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Die Flucht der Bauerntochter
Die Flucht der Bauerntochter
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eBook264 Seiten3 Stunden

Die Flucht der Bauerntochter

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Über dieses E-Book

Plochtewitz bei Leipzig, Anno Domini 1448:

Die 16-jährige Bauerntochter Barbara, genannt Barbel, flieht vor der geplanten Hochzeit mit einem anderen Bauern. Ihr behilflich ist der Kaufmannssohn Lorentz, der sie in das Haus seines Vaters aufnimmt.

Doch der jungen Frau fällt es schwer, sich im Bürgerleben zurechtzufinden. Mit der Zeit beginnt sie sich in Lorentz zu verlieben, der jedoch bereits verlobt ist.

Wie soll die Bauerntochter damit umgehen?

Was ist mit dem charmanten Theologiestudenten Paulus, der sich in sie verliebt zu haben scheint?

Und was hat es mit Lorentz' Mutter auf sich, auf deren Geheimnis Barbara eines Nachts stößt?

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum7. Apr. 2017
ISBN9783739698441
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    Buchvorschau

    Die Flucht der Bauerntochter - Sophie Heinig

    Personenverzeichnis

    Anno Domini 1448 in Plochtewitz, einem Dorf bei Leipzig

    In Plochtewitz

    Barbara Jakobsen, genannt Barbel – eine Bauerntochter

    Endres – ihr Bruder

    Albrecht Wendel – der Bauer, dem sie versprochen wurde

    Magreth – ihre Freundin

    In Leipzig

    Johannes Voigt – ein einflussreicher Kaufmann

    Lorentz Voigt – sein Sohn

    Margaretha Voigt – seine Frau

    Agnes – die Magd im Hause Voigt

    Kurt – der Stallmeister

    Hans – ein Stallbursche

    Fritz – ein Stallbursche

    Katheryn – eine junge Schneiderin

    Linhard – ihr Mann

    Juliana Hansen – Lorentz' Verlobte

    Paulus Schultheiß – ein Theologiestudent an der Universität

    Herman – ein Theologiestudent an der Universität

    Elß Müller – Tochter eines Tischlermeisters

    Johann Euderitzsch – ein Theologieprofessor

    Krista Euderitzsch – seine Tochter

    Ingrid Vogelsen – eine wohlhabende Dame

    Engel von Bergen – eine wohlhabende Dame

    Ulrich von Bergen – ihr Cousin aus Halle

    Apel – ein Waisenkind

    Eucharius von Burgstädt – Krieger im Dienste von Kurfürst Friedrich II., dem Sanftmütigen, von Sachsen

    Kapitel 1

    Barbel schloss die Augen. Draußen regnete es.

    Niemand sagte etwas.

    Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Mit Tränen in den Augen lief sie in den Stall.

    Zera wieherte. Die schwarze Stute schien nicht zu verstehen, was heute für ein Tag war. Stattdessen stupste sie Barbel erwartungsvoll an. Doch heute war dieser nicht nach Spaß zumute.

    Traurig setzte sie sich in das Stroh.

    „Ich will nicht, flüsterte sie immer wieder. „Ich will nicht.

    Zera blies ihr ihren warmen Atem ins Gesicht. Barbel sah auf.

    „Nicht jetzt, meine Kleine", murmelte sie und strich sich durch das blonde Haar.

    Zera rührte sich nicht.

    „Ach, meine Liebe, sagte Barbel leise. „Wieso bloß? Ich will nicht heiraten. Ich möchte das einfach nicht. Und schon gar nicht den Wendel, Albrecht. Vater hatte das immer verstanden.

    Sie schluchzte auf.

    „Er ist doch erst zwei Tage tot. Und mein Bruder redet jetzt schon von der Hochzeit", fuhr sie fort und sah Zera in die liebevollen, dunklen Augen.

    Dann sprudelte alles aus ihr heraus.

    „Vor zwei Tagen, da ist der Vater gestorben. An Wundbrand, meinte der Medicus aus Slisk. Nachdem er sich auf dem Feld verletzt hat. Es war doch nur ein winziger Schnitt, weinte Barbel. „Und jetzt, jetzt hat Endres, mein Bruder, den Hof übernommen und will, dass ich bald heirate. Damit er mich nicht auch noch durchfüttern muss. Und dich, dich will er verkaufen!

    Zera stupste sie an.

    „Schau nicht so!, sagte Barbel. „Das geht auch dich etwas an. Die Mutter, die ist ja schon vor Jahren gestorben, erinnerst du dich. Sie hätte mich nie gezwungen zu heiraten. Der Vater auch nicht. Aber Endres meint, es wäre längst Zeit, dass ich unter die Haube komme. Und dann auch noch den Albrecht!

    Die Tür zum Stall klapperte. Barbel sah überrascht auf.

    „Barbel, sieh an, dann habe ich mich also doch nicht getäuscht", wurde sie von der Gestalt freundlich begrüßt.

    „Magreth, tritt ein. Was führt dich hierher?", entgegnete Barbel erfreut.

    Als Kinder hatten sie oft zusammen gespielt, doch als Barbels Mutter gestorben war und sie den Haushalt übernahm, war dafür keine Zeit mehr gewesen. Außerdem wohnte Magreth am anderen Ende des Dorfes.

    „Ich wurde vom Regen überrascht, als ich im Wald nach Kräutern suchen war. Du weißt doch, meine Mutter ist krank", antwortete Magreth und setzte sich neben Barbel ins Stroh.

    „Da kam ich an eurem Stall vorbei und habe dich reden gehört. Was sagtest du da von Hochzeit?", wollte sie wissen.

    „Ach, du weißt doch, vor zwei Tagen, da ist der Vater gestorben und jetzt möchte mein Bruder, der Endres, dass ich den Wendel, Albrecht heirate und zu ihm ziehe", meinte Barbel traurig.

    „Aber der Albrecht ist doch ein feiner Kerl. Sein Vater hat viele Felder und Vieh. Und so schlecht sieht er jetzt auch nicht aus", bemerkte Magreth.

    „Der Vater?"

    „Nein, der Albrecht, du Dummerchen", lachte sie.

    „Ich mag den Albrecht nicht leiden, widersprach Barbel und streichelte abwesend Zeras Fell. „Der ist so arrogant und denkt immer, er wäre etwas Besseres. Nur weil er ein bisschen reicher ist als wir anderen.

    „Ach komm, Barbel, so schlimm ist er auch nicht; das bildest du dir bloß ein. Und er ist schon seit Jahr und Tag in dich verliebt", sagte Magreth und legte ihr einen Arm um die Schulter.

    „So nimm du ihn doch, deinen Albrecht, entgegnete Barbel zornig. „Ich möcht' gar nicht heiraten, weder den Albrecht noch einen anderen.

    Magreth lächelte besorgt.

    „Du wirst aber keine andere Wahl haben. Jeder muss heiraten. Und du bist alt genug dafür, meinst du nicht?", fragte sie.

    „Ich bin 16 Jahre alt, nicht älter als du, erwiderte Barbel. „Und? Wen wirst du heiraten?

    „Mein Vater redet mit dem alten Kurt", hob Magreth verlegen an.

    „Du sollst den Sohn vom alten Kurt heiraten, den hässlichen Franzle? Der ist doch mindestens vier Jahr' älter als wir", lachte Barbel. Die Tränen auf ihren Wangen trockneten langsam.

    „Nicht den Franzle, seinen Vetter, den Caspar", berichtigte Magreth sie.

    Barbel lächelte.

    „Ein schöner Mann", meinte sie schließlich.

    „Ebenso wie deiner", sagte Magreth.

    „Der Albrecht ist nicht mein Mann und wird es auch nie sein", rief Barbel wütend.

    „Was ist denn so schlimm an ihm? Dich könnte es wahrlich schlechter treffen", versuchte Magreth sie umzustimmen.

    „Ich mag ihn halt nicht", entgegnete Barbel trotzig.

    „Ach, Barbel. Denk eine Nacht darüber nach. Sprich mit dem Albrecht, sag ihm, was dich bedrückt. Er wird’s dir schon nicht krumm nehmen", empfahl Margeth ihr, dann stand sie auf und trat aus dem Stall hinaus. Barbel folgte ihr. Inzwischen hatte es beinah aufgehört zu regnen.

    „Nun denn, viel Glück", rief Magreth und Barbel winkte ihr hinterher, bevor sie die Tür schloss und durch den Stall in den Wohnteil des Hauses ging.

    Ihr Bruder Endres ignorierte sie konsequent, als wollte er ihr ein schlechtes Gewissen bereiten, weil sie sich seinen Wünschen widersetzte. Doch Barbel störte das kaum. Konzentriert begann sie die dünne Brühe für das Abendmahl zu bereiten. Draußen begann es wieder zu regnen. Jetzt zuckten auch Blitze durch den dunklen Himmel und Donner grollten.

    Ob Magreth wohl rechtzeitig angekommen ist?, fragte sich Barbel besorgt, denn es war doch ein langer Weg.

    Ein lautes Pochen riss sie aus ihren Gedanken. Einmal, dann noch einmal. Jemand klopfte laut gegen die Tür.

    Barbel starrte in die Suppe. Wer kam zu so später Stunde hier vorbei?

    Beim vierten Pochen hatte Endres die Tür aufgerissen. Barbel konnte hören, wie er jemanden höflich begrüßte. Die Stalltür ging geräuschvoll auf, dann wieder zu und schließlich näherten sich Schritte der Kochstelle, wo Barbel stand.

    Als sie sich umdrehte, erblickte sie einen fremden, jungen Mann. Er war edel gekleidet, dafür aber tropfnass. Sein kurzes, braunes Haar klebte feucht an seinem Kopf. Für einen Moment war sie wie versteinert.

    „Steh nicht so dumm da, wie eine einfältige Küchenmagd, bring unserem Gast etwas zu essen", fuhr ihr Bruder sie an und wies gleichzeitig mit einer freundlichen Geste dem jungen Mann einen Platz zu.

    „Das riecht aber köstlich, bemerkte dieser. „Was gibt es denn?

    Barbel füllte eine Schüssel mit dem Eintopf und reichte sie ihm.

    „Leider nur dünne Brühe, die Ernte war schlecht dieses Jahr, mein Herr", meinte sie schüchtern, bevor sie auch ihrem Bruder und sich Schalen füllte.

    „Das ist doch kein Problem, ich brauche nicht viel", erwiderte der junge Mann freundlich und lächelte Barbel an. Sie senkte schnell den Blick.

    „Nun mach schon, keifte ihr Bruder. „Gib ihm zu trinken!

    Sie nickte schnell und goss Bier in einen Krug. Das feine Bier, das ihr Vater für Ostern und hohe Gäste zur Seite gestellt hatte.

    Der junge Mann nahm es dankend entgegen und begann zu trinken. Barbel stand unschlüssig daneben. Sie traute sich nicht, sich an den Tisch zu setzen.

    Der Fremde sah auf und wandte sich an ihren Bruder.

    „Wäret Ihr vielleicht so freundlich, kurz nach meinem Pferd zu sehen?", fragte er ihn.

    Endres nickte und verschwand schnell.

    Der junge Mann wandte sich an Barbel.

    „Wollt Ihr sich nicht setzen?", forderte er sie auf, doch sie schüttelte stumm den Kopf. Das gehörte sich einfach nicht, hatte ihr Vater ihr immer beigebracht.

    Sie betrachtete den Mann verlegen. Seine feine Kleidung, sein sittsames Auftreten – er war ganz sicher adlig. Was also machte er hier?

    „Wie heißt Ihr?", wollte der Mann wissen.

    „Barbara, mein Herr", flüsterte Barbel. Sie war es nicht gewohnt, dass Leute eines höheren Ranges so mit ihr sprachen.

    „Barbara, die Fremde", sagte der junge Mann.

    „Ja, woher wissen Sie das?", fragte sie scheu.

    „Mein Vater hat es mir beigebracht. Er wollte, dass ich die Namen aller Heiligen und ihre Bedeutung kenne. Die Geschichte der Heiligen Barbara ist dir doch sicher bekannt, oder?", wollte er wissen.

    „Ja, mein Herr", antwortete Barbel.

    „Nun, Barbara, willst du dich nicht doch setzen?", bot er ihr erneut an und nahm ihr die Schale mit Suppe, die sie immer noch in der Hand hielt, ab.

    Barbel setzte sich ihm gegenüber und mied seinen Blick.

    „Kommt Ihr aus der Stadt?", fragte sie schließlich.

    „Ja, aus Leipzig. Mein Vater arbeitet dort als Kaufmann, ich bin bei ihm in der Lehre. Ich sollte für ihn einige Besorgungen in Nürnberg tätigen und wurde auf dem Heimweg von einem Gewitter überrascht. Ist der junge Mann dein Bruder?"

    „Ja, er heißt Endres", erzählte Barbel, überrascht, dass der junge Mann die Umgangsform geändert hatte.

    „Wo ist dein Vater?"

    „Er ist vor zwei Tagen verstorben, mein Herr", erklärte sie und sah auf den Tisch.

    „Oh, und deine Mutter?", wollte der junge Mann wissen.

    „Seit Jahren tot."

    „Du lebst allein mit deinem Bruder?"

    „Ich soll bald heiraten", meinte Barbel knapp.

    „Du klingst nicht sehr erfreut. Liebe ist doch sehr schön", merkte der Adlige an, doch es klang nicht ganz überzeugt.

    „Ich liebe den Mann, den ich heiraten soll, nicht", sagte Barbel bitter.

    „Oh, dein Bruder zwingt dich dazu?"

    Barbel schwieg. Sie wollte nicht schlecht über ihren Bruder sprechen.

    „Ich möchte keine Hausfrau werden", erklärte sie bloß.

    Anders als Magreth vorhin, schien der junge Mann das durchaus verständlich zu finden. Er sah sie ernst an.

    „Was möchtest du denn machen?", wollte er wissen.

    Barbel blickte erschrocken auf. Damit hatte sie nicht gerechnet.

    „Ich weiß nicht, mein Herr, antwortete sie nachdenklich. „Seit ich denken kann, hat mir mein Vater Geschichten erzählt. Ich habe das geliebt. Und manchmal, manchmal, da habe ich mir gewünscht, ich könnte Geschichten lesen.

    „Du willst lesen und schreiben lernen?", wiederholte der junge Mann.

    „Ja, das ist unsinnig, nicht wahr?"

    „Nein, ganz und gar nicht. Es ist nur selbst in der Stadt recht unüblich, dass junge Mädchen lesen und schreiben können."

    „Mein Bruder will, dass ich heirate und mich nicht um so etwas kümmere, erklärte Barbel. „Ich glaube, er will, dass ich gehe.

    „Dann geh doch ins Kloster", schlug der Adlige vor.

    Barbel sah auf.

    „Wie? Nein, das ist nichts für mich", sagte sie.

    „Wieso? Du kannst lesen und schreiben lernen und heiraten musst du sowieso nicht", meinte er.

    „Mein Bruder hat mich dem Albrecht doch schon versprochen, widersprach Barbel. „Er wird mich nie ins Kloster lassen.

    „Und wenn du nach Leipzig gehen würdest?", schlug der junge Mann vor.

    Barbel lachte freudlos.

    „Nach Leipzig? Dahin schon zweimal nicht! Woher soll ich das Geld nehmen? Was soll ich dort machen? Nein, nach Leipzig kann ich weiß Gott nicht", sagte sie.

    „Und wenn ich dich mitnehme?, erwiderte der junge Mann. „Wohnen könntest du bei mir und meinem Vater, da ist Platz genug.

    „Haben Sie nicht gehört, Endres wird mich nie lassen, mein Herr. Und allein in einer fremden Stadt, ich weiß nicht, ob ich das möchte", gab Barbel zu bedenken.

    „Und was willst du hier? Einen Mann heiraten, den du nicht liebst? Auf ewig eine Hausfrau bleiben?, forderte er sie heraus. „Nun denn, es war sowieso keine gute Idee. Ich müsst' ja so tun, als wärst du wohlhabend und dafür taugst du wohl nichts.

    Barbel starrte ihn wütend an.

    „Wieso nicht?", wollte sie wissen.

    „Eine bürgerliche Dame weiß sehr viel", erklärte der junge Mann und lächelte ein wenig.

    „Ich kenne alle Sterne, das hat mich der Vater gelehrt. Und im Wald, da finde ich viele Kräuter. Außerdem kann ich gut kochen", zählte Barbel auf.

    Der junge Mann nickte erfreut. Dann jedoch verfinsterte sich sein Gesicht.

    „Verzeih', aber ich kann dich nicht mitnehmen. Ich muss zum Morgengrauen in Leipzig sein und Laufen können wir nicht", sagte er, diesmal ehrlich bedauernd.

    „Ich kann reiten. Sogar ein eigenes Pferd habe ich, mein Herr, erzählte Barbel und setzte sich gerade hin. „Ihr würdet mich tatsächlich mitnehmen? Wieso tut Ihr das für mich?

    Der junge Mann sah zu Boden.

    „Auch mein Vater will mich zur Hochzeit drängen. Ich bin schon beinah mein ganzes Leben mit ihr verlobt. Wenn ich ihm aber mit einer so schönen, jungen Dame komme, wie du es bist, dann wird er glauben, ich möchte mich mit dir vermählen und wird davon vorerst ablassen", erklärte er.

    Barbel wurde rot. Sie fühlte sich ausgenutzt und andererseits geehrt.

    „Es wäre für uns beide gut", fasste sie zusammen.

    „Dann brechen wir bald auf."

    Endres kam aus dem Stall zurück.

    „Ich werde wieder aufbrechen, erklärte der junge Mann. „Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Barbara wird mir mit dem Pferd helfen.

    Er sah Barbel durchdringend an, sie nickte schnell.

    „Das kann ich auch tun", meinte Endres schnell, doch der Adlige schüttelte den Kopf.

    „Ihr habt genug getan." Mit diesen Worten ließ er eine Geldmünze in Endres' Hände fallen, deren Wert Barbel nur erahnen konnte. Endres verstummte.

    Kurz bevor sie in den Stall gingen, drehte sich Barbel noch einmal um. Endres starrte noch immer auf die Münze. Als er ihren Blick bemerkt, blickte er sie an.

    „Nun geh schon und hilf ihm." Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

    Der junge Mann stand bereits an seinem Pferd und wartete. Barbel trat zu Zera und machte sie schnell fertig. Der Adlige hob erstaunt die Augenbrauen.

    „Wo ist dein Sattel?", wollte er verwundert wissen.

    Barbel lachte trocken.

    „Auf dem Dorf hat niemand einen Sattel, mein Herr", entgegnete sie, dann öffnete sie das Tor.

    Die kühle Nachtluft kam ihnen entgegen. Es roch nach Regen, aber der Himmel war wieder klar. Sterne funkelten am Himmelszelt. Barbel lächelte traurig.

    Im Haus brannte nur ein schwaches Licht. Sie würde nicht viel zurücklassen. Die Erinnerung an ihre Eltern würde sie im Herzen tragen, an ihren Bruder wollte sie gar nicht mehr denken.

    Der junge Mann sah sie an.

    „Wir sollten aufbrechen", sagte er und trat an Zera heran.

    „Ich kann das selber", erwiderte Barbel leise und fasste in die Mähne ihres Pferdes.

    Dann hielt sie inne.

    „Eines noch, mein Herr, meinte sie. „Wie ist Ihr Name?

    Der junge Mann lächelte.

    „Lorentz. Und du musst nicht immer mein Herr sagen", antwortete er, dann ging er zu seinem eigenen Pferd und schwang sich in den schlichten Sattel.

    Auch Barbel stieg auf und sie ritten los. Der Mond leuchtete über ihnen.

    Als sie an Magreths Haus vorbeikamen, blickte Barbel durch die Fenster. Es war dunkel. Wie mochte es wohl um Magreths Mutter Lisel stehen?

    Lorentz hielt an.

    „Was ist?", fragte er besorgt.

    „Nichts", versicherte Barbel ihm schnell und trieb Zera an.

    Ohne viel zu reden, ritten sie durch den Wald, der Barbels kleines Heimatdorf Plochtewitz von Leipzig trennte. Erst als sich der Wald langsam lichtete, begann Lorentz wieder zu sprechen. Vögel kündigten schon den nahenden Morgen an und ein blassrosa Band war am Horizont zu erkennen.

    „Halt an", sagte Lorentz und stoppte auch sein Pferd.

    Barbel sah ihn verwundert an.

    „Wieso?", wollte sie wissen.

    „Du kommst als wohlhabende Bürgerin in die Stadt, du kannst nicht auf dem Pferd sitzen wie eine Magd."

    Barbels Gesicht schien zu brennen. Sie hatte davon gehört, das Damen aus der Stadt wegen der langen Röcke meist seitwärts auf dem Pferd saßen und nicht so, wie Männer ritten und sie es gewohnt war.

    „Was soll ich denn sonst machen?", fragte sie vorwurfsvoll, ohne zu erwähnen, dass sie es bereits wusste.

    Lorentz erklärte ihr kurz, wie man als Dame saß.

    „Bürgerliche Frauen reiten recht selten", fügte er hinzu.

    Barbel nickte abwesend. In Gedanken war sie immer noch in ihrem Dorf. Die Stadtmauern Leipzigs, die vor ihnen aufragten, verunsicherten sie. Sie hatte über ihre Entscheidung kaum nachgedacht. Was wenn sie alles falsch gemacht hatte? Sie hatte ihr Leben kurzerhand einem Fremden übergeben. Was war, wenn er sie in Leipzig an der ersten Straßenecke aussetzte? Sie hatte keinerlei Geld, sie würde kaum einen Tag überleben.

    Sie hatte ihr Leben in die Hände eines Fremden gegeben und jetzt gab es kein Zurück mehr.

    Als sie vor die Tore der Stadt kamen, wurden sie von den Wachen misstrauisch beäugt. Lorentz gebot Barbel mit einer kurzen Geste zu schweigen, stieg vom Pferd und stellte sich vor die Wachen.

    „Lorentz Voigt, sagte er knapp. „Ich war für meinen Vater in Nürnberg.

    Die Wache nickte. Offenbar genossen Lorentz und sein Vater viel Respekt in der Stadt.

    „Wer ist die junge Dame in Ihrer Begleitung?", fragte einer der beiden Männer schließlich.

    „Barbara Jakobsen, antwortete Lorentz selbstsicher und ohne jede Verlegenheit. „Sie ist die Tochter von meines Vaters Freund aus Nürnberg. Sie ist mit mir hierher gekommen.

    „Wie ein Bauerntrampel sieht sie aus", urteilte eine Wache.

    Barbel zuckte zusammen.

    „Sie wollte für die Reise bequeme Kleidung tragen. Sie wissen ja, die Mädchen heutzutage, flüsterte er verschwörerisch, doch Barbel konnte ihn dennoch hören. „Nur sagen's nicht zu laut, nicht, dass sie böse wird.

    Er zwinkerte den Männern zu.

    „Können wir passieren?"

    „Natürlich",

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