Liebesglück und Kaffeeklatsch: Romantische Komödie
Von Amelie Winter
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Über dieses E-Book
Annie hat die Nase voll! Sie kündigt ihren Job in London, schickt ihren betrügerischen Verlobten in die Wüste und fliegt spontan nach Irland, wo ihre Tante Grace ein Café betreibt. Im Flugzeug begegnet sie Malcolm Reid, dem CEO von CoffeeStar, der nie um einen dummen Spruch verlegen ist. Die Chemie stimmt – aber Annie hat keine Lust auf eine neue Beziehung. Zudem will Malcolm ihrer Tante das Café abluchsen, was ihn nicht gerade sympathisch macht! Auf einen Flirt lässt sich Annie trotzdem ein, denn Spaßhaben ist erlaubt, nur Gefühle sind tabu. Als diese sich dennoch einschleichen, ist das Chaos nicht mehr aufzuhalten ...
Locker-leichter Irlandroman, der das Herz erwärmt und ein Lächeln ins Gesicht zaubert!
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Liebesglück und Kaffeeklatsch - Amelie Winter
1
Annie quetschte ihre Reisetasche mühevoll in die Gepäckablage. Das blöde Ding war zu groß und fand nur schwer Platz. Nachdem es ihr endlich gelungen war, setzte sie sich ans Fenster. Sie war auf dem Weg nach Irland, wo ihre Tante Grace lebte. In anderthalb Stunden würde sie Cork erreichen. Sie zog das Handy aus der Hosentasche und aktivierte den Flugmodus. Ob Tante Grace sie abholen würde? Sie war doch immer viel beschäftigt. Sonst würde Annie eben mit dem Bus fahren, bis Kinsale war es zum Glück nicht weit. Viel Gepäck hatte sie auch nicht dabei: nur die Reisetasche und einen mittelgroßen Koffer.
Neugierig schaute sie aus dem Fenster, wo es erwartungsgemäß nichts Aufregendes zu sehen gab. Ob ihr wieder schlecht werden würde? Annie hatte vorgesorgt und Pfefferminzbonbons eingesteckt, auch hatte sie eine Tablette gegen ihre Reisekrankheit eingenommen. Sie liebte es zu fliegen, aber leider hatte sie die Übelkeit nicht unter Kontrolle. Die Spucktüte war in Reichweite, also konnte nichts schiefgehen.
Wann hatte sie zum letzten Mal Urlaub gemacht? Sie erinnerte sich nicht. In den vergangenen Jahren hatte sie sich nur auf die Arbeit konzentriert.
Und wofür das alles?
Gestern hatte sie ihren Job gekündigt, gleichzeitig hatte sie mit ihrem Verlobten Schluss gemacht. Sieben Jahre war sie mit Matthew zusammen gewesen. Sieben verdammte Jahre!
Ihre Laune verdüsterte sich, wenn sie an ihre dramatisch gescheiterte Beziehung dachte. Also nahm sie sich fest vor, ihre Gedanken um was anderes kreisen zu lassen. In den letzten vierundzwanzig Stunden waren so viele Dinge passiert, die sie noch nicht richtig begreifen konnte. Jetzt einfach abzuhauen war feige, aber in Matthews verräterische Visage wollte sie vorerst nicht wieder schauen müssen. Da wurde ihr nämlich richtig übel. Sie hätte ihm ins Gesicht spucken sollen, als sie gekündigt hatte. Das unterlassen zu haben, bereute sie zutiefst.
Die negativen Emotionen überrollten sie gerade, die Wut brodelte in ihr hoch. An was anderes denken, an was anderes denken – wiederholte sie wie ein Mantra in ihrem Kopf. Annie hatte eine Auszeit bitter nötig.
Sie blickte wieder aus dem Fenster und dann auf die Uhr. Wann würden sie endlich starten?
Plötzlich setzte sich jemand neben sie. Annie schielte kurz zu ihm hinüber, schaute dann weg und gleich darauf wieder hin. Der Kerl war heiß – und vermutlich jünger als sie. Der Mund klappte ihr auf, und bevor sie noch mit dem Sabbern anfing, schloss sie ihn ganz schnell. Dieser Mann war ein echter Hingucker! Das braunrote Haar trug er kurz, und die Bartstoppeln waren perfekt getrimmt. War er ein Ire? Also stimmte es doch, dass so viele Iren rothaarig waren? In Annies Familie war dieses Gen nicht vorhanden. Ihre irische Mutter hatte pechschwarzes Haar und Annie eine brünette Mähne, die sie seit Kurzem mit rostbraunen Strähnen etwas aufpeppte.
