Sackkreisel auf Autopilot: Poetry Slam und Kabarett Texte
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Über dieses E-Book
Allen gemeinsam ist ein typischer, oft grenzgängerischer, meist schwarzer Humor, der nicht nur mit Wortspiel und Wortwitz reizt, sondern auch mit der seltenen Fähigkeit, auch an sich sehr ernste Themen auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Was auch den kabarettistischen Charakter der meist poetischen Texte ausmacht. Sicher ist, dass – wenn auch nicht für jeden alle – so aber doch der eine oder andere Text Nerv, Seele oder Geschmack des Publikums trifft. Und wenn es zu all dem nicht taugt, dann doch wenigstens zur Kurzweil, zum schnellen Amusement, für ein paar billige Lacher über den einen oder anderen eingestreuten Kafkalauer.
Oder, um mal den besten Zeitungsartikel über GAX zu zitieren, den es sich wirklich lohnt zu zitieren, und zwar aus dem Darmstädter Echo nach den Hessischen Poetry Slam Meisterschaften von 2014:
„Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend. GAX hatte als zweiter Starter der letzten Runde mächtig vorgelegt. „Sechs Minuten Ewigkeit“ hieß sein Sprach-Furioso, im Textwitz noch stärker, als in der Raffinesse des gehetzten Vortrags, aber mit so vielen Pointen und überraschenden Bildern gespickt, dass ein Spaßmacher aus dem großen Heer der Comedians daraus einen ganzen Abend bestreiten könnte. Dafür vergab die Jury 48,5 von 50 möglichen Punkten.“
Und das ist nur ein Text von 32 im Buch. Und die anderen, ebenfalls alle schon bühnenerprobt und mit vielen kleinen Meistertiteln geehrt, halten das Niveau. Also: Viel Vergnügen beim Lesen!
GAX Axel Gundlach
GAX Axel Gundlach Autor, Vielschreiber, Kabarettist, Poetry Slammer und Dadaist Der künstlerische Dutzendsassa sammelt seit zwanzig Jahren die Sprachperlen und Sprechfehler seiner Weggefährten und Zufallsbekanntschaften mehr unter gaxkabarett.de noch mehr unter gaxaxelgundlach.de
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Buchvorschau
Sackkreisel auf Autopilot - GAX Axel Gundlach
Für Waltraut, die uns alle viel zu früh hier zurückgelassen hat.
Dein Lachen wird immer bei mir sein!
Für Sabina, meine persönliche Sprechpolizei,
dank der mich jetzt auch andere schon besser verstehen
Für meine Eltern Eva und Werner
Für Onkel Günter
Für Günter, Ronni, Jul und Alvaro
Für alle meine Freunde vom KaHouse für KunstKulturKommunikation
Für Alf, Axxl, Flo, Frank, Frankie, Jan, Yonas
Für die Slamily
INHALTSVERZEICHNIS
EDITORIAL
OPFERLAMM
Die Poesie
HELDENFLUCHTEN
Augmented Irreality
Superfly
Na gut, Quixote
Tod durch Zukunft
GELEGENHEITEN
Abschied am Morgen
Das Ballkleid
Abschied, ein gründlicher
Unsterblich verliebt
Ein Tag wie gemalt
GEDANKENSPIELWIESE
Gedankenbrei
Das SES-Treffen
Jedermann
Panta Rhei
SACKKREISEL AUF AUTOPILOT
Brügge für Esel
Erich
Fünfhunderttausend Ich
Sprichwörtlich: Endkampf
Der lange Weg
DER RING
Ringparabel
Kreuzritter Sport
Meine Fatwa
Jesses, der Jesus
Idiotendämmerung
IRGENDWAS MIT MEDIEN
Lange Krimi-Nacht
Sturm im Wasserkopf
Schicksal ohne Ende
SECHS MINUTEN
Tempus Fugit
Form Fucks Function
Kill the Poet
Stillleben mit Titeln
ZUGABEN
Stadtnamenpoesie
Psychedelisches Tagebuch
AUTOR, WERBUNG, NACHWORT
Das Universum liebt Dich
VORWORT
Von der lauten Bühne ins ruhige Buch! Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein Sprung ins Ungewisse für jeden einzelnen kleinen Text.
Was sonst wie im Rausch über die Bühne hastet, poltert und mit Stimme und Spiel Augen und Ohren des Publikums umgarnt, ruht nun hier auf geduldigem Papier, harrt dem jetzt auch auf sich allein gestellten Leser. Hier müssen die Texte eine andere Qualität beweisen. Einzelne Zeilen, ja ganze Absätze dieser Bühnentexte können doppelt gelesen und so einer viel genaueren Prüfung unterzogen werden. Und vor allem der Humor, auf der Bühne ja gerne mal durch gut gesetzte Betonungen und schelmische Gesichtsgymnastik auffordernd hervorgehoben oder wahlweise besänftigend entschärft, muss sich nun auf sich selbst gestellt durchsetzen. Kann schwierig sein. Da wird’s Härtefälle geben.
Auf der anderen Seite: In der Ruhe liegt die Kraft der Worte. Die dramaturgischen Aspekte, die hintergründigen Wendungen und Wandlungen, die versteckten Feinheiten haben als Lesestoff vielleicht sogar eine größere Chance sich zu entfalten als im Lärm der Bühne. Sofern es sie gibt. Also, geplant waren ja ein paar. Aber ich will mich mal nicht zu früh verraten.
Ansonsten gilt mit Knecht Ruprecht: In der Rute liegt die Kraft! Kabarett und satirische Poetry Slam Texte dürfen auch mal nerven, einem heimlich in der Seele weh tun und den guten Geschmack verletzen – vor allem damit einem klar wird, dass man noch eine leicht genervte Seele und sowas wie guten Geschmack besitzt. Denn auch das leistet der Autopilot im Sackkreisel: Zuhörer, Leser und Autor müssen nicht immer derselben Meinung sein, die hier versammelten Texte dienen auch zur Abgrenzung, zur Bestimmung der eigenen Position, frei mach dem Motto: Bild dir meine Meinung.
Es erwartet Sie im Buch also genau das, was Sie auch erwartet, wenn Sie eines Tages mal in Ihr Lieblingskabaretttheater gehen und sich einen ganzen Abend den Herrn GAX mit seinem „Sackkreisel auf Autopilot" anschauen: Ausflüge in Lebensgeschichten mit Umwegen, aber ohne Ausweg, mit äußeren und inneren Sperren, mit vielen gescheiterten Fluchtversuchen und auch so mancher Wendung, die man leichtsinnigerweise als gelungenen Fluchtversuch werten möchte.
Dabei haben die Texte eine gewisse Spannbreite zwischen dem satirischen Kabarett – oder Literarièté, wie man manche der Texte vielleicht früher gattungsbezeichnet hätte – und den teils auf die Sekunde ausgezeiteten Texten, mit denen man sich beim Poetry Slam als siegeslustiger spoken word artist dem direkten Urteil der Publikumsjury stellt.
Ich hoffe natürlich, dass – wenn auch nicht alle – so aber doch der eine oder andere Text Nerv, Seele oder Geschmack trifft. Und wenn es zu all dem nicht taugt, dann doch wenigstens zur Kurzweil, zum schnellen Amusement, für ein paar billige Lacher über den einen oder anderen eingestreuten Kafkalauer. Oder, um mal den einzigen Zeitungsartikel zu zitieren, den es sich wirklich lohnt zu zitieren, und zwar aus dem Darmstädter Echo nach den Hessischen Poetry Slam Meisterschaften von 2014:
„Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend. GAX hatte als zweiter Starter der letzten Runde mächtig vorgelegt. „Sechs Minuten Ewigkeit hieß sein Sprach-Furioso, im Textwitz noch stärker als in der Raffinesse des gehetzten Vortrags, aber mit so vielen Pointen und überraschenden Bildern gespickt, dass ein Spaßmacher aus dem großen Heer der Comedians daraus einen ganzen Abend bestreiten könnte. Dafür vergab die Jury 48,5 von 50 möglichen Punkten.
Und nun: viel Vergnügen beim Lesen!
Der Satyr
OPFERLAMM
Beim Poetry Slam wird das kleine Opferlamm nicht nur nicht zur Schlachtbank geführt, sondern vorher noch mit warmen Worten begrüßt und mit freundlichem Applaus empfangen. Er ist der dankbare Erste auf der Bühne, aber nicht der Erste im Wettbewerb, denn für den ist es oft undankbar der Erste zu sein. Diese Last lädt das Opferlamm auf sich und stimmt mit seinem Vorspiel Publikum und Jury auf die Teilnehmer eines Poetry Slams ein.
Es ist schon eine besondere Situation, den Wettbewerb der Bühnendichter auf diese Art als Warm-Upper (vulgo: Einheizer) einzuläuten. Man soll gut sein, um das Publikum in Anspannung zu versetzen, damit die Aufmerksamkeit steigt; aber nicht so gut, dass sich der nachfolgende erste Slammer denkt: „Na, danke, jetzt ist es noch schwerer, als wenn ich nur einfach so als Erster auf die Bühne gegangen wäre."
Damit es nicht soweit kommt, habe ich einen Opferlammtext geschrieben, der deutlich außerhalb der Konkurrenz steht, weil er erkennbar vom Inhalt und vom Pathos her den Abend ankündigt und die Bühne für meine lieben Slam-Kollegen bereitet.
Und das ist ja auch ein idealer Einstieg in dieses Buch. Aber letztlich auch ein guter Einstieg in ein Soloprogramm!
Vorhang auf!
DIE POESIE
Poesie kann diese Welt nicht retten
Ein einzelnes Gedicht vielleicht
kann eine Seele in Staunen wohl versetzen
Sie so sehr verblüffen, dass sie sich hinterfragt
Doch das ist leicht dahingesagt
Wenn man, wie hier, in einer Höhle steht
Und mit rotem Beerensaft
Ein Bild auf Euren Felsen malt
Wie Rauchzeichen, wie Dunst so zart
In einen Hauch von Gegenwart gesprochen
Voll Inbrunst, voller Hoffnung gar:
Dies eine Zeichen eines Orpheus mag
Jene eine, halb verlor’ne Seele retten
Schnitt!
Der Welttraum – unendliche Weiten!
Inmitten eines Wertstoffhofs von Satelliten
Odysseus, schwerelos in seinem Titansarg
Blickt auf diese blaue Welt hinab
Ein Flaum von kaum einer Meile Leben
Mehr Menschen als es jemals Gräber gab
Ein babylonisches Geflecht
Von Unverstand und Unverständnis
Ein ewig plapperndes Gefängnis
Billiarden Bilder jagen durch den Äther
- Und jedes Bild macht tausend Worte -
In diesem Treibsand schwindet mein Gedicht
Zu wenig Auftrieb, und doch kein Gewicht
Schnitt – etwas später ...
Nachher um halb drei in einem Loch von Kneipe
Hier irgendwo nah bei
Wir Dichter schulden uns harte Kritik – Wein hilft dabei!
Gekonnt: Wir verteilen schlecht getarntes Eigenlob
als Ratschlag an die Andren
Am Nebentisch: ein genervter Informatiker:
Hier, halt’ doch endlich mal das Maul!
Euer ganzer Lyrik-Scheiß ist doch nur Hirngewix!
Ihr verändert nix!
Die ganze Welt - nichts als Physik
Nur Null und Eins. Begreift Ihr’s nicht?
Und wir? Betret’nes Schweigen ...
Ich kann den Kerl nicht leiden
Nicht dass es in der Mathe keine Schönheit gäbe
Keine Lyrik, in der sich Form um Formel fügt
Keine beerenrote Prosa, die von Ewigkeit erzählte
Doch was nützt denn diese fremde Poesie?
Die Technokraten sprechen grad mal ihren Grundwortschatz
Es langt zum Zählen; also beziffern sie:
– Wie viel Mensch passt wohl in einen Viehwagon?
– Wie viele Nichtschwimmer in ein morsches Fischerboot?
– Wie viel Geld passt noch in meine Taschen?
Und wie viel lass ich Euch für Euer letztes Hemd?
Ein harter Schnitt
Kurze Rückblende aus der Unschärfe,
Wir wissen nicht, wer sich erinnert:
Gedichte können diese Welt nicht retten
Sie sind in ihrem Innersten das Gegenteil der Politik;
Vom Ideal geprägt, und nicht vom faulen Kompromiss
Umso größer, umso mutiger die Tschechen
Die ihren Dichter Havel zum Präsidenten kürten
Welch wildes Herz, welch stolze Würde
Und wen haben wir?
Das Land der Dichter und Denker?
Rau, Köhler, Wulff, Gauck
Weniger Poesie ist kaum ...!
Die Stimme bricht
Das Bild verschwimmt, Schwarzblende
Gedichte können diese Welt nicht retten
Was macht dann eine Lesebühne? Ein Poetry Slam?
Eine Operation am offenen Wort
Wie eine Demonstration in der Pathologie
Nur dass die Dichterleiche selbst mit dem Skalpell sich öffnet
– CSI Poetry – und Einblicke gewährt, die manchmal auch zum
Besseren erschrecken
So hoffnungslos hoffnungsfroh, wie die Dichter sind
Sieh da, ein Individuum
Hoffnung keimt!
Das hat der Warhol wohl damit gemeint
Die paar Minuten Ruhm sind kein Fanal
Sondern Fest und Manifest der Einzigartigkeit
Jeder einzelne auf Erden ist es wert, gehört zu werden
- In Liebe und Trauer, Glück und Freiheit! -
sind wir einzig, aber nicht allein!
Laufschrift des Senders
Hier geht den Filmstudenten das Geld aus,
deswegen zeigen wir den Rest in Schwarzweiß!
Live aus dem Herz der Poesie
Die Poesie kann diese Welt nicht retten
Ich wünschte, irgendjemand könnte solche Zeilen schreiben,
die Hitler, Pol Pot, Stalin doch verhindert hätten
Oder etwas, um ISIS in die Menschlichkeit zu treiben
Und die Falten auf Zar Vladis Seele zart zu glätten
Und ich? ich bin mit mir im Reimen
Da draußen im Leben möchte ich eigens,
an meinen Taten nur gemessen werden
Da zeigen sich Herz und Vernunft
Hier drinnen aber, im feuchten Schoß des Dichterreigens
In diesem Schatzbunker Eures Einvernehmens
Hier darf Seele sich entblößen
Hier wird der rote Beerensaft - vielleicht - zur Kunst:
Johera trug
Den Krug
Auf ihrem Kopfe
Sodass kein Tropfen
Vom Gut
Verloren gänge
Wie geschickt
Ihr Genick
Ihre Hände
Und ging ihres Wegs
Vom Durst getrieben
Doch war
Am Ende
Kein Tropfen
Geblieben
Nun war vielleicht
Der Weg zu lang?
Die Sonne stand
Zu hoch?
Cliffhanger, ein Gesichtsausdruck
– bedeutungsschwanger: zu hoch?
eine sanfte Blende
Kurze Werbung,
dann kommen wir zum Ende:
Ein einzelnes Gedicht vielleicht
kann eine Seele wohl zum Klingen bringen
Wie das Grafitto jener Wasserträgerin
Auf einem Felsen, irgendwo im Kongo
An einer Bretterwand in Bergen-Belsen
Hier, Schwachkopf! Gib mir konkrete Daten:
GPS-Koordinaten, Datum und Wetterbericht
Fassungsvermögen von dem Krug, – Und ich
kann dir die ganze Verdunstungsscheiße ausrechnen!
Schnitt, Epilog:
Wenn es bei dieser Dichterschlacht was zu gewinnen gibt,
dann ist es eine nächste freie Seele
Viel Wenig ist ein Viel!
Zwei Reiskörner im zweiten Feld des Schachbretts
Erzählt es weiter:
Die Poesie kann vielleicht nicht,
doch sie will immer noch die Welt erretten!
Mosquito Superfly
HELDENFLUCHTEN
Der Held steht natürlich oft im Mittelpunkt des Interesses, und das zu Recht, wie schon Aristoteles vor knapp zweieinhalbtausend Jahren glasklar erkannt hat. Denn er ist es, in dem wir uns am ehesten wiedererkennen möchten. Er ist es, dem durch das Schicksal unverdientes Leid widerfährt – so wie uns –; der sich unter dem Druck der Ereignisse an neue Situationen anpassen muss – so wie wir –; der sich verändern muss, um nicht endgültig vom Sackkreisel verschluckt zu werden – so wie wir –; und er ist es, der am Ende sein Ungemach mit Humor zu ertragen hat – auch wie wir! Denn seien wir doch mal ehrlich: sowas wie ein Happy End gibt’s doch nur in Hollywood oder in thailändischen Massage-Salons.
Darum sind die Helden in diesem Buch nicht von der ganz klassischen Sorte, sondern irgendwie realitätsnäher: näher am Scheitern, näher am Verlust der eigenen Integrität, näher an der Katastrophe des eigenen Ichs. Selbst wenn sie wie mein Don Quixote mit den allerbesten Absichten daherkommen. Aber, na gut, da muss man dann halt durch.
AUGMENTED IRREALITY
Vergrößert, erweitert, vermehrt, erhöht, angereichert – augmented!
Eine tolle Sache für alle, denen die Realität zu langweilig ist
– oder wahlweise zu undurchsichtig!
Auch ich bin auf das Produktversprechen dieser Digitalwirtschafter reingefallen:
Werde zum besten Klugscheißer der Welt!
Wie alles, was heute zutage toll und Industrie 4.0 ist,
beginnt auch die Augmented Reality mit dem Download einer App!
Und der Eröffnung eines Paypal-Kontos
Digitales Einbildungsvermögen – Vorstufe zum Offenbarungseid!
Aber egal, ... man kann eh nix mitnehmen.
WLan stabil, also downloaden!
Schon kann man mit seinem Schlauphone durch die Stadt laufen und sich die gut gescannte Welt im Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum erklären lassen.
Da Denkmal: Goethe, deutscher Dichter!
Gut,