Der Bergpfarrer 395 – Heimatroman: Der Zufall bringt es an den Tag
Von Toni Waidacher
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"Guten Morgen, Regina, wie war die erste Nacht, haben Sie gut geschlafen?", erkundigte sich Ria Stubler, die Wirtin der gleichnamigen Pension in St. Johann. Ihr neuer Gast, eine hübsche, junge Krankenschwester lächelte. "Ja, Ria, vielen Dank", antwortete sie, "ganz wunderbar." Nachdem sie am gestrigen Nachmittag angekommen war und das Zimmer bezogen hatte, war Regina Wohlers durch den Ort spaziert und hatte im Biergarten eine Suppe gegessen. Anschließend war sie in die Pension zurückgekehrt und schon beizeiten schlafen gegangen. Das frühe Aufstehen und die lange Fahrt, von Celle ins Wachnertal, hatten ihren Tribut gefordert, doch jetzt war sie ausgeschlafen und freute sich auf ihren ersten richtigen Urlaubstag.
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Der Bergpfarrer 395 – Heimatroman - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer –395–
Der Zufall bringt es an den Tag
Bist du wirklich Beatrice?
Roman von Toni Waidacher
»Guten Morgen, Regina, wie war die erste Nacht, haben Sie gut geschlafen?«, erkundigte sich Ria Stubler, die Wirtin der gleichnamigen Pension in St. Johann.
Ihr neuer Gast, eine hübsche, junge Krankenschwester lächelte. »Ja, Ria, vielen Dank«, antwortete sie, »ganz wunderbar.«
Nachdem sie am gestrigen Nachmittag angekommen war und das Zimmer bezogen hatte, war Regina Wohlers durch den Ort spaziert und hatte im Biergarten eine Suppe gegessen. Anschließend war sie in die Pension zurückgekehrt und schon beizeiten schlafen gegangen. Das frühe Aufstehen und die lange Fahrt, von Celle ins Wachnertal, hatten ihren Tribut gefordert, doch jetzt war sie ausgeschlafen und freute sich auf ihren ersten richtigen Urlaubstag.
»Prima, das freut mich!« Die Wirtin deutete zur Terrassentür. »Ich hab draußen gedeckt, bei dem herrlichen Wetter wär’s ja eine Sünd, drinnen zu frühstücken. Was möchten S’ denn trinken, Tee oder Kaffee? Und mögen S’ ein gekochtes Ei?«
Regina bat um Kaffee und bejahte die Frage nach dem Frühstücksei. Daheim machte sie sich eher selten die Mühe, eines zu kochen, aber im Urlaub ließ sie sich gerne mal verwöhnen.
Die Krankenschwester ging durch den Frühstücksraum, in dem bei schlechtem Wetter gefrühstückt wurde – was allerdings um diese Jahreszeit eher selten war – und trat auf die Terrasse hinaus.
Dort saßen bereits Gäste beim Frühstück und grüßten freundlich zurück, als Regina einen guten Morgen wünschte. Sie setzte sich an den Tisch, der für eine Person gedeckt war, und schaute sich um.
Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herab, und im Garten grünte und blühte es. Die Zweige der Beerensträucher hingen prallvoll herab, und an den Obstbäumen, Zwetschge, Kirsche, Apfel und Birne, reiften die herrlichsten Früchte heran.
Nach ein paar Minuten trat Ria Stubler auf die Terrasse hinaus, sie hielt ein Tablett in beiden Händen, das sie auf den Tisch stellte.
Regina fielen vor Staunen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie sah, was ihr alles serviert wurde; auf einer Porzellanplatte waren Wurst- Käse- und Schinkenscheiben arrangiert und hübsch mit Tomaten, Gurken und Petersilie garniert. Ferner standen kleine Schüsseln auf dem Tablett, gefüllt mit Joghurt, Honig und Marmelade, dazu angemachter Kräuterquark, Müsli und eine Karaffe mit frischer Milch.
Ria stellte eine große Kanne Kaffee dazu und einen Brotkorb, mit frischen Semmeln und Laugenstangerln.
»Um Himmels willen – das ist doch wohl nicht alles für mich?«, fragte Regina. »Das kann ich doch gar nicht alles schaffen.«
Die Wirtin schmunzelte. »Langen S’ nur tüchtig zu, Regina«, meinte sie, »der Hunger kommt beim Essen, das macht unsre gute Landluft. Und wenn S’ satt sind, dann können S’ sich gern noch was für später machen und brauchen net so oft zum Essen ins Wirtshaus gehen, das schont die Reisekasse. Papier zum Einwickeln bring ich Ihnen dann.« Ria wünschte einen guten Appetit und ging ins Haus zurück.
Regina Wohlers hingegen zückte erst einmal ihr Smartphone und schoss ein paar Fotos von all der Pracht, die vor ihr stand. Dann nahm sie eine Semmel und schnitt sie auf. Herrlich!