Wortlos setzte sich der Mann zu ihr hin und würdigte sie keines Blickes, aber daran war sie gewöhnt. Männer achteten nie auf sie. Annie war nicht unattraktiv, aber sie war bestimmt nicht die Art von Frau, nach der sich das andere Geschlecht umdrehte. Ihre Freundin Eliza hingegen gehörte eindeutig zu dieser Kategorie. Annies Mundwinkel sanken tief hinab. Hatte Matthew deswegen mit Eliza Sex gehabt? Die beiden hatten eine Affäre, und Annie wusste nicht, wie lange das schon lief. Eigentlich wollte sie es auch gar nicht wissen. Im schlimmsten Fall schon seit Monaten!
Sie fror. Hätte sie einen dicken Pulli anziehen sollen? Im Flugzeug war es kühl. Den Koffer, den sie mit nach Irland nahm, hatte sie vorhin bei der Gepäckaufgabe abgegeben, und in ihrer Reisetasche befanden sich nur ein paar T-Shirts, ein Glätteisen, ihr iPad, etwas Make-up und Papiertaschentücher.
Die Flugbegleiterin forderte alle Passagiere dazu auf, sich anzuschnallen und verwies auf die Sauerstoffmasken und die Broschüren, die erklärten, wie diese im Notfall zu verwenden waren. Annie hörte gar nicht richtig hin und schnallte sich an. Der Gurt klickte. Entspannt lehnte sie sich zurück. Sie flog bestimmt nicht zum ersten Mal, und eigentlich liebte sie den Moment, wenn sich das Flugzeug in die Lüfte hob – nur leider wurde ihr ständig schlecht.
Eine Flasche Mineralwasser hatte sie dabei. Sie durfte aber nicht zu viel trinken, sonst würde sie aufs Klo müssen. Auf keinen Fall wollte sie sich durch den engen Gang bis zur Flugzeugtoilette kämpfen müssen. Das erhöhte nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass ihr das Frühstück hochkam.
Energisch schraubte sie den Verschluss der Mineralwasserflasche auf und nahm einen Schluck – und dann noch einen. Wenn sie nervös war, musste sie sich mit etwas beschäftigen. Lesen war keine Option, davon kriegte sie erst recht Magenschmerzen. Vorerst schaute sie wieder aus dem Fenster und trank die Wasserflasche in schnellen Schlucken bis zur Hälfte aus. Sie hickste. Sofort legte sie die Hand auf den Mund, als würde das was bringen! Sie hickste erneut. Der Schluckauf ließ sich nicht kontrollieren, nein, er wurde immer schlimmer.
Ihr Sitznachbar schaute zu ihr herüber – Annie konnte seinen Blick geradezu spüren –, und sie hielt die Luft an. Vergeblich. Sie hickste wieder.
»Denken Sie an sieben glatzköpfige Iren, das hilft gegen Schluckauf«, sagte er mit ruhiger, tiefer Stimme. Annie kicherte. Sein irischer Akzent war deutlich zu vernehmen. Ihre Mutter hörte sich nämlich genauso an, auch wenn sie die letzten fünfunddreißig Jahre in London verbracht hatte. Er war mit Sicherheit im County Cork aufgewachsen. Annie hingegen hatte diesen für London typischen Cockney-Akzent. Weder an ihrer Sprache noch an ihrem Aussehen ließ sich vermuten, dass sie irische Wurzeln hatte. Sie war eine waschechte Londonerin: erfolgreich, unabhängig, selbstsicher – zumindest hatte sie bis vor Kurzem geglaubt, diese Beschreibung würde auf sie zutreffen.
»Oder Finger in die Ohren stecken«, meinte ihr Gegenüber amüsiert, als sie erneut hickste. Ihr Oberkörper hüpfte unkontrolliert auf und ab.
»Ich versuch’s«, erwiderte sie und folgte seiner Anweisung.
»Steht Ihnen gut«, witzelte er.
Annie schaute zu ihm hin – die Finger in den Ohren –, und erstmals trafen sich ihre Blicke. Der Kerl sah unglaublich aus …! Seine Augen waren so blau wie die Keltische See vor der Südküste Irlands. Trug er Kontaktlinsen? Noch nie zuvor war ihr jemand mit roten Haaren und blauen Augen begegnet.
