Gedichte - aus meiner Schulzeit: Band 2
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Über dieses E-Book
Muttersprache, Mutterlaut,
wie so wonnesam, so traut!
Erstes Wort, das mir erschallet,
süßes erstes Liebeswort,
erster Ton, den ich gelallet,
klingest ewig in mir fort!
Ach, wie trüb ist meinem Sinn,
wenn ich in der Fremde bin,
wenn ich fremde Zungen üben,
fremde Worte brauchen muß,
die ich nimmermehr kann lieben,
die nicht klingen als ein Gruß!
Sprache, schön und wunderbar,
ach, wie klingest du so klar!
Will noch tiefer mich vertiefen
in den Reichtum, in die Pracht;
ist mir doch, als ob mich riefen
Väter aus des Grabes Nacht.
Klinge, klinge fort und fort,
Heldensprache, Liebeswort!
Steig empor aus tiefen Grüften,
längst verschollness altes Lied,
leb aufs neu‘ in heil’gen Schriften,
daß dir jedes Herz erglüht!
Überall weht Gottes Hauch,
heilig ist wohl mancher Brauch.
Aber soll ich beten, danken,
geb ich meine Liebe kund,
meine seligsten Gedanken,
sprech ich wie der Mutter Mund.
(Max von Schenkendorf)
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Buchvorschau
Gedichte - aus meiner Schulzeit - Franz Hermann Romberg
Vorbemerkung
In meiner ersten Gedichte-Sammlung Gedichte - aus meiner Schulzeit
habe ich Gedichte berücksichtigt, die ich während meiner Schulzeit - teilweise - auswendig gelernt habe.
Band 2 enthält Gedichte, die ich in uralten Lesebüchern gefunden habe und die ich erhalten wissen will; ich fände es schade, wenn sie irgendwann in Vergessenheit gerieten. Um die Authentizität zu erhalten, habe ich nichts verändert, weder Schreib- noch Ausdrucksweisen.
An meine Mutter
So gern hätt‘ ich ein schönes Lied gemacht
von deiner Liebe, deiner treuen Weise,
die Gabe, die für andre immer wacht,
hätt‘ ich so gern geweckt zu deinem Preise.
Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr,
und wie ich auch die Reime mochte stellen,
des Herzens Fluten wallten drüber her,
zerstörten mir des Liedes zarte Wellen.
So nimm die einfach schlichte Gabe hin,
von einfach ungeschmücktem Wort getragen,
und meine ganze Seele nimm darin;
wo man am meisten fühlt, weiß man nicht viel zu sagen.
(Annette von Droste-Hülshoff)
Die Schritte
Klein ist, mein Kind, dein erster Schritt,
klein wird dein letzter sein.
Den ersten gehen Vater und Mutter mit,
den letzten gehst du allein.
Sei’s um ein Jahr, dann gehst du, Kind,
viel Schritte unbewacht,
wer weiß, was das dann für Schritte sind
im Licht und in der Nacht?
Geh kühnen Schritt, tu tapfern Tritt,
groß ist die Welt und dein.
Wir werden, mein Kind, nach dem letzten Schritt
wieder beisammen sein.
(Albrecht Goes)
Morgenlied
Verschwunden ist die finstre Nacht,
die Lerche schlägt, der Tag erwacht,
die Sonne kommt mit Prangen
am Himmel aufgegangen.
Sie scheint in Königs Prunkgemach,
sie scheinet durch des Bettlers Dach,
und was in Nacht verborgen war,
das macht sie kund und offenbar.
Lob sei dem Herrn und Dank gebracht,
der über diesem Haus gewacht,
mit seinen heil’gen Scharen
uns gnädig wollt bewahren!
Wohl mancher schloß die Augen schwer
und öffnet sie dem Licht nicht mehr.
Drum freue sich, wer neu belebt
den frischen Blick zur Sonn‘ erhebt!
(Friedrich von Schiller)
Osterspaziergang
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
im Tale grünet Hoffnungsglück;
der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog in raue Berge sich zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur;
aber die Sonne duldet kein Weißes;
überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farben beleben;
doch an Blumen fehlt’s im Revier,
sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen!
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn;
denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbes-Banden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! Wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluß, in Breit‘ und Länge,
so manchen lustigen Nachen bewegt,
und bis zum Sinken überladen
entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel,
zufrieden jauchzet groß und klein:
„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!"
(Johann Wolfgang von Goethe)
Vorfrühling
Die Hänge streift ein goldner Hauch.
Und in die süße Stille
blüht feierlich ein Schlehdornstrauch.
Am Waldrand äst ein Reh.
In Spalt und Ackerrille,
und wohl im armen Herzen auch,
liegt noch ein wenig Schnee.
(Josef Weinheber)
Nachts
Ich stehe im Waldesschatten
wie an des Lebens Rand,
die Länder wie dämmernde Matten,
der Strom wie ein silbern Band.
Von fern nur schlagen die Glocken
über die Wälder herein,
ein Reh hebt den Kopf erschrocken
und schlummert gleich wieder ein.
Der Wald aber rühret die Wipfel
im Traum von der Felsenwand;
denn der Herr geht über die Gipfel
und segnet das stille Land.
(Joseph Freiherr von Eichendorff)
Sommerlied
Geh aus, mein Herz, und suche Freud‘
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.
Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide.
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.
Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täubchen fleugt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder;
die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder.
Ich selbsten kann und mag nicht ruh’n,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen.
Ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse was dem Höchsten klingt
aus meinem Herzen rinnen.
(Paul Gerhard)
Vor der Ernte
Nun störet die Ähren im Felde
ein leiser Hauch;
wenn eine sich beugt, so bebet
die andre auch.
Es ist, als ahnten sie alle
der Sichel Schnitt –
die Blumen und fremden Halme
erzittern mit.
(Martin Greif)
Erster Schnee
Wie nun alles stirbt und endet
und das letzte Lindenblatt
müd‘ sich an die Erde wendet
in die warme Ruhestatt,
so auch unser Tun und Lassen,
was uns zügellos erregt,
unser Lieben, unser Hassen
sei zum welken Laub gelegt.
Reiner weißer Schnee, o schneie,
decke beide Gräber zu,
daß die Seele uns gedeihe
still und kühn in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
die allein die Liebe weckt,
wo der Haß umsonst die Hände
dräuend aus dem Grabe streckt.
(Gottfried Keller)
In einem Kripplein
In einem Kripplein liegt ein Kind,
da steht ein Esel und ein Rind;
dabei ist auch die Jungfrau klar,
Maria, die das Kind gebar.
Jesus, der Herre mein,
der war das Kindelein.
Da sang ihm aller Engel Chor
mit süßen Stimmen hoch empor:
Gloria, Lob und Preis zumal
sei Gott gesagt im Himmelssaal.
Jesus, der Herre mein,
der war das Kindelein.
(Heinrich von Laufenberg)
Wiegenlied
Da droben auf dem Turme,
da wehet der Wind,
da wieget im Sturme
der Adler sein Kind.
Hier unten im Turme,
hier wehet kein Wind,
hier betet die Mutter
und wieget ihr Kind
und hat von der Wiege
zur Krippe ein Band
von Glaube und Hoffnung
und Liebe gespannt.
Weit über die Meere
die Sehnsucht hin spinnt;
dort sitzet Maria
und wieget ihr Kind,
die Engel, die Hirten,
drei König‘ und Stern
und Öchslein und Eslein
erkennen den Herrn.
Wohl über dem Monde
und Wolken und Wind
mit Zepter und Krone
stehn Jungfrau und Kind.
Hier unten ward’s Kindlein
am Kreuz ausgespannt,
dort oben wiegt’s Himmel
und Erd‘ auf der Hand.
Komm mit! Laß uns fliegen
zu Maria geschwind,
komm mit und lern biegen
dein Knie vor dem Kind.
Komm mit! Schnür dein Bündlein,
schon führet die Hand
Maria dem Kindlein,
es