Die resche Semmel, der Belag, der Kaffee, das Ei, das genau auf den Punkt gekocht war, alles schmeckte so lecker, dass Regina gar nicht aufhören konnte zu essen. Zwischendurch löffelte sie ein paar von den frischen Früchten, die die Wirtin hergerichtet und in kleine Würfel geschnitten hatte, unter den Joghurt und genoss jeden Happen.
Beatrice würde staunen, wenn sie erfuhr, wie gut es sich die Freundin gehen ließ. Dabei hatte Regina es ihr zu verdanken, dass sie überhaupt nach St. Johann gefahren war. Beatrice Burger hatte Regina nämlich vorgeschlagen, ihren Urlaub diesmal im Wachnertal zu verbringen, der Heimat ihres Vaters. Franz Burger war hier geboren, während des Wehrdienstes hatte es ihn allerdings nach Norddeutschland verschlagen, und dort gefiel es ihm so gut, dass er, der Zeitsoldat geworden war, für immer blieb. Er lernte Marion kennen, seine spätere Frau, baute ein Haus und gründete eine Familie.
»Nur einmal ist er wieder zurückgekehrt«, hatte Beatrice erzählt, »das war, als sein Vater verstarb. Zur Beerdigung sind wir hinuntergefahren, aber daran kann ich mich natürlich nicht erinnern, ich war damals erst ein paar Monate alt.«
Eine Tante ihres Vaters würde noch in St. Johann leben, doch der Kontakt zu ihr sei im Laufe der Jahre immer weniger geworden und schließlich ganz abgebrochen.
Nachdenklich ließ Regina den Löffel sinken und blickte vor sich hin. Seltsam, dass sie erst jetzt wieder an die Begebenheit dachte …
Hatte sie es sich nur eingebildet, oder saßen da gestern tatsächlich Jessica Schröder und Jannik Winter im Biergarten des Hotels?
Inzwischen war Regina sicher, in der Frau im Lokal hatte sie die ehemalige Freundin und Arbeitskollegin erkannt, jedoch bei dem Mann kamen ihr jetzt Zweifel. Klar war Jessy leichtsinnig, aber dass sie sich wieder von diesem Mann hatte einwickeln lassen, das mochte Regina nun wirklich nicht glauben.
Und wenn doch, dann stellte sich ihr die Frage, was machten die beiden hier, in St. Johann?
*
In seinem Krankenzimmer, in der Bergklinik auf der Nonnenhöhe, saß Franz Birkner auf der Bettkante und lächelte breit, als Walburga Birkner durch die Tür kam. »Endlich!« Der Bauer rutschte vom Bett herunter und wollte seine Reisetasche aufnehmen, die neben dem Nachtkästchen stand.
Doch seine Frau kam ihm zuvor. »Lass das«, sagte sie, »ich mach das schon.« Sie bückte sich und nahm die Tasche auf, stellte sie aber gleich wieder auf dem Bett ab und umarmte erst einmal ihren Mann. »Du sollst doch net so schwer tragen«, tadelte sie seinen Versuch, die Reisetasche selbst schleppen zu wollen.
Prompt verfinsterte sich seine Miene, und Franz setzte zu einer herrischen Erwiderung an. »Du kannst mir ruhig was zutrauen«, sagte er heftig, »schließlich lebe ich ja noch.«
Walburga Birkner erwiderte nichts darauf, sondern tätschelte ihm die Wange und nickte nur.
›Das kann ja noch was werden‹, dachte die Bäuerin, während sie zur Tür ging.
Erst hatte sie ihn unterhaken wollen, doch dann ließ sie es lieber bleiben. Wer weiß, wie er darauf reagiert hätte …
Franz nahm den großen Briefumschlag vom Bett und folgte seiner Frau mit raschen Schritten.
Sie gingen über den Krankenhausflur und kamen am Schwesternzimmer vorbei.
»Alles Gute, Herr Birkner«, winkte die Oberschwester ihm zu.
Der Bauer grinste schief und nickte. »Danke schön«, entgegnete er, »für alles.«
Im selben Moment kam Dr. Carpenter aus einem der Patientenzimmer, als er den Bauern sah, winkte er ihm zu. »Ist es also soweit, es geht nach Hause«, lächelte der Chefarzt der Herzchirurgie.
James Carpenter begrüßte erst Walburga, bevor er Franz die Hand schüttelte. »Auch von mir alles Gute, Herr Birkner, und denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe: Kürzertreten, in den nächsten vier Wochen keine körperlich anstrengende Arbeiten verrichten, und bei den geringsten Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, suchen Sie den nächsten Arzt auf.« Der Amerikaner schaute den Bauern durchdringend an. »Aber in der nächsten Zeit sind Sie ja ohnehin gut versorgt«, setzte er hinzu. »Haben Sie schon Nachricht, in welcher Klinik Sie die Reha machen werden?«
»Heut Morgen ist ein Schreiben der Rentenversicherung gekommen«, erklärte die Bäuerin, »da steht vermutlich alles drin, ich hab’s bloß noch net aufgemacht.«
Dr. James Carpenter nickte verstehend und verabschiedete sich von ihnen.
»Was für ein Schreiben ist gekommen?«, wollte Franz Birkner wissen, als sie mit dem Fahrstuhl