»Wow …«, rutschte es ihr heraus, und sie hickste erneut. Ihr Schluckauf beförderte sie zurück in die Realität. Schnell guckte sie weg – bevor ihm noch auffiel, dass sie ihn hinreißend fand. Er erwiderte etwas, aber Annie konnte ihn nicht deutlich verstehen, da ihre Zeigefinger weiterhin in ihren Ohren steckten. Sanft tippte er auf ihren Unterarm. Sie nahm die Finger raus und lauschte gespannt seinen Worten.
»Mit den Fingern die Ohren massieren!«, wies er sie an, und Annie grinste gequält. Sie fühlte sich doch jetzt schon wie ein Clown! Vielleicht sollte sie einfach noch mal die Luft anhalten. Doch dann fiel ihr auf, dass der Schluckauf weg war.
»Ich glaube, es hat geklappt«, sagte sie erleichtert.
»Super!« Er grinste zufrieden.
»Ich bin Annie.« Sie streckte ihm die Hand hin. Da fiel ihr ein, dass ihr Zeigefinger gerade eben noch in ihrem Ohr gesteckt hatte. Sie wollte die Hand schnell zurückziehen, als er spontan danach griff und sie energisch schüttelte. Er hatte einen festen Händedruck.
»Malcolm«, stellte er sich vor.
»Und was machst du so, Malcolm?« Annie war nicht schüchtern. Sie lernte gern neue Leute kennen.
»Nichts Besonderes«, gab er sich geheimnisvoll und lächelte charmant. Annie betrachtete ihn genauer. Er sah nicht nur gut aus, er war auch gut angezogen. Das Jackett war bestimmt teuer gewesen. Er roch auch gut! Der Kerl spielte eindeutig in einer anderen Liga. Warum hockte er dann in der Economy Class?
Sie schaute wieder aus dem Fenster, da die Maschine Fahrt aufnahm. Bald würde der Pilot das Flugzeug hochziehen. Sie wollte den Blick auf London nicht missen. Es machte sie traurig und glücklich zugleich, die Stadt hinter sich zu lassen. Sie liebte London, aber im Moment wollte sie hier nicht mehr sein.
In ihrem Kopf rauschte es dumpf, als die Maschine abhob. Augenblicklich wurde sie nervös. Die Übelkeit trat rascher ein als angenommen. Der Moment, wenn das Flugzeug quer nach oben stieg, war besonders schlimm. Ihr Magen rebellierte sogleich, und Annie wühlte panisch in ihrer Jackentasche nach dem Pfefferminzbonbon. Sofort schob sie es in den Mund. Als sie das letzte Mal in einem Flugzeug gesessen hatte, war Matthew gleich neben ihr gewesen und hatte ihre Hand gehalten.
»Alles in Ordnung?«, fragte Malcolm und klang besorgt. Sie wurde immer grün im Gesicht, wenn sie sich nicht wohlfühlte.
»Alles super«, keuchte sie und versuchte, die Vibrationen zu ignorieren. Annie war speiübel. Sie spürte, wie der kalte Schweiß auf ihrer Stirn ausbrach. Das Pfefferminzbonbon half auch nicht! Mit verkrampften Fingern hielt sie die Spucktüte fest. Sie hoffte sehr, dass sie sich nicht übergeben musste. Das wollte sie Malcolm nicht antun. Neben jemandem sitzen zu müssen, der sich die Seele aus dem Leib kotzte, war widerlich. Annie musste sich ablenken.
»Guck nach draußen und fixier einen Punkt«, riet er ihr. Sie schaute zu ihm, woraufhin er ihr Kinn sachte zum Fenster drehte. »Ich weiß, dass ich gut aussehe, aber jetzt solltest du woanders hinschauen!« Malcolm lachte. Es war ein nettes und ehrliches Lachen. Offenbar war er nicht nur gut aussehend, sondern auch sehr von sich eingenommen. Leider hatte er jeden Grund dazu. Vorerst befolgte Annie seinen Rat. Es klappte. Ihr Magen beruhigte sich, und die Anspannung fiel von ihr ab, als das Flugzeug an Höhe zulegte. Bequem lehnte sie sich zurück. Die Übelkeit war abgeklungen, also atmete Annie tief durch.
