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Sekt & Lederhose
Sekt & Lederhose
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eBook270 Seiten2 Stunden

Sekt & Lederhose

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Über dieses E-Book

Eine Geschichte über Veränderung, Neuanfang, Lebenskrisen, Erwachsen werden und natürlich Liebe.

 

„Warum eigentlich nicht?“ sagte ich, ohne groß zu überlegen. Und nun saß ich hier im knatternden ICE und dachte bei mir: Was tue ich hier eigentlich?

 

Bettina ist Anfang dreißig und nach einem Schicksalsschlag ihres Lebens in Berlin schon länger überdrüssig. Da kommt es der Exilschwäbin gerade recht, als ihr Bruder Markus sie fragt, ob sie nicht nach München kommen möchte. Ehe sie sich versieht, sitzt sie im Zug und lässt kurzerhand ihr bisheriges Leben hinter sich. Für ein paar Monate kann sie als Untermieterin in das WG-Zimmer von Patrizia einziehen, die mal wieder ein „Work and Travel“ macht und auch sonst einen unkonventionellen Lebensstil pflegt.

Kurz nach ihrer Ankunft in München begegnet sie in einem Café dem (Lebens-) Künstler John, der aussieht wie John Lennon, aber eigentlich Tom heißt. Ihre Mitbewohnerin ist die leicht nymphoman veranlagte Finanzbeamtin Mandy, mit der sie sich schnell anfreundet und die ihr dabei hilft, langsam wieder ins Leben zurückzukommen. Außerdem gibt es da noch Christoph, den Unbekannten, mit dem sie sich immer nur nachts auf dem Balkon über den Hinterhof unterhält und den sie ganz sympathisch findet, obwohl sie ihn noch nie richtig gesehen hat. Und was läuft da zwischen Markus und Patrizia, die eigentlich seine Ex-Freundin sein sollte?

Mit der Ankunft von Bettina in München ändert sich nicht nur ihr Leben. Ein Blind Date, lebensverändernde Geständnisse und ein Angebot, über das man besser noch mal eine Nacht schlafen sollte, stellen so einiges auf den Kopf.

 

Dieser Roman ist in sich abgeschlossen.

 

Weitere Bücher aus dieser Reihe:

Ex & Servus - Roman (Teil 2 von Sekt & Lederhose)

 

Weitere Bücher der Autorin:

Tanz im Staudenbeet - Roman

Glückszeit auf dem Glaserhof - Roman

Langosch zum Frühstück - Roman

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. Juli 2020
ISBN9783748748823
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    Buchvorschau

    Sekt & Lederhose - Coco Eberhardt

    Zugfahrt ins Unbekannte

    Unablässig huschte die Landschaft draußen vorbei, wie ein endloser Schweif aus Erdtönen. Seit Stunden schaute ich gedankenverloren aus dem Fenster. Ich las kein Buch. Ich las keine Zeitung. Ich tippte nichts Geschäftiges in meinen Laptop. Ich spielte nicht mit meinem Smartphone. Ich saß nur auf meinem Platz und sah zum Fenster hinaus. Gedanken kamen und gingen. Es war, als würde mein bisheriges Leben vorbeirauschen. Wie lange fuhr ich schon in diesem Zug? Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ab und zu hielten wir in einem Bahnhof an. Leute gingen und kamen. Was würde wohl auf mich zukommen? Es war für mich eine Fahrt ins Ungewisse. Und vielleicht auch eine Fahrt in ein neues Leben…

    Über zwei Jahre war es jetzt her, dass ich nur noch ich war. Alleine! Obwohl ich in Berlin gute Freunde hatte, so fühlte ich mich in letzter Zeit doch so oft einsam. Es fehlte etwas. Er fehlte. Ich merkte, wie sich meine Augen langsam mit Tränen füllten und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Wie lange war es noch mal her, dass mein Bruder mich angerufen hatte? Es kam mir vor wie gestern.

    „Hallo Bettina", hatte er mich durch das Mobilteil meines schnurlosen Telefons begrüßt.

    „Hallo Markus! Na, was gibt’s?"

    Obwohl wir gut miteinander auskamen, telefonierten wir eher selten miteinander. Jeder hatte sein Leben.

    „Hättest du nicht Lust herzukommen?" fragte er ohne Umschweife.

    „Ich? Zu dir?, ich musste innerlich schmunzeln. „In deine mickrige Studentenbude? Du hast doch selber kaum Platz.

    Er hatte mich noch nie einfach so eingeladen.

    „So meinte ich das auch nicht, antwortete er verlegen und begann es mir zu erklären. „Patrizia geht wieder mal für ein paar Monate weg. Sie hat noch keinen Untermieter für ihr Zimmer gefunden. Da habe ich an dich gedacht. Hättest du nicht Lust? Ein Tapetenwechsel täte dir vielleicht ganz gut. Wir könnten uns dann öfter mal sehen.

    „Warum eigentlich nicht?" sagte ich, ohne groß zu überlegen.

    Und nun saß ich tatsächlich hier im knatternden ICE und dachte bei mir: Was tue ich hier eigentlich? Bald würde ich ankommen. Ein Zurück gab es nicht mehr. Meine Wohnung in Berlin hatte ich kurzerhand aufgelöst. Ein paar Möbel, an denen ich wirklich hing, ließ ich einlagern. Spontan musste ich an den alten Ohrenbackensessel denken, der noch von meiner Oma stammte. Den Rest hatte ich an Freunde und Bekannte verkauft und verschenkt oder ans Sozialkaufhaus gespendet. Alles, was ich jetzt noch besaß, war in meinen zwei schwarzen Hochglanz-Rollkoffern und meinem in die Jahre gekommen Rucksack, mit dem ich schon viel gemeinsam erlebt hatte.

    „In Kürze erreichen wir München Hauptbahnhof", schallte es durch die Lautsprecher des Zuges.

    Unruhe machte sich plötzlich breit. Auch in mir.

    Herzlich Willkommen

    Ich stand vor der Adresse, die mir mein Bruder genannt hatte. Mitten in Schwabing. Es war früher Nachmittag. Der Himmel strahlte blau und wolkenlos. Ein typischer Altbau mit mehreren Etagen erhob sich vor mir. Die Fassade war grau vom Schmutz der Stadt. Etwas ratlos betrachtete ich die riesige hölzerne Tür mit den unzähligen Klingelknöpfen. Wie hieß noch mal die Mitbewohnerin von Patrizia mit Nachnamen? Mandy… Mandy… Wenn ich schon so ein schlechtes Namensgedächtnis hatte, hätte ich ihn mir wenigstens aufschreiben können. Mandy…

    In diesem Moment kam eine Frau aus dem Haus und ich schlüpfte schnell an ihr vorbei ins Treppenhaus. Ich meinte mich zu erinnern, dass Markus etwas vom zweiten Stock gesagt hatte. Also eilte ich die Treppen hinauf. Hier schien irgendwie die Zeit stehen geblieben zu sein, hatte ich das Gefühl. Das Treppenhaus war düster, aber nicht dunkel und die steinerne Treppe war schon richtig durchgetreten. Ich nahm zwei Stufen auf einmal.

    Im zweiten Stock angekommen, stand ich nun vor drei Türen. Sie wirkten fast schon antik. Leider sah ich an keiner der Türen eine Klingel, geschweige denn ein Namensschild. Zwei der Türen waren auf die Länge der Treppe verteilt. Die dritte befand sich an der Stirnseite. An der mittleren Tür hing ein rotes laminiertes Schild mit dem Text: „Komme gleich wieder! Darunter stand ein halb leerer Kasten Bier. Am Türstock klebte noch ein kleiner Aufkleber, auf dem „Mandys kleines Reich stand. Auf rosa Hintergrund war eine kleine Prinzessin abgebildet. Ganz falsch konnte ich also nicht sein. Ich klopfte an und wartete. Aber nichts rührte sich. Also setzte ich mich schließlich auf den Boden und begann auf meine neue Mitbewohnerin zu warten.

    Die Zeit zog sich wie Gouda in heißen Kässpatzen. Ich wurde langsam ungeduldig. Leicht genervt nahm ich mir schließlich eine Flasche Bier aus dem Kasten vor der Tür. Warten machte durstig! Ich öffnete die Flasche am Geländer. Es zischte herrlich. Schluck für Schluck genoss ich das Bier und sinnierte weiter vor mich hin. Leichte Zweifel stiegen auf einmal in mir auf. War das richtig, was ich hier tat?

    Irgendwann war die Flasche leer und ich saß immer noch allein im Treppenhaus auf dem kalten Steinboden. Ich fühlte mich leicht beschwingt. Hopfen und Alkohol entfalteten allmählich ihre Wirkung. Ich wühlte in meinem Rucksack nach meinem Handy. Langsam wurde ich doch ungeduldig. Ich suchte die Arbeitstelefonnummer meines Bruders und wählte sie an.

    Es läutete genau zweimal, dann meldete sich eine vertraute Männerstimme: „Steuerkanzlei Haberlach, hier spricht Herr Häberle. Was kann ich für Sie tun?"

    Ich musste unwillkürlich schmunzeln. Er klang so erwachsen.

    „Hallo Markus. Ich bin´s."

    „Hi, Bettina. Bist du schon da?"

    Er schien sich zu freuen.

    „Ja, ich warte schon eine halbe Ewigkeit vor Mandys Haustüre. Sie hat mir eine Nachricht hinterlassen, dass sie bald wiederkommt. Aber bisher ist sie nicht aufgetaucht."

    „Steht ein Kasten Bier vor der Tür?"

    „Ja, woher weißt du? Hat das was zu bedeuten?"

    Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, hörte ich ein Lachen aus seiner Stimme.

    „Also eins kann ich dir sagen, wenn das rote Schild und das Bier vor der Türe steht, ist Mandy länger weg. Sie findet das total witzig. Und gerade versteh ich zum ersten Mal warum."

    Er lachte nochmals laut. Mir hingegen war gar nicht mehr danach zumute. Ich merkte, wie sich meine hopfige Entspanntheit schlagartig verflüchtigte. Herzlich willkommen in deinem neuen Leben, Bettina! Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

    Markus versprach mir zwar sofort nach der Arbeit vorbeizukommen, aber das würde noch mindestens zwei Stunden dauern. Er hatte einen Notfallschlüssel für die Wohnung. Ich sollte in einem nahegelegenen Pub auf ihn warten.

    Etwas resigniert verließ ich das Haus und wollte die Zeit, bis mein Bruder auftauchen würde, nutzen, um meine neue Wohnumgebung zu erkunden. Weit kam ich allerdings nicht. Eine unglaubliche Erschöpfung machte sich in mir breit. In unmittelbarer Nähe befand sich ein mit Betonplatten gepflasterter Platz. Ich setzte mich dort auf eine Bank. Hier hatte sich wohl seit den 70er-Jahren nicht viel verändert. Gedankenverloren ließ ich meinen Blick schweifen.

    Seit mein Bruder sein Medizinstudium geschmissen hatte, arbeitete er bei einer Steuerkanzlei. Er hatte bereits das Physikum hinter sich, als er meinen Eltern eröffnete, dass er nun eine Lehre zum „Steuerfachangestellten" beginnen würde. Ein Schock für meinen Vater. Eine Zeit lang herrschte zwischen den beiden Funkstille. Mittlerweile hatte sich ihr Verhältnis wieder verbessert.

    Wo war nur dieses Pub? Verdammt!

    Pub oder Café

    Laut meinem Bruder befand sich das Pub am Ende der Straße in unmittelbarer Nähe zu meinem neuen WG-Zimmer. Etwas verpeilt lief ich auf und ab. Schaute links. Schaute rechts. Ich konnte es nirgends finden. In meiner Not sprach ich Passanten an, die jedoch nur abgehetzt oder ahnungslos mit den Schultern zuckten. Mir war zum Heulen.

    „Geht es Ihnen nicht gut?", fragte mich plötzlich ein älterer Herr.

    Er war einen Kopf kleiner als ich, stützte sich auf seinen Stock und hatte einen freundlichen, in sich ruhenden Gesichtsausdruck.

    „Ich suche ein Pub. Es muss hier irgendwo sein. Ich bin nicht von hier."

    Er lächelte allwissend und zeigte mit seinem Stock hinter mich. Café Papilotta stand dort in großen, grün leuchtenden Lettern. Es brauchte einige Sekunden, bis ich verstand. Mein Pub war kein Pub, sondern ein Pap wie Papilotta, also eigentlich ein Café.

    „Danke", ich drehte mich um, doch der alte Mann war bereits um die Straßenecke verschwunden.

    Ich ging durch eine große Glastür, hinter der dicke, samtige, bordeauxfarbene Vorhänge hingen, die als Windfang dienten. Ein schöner, lichtdurchfluteter Gastraum zeigte sich mir. Im hinteren Teil entdeckte ich ein hölzernes Bodenpodest, das mit einem nostalgischen Geländer eingefasst war und auf dem ein gemütliches, schwarzes Ledersofa stand, aufgepeppt mit bunten Kissen. Instinktiv steuerte ich darauf zu. Schwungvoll ließ ich meinen Rucksack auf den Boden gleiten und setzte mich. Von hier aus konnte man alles überblicken. Eine lange, kultig wirkende Theke mit Barhockern erstreckte sich über die ganze Länge. Im Raum verteilt standen Bistrotische mit Stühlen, die wohl so einige Geschichten erzählen konnten. Aus einem großen raumhohen Fenster konnte ich direkt auf die Straße blicken. Hier würde ich es gut aushalten können, bis Markus endlich von der Arbeit kam.

    Lennon lebt

    Trotz der frühen Nachmittagsstunde herrschte schon reger Trubel im Café. Auch draußen saßen Leute und genossen die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, die das Frühjahr zu bieten hatte.

    „Dich habe ich hier noch nie gesehen, eine etwas korpulente Dame mittleren Alters mit maskulin gefärbter Stimme stand vor mir. „Was darf´s denn sein, Schätzchen?

    „Ein Latte und dazu ein Glas Wasser."

    „Kommt sofort, Schätzchen."

    Ich ließ meinen Blick weiter durchs Café schweifen. Die Bedienung war schnell hinter die Theke verschwunden und machte sich an der riesigen italienischen Siebträgermaschine zu schaffen. Die Räume waren hoch. An der apricotfarbenen Wand hing ein großes dunkelblaues Ziffernblatt, das wohl von einer Kirchturmuhr stammte. In goldenen römischen Zahlen waren die Stunden zu sehen. Von der Decke baumelte etwas, das der Kopf einer alten Schaufensterpuppe zu sein schien. Sie hatte langes blondes, verstrubbeltes Haar. Links vom Sofa standen ein schwarzes Klavier und ein veralteter Computerspielautomat. Rechts von mir pendelten unentwegt Leute vorbei, die wohl dem Schild zur Toilette folgten. Kaffee und Wasser standen bereits auf einem kleinen Tablett vor mir auf dem niedrigen Couchtisch.

    Gerade, als ich den ersten Schluck meines Latte macchiato genoss, kam ein Mann ins Café, der mich irgendwie sofort faszinierte. Ich wusste zuerst nicht, warum. Aber dann wurde es mir bewusst. Er sah aus wie John Lennon. Nicht wie der frühe Lennon, eher wie John und Yoko, nur ohne Yoko. Verblüffend! Ich wusste nicht, was es war. Die runde Brille? Die langen Haare? Seine etwas shabby wirkender Kleidungsstil? Die Tatsache, dass er barfuß war? Oder einfach das Gesamtpaket?

    In meinem Kopfkino feierte ich bereits eine Lennon-lebt-Party. Lennon war das Idol meiner Teenie-Tage, obwohl er bereits vor meiner Geburt gestorben war. Während Gleichaltrige bei Konzerten von Take That scharenweise in Ohnmacht gefallen waren, saß ich mit Papas Beatles-LP´s vor dem Plattenspieler. Damals hörte niemand mehr Platte. CDs waren angesagt. Meine Vernunft meldete sich kurzzeitig wieder zurück. Der Typ konnte nicht John Lennon sein. Ich schätzte ihn auf mein Alter.

    Plötzlich fixierte er mich und kam zielstrebig auf mich zu. Mir wurde etwas unbehaglich zu Mute. Hatte ich ihn zu lange angestarrt? Ich fühlte mich ertappt.

    „Darf ich dazu", er zeigte auf den freien Sofaplatz neben mir.

    „Klar", ich lächelte zu ihm hoch und hoffte, dass er keine Gedanken lesen konnte.

    Kaum, dass er neben mir saß, fuchtelte er wild mit den Händen in Richtung Bedienung und schrie: „Hilde! Hiiiiiiiiilde!"

    Die Frau, die mich vorhin bedient hatte, fühlte sich angesprochen und kam zügig zu unserem Tisch. Mit ihrer dunkel klingenden Stimme fragte sie: „Was darf´s sein, John?"

    „John?", rutschte es mir raus.

    Ich musste schlucken und schaute ungläubig meinen Sofanachbarn an.

    „Ja, John. Hi", er drehte sich grinsend zu mir.

    Ich stellte keine weiteren Fragen. Vorsicht mit dem bayerischen Bier! Noch bevor Johns Espresso serviert wurde, hatte er mir seine halbe Biografie erzählt. Er war Künstler. Ein paar der Bilder, die ebenfalls im Café an der Wand hingen, waren von ihm. Er redete ohne Punkt und Komma und begann mir jedes der Bilder zu erklären. Was es darstellte. Wie es entstanden war. Was für Farben und Materialien er verwendet hatte. Und die Lebensphase, in der es gemalt wurde. Ich brauchte nicht viel zu sagen, nur ab und zu ein „Ah oder „Mhm. Es war irgendwie eine skurrile Situation, in der ich mich da plötzlich befand. Aber ich fühlte mich wenigstens nicht mehr so verloren.

    Ein Stück Heimkommen

    Ich weiß nicht, wie lange John seinen Monolog gehalten hatte, aber endlich war es so weit. Markus kam durch den Windfang ins Café. Sein Blick schweifte kurz in alle Richtungen, bis er mich entdeckte und schnurstracks mit einem freudigen Lächeln auf mich zukam. Seine Umarmung tat gut. Es war wie ein Stück Heimkommen. Wir hatten uns ewig nicht gesehen. Wie lange war es her? Als es mir einfiel, versuchte ich den Gedanken sofort wieder zu vergessen.

    „Schön, dass du endlich da bist", begrüßte ich ihn und meinte es auch so.

    Er trug ein weißes Hemd und eine schicke Anzugweste zu einer dunkelblauen Jeans und ledernen Budapester Schuhen, was ihm einerseits Seriosität verlieh, andererseits aber auch Lässigkeit ausstrahlte. Seine nussbraunen Haare trug er ein bisschen länger als früher. Seine Frisur erweckte den Anschein von Morgens-keine-Zeit-fürs-Styling und glich auf den zweiten Blick aber doch einem strukturierten Chaos. Er kam mir irgendwie erwachsener vor.

    „Wie ich sehe, hast du schon Bekanntschaft mit Tom gemacht", sagte er zu mir und zeigte auf John.

    „Tom?!", ich war kurz irritiert.

    „In Künstlerkreisen auch John genannt", schob Markus nach und grinste spitzbübisch.

    Er klopfte John auf die Schulter.

    „Das ist meine Schwester", stellte er mich ihm nun offiziell vor.

    „Herzlich willkommen in München. Ich lasse euch dann mal alleine und ziehe weiter", murmelte er schließlich vor sich hin und ging an einen der anderen Tische, an dem zwei aufgedonnerte Mädchen saßen, die höchstens Anfang zwanzig waren und mit denen er sofort ins Gespräch kam.

    Ich zahlte und begab mich endlich mit Markus zu meinem neuen Domizil. Leichte Aufregung machte sich in mir breit.

    Altbau mit Balkon

    Meine neues zu Hause war nur wenige Schritte vom Pap entfernt. Wieder stand ich vor der hölzernen Tür mit den unzähligen Klingelschildern. Markus zog aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund hervor und sperrte routiniert auf. Ohne Eile gingen wir die steinernen Treppenstufen hinauf, bis ich wieder im 2. Stock mit den drei Türen stand.

    „So, dein neues Reich", sagte er knapp und öffnete mit einem antiken Schlüssel die erste Türe, die mit einem Knattern aufsprang.

    Ich stand direkt in meinem neuen Zimmer. Es hatte eine für Altbau typisch hohe Decke, die mit Stuck verziert war und von anderen Zeiten zu erzählen schien. Links in der Ecke stand ein gemütlich wirkendes Futonbett, auf dem eine Patchworkdecke lag. Direkt daneben befanden sich eine große Balkontür und ein breites Fenster, die zwar das Zimmer schön mit Licht fluteten, aber jedem Energieberater die Nackenhaare aufstellen würden. Unter dem Fenster stand ein schöner eichenhölzerner Schreibtisch. Rechts befand sich eine weitere Türe, die geschlossen war. Mein Blick fiel auf den japanischen Paravent, der mitten im Raum aufgestellt war. Als ich dahinter schaute, entdeckte ich einen IKEA-Schrank und einen Cocktailsessel, der wohl noch ein Original aus den 50ern war. Auf dem Boden lagen wahllos ein paar Klamotten herum, die wohl Patrizia gehörten. Die Wände trugen ein Retrowalzmuster mit peppig modernen Farben und waren gespickt mit Fotos und Bildern. Der Bodenbelag bestand aus einem alten Holzdielenboden, an dem wohl seit Jahrzehnten nichts verändert worden war. Das Zimmer war ein Stilmix aus allen Epochen und Nationen bis in die Neuzeit, wirkte jedoch insgesamt harmonisch. Obwohl mich viele Dinge in

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