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Tsunami Liebe: Japan-GAU 03/2011
Tsunami Liebe: Japan-GAU 03/2011
Tsunami Liebe: Japan-GAU 03/2011
eBook200 Seiten2 Stunden

Tsunami Liebe: Japan-GAU 03/2011

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Über dieses E-Book

Japan, März 2011: Die Katastrophe eines gewaltigen Erdbebens und eines damit verbundenen Atom-GAUs nimmt ihren erschütternden Lauf! Dies ist ein mitreißender Roman um eine Familie und zwei junge Liebende in Japan, die vom "Fukushima"-Tsunami überrascht und auseinandergerissen werden. Weltbewegende Tatsachen verbinden sich hier mit privaten Dramen, die um junge Liebe, Tod und Hoffnung kreisen. Packend geschrieben aus der Sicht des frisch verliebten Tetsuo Kumi.

UMFANG: 160 Seiten / 42 080 Wörter.

Am Vorabend des 12. März 2011 ist es für den achtzehnjährigen Schüler Tetsuo Kumi das letzte Mal, dass er das Abendessen friedlich vereint mit seiner ganzen Familie genießt. Der Tsunami, furchtbare Erdbeben, sowie die Angst vor dem drohenden "größten anzunehmenden Unfall" im Atomkraftwerk Fukushima überschatten den Alltag der glücklichen Familie Kumi.

Nach der gigantischen Überschwemmung ist nichts mehr so wie es einmal war. Tetsuos Liebe zur schönen Amaya, die er an seiner Schule kennengelernt hat, wird durch die schrecklichen Ereignisse in große Gefahr gebracht. Hat der Tsunami die junge Liebe im Keim erstickt und für immer ausgelöscht?

Doch aus Leid, Zerstörung und Chaos wächst neue Hoffnung. Wird Tetsuo seine Familie wiederfinden? Was erwartet ihn auf der Flucht vom völlig überschwemmten Küstengebiet in die Millionenmetropole Tokio?

In seiner klaren, bildhaften Sprache erzählt der Autor P. P. Muts die bewegende Geschichte einer japanischen Familie. Er verschafft den Leserinnen und Lesern Einblicke in die japanische Alltagskultur, inmitten einer Umweltkatastrophe, die nicht nur private Lebensschicksale, sondern die ganze Welt verändert hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberStumpp Verlag
Erscheinungsdatum28. Nov. 2011
ISBN9783864410000
Tsunami Liebe: Japan-GAU 03/2011

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    Buchvorschau

    Tsunami Liebe - P. P. Muts

    Kumi

    Kapitel 1: FAMILIE

    10.03.2011, 20.30 Uhr

    Morgen sollte der Tag der Liebe sein! In mir knisterte die Aufregung erwartungsvoll und ängstlich. Doch es kam ganz anders, als ich es erwartet hatte. Nur wusste ich es an diesem Abend noch nicht. Wir befanden uns im Wohnzimmer: Großmutter, Mutter, Kazumi und ich.

    Die Explosion tauchte das schummrige warme Licht des Zimmers in ein blitzendes kaltes Weiß. Wirbelnde Rauchschwaden tanzten zusammen mit verkohlten Trümmern aus Holz, Stein und Glas durch die Luft. Ein lautes Donnern mischte sich mit dem Geräusch brechender Balken und umher wirbelnder Dachziegel. Es wurde wieder dunkel. Vereinzelte Lichtfragmente eines ausbrechenden Feuers erhellten spärlich in gefährlich gelb-rotem Funkeln die Dunkelheit. Dann eine erneute Explosion. Flackern weißer Lichtfontänen. Verzweifeltes Kreischen von Menschen, die versuchten aus der Gefahrenzone zu gelangen. „Ihr entkommt mir nicht!" brüllte das dämonenhafte Drachenwesen. Aus einem gewaltigen roten Schlund spie es drehende grellweiße Feuerbälle in Richtung der panischen Menschenmenge. Weitere der umstehenden Häuser wurden dahin gefegt oder fingen Feuer. Die Zeichentrickfiguren waren schlicht, aber effektvoll in Szene gesetzt.

    „Mach diesen Unsinn aus! sagte Großmutter Hiroko mit milder Strenge. Meine kleine Schwester Kazumi sah zu ihr auf. Sie saß auf dem Boden vor dem Fernseher. Widerwillig bewegte sie sich auf allen Vieren zum Gerät hin und schaltete auf einen anderen Kanal. Ein Werbespot für Klimaanlagen war zu sehen. Die freundliche ruhige Stimme des Sprechers wies darauf hin, wie stromsparend die neuen Modelle seien. Es gäbe sie in allen Varianten, für alle Raumgrößen. Auf dem Bildschirm war ein Mann zu sehen, der entspannt vor dem Computer arbeitete, während draußen vor dem Fenster die Sonne brannte. „Denken Sie daran, empfahl die sympathische Werbestimme, „der Sommer steht bald vor der Tür! Arbeiten und leben sie unter optimalen klimatischen Verhältnissen."

    „Kazumi, ich meinte ausschalten! bekräftigte Großmutter Hiroko. „Nicht umschalten! Wir essen gleich. Deine verrückten Animes kannst du morgen weiterschauen!

    Kazumi gehorchte. Mit ihren acht Jahren war sie zwar schon recht eigenwillig in ihren Wünschen. Doch die Autorität der Großmutter stand für sie außer Frage.

    „Soll ich mich jetzt baden, Großmutter? fragte sie. „Oder diesmal erst nach dem Essen?

    „Tue es jetzt, antwortete Hiroko. „Aber trödele nicht herum. Euer Vater kommt bald.

    Kazumi stand auf und ging aus dem Wohnzimmer in Richtung Ofuro. Kurz darauf war schon das entfernte leise Plätschern von Wasser zu hören, das in die Wanne lief. Mutter kam herein mit einem Tablett voller Teller, Besteck und Servietten. Routiniert deckte sie in wenigen Augenblicken den Esstisch.

    Pochi, der kleine Shiba-Welpen, lag träge blinzelnd in seinem Korb unterm Fenster. Das Zucken seiner spitzen Ohren verriet, dass er aufmerksam alle Stimmen und Geräusche wahrnahm. Sein sesamfarbiges weiches Fell glänzte im Licht der Wohnzimmerlampe.

    „Das Kind sollte sich mit Puppen beschäftigen. Mit Origami. Mode. Kochen. Großmutter Hiroko war nachdenklich. „Dieser gewalttätige Quatsch im TV ist nichts für eine Achtjährige, und schon gar nicht für ein Mädchen. Mutter nickte, rückte eine Serviette zurecht und lächelte Hiroko an. „Verehrte Schwiegermutter, da hast du recht. Aber die Zeit schreitet fort, alles wird schneller und lauter. Wenn Kazumi das Bedürfnis hat, sich diese Sendungen anzuschauen, sollten wir es respektieren. Auch Mädchen müssen sich in unserer Welt einen Platz erkämpfen. Wenn sie sich momentan für Monster, Schlachten und Ninja-Kämpfe begeistern kann, soll sie diese Phase durchleben. Ich bin sicher, aus ihr wird dennoch einmal eine sehr bezaubernde junge Frau werden."

    Großmutter stutzte den Bruchteil einer Sekunde lang und schmunzelte dann. „Ja doch, stimmte sie zu. „Manchmal vergesse ich etwas die Zeit, in der wir leben. Ich bin wohl doch etwas sentimental. Nicht wahr, Tetsuo? Sie wandte sich mir zu und blickte mich mit ihren freundlichen kleinen Äuglein an.

    Ich lächelte sie an. „Ein kleines bisschen vielleicht, verehrte Großmutter", gab ich zu. Wenn es nach Hiroko gehen würde, bekäme Kazumi Unterricht in traditioneller Tee-Zeremonie und japanischer Aristokratie-Geschichte. Sie war sehr konservativ, aber eine herzensgute und liebevolle Frau.

    Bedächtig stand ich vom Boden auf, wo ich auf dem Sitzkissen liegend einen Manga gelesen hatte. Mutter war inzwischen wieder in der Küche zugange und hantierte mit Töpfen. Ich legte den Manga auf den Fenstersims und ging in die Küche.

    „Soll ich dir mit dem Abendessen helfen, Mutter?" Ich hoffte nicht. Es war eine rhetorische Frage.

    „Lieb von dir, Tetsuo, lobte sie mich, ohne vom Kochtopf aufzuschauen, in den sie gerade frische Gartenkräuter gab. „Aber deine Kochkünste beschränken sich auf das Kochen von Tee, momentan jedenfalls noch… und der Tee ist bereits fertig. Sie wies mit einer Hand auf die Teekanne, die auf der Warmhalteplatte dampfte.

    „Dann zeichne ich an meinem Bild weiter, bis Vater heimkommt", sagte ich und ging in mein Zimmer.

    Es war sehr klein, aber durchdacht eingerichtet. Neben dem Platz für die Futonmatte stand ein geräumiges Regal mit vielen Büchern, Spielen und dem Großteil meiner Manga-Sammlung sowie etlichem Krimskrams. Am Fenster stand mein Computertisch, daneben ein kleiner hölzerner Klapptisch. Tuschekasten, Rasterfolien und der Zeichenkarton mit dem fast fertigen Portrait lagen darauf. Ansonsten beherbergte mein Zimmer noch einen schmalen hohen Kleiderschrank sowie die Truhe mit den Luftlöchern, in der die Futonmatte tagsüber aufbewahrt wurde.

    Ich setzte mich auf den Stuhl und sah die Zeichnung an. Es war das Portrait eines hübschen Mädchens mit langem schwarzen Haar und großen blitzenden Engelsaugen. Sie trug eine geblümte Bluse und einige markante schön geschwungene Kirschblüten im Haar. Amaya. Leise seufzte ich und überlegte kurz. Geübt nahm ich den Tuschefederstift zur Hand, schraubte das Tuscheglas auf und tauchte die Feder hinein. Wenn man auf traditionelle Weise ein Tuschebild erstellt, so sollte jeder Strich gut überlegt sein. Denn er gräbt sich mit seiner unwiderruflichen Schwärze tief in den Zeichenkarton. Jede spätere Retusche und Korrektur mit Deckweiß schmälert den künstlerischen Wert und die Wirkung des Originals.

    Es war nur noch wenig zu tun. Keinesfalls wollte ich den Fehler machen, ein gelungenes Portrait mit zu vielen Details zu überfrachten. Die schlichte Schönheit Amayas sollte wie ein einfaches und prägnantes Markenlabel der menschlichen Schöpfung wirken. Ich arbeitete konzentriert an der Struktur ihrer Haare und verlängerte ihre Augenwimpern mit markanten, kräftigen Federstrichen. Eigentlich war das Bild somit schon vollendet.

    Vor einer Woche hatte ich damit angefangen und wohl insgesamt etwa vier Stunden dafür gebraucht. Die erste Version scheiterte daran, dass die Augen einfach nicht echt wie die Augen Amayas aussahen und auch der Abstand der Augen zueinander zu groß war. Die Augen sind bei einem Portrait sehr wichtig.

    Langsam atmete ich aus, wischte die Feder an einem Papiertaschentuch ab und legte sie beiseite. Die Tusche an den neuen Details war noch nicht trocken. Jetzt bloß nichts aus Unachtsamkeit verwischen! Die Zeichnung würde Amaya bestimmt beeindrucken. Das Portrait war stilisiert und vereinfacht gezeichnet, aber zweifellos sehr ähnlich und sehr hübsch. Sie würde sich geschmeichelt fühlen. So etwas hatte ihr sicher noch kein Verehrer geschenkt.

    Ich ließ das Bild auf dem Tisch liegen und trat zum Spiegel, der am Kleiderschrank angebracht war. Kritisch besah ich den Achtzehnjährigen, der mir da entgegenblickte: Schlank, fast hager, etwas zu schmale Schultern, zu dünne Arme. Aber immerhin kräftiges, festes, sehniges Fleisch, kaum Fett. Dichter, dunkler Haarwuchs, hinten stark gekürzt, vorne etwas länger geschnitten mit Koteletten. Starkes Kinn, dynamisch nach vorne gereckt. Dies gefiel mit sehr gut an mir. Nicht schön war der kleine Bauchansatz trotz der schlanken Statur. Tetsuo Kumi mit dem Fischbauch. Zum Glück hatte ich kaum unreine Haut. Nur sehr wenige kleine Pickel. Nicht zu vergleichen mit Bunjiro aus meiner Klasse, dessen Gesicht fast einer amerikanischen Pizza Salami glich. Pralle rote Pickel unterschiedlicher Größe und Struktur und tiefe Krater verunzierten seine geplagte Gesichtshaut. Ein Schlachtfeld aus Papeln, Pusteln und Knoten.

    Würde ich Amayas Herz gewinnen können? Sicher war ich mir nicht. Sie hatte mir zwar, seit ich sie kennengelernt hatte, öfters zugelächelt und zugewinkt, mit ihren Haaren gespielt und dergleichen. Alles Flirtsignale, worüber mich das Internet informiert hatte. Aber war das womöglich nur das kokette alltägliche Verhalten eines attraktiven Mädchens, ohne ernste Absichten und zufällig wie Konfetti unter die Menge der männlichen Verehrer und Bewunderer gestreut? Bei den wenigen Gelegenheiten, die sich mir für ein Gespräch mit ihr bisher geboten hatten, glänzte ich nicht gerade mit Charme und Verführungskunst. Mein Fachsimpeln über Shonen Mangas und die peinlichen Gesprächspausen dazwischen hatten sie wohl nicht gerade davon überzeugt, dass ich ihr Mr. Right wäre.

    Morgen war also der entscheidende Tag! Ich würde sie nach dem Essen in der Schulkantine ansprechen, sofern ich sie losgelöst vom Pulk ihrer Freundinnen erwischen konnte. Kurzerhand wollte ich ihr das Portrait schenken und ihr gestehen, dass sie mich schon seit Längerem fasziniert. Bereits bei dem Gedanken daran bekam ich Schweißausbrüche.

    Ich hoffte bei dem Annäherungsversuch auf die Hilfe meiner Zeichnung. Sie musste doch ein Beweis dafür sein, dass ich es ernst meinte! Mit etwas Glück würde Amaya das ähnlich empfinden.

    Kennengelernt hatte ich sie im Winter vor etwa vier Monaten, als sie mit ihrer Familie zu uns nach Minamisanriku gezogen war. Direkt von Tokio aus in die tiefste, wenn auch bezaubernd schöne Provinz unserer Hafenstadt, Landkreis Motoyoshi, Präfektur Miyagi! Hier, zwischen Kitakami-Gebirge und dem berühmten Kinkazan-Quasinationalpark, fühlte sie sich anfangs wohl sehr fremd. War sie doch jetzt fern des pulsierenden Tokio, wo viele ihrer Verwandten und Freundinnen lebten.

    Amaya tauchte eines Tages an unserer präfekturalen Shizugawa-Oberschule auf, schön wie ein Engel. Sie ging in meine Parallelklasse und hatte wie ich noch ein Jahr vor sich bis zum Schulabschluss. Deshalb vermute ich, dass sie in etwa gleich alt ist wie ich, um die achtzehn Jahre. Gefragt habe ich sie nie. Mein insgeheimer Traum war es, später mit ihr gemeinsam auf eine angesehene Hochschule zu wechseln.

    Grübelnd wandte ich mich vom Spiegel ab dem Bücherregal zu. Ich strich über die Buchrücken meiner Manga-Sammlung. Es waren inzwischen dreihundertsechsundvierzig Bände. Warum nur war das mit der Liebe nicht so einfach und unkompliziert wie das Manga-Lesen?

    Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, hörte ich das aufgeregte Kläffen unseres Shiba-Welpen im Hausflur. Pochis Pfoten kratzten über das Glas der Eingangstür. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Kurz darauf ertönte die Stimme meines Vaters: „Konnichiwa!"

    Ich trat auf den Flur und begrüßte ihn. Er ging danach ins Wohnzimmer, begrüßte meine Großmutter, daraufhin meine Mutter und auch Kazumi, die inzwischen mit dem Baden fertig war und in einem kleinen weißen Yukata mit einem um den Kopf gewickelten Handtuch am Esstisch saß. Pochi wuselte aufgeregt zwischen uns allen hin und her. Mutter musste aufpassen, nicht über den Welpen zu stolpern, als sie die dampfende Schüssel Ramen aus der Küche hereintrug und auf den Tisch stellte.

    Vater zog die Luft durch die Nase ein. „Dein Ramen riecht wieder wunderbar heute, meine Saku!" bemerkte er zufrieden. Mutter hieß eigentlich Sakura, wie die Kirschblüte. Sie strahlte ihn liebevoll an. Das Ramen war nach Miso-Art gekocht und roch wirklich sehr appetitlich. Goldglänzende Nudeln wälzten sich in der bunt gewürzten Brühe zwischen Thunfisch, Lauchzwiebeln, Shiitake-Pilzen, Mais und Ei, als Mutter die Schöpfkelle in die Schüssel tauchte. Wir setzten uns alle. Pochi fing augenblicklich nach Hundeart an zu betteln, kaum dass wir mit dem Essen angefangen hatten. Kazumi wollte ihm etwas Ramen geben, doch Großmutter Hiroko verhinderte das und machte ihrer Enkelin klar, dass man mit der guten Erziehung des Welpen früh anfangen müsse und dass sich Betteln auch für Hunde nicht gezieme.

    Zu Tisch wurde bei uns nicht viel geredet. Die Konzentration auf das Essen stand im Vordergrund. Zum Ramen tranken wir Tee, der inzwischen etwas abgekühlt war.

    Allerdings war heute eine kleine Ausnahme. Vater erwähnte die Erdbeben, die uns in den letzten Tagen heimgesucht hatten. Zum Glück gab es nirgendwo in Minamisanriku und der ganzen Präfektur größere Schäden. Vorgestern hatte eines tagsüber stattgefunden mit der Magnitude 7,2. In der gestrigen Nacht waren wir alle über eine Reihe kleinerer Beben erschrocken. Genauer gesagt waren es drei. Beim dritten hatte selbst Mutter gelächelt, als Kazumi nachts weinend in ihren Armen lag. Sie sagte beruhigend und mit fester Stimme: „Kazumi, meine tapfere kleine Tochter! Das haben wir doch alle schon erlebt. Die Erde bewegt sich etwas, wie ein Mensch der sich im Schlaf umdreht. Sie wischte Kazumi mit einem Papiertaschentuch die Tränen aus den Augen. Diese schaute sie groß an und fragte leise: „Warum tut die Erde das, Mama? Warum schläft sie nicht einfach weiter? Vater kam Mutter zu Hilfe: „Weißt du, Kazumi, die Erde ist doch bevölkert von so vielen emsigen Menschen. Da geht es zu wie in einem Bienenschwarm. Gerade hier bei uns in Japan stehen die Räder nie still. Kraftwerke, Fahrzeuge, Menschen… Alles ist unruhig und am Rumoren. Selbst nachts! Er schaute seine Tochter augenzwinkernd an. „Dass das die Erde ab und an juckt und kitzelt, ist doch verständlich. Man könnte sagen, sie kratzt sich dann, räkelt sich etwas. Das sind die Erdbeben. Kazumi nickte langsam. Die bestechende Logik seiner Worte beruhigte sie. Er setzte freundlich nach: „Was würdest du sagen, wenn nachts viele kleine Ameisen auf deinem Rücken herum wuselten? Du würdest bestimmt nicht einfach ruhig daliegen. Genauso empfindet das unsere Mutter Erde. Erdbeben sind unangenehm und erschrecken uns. Aber die meisten davon sind ganz harmlos. Es

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