Sternentänzer, Band 26 - Verwirrung des Herzens
Von Lisa Capelli
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Rezensionen für Sternentänzer, Band 26 - Verwirrung des Herzens
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Buchvorschau
Sternentänzer, Band 26 - Verwirrung des Herzens - Lisa Capelli
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Verwirrung des Herzens
In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche ein, und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.
Ein Globetrotter kehrt zurück
Es war ein wunderbar warmer Frühsommertag. Carolin Baumgarten, genannt Caro, und ihre beste Freundin, Lina Schniggenfittich, saßen im Schneidersitz auf einer blauweiß karierten Picknickdecke vor Linas hellgelbem Wohnwagen. Wenn sich in diesem Moment hinter den beiden Mädchen die Erde ein Stück weit aufgetan hätte, hätten sie es vermutlich kaum bemerkt – so andächtig und aufmerksam lauschten sie den Erzählungen von Rocco. Linas Onkel war ein weltbekannter Feuerschlucker und Fakir – und inzwischen auch Zirkusdirektor. Sein Künstlername: Rocco Muraro.
Mit seinem Zirkus war er lange Zeit um die halbe Welt gezogen. Vor ein paar Tagen dann war er urplötzlich zur Überraschung aller wieder in Lilienthal aufgetaucht, hatte auf einmal an die Wohnwagentür von Linas Eltern geklopft. Und nun saß er leibhaftig vor den beiden Mädchen auf der Wohnwagenwiese.
„Genial, dass du wieder da bist, Onkel Rocco!", wiederholte Lina zum x-ten Mal und strahlte glückselig über das ganze Gesicht. Ihre schönen grünen Augen funkelten wie Edelsteine. Sie liebte ihren Onkel von ganzem Herzen und hatte ihn schwer vermisst.
„Finde ich auch!", stimmte Carolin freudig ein. Auch sie mochte Linas Onkel sehr gern. Er war wie ein bunter Paradiesvogel, und die zwei Mädchen hatten schon viele Abenteuer mit ihm erlebt.
„Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man von einem Land zum anderen zieht", sagte Rocco mit seiner sanften, aber kräftigen Stimme. Auch optisch war er etwas anders als andere. Er hatte lange, dunkle Korkenzieherlocken, die er meist mit einem Tuch zusammenband, und seine warmen braunen Augen waren mit schwarzem Kajal umrandet. Er hatte breite Schultern, eine kräftige athletische Figur und trug fast nur Anzüge mit Tiermustern, so wie heute einen Overall im Zebramuster und darüber eine Lederjacke.
„Wahnsinn, wo du schon überall rumgekommen bist!", schwärmte Lina.
„Hast du auch Kamele und Eisbären gesehen?", wollte Carolin wissen.
Rocco grinste. „Kamele ja, bis zum Nordpol haben wir’s aber leider noch nicht geschafft."
„Und Wölfe?, erkundigte sich Lina. „Hast du Wölfe gesehen?
Rocco schüttelte den Kopf. „Leider nicht! Aber manchmal hab ich ganz deutlich ihr lautes Heulen gehört. Seine Augen leuchteten. „In Rumänien zum Beispiel. Vor allem in Vollmondnächten, da heulen sie besonders laut!
„Rumänien, so weit weg!"
„Von dort hab ich euch … Rocco kramte in einem großen, schon etwas abgeschabten Lederkoffer, der neben ihm auf der Picknickdecke stand. „… diese hier mitgebracht.
Mit einer weit ausholenden Armbewegung zog er zwei bunte, luftig leichte Tücher hervor. Er reichte jedem Mädchen eines davon.
„Wow! Das ist superschön, danke", freute sich Carolin und legte es sich um die Schultern.
Onkel Rocco war schon wieder auf der Suche in seinem Koffer. „Und aus Andalusien, das liegt in Spanien, hab ich euch das hier mitgebracht. Geschickt holte er zwei Paar Kastagnetten heraus, steckte sie über die Daumen und schlug mit den Fingern die beiden Holzschalen schnell gegeneinander. Dabei führte er abwechselnd die Arme über den Kopf und hinter den Rücken. Schließlich überreichte er den Mädchen die Kastagnetten. Er zwinkerte ihnen zu. „Die hat mir die schönste Flamencotänzerin der Welt geschenkt. Sie hieß Esmeralda und hatte glänzend schwarzes Haar bis zur Hüfte.
„Danke", kam es fast gleichzeitig von Lina und Carolin. Kichernd versuchten sie, die Kastagnetten zum Klappern zu bringen.
Wieder tauchte Rocco in seinen Koffer. Diesmal fischte er zwei daumengroße Figuren heraus und gab sie den Mädchen.
Mit gerunzelter Stirn untersuchte Carolin das Geschenk. Es war eine kleine Frau mit nacktem Oberkörper, langen Haaren und Fischschwanz, sie saß auf einem Felsen. „Was ist das denn?"
„Das ist die kleine Meerjungfrau aus Kopenhagen in Dänemark. Sie sitzt auf einem Felsen am Meer und wartet geduldig auf ihren Liebsten. Das Problem ist nur, dass sie mit ihrem Fischschwanz nicht an Land kann und ihr Liebster, der ein Mensch ist, nicht im Wasser leben kann", erzählte Rocco.
„Cool!", sagte Carolin und drehte und wendete die kleine metallene Figur hin und her.
„Und aus Holland … Rocco wühlte erneut in seinem Koffer. „… kommt dieses Mitbringsel.
Er hielt zwei kleine Schlüsselanhänger hoch, an denen jeweils zwei bunt bemalte Holzclogs in Miniaturgröße baumelten, und reichte sie den Mädchen.
Lina hielt sich die Schuhe dicht an die Nase und schnupperte daran.
„Was machst du da?", kicherte Carolin.
„Ich hab nur geprüft, ob die Schuhe nach Käse riechen, erklärte Lina grinsend. „Schließlich kommt doch so viel Käse aus Holland.
Schmunzelnd griff Onkel Rocco wieder in seinen Koffer und zog doch tatsächlich einen Käse heraus. „Exakt deswegen habe ich auch ein Stück mitgebracht, sagte er und lachte. „Aber nicht nur das.
Er beugte sich nach vorn und zauberte hinter Carolins Ohr eine rote Tulpe hervor. „Auch hierfür ist das Land bekannt."
Carolin tastete verdutzt hinter ihr Ohr. Doch da war nichts. Gar nichts. „Wie hast du das nun gerade wieder hingekriegt?"
Aber Onkel Rocco kramte schon wieder im Koffer. Er holte eine klitzekleine Dose hervor. „Hat jemand Lust auf Kaviar aus Russland? Leckerste Fischeier für den Feinschmecker?, fragte er in die Runde. Als sich Carolin und Lina leicht angeekelt schüttelten, steckte er mit einem „Na gut, dann eben nicht!
die kleine Dose wieder zurück in seinen Koffer. „Moskau hat großartige Artisten, erzählte er dann. „Wirklich grandios!
Seine Augen glänzten. „Dort habe ich auch ein Angebot vom russischen Staatszirkus bekommen. Ein festes Engagement in Moskau. Sein Blick schweifte in die Ferne. „Ein sehr reizvolles Angebot. Fast hätte ich angenommen. Aber dann hat mich mein Zigeunerblut wieder weitergetrieben.
„Wo hat es dir eigentlich am besten gefallen?", wollte Carolin wissen. Sie liebte es, Onkel Rocco bei seinen Erzählungen zuzuhören. Es war wie eine Abenteuerreise.
„Gute Frage! Onkel Rocco runzelte die Stirn. „Kann ich gar nicht sagen. Überall. Jedes Land, jeder Ort hat etwas Besonderes.
Er lachte. „Am besten hat es mir unterwegs gefallen."
Lina ließ sich mit ausgebreiteten Armen nach hinten fallen. „Oh Mann! Ich will auch nach unterwegs."
Carolin kicherte. „Au ja, wir gehen in ein Reisebüro und buchen eine Woche nach unterwegs."
„Mit Vollpension!", setzte Lina prustend nach und kullerte über den Boden.
„Und Anreise", giggelte Carolin.
„Ich biete mich gern als Chauffeur an", stimmte Rocco fröhlich ein. Lachend erhob er sich und verschwand im Wohnwagen.
„Hach, machte Lina, als sie sich wieder gefangen hatte. „Im Ernst, Caro, ich hätte total Lust, mal wieder wegzufahren.
Ihre schönen grünen Augen funkelten.
„Schon vergessen?! Sofort wurde Carolin ernst und knuffte Lina in die Seite. „Fast hättest du deine Koffer für immer packen können. Sei also lieber froh, dass du nicht weg musst!
„Hast ja recht, nickte Lina. „Aber verreisen ist was völlig anderes als umziehen müssen.
Sie legte den Arm um Carolins Schulter, zog die Freundin an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Was ich ja dank meiner allerbesten Freundin auch nicht muss!"
Um ein Haar hätten Lina und ihre Familie die Wiese am Ortsrand von Lilienthal räumen müssen, da ein Investor dort ein riesiges Einkaufszentrum errichten wollte. Zum Glück hatte sich am Ende herausgestellt, dass die Wiese im Besitz von Carolins adliger Großmutter Helena von Borken war, und so hatte der Bau verhindert werden können. Und Lina und ihre Familie durften bleiben.
„Aber irgendwie so frei durch die Gegend ziehen, das wär’s doch. Lina ließ Carolin wieder los. „Nur du und ich, wär das nicht genial? Frei wie der Wind!
„Ey, vergiss es, ich krieg voll fette Blasen an den Füßen, wenn ich lange marschiere", protestierte Carolin lachend.
„Hm? Lina ringelte eine ihrer langen roten Haarsträhnen um den Finger. „Wer sagt denn was von marschieren? Wir könnten doch die Pferde mitnehmen.
„Mensch, Lina! Wieso ist mir das nicht eingefallen? Klar reiten wir."
„Genau, bestätigte Lina. „Du auf Sternentänzer, ich auf Marhaba.
„Boah, das wär’s, das wär echt ein Traum!" Carolin nickte vor sich hin. Für einen Augenblick sah sie ihren wunderschönen, mondhellen Araberhengst vor sich, seine dunklen Augen, seine üppige Mähne. Sie stellte sich vor, wie sie auf seinem Rücken über die Felder galoppierte …
„He, Mädels! Onkel Rocco streckte den Kopf aus dem Wohnwagen. „Ich hab eine Runde Granatapfeltee zubereitet. Frisch aus der Türkei. Dazu eine Ladung Baklava. Kommt ihr?
„Aber hallo! Lina sprang auf. „Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, stimmt’s, Caro?
Sie lief auf den Wohnwagen zu, Carolin folgte ihr.
Bei intensiv duftendem Tee und unglaublich süßen Süßigkeiten saßen die beiden Freundinnen noch bis spät in den Abend im Wohnwagen und lauschten Onkel Roccos Erzählungen.
Alles läuft gut
Fröhlich pfeifend fuhr Carolin am nächsten Morgen auf ihrem Rad in die Schule. Lina war schon da und kritzelte gedankenverloren in ihrem Englischheft herum. Irgendwas, was aussah wie ein Nadelkissen mit ziemlich spitzen Nägeln.
„Was wird das denn?", wollte Carolin wissen, während sie aus ihrer Jacke schlüpfte.
„Onkel Rocco will es mir beibringen, strahlte Lina. „Ist das nicht voll cool!
„Und was?"
„Das Gehen und Liegen auf dem Nagelbrett natürlich! Sie fasste Carolin am Arm. „Willst du es auch lernen?
„Ja klar, gab Carolin ironisch zurück, während sie sich auf ihren Platz setzte. Leise kicherte sie vor sich hin. „Witzig wär’s schon. Dann könnte ich zu meiner Mutter gehen und sagen: Mam, ich hab endlich ein neues Hobby! Ich beschäftige mich in meiner Freizeit nicht mehr nur mit Pferden, sondern nehme jetzt Fakirstunden. Freust du dich?
Lina grinste über das ganze Gesicht. „Ja, schätze, deine Mam wäre hellauf begeistert."
„Guten Morgen, ihr zwei!" Jennifer winkte Carolin und Lina fröhlich zu. Jennifer war neu in der Klasse und wie immer superschick angezogen. Sie trug eine teure Jeans und ein hippes Shirt, dazu halbhohe Schuhe mit Korkabsätzen. Anfangs hatten Carolin und Lina befürchtet, Jennifer könnte sich als zweite Julia Schlupf entpuppen.
Julia war eine ihrer Mitschülerinnen und ebenfalls stets nach der neuesten Mode gekleidet. Außerdem war sie reich, verwöhnt und hochnäsig. Ganz besonders gern spottete sie über Lina und deren Kleidungsstil. Julia konnte das ungestüme Naturmädchen, das immer mehrere Röcke übereinander und derbe Schürstiefel trug, nämlich überhaupt nicht leiden und hatte schon diverse richtig gemeine Attacken gegen sie gestartet. Zwischen den beiden Mädchen hatte von Anfang an große gegenseitige Abneigung bestanden.
Als es so ausgesehen hatte, als müssten Lina und ihre Familie die Wohnwagenwiese für das Bauvorhaben räumen, hatte Julia triumphiert und keine Gelegenheit ausgelassen, Lina damit zu ärgern. Als Jennifer dann neu in die Klasse gekommen war, hatte Julia sie sofort unter die Fittiche genommen. Doch bald hatten sie gemerkt, dass Jennifer zwar auf schicke Klamotten stand, aber sonst richtig nett war. In der Sache mit dem Modezentrum hatte sie sich auf die Seite von Lina gestellt und klar gegen Julia Position bezogen – was Julia natürlich mächtig gestunken hatte. Auch jetzt saß Julia auf ihrem Platz und beobachtete mit verkniffenem Gesichtsausdruck Jennifers freundliches Winken hinüber zu Carolin und Lina. Als Jennifer sich schließlich neben sie setzte, beugte sich Julia gleich zu ihr und redete auf sie ein.
„Arme Jennifer, seufzte Carolin mitfühlend. „Ich hätte überhaupt keinen Bock, neben Julia zu sitzen.
„Vor allem jetzt, da Julia weiß, dass Jennifer nicht unbedingt nach ihrer Pfeife tanzt, sondern durchaus eine eigene Meinung hat", pflichtete Lina