sich fragen, ob die Protagonisten dieser merkwürdigen Geschichte denn die Fragestellung unabhängig zu beantworten in der Lage sein werden. Vieles wird nicht wahrgenommen und ist unter Umständen dennoch vorhanden.

    Hagen sah vor seinem inneren Auge die Ergebnisse dessen, was er zu tun beabsichtigte. Er begutachtete es gemeinsam mit seiner Tafelrunde im Kopf. Er ging auf Gedanken ein, er erwog die Alternativvorschläge, die sie ersannen. Er probte andere Bilder, verglich Plätze und Ansichten und die Ausführungen der auf ihn zukommenden Arbeiten. Er träumte …

    Im Traum war der Garten ein Park, der sich dem flanierenden Gärtner sequenziell öffnete, der Szenerien enthielt und Perspektiven öffnete. Und natürlich war im Traum auch Hagens visueller Geschmack am Werke, wehrte sich gegen Fehlgriffe und allzu mutige Pläne, verteidigte seine Gewohnheiten, zog sich auf die Ästhetik der Hagen-typischen Sehweise zurück. Insgeheim war ihm dabei ein wenig unwohl. Irgendetwas in ihm wusste, dass er es liebte, auf seine Wohlfühlroutine hinaus zu kommen. Und dieses Etwas in ihm, das es wusste - schon im Vorhinein wusste - deutete scheu auf jene noch unbekannte Lücke im wohlbekannten Weltbild, - auf den Drachen und seinen Gluthauch des sengenden Lichtes.

    Und Hagen bemerkte sie, die Lücke.

    Einer seiner Freunde war eines Tages zu Besuch und Hagen erläuterte ihm seine Pläne der Wasserwelt im Garten. Jener Freund, (nennen wir ihn Jochen), verstand sofort die Sichtweise und ihren Bezug zu Wahrnehmungsmustern. Jochen war Akustiker, Musiker, Tontechniker, „Hörer". Und er bestätigte, dass im akustischen Raum vergleichbare Phänomene auftraten wie im optischen Raum.

    „Es gibt den Rückzug der Hörer auf Gewohnheiten, auf das Bekannte, sagte er, „es ist das Muster, das zuverlässig die Sicherheit des zu Erwartenden dem Unbekannten vorzieht.

    Jochen sprach von Signalketten, von Filtern, die das ursprüngliche akustische Geschehen veränderten, die Musik beeinträchtigten und vom direkten Erlebnis der Wellen und Frequenzen trennten, indem sie es ergänzten oder reduzierten, verzerrten oder komprimierten.

    „Die Ehrlichkeit gegenüber dem, was zu hören ist, ist unabdinglich, wenn man sich nichts vormachen will!"

    „Was meinst du denn damit, Jochen? Was ist denn die akustische Ehrlichkeit, wenn es denn eine solche gibt?"

    „Du darfst dabei nicht mit deinen Erwartungen heran gehen. Das Hören nur dessen, was man zu hören erwartet, ist ein selektiver Filter, der Dinge ausblendet, indem er eigene Vorstellungen beim Hören wirksamer macht als das Hörspektrum selbst!"

    „Das verstehe ich! Beim Sehen ist es ähnlich. Selektives Sehen ist eine Wahrnehmung, die dem eigenen Auge schmeichelt, statt es mit der harten Helligkeit zu konfrontieren. Ein vertrocknetes Blatt am Zweig kann traurig oder attraktiv sein, je nach dem, was man darin sieht. Jedoch gibt es ja stets die Möglichkeit, sich nicht schon beim Hinschauen zu entscheiden, was daran man sieht und was man übersieht."

    Jochen dachte nach und auch Hagen wusste, dass er den fraglichen Umstand, den er hatte verdeutlichen wollen, nicht wirklich gut beschrieben hatte.

    Auch für den Leser mag es eine merkwürdige Thematik sein, die durch die Hintertür einer mäßig spannenden Konstellation der Geschichte sichtbar wird. Ob es wirklich Menschen gibt, die über derartige Themen zu kommunizieren versuchen? Und was war noch einmal der Inhalt des Themas? Selektives Hören und Sehen?

    Doch! Das ist ganz gebräuchlich und üblich. Und tatsächlich steht das durchaus hin und wieder hinderlich im Weg.

    „Ach so, du meinst die Möglichkeit, dass die ehrliche Reinheit der Wahrnehmung gänzlich unbekannt sei? Du bist immer noch der ängstliche Novize im Becken mit den Freischwimmern, Hagen. Du solltest gegen deine Dämonen kämpfen und die Oberhand gewinnen! Du hast doch gute Anlagen! Deine Ideen haben Potential und dein Geschmack ist ganz o.k. Trau dich und geh‘ es an!"

    „Ach Jochen! Du hast es nicht verstanden. Liegt wohl an der Schwierigkeit, es verständlich zu machen. Mein Fehler! Versuch Nummer zwei: Wenn ich immer nur mich selbst hören und sehen will, dann ist das eine leichte Übung. Man tut es schon immer. Aber dieses > ist ein formatfüllendes Echo, das wir schon lange kennen und das uns in jedem Moment begegnet. Wir hören es im Kopf Selbstgespräche führen, die es immer und immer wieder bestätigen, nur um etwas anderes zu vermeiden: die Leere! Dort befürchtet man feuerspeiende Drachen!"

    „Sag mir, wie ich dir helfen kann, Hagen. Du leidest unter Luxusproblemen. Wer würde sich beklagen, wenn er du wäre?"

    Hagen verlor langsam seinen Fokus auf den Drachen, der mit blinzelnden Augen durch einen Spalt im Himmel herabschaute und seine Chancen abzuschätzen versuchte. Nein, ein scheues Zeitfenster schloss sich und zurück blieb das Strickwerk tauglicher Worte und Begriffe, das Gewebe Verflechtung suchender Stimmen und Personen. Sie mühten sich um einen Bahnhof, in dem die Gleise zusammen führten und die Emotionen sich trafen. Der Drache schloss sein Spaltauge und seufzte, zog die Lefzen hoch zu einem gutwilligen Lächeln und stob davon in die unbekannten Weiten des Firmamentes. Cirruswolken flossen in hauchfeinen Mäandern aufwärts, Wellen feuchter Wolken sammelten sich in himmlischen Ebenen, verdrehten sich vertikal und in der klaren Höhe zeigten sich die Muster der Atmosphäre. Die Grenze der Erde bildete sich so ab, wie es

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