»Fühlst du dich besser?«, wollte er wissen. Sie nickte stumm, daraufhin richtete er kein weiteres Mal das Wort an sie. Ab und zu warf Annie wieder einen Blick zu ihm hin. Er scrollte gedankenverloren durch sein Handy, und sie überlegte, ob sie versuchen sollte, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
»Du bist Ire?«, sagte sie schließlich, dabei kannte sie die Antwort bereits. Er schaute von seinem Handy auf und lächelte. Er war eindeutig jünger als sie! Annie wurde in vier Wochen fünfunddreißig. Fünf-und-dreißig! Wie hatte sich ihr Leben nur derart verändern können? Vor einer Woche hatte sie noch geglaubt, alles unter Kontrolle zu haben – und jetzt saß sie in einem Flugzeug, ohne Plan und ohne Zukunft.
»Es ist der Akzent, nicht wahr?«, meinte er.
»Ja.« Annie lächelte. »Warst du geschäftlich in London?«
Er nickte. »Nur für ein paar Tage. Jetzt fliege ich wieder nach Hause.« Er verstaute das Handy in der Innentasche seines Jacketts. »Und was führt dich nach Irland?«, fragte er.
»Meine Tante Grace lebt in Kinsale. Ich werde ein paar Tage dort verbringen.«
»Kinsale ist nett. Ich bin häufig dort.«
»Tatsächlich?« Sie flogen nach Cork, und Kinsale war nur dreißig Fahrminuten davon entfernt. Würden sie sich vielleicht in Zukunft öfter begegnen? Kinsale war doch ein recht kleiner Ort, nur fünftausend Menschen lebten dort. Sollte sie ihn nach seiner Telefonnummer fragen? Vielleicht konnte er ihr die Gegend zeigen?
Annie zögerte nie. Sie nahm sich immer, was sie wollte. Schüchternheit war keine ihrer Eigenschaften. Als sie damals Matthew kennengelernt hatte, war sie alles andere als zurückhaltend gewesen. Hemmungslos hatte sie mit ihm geflirtet. »Eine Frau wie dich habe ich noch nie getroffen«, hatte er damals gesagt. Annie war also selbst schuld – an allem. Sie hatte sich in ihn verguckt und den ersten Schritt gemacht. Zum Glück wusste er nicht, dass sie in den letzten Wochen fleißig Hochzeitsmagazine durchgeblättert hatte. Annie hatte sich sogar schon ein hübsches Kleid ausgesucht: trägerlos, mit einem schimmernden Satinrock und raffinierten Drapierungen, die eine königliche Silhouette zauberten. Das Kleid hätte ihrer Mum sicher gut gefallen. Matthew sowieso. Er mochte es, wenn sie sich elegant kleidete. Er wollte eine Prinzessin an seiner Seite haben, und Annie hatte sich stets bemüht, eine solche zu sein.
Hatte sie aus ihren Fehlern gelernt? Vermutlich nicht. Warum sonst dachte sie darüber nach, mit ihrem Sitznachbarn zu flirten? Einem Kerl, den sie überhaupt nicht kannte und der sich bestimmt vor Angeboten kaum retten konnte? Wieder schielte sie zu ihm hin. Wie gut, dass er nicht wusste, was in ihrem Kopf vorging. Sonst würde er sofort Reißaus nehmen und sich woanders hinsetzen wollen. Annie hatte bestimmt keine Chance bei ihm.
»Und was machst du so?«, meinte er plötzlich.
»Hm?«
»Ich meine beruflich«, erwiderte er charmant.
»Werbung.«
Sie hatte bei AdCorp, einer Werbeagentur, gearbeitet. Hatte er doch Interesse an ihr – oder war er nur freundlich? Annie hatte schon zu lange nicht mehr mit einem Mann geflirtet. Sie wusste gar nicht mehr, wie das ging. Sie konnte die Zeichen nicht deuten.
»Gibst du mir deine Telefonnummer?«, fragte sie unverblümt. Spätestens jetzt würde er sich wünschen, woanders zu sitzen! Bloß nicht neben einer Frau, die ihn derartig plump anmachte. Aber Annie redete nie um den heißen Brei herum. Was hatte sie schon zu verlieren? Sein Blick war schwer zu deuten, aber dass er sich mit seiner Antwort so viel Zeit ließ, sprach Bände. »Ich dachte, du könntest mir Cork zeigen … Wenn du Zeit und Lust hast …«, erklärte sie. Erteilte er ihr gerade eine Abfuhr? Wahrscheinlich wurde er ständig von Frauen angemacht, und zