Die Suche mit Ludwig: Idee einer Reise
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Rezensionen für Die Suche mit Ludwig
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Buchvorschau
Die Suche mit Ludwig - Ralf Weidner
Vorwort
Hätte ich in diesen Tagen ein Buch geschrieben über eine Reise, dann würde der Titel lauten: „Meine Reise mit Ralf – die Idee eines Lebens". Denn mit dem Autor dieses Werks darf ich seit knapp einem Jahr – ganz offiziell – durchs Leben reisen. Und das ist nie langweilig und immer schön und spannend. Nun schreibe ich ein Vorwort für sein Buch und das ist eine Ehre für mich.
Ludwig kenne ich auch, haben wir doch schon einige Reisen mit ihm erlebt. Campen, Wohnmobile und das Reisen in dieser Häufigkeit ist etwas Neues für mich. Das habe ich erst so richtig mit Ralf kennengelernt. Seine Begeisterung in diesem Bereich ist ansteckend und seine Erfahrung, Gelassenheit und Routine beruhigend. Es macht Spaß mit den beiden – Ralf und Ludwig – unterwegs zu sein.
Nun geht es in diesem Reisebericht um mehr als um die Aufzählung von Orten und Sehenswürdigkeiten. Es handelt von der Suche danach, wie dieses Land – oder die Menschen, die hier leben – ticken. Wie geht es ihnen (uns) in dieser besonderen Zeit? Wie geht es der Gesellschaft insgesamt? Ralf möchte verstehen und hört und schaut deshalb genauer und tiefer hin. Das berührt mich und macht mich während des Lesens nachdenklich. Gleichzeitig beschreibt der Autor hier eigene Schnittmengen mit dem Erlebten. Und das im besten Sinne ganzheitlich: Er beschreibt Gerüche, die ihn an seine Kindheit erinnern, und Geräusche, die etwas in ihm auslösen. Er teilt seine Begeisterung über Orte und Sehenswürdigkeiten und nimmt mich mit hinein in scheinbar alltägliche und dann doch ganz tiefgehende Begegnungen mit anderen Menschen. Ich spüre, hier reist der ganze Mensch. Innerlich und äußerlich. Er genießt, fragt, staunt, erkennt, spürt nach und findet manche Antworten. Und in all dem nimmt er mich als Leserin so fein und unaufdringlich an die Hand, dass ich tatsächlich das Gefühl habe, dabei zu sein.
Am Ende kehrt Ralf mit Ludwig nach Hause zurück, am liebsten wäre ich lesend mit den beiden weitergefahren.
„Schade, dachte ich am Schluss, „schon vorbei.
„Ein Glück, fällt mir dann ein, „es werden noch viele Reisen folgen – in der Realität. Und ich darf mit.
Die Suche geht weiter.
Susanne Pommerien-Weidner, im März 2022
Start
Die Idee zu diesem Buchprojekt geht zurück auf das Jahr 1962. In diesem Jahr erschien ein Werk, das für mich zur Initialzündung für vieles wurde.
John Steinbeck begibt sich zwei Jahre zuvor auf eine dreimonatige Rundreise durch die USA – sein Amerika. „Travels with Charley: In Search of America" entsteht als Reisebericht, in dem Steinbeck auf die Suche geht nach der Vitalität amerikanischer Werte.
Wofür stehen die Menschen in seinem Land? Die Frage konnte er zu Beginn seiner Reise nicht beantworten, denn in den vorangegangenen Jahren hatte er sich innerlich zu weit von ihnen entfernt:
1940 wurde er für seinen Roman „Früchte des Zorns" mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, wodurch er weltberühmt wurde; später arbeitete er zeitweise als Kriegsberichterstatter. Rund zwanzig Jahre später erhielt er als Grammy seines Lebenswerks den Nobelpreis für Literatur. In dieser Zeit war er auf der ganzen Welt zu Hause. Den Nürnberger Prozess verfolgte Steinbeck 1945 auf der Pressetribüne. Er reiste durch Skandinavien, Frankreich und die Sowjetunion. Weitere Ziele waren Nordafrika, Süd- und Westeuropa. Von seinem Land hatte er sich entfernt. Er wollte wieder näher rücken, den Zeitgeist spüren, fühlen, was seine Landsleute bewegt. Im Land tobte zu dieser Zeit ein erbitterter Wahlkampf zwischen Kennedy und Nixon. Und auch der Vietnamkrieg warf seine Schatten, obwohl die USA erst rund vier Jahre später offiziell in den Krieg eingriffen.
In diesem Gemenge aus hochkomplexen Zusammenhängen machte der Autor sich in einem Wohnmobil auf, um zu entdecken: Land – Leute – Befindlichkeiten. Sein Land, die Menschen und deren Lebensgefühl zu erfahren und zu beschreiben. Es treibt ihn raus. Nach allem, was ich über ihn gelesen habe, muss er ein in höchstem Maß Rastloser gewesen sein. Steinbeck wusste das! „Nichts hat bis hierher geholfen", formuliert er im Vorwort seines Buches. Ist irgendwann der Moment, an dem er sesshaft werden wird? Er ringt mit dem Unterwegssein. Dem Drang danach, Ort und Position zu wechseln.
Ich spürte beim Lesen seines Romans, wie sehr er auch mit der Frage hadert, was ihn wohl antreibt. Die Antwort ist das Gesamtwerk. Wer das Buch gelesen hat, kann möglicherweise keine Antwort formulieren, aber man kann sie erspüren. Und genau das will ich auch: das, was den Autor antreibt, nachspüren.
Ich erkenne mich an manchen Stellen wieder. Steinbeck wird für mich zum Vorbild, zum - Ideengeber, zum Muster, zur Richtschnur für einen Start auf meine eigene Reise. Auch mich treibt die Frage um, was in meinem Land los ist. Rund 30 Jahre nach der Vollendung der Deutschen Einheit – die Ära Merkel ist gerade zu Ende gegangen. Für eine historische Einordnung sicher noch zu früh, aber es gibt derzeit sowieso anderes, das die Aufmerksamkeit dieses Landes bindet: Die Corona-Pandemie wütet seit rund zwei Jahren in Deutschland und der Welt.
Ich will auf die Suche gehen nach den Menschen, die mit mir Teil dieses Landes sind. Vieles in den vergangenen Jahren habe ich nicht verstanden. Ich will den Menschen begegnen, ihnen gegenüberstehen, zuhören, sie verstehen. Und ich will auf die Suche nach mir selbst gehen, will mir begegnen, mir gegenüberstehen. Wo ist er geblieben, der Friedensaktivist in mir?
Ostermarsch in den 1980er Jahren – ich war dabei. Bürgerinitiative gegen die neue Startbahn am Frankfurter Flughafen – ich war dabei. Hätte es damals Fridays for Future gegeben, ich wäre sicher ebenfalls dabei gewesen. Und heute? Angst. Fridays for Future macht mir Angst. Seit mehr als drei Jahrzehnten zahle ich treu und ehrlich meine Steuern in diesem Land. Nochmal so lange und meine statistische Lebenserwartung ist vorbei. Ich habe noch Hoffnungen, Träume und Vorstellungen, wie ich diese Zeit gerne füllen möchte. Zahltag! Ich habe so viel hinein gegeben in dieses Land, mich engagiert, war für die am Rand da. Ich habe mich mit Langzeiterwerbslosen solidarisiert, war ehrenamtlich aktiv. Auch hier rastlos. Ich habe Angst, dass mir etwas genommen wird, was ich mir verdient habe. Ich bin in Vorleistung gegangen. Und trotz all dieser Ängste ist mir eine Eigenart geblieben: Den Weg zum Gegenüber zu finden. Das hat für mich etwas mit Haltung zu tun. Zum Miteinander gehört es zwangsläufig dazu – ist unabdingbar – danach zu fragen, was die gegenüber fühlen, was sie bewegt.
Wie würde ich fühlen, wäre ich heute zwanzig, am Anfang meines Lebens? Das ist im Leben wie beim Fußball. In der Mitte wird schon mal nach dem aktuellen Stand gefragt. Gibt es einen ordentlichen Vorsprung oder muss in der 70. Minute nochmal gewechselt werden? Am Anfang geht es um die Aufstellung. Wie würde ich mich heute aufstellen? Was wäre meine Strategie? Ich beobachte, dass sich zahlreiche Lebenswelten häufig unversöhnlich gegenüber stehen: Die mit der Startaufstellung gegenüber denen, die zwar müde gespielt sind, aber auch schon ein paar ordentliche Spielzüge ihres Lebens vorzuweisen haben. Inklusive mehr oder weniger zahlreichen Toren. Die in der Provinz, vorzugsweise Ostdeutschlands, die sich abgehängt fühlen und von diesem Land gar nichts mehr erwarten, gegenüber denen, die in bürgerlichen Milieus einen beachtlichen Wohlstand erreicht haben. Die Langzeiterwerbslosen mit gebrochenen Biografien gegenüber den Strebsamen, die ihre Karriere verfolgt haben, ihr Ziel erreicht haben, wie das im Einzelfall auch immer formuliert sein mag. Die Lebensbehüteten gegenüber den Chancenlosen. Die Ängstlichen mit ihrem Drang, sich impfen zu lassen, weil ihnen sonst ihr Leben um die Ohren fliegt. Die anderen Ängstlichen, die keinen Drang zum Impfen haben, weil ihnen sonst ihr Leben um die Ohren fliegt. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Antagonisten, Gegenspieler sind allgegenwärtig. Das macht es spannend, das macht es komplex und bisweilen ist es nicht zu begreifen. Manchmal fühlt es sich auch nach purer Verzweiflung an.
Dieses Buch soll kein zeitgenössischer Abklatsch des amerikanischen Autors werden. Mir wird klar, ich muss mich emanzipieren. Ich muss und will mich aus einer Gefahr von hemmender Abhängigkeit lösen. Meine Selbstständigkeit besteht darin, nicht nur zu beschreiben! Ich will eintauchen in Lebenswelten. Was haben mir die Menschen, die ich treffe, zu erzählen? Wie fühle ich mich, wenn ich an sie heran rücke? Die Spaltung unserer Zeit im Besonderen, wie die Spaltung von Menschen im Allgemeinen können nur dadurch überwunden werden, dass wir verstehen, wie sie sich anfühlen. Freiheit ist immer auch die Freiheit meines Gegenübers, so ähnlich hat es Rosa Luxemburg formuliert. Was viele hierbei allerdings nicht wissen, sie hatte eine revolutionäre Idee vor Augen. Ich will keine Visionen über Gesellschaftsordnungen austauschen, ich will die emotionale Gemengelage ausloten. Ich will verstehen, warum mein Gegenüber sich jetzt in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt. Wer die Radien der Menschen kennt, der kann auch verstehen, wo die Fundamente zum Brückenbau verortet sein müssen. Ausgangspunkte zu solchen Verortungen sind Begegnungen. Davon will ich erzählen. Zunächst neutral wahrnehmen, mitunter sicher auch kommentierend, dabei allerdings wertschätzend. Jeder Mensch darf sein, jeder Mensch auf meiner Reise darf sein. Diese Haltung sagt mir schon mein Glaube. Das Evangelium, wie wir es im Neuen Testament vorfinden, ist ein Zeugnis dafür, wie Gott den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Daraus habe ich viel gelernt. Ich muss nicht jeden toll finden, aber ich muss damit rechnen, das mir in jedem Gegenüber Gott begegnet.