Irrlicht 75 – Mystikroman: Das Geheimnis der Schloßkatze
Von Susan Hastings
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Über dieses E-Book
Sie sah sich inmitten des heiligen Hains stehen. Die alten, knorrigen Bäume standen kahl und drohend um sie herum. Ein Feuer brannte auf dem vergilbten Gras und Nebel waberte durch die kalte Luft. Von irgendwoher erklangen schaurige Gesänge und das dumpfe Dröhnen einer Trommel. Aus dem Nebel trat ein riesiges Pferd mit wehender Mähne und geblähten Nüstern hervor. Es rollte mit den Augen, daß man das Weiße darin sah und Ria fuhr erschrocken zurück. Von einem der alten Bäume hing ein alter Strick mit einer langen Schlinge. Daneben erkannte sie eine hochgewachsene, schlanke Gestalt in einem langen weißen Gewand. Die Person wandte ihr den Rücken zu, doch Ria wußte, daß es ein Druide sein mußte. Wollte er das Pferd opfern? Das Pferd schien ängstlich, wieherte und trommelte mt den Hufen.
»Nein!« schrie Ria. »Es ist kein heiliges Pferd, es ist doch schwarz!« Langsam, ganz langsam wandte sich der Druide zu ihr um – und starrte entsetzt in das Gesicht des Lords.
Das Telefon klingelte fordernd und schrill, während Ria noch mit einer riesigen Papierfahne kämpfte, die sich aus dem Fax schlängelte.
»Meine Güte, man müßte acht Arme haben wie die Göttin Shiva«, seufzte Ria.
»Du bist doch selbst dran schuld«, erwiderte Rias Kollegin Sylvia. »Warum schreibst du auch solche erfolgreichen Artikel? Nun jammerst du über den Ruhm!« Aber Sylvia lächelte verschmitzt. Sie gönnte Ria ihren Erfolg.
»Kinder, schaut mal her, ich habe hier die französische Ausgabe der ›Art Geo‹, darin ist dein Artikel über die Kathedralen Frankreichs.«
Der Redakteur Hans Willing schwenkte ein buntes Magazin in
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Irrlicht 75 – Mystikroman - Susan Hastings
Irrlicht
– 75 –
Das Geheimnis der Schloßkatze
Magie und Zauberei treiben Ria an den Rand des Wahnsinns
Susan Hastings
Sie sah sich inmitten des heiligen Hains stehen. Die alten, knorrigen Bäume standen kahl und drohend um sie herum. Ein Feuer brannte auf dem vergilbten Gras und Nebel waberte durch die kalte Luft. Von irgendwoher erklangen schaurige Gesänge und das dumpfe Dröhnen einer Trommel. Aus dem Nebel trat ein riesiges Pferd mit wehender Mähne und geblähten Nüstern hervor. Es rollte mit den Augen, daß man das Weiße darin sah und Ria fuhr erschrocken zurück. Von einem der alten Bäume hing ein alter Strick mit einer langen Schlinge. Daneben erkannte sie eine hochgewachsene, schlanke Gestalt in einem langen weißen Gewand. Die Person wandte ihr den Rücken zu, doch Ria wußte, daß es ein Druide sein mußte. Wollte er das Pferd opfern? Das Pferd schien ängstlich, wieherte und trommelte mt den Hufen.
»Nein!« schrie Ria. »Es ist kein heiliges Pferd, es ist doch schwarz!« Langsam, ganz langsam wandte sich der Druide zu ihr um – und starrte entsetzt in das Gesicht des Lords.
Das Telefon klingelte fordernd und schrill, während Ria noch mit einer riesigen Papierfahne kämpfte, die sich aus dem Fax schlängelte.
»Meine Güte, man müßte acht Arme haben wie die Göttin Shiva«, seufzte Ria.
»Du bist doch selbst dran schuld«, erwiderte Rias Kollegin Sylvia. »Warum schreibst du auch solche erfolgreichen Artikel? Nun jammerst du über den Ruhm!« Aber Sylvia lächelte verschmitzt. Sie gönnte Ria ihren Erfolg.
»Kinder, schaut mal her, ich habe hier die französische Ausgabe der ›Art Geo‹, darin ist dein Artikel über die Kathedralen Frankreichs.«
Der Redakteur Hans Willing schwenkte ein buntes Magazin in der Luft. »Und der Kommentar dazu ist mehr als schmeichelhaft, Ria, du bist als Expertin anerkannt. Was ist das für ein Fax?«
»Aus Italien. Auch denen scheint mein Artikel gefallen zu haben.« Ria knisterte verlegen mit dem Faxpapier. Die plötzliche Euphorie war ihr fast unheimlich. »Ich verstehe gar nicht, daß sich so viele Leser für Kathedralen interessieren.«
»Weil du es ihnen so interessant vermittelst, daß man davon einfach gefangen genommen wird.« Hans lächelte stolz. »Und denk dir nur, eben hat ein Verlag angerufen, ob du die Reihe nicht als Bildband herausbringen willst. Schließlich hast du wunderbares Fotomaterial, und deine Texte sind nicht nur für die Fachleute interessant. Du sollst sie unbedingt gleich zurückrufen!«
»Ein Buch?« Ria spürte, wie eine heftige Röte über ihr Gesicht glitt. »Mein Gott, so weit hatte ich nicht geplant. Ich weiß nicht…«
»Aber Ria, was gibt es da zu überlegen?« Sylvia klopfte Ria euphorisch auf die Schulter. »Du wirst sehen, eines Tages wirst du noch ganz berühmt.«
»Wenn Berühmtsein mit solchem Trubel verbunden ist, dann verzichte ich lieber darauf.« Ria hob abwehrend die Hände, während das Telefon schon wieder schrillte.
»Ria, für dich!« rief Hans.
»Ich bin nicht da«, wiegelte Ria ab.
Hans legte seine Hand auf die Muschel und rollte mit den Augen. »Der Chefredakteur!« Er hielt Ria den Hörer hin.
»Ja, bitte?« Ria lauschte eine Weile wortlos, während ihre Miene ernst wurde. »Wann?« fragte sie kurz. Dann legte sie auf.
Hans und Sylvia blickten sie an. »Ist etwas passiert?«
Ria schüttelte den Kopf. »Ich soll eine neue Serie schreiben. Über alte Schlösser in England und Schottland.«
Sylvia lachte. »Huhhh! Solche mit Gespenstern und Folterkellern und Lords, die nachts zu Vampiren werden?«
Ria verzog tadelnd das Gesicht. »Laß doch den Unsinn! Natürlich nicht, sondern solche, die restauriert werden oder eine interessante Geschichte haben. Mich interessiert vor allem die Architektur und das Inventar. Mit Spukgeschichten kann ich doch unseren Lesern nicht kommen!« Jetzt mußte auch sie lächeln. »Außerdem bin ich die letzte, die an solchen Unsinn glaubt.«
»Wann soll es denn losgehen?« fragte Hans.
»Am Dienstag ist mein Flug nach London gebucht. Der Chef-redakteur hat mich schriftlich angemeldet und von einigen Schlössern sind Einladungen gekommen. Zuerst fahre ich zu einem Lord Gwendal Holbrooke nach Schloß Billingsmore. Der Chef hat mir sogar einen Leihwagen von London aus zugestanden. Von dort aus geht es weiter nach Norden. Vier Monate habe ich Zeit für die Recherchen.«
»Vier Monate? Und was wird aus deinem Buch?« Hans hob entsetzt die Hände.
Ria blies die Wangen auf. »Hat das nicht Zeit? Hans, tu mir den Gefallen und vertröste den Verlag etwas. Ich bin gar nicht böse, wenn es in nächster Zeit etwas ruhiger zugeht. Ich bin reif für die Insel!«
»O je, ob du bei all den Schloßgeistern Ruhe bekommst?« neckte Sylvia.
»Liebe Sylvia!« Ria baute sich vor ihrer Kollegin auf und stemmte entschlossen die Fäuste in die Hüften. »Während meines fünf-jährigen Studiums der Kunstgeschichte und Architektur habe ich hunderte von Schlössern und Burgen besichtigt, bin vom Folterkeller bis zum Fledermausdach herumgekrochen und habe niemals auch nur ein einziges, armseliges Gespenst zu Gesicht bekommen. Vielleicht fürchten sie sich vor mir. Jedenfalls habe ich keine Angst vor ihnen, auch wenn du es mir immer wieder einreden willst. Und sollte mir wirklich eines über den Weg schweben, das verspreche ich dir, bringe ich dir ein Stückchen von seinem weißen Gewand mit!«
*
Die Straße führte aus dem Wald heraus um einen Hügel herum. Auf dem Hügel lag das Schloß, es war bereits vom Waldrand aus zu sehen. Von der Straße führte ein schmaler, gepflasterter Weg zum Schloß hinauf.
Das Schloß besaß eine merkwürdige Architektur. Ursprünglich muß es aus zwei mächtigen Türmen bestanden haben, die das eigentliche Schloßgebäude begrenzten. Einer dieser Türme war nur noch als fragmentarische Ruine zu erkennen, der zweite schien intakt zu sein. Er war bis zum Schindeldach mit Kletterpflanzen umrankt. Auch das zweistöckige Mittelgebäude wurde von wilden Wein- und Rosenstöcken fast überwuchert. Das Schloß wirkte geheimnisvoll und märchenhaft, umgeben von einem Park mit hohen, alten Bäumen.
Der gesamte Komplex ein-schließlich des Parks wurde von einer hohen Steinmauer umschlossen. Auch die Mauer war an vielen Stellen von wildem Efeu überwuchert. So mußte Dornröschen hundert Jahre geschlafen haben, fuhr es Rita durch den Sinn. Sie hielt den Wagen am Waldrand an, um sich den Anblick einzuprägen. Dann zog sie ihre Kamera heraus und fotografierte das zauberhafte Panorama.
Das zweiflügelige schmiedeeiserne Tor stand offen und schaukelte quietschend in den Angeln. Langsam fuhr Ria in den Schloßhof. Aus der Nähe wirkte das Gebäude alt und düster. Kein Mensch war zu sehen, nichts rührte sich. Nur eine schwarz-weiße Katze hockte auf dem steinernen Geländer, das die Terrasse begrenzte, die sich links und rechts vom Eingang über die gesamte Front des Gebäudes erstreckte.
Zögernd stieg Ria aus dem Wagen. Sie hatte sich schriftlich angemeldet, ihr Empfang war bestätigt worden. Ein wenig hilflos blickte sie sich um.
Der Schloßhof bildete ein Rondell mit einem alten steinernen Springbrunnen in der Mitte. Doch selbst das Wasser schien in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein.
Ria schritt die ausgetretenen Steinstufen zum Eingang empor. Neben der dunklen, schweren Holztür entdeckte sie einen Löwenkopf aus Messing. In seinem Maul steckte ein Klingelknopf. Ria drückte ihn und fuhr erschrocken zurück, als ein ohrenbetäubender Gong durch das Schloß hallte. Es dauerte jedoch noch eine geraume Weile, bis die Tür geöffnet wurde. Ein gebeugter alter Mann stand vor Ria. Er trug einen abgewetzten schwarzen Anzug mit einer gestreiften Weste darunter und blickte sie aus wäßrigen Augen an.
»Guten Tag! Mein Name ist Ria Wagner. Ich bin die Historikerin, die über dieses Schloß eine Artikelserie schreiben möchte. Ich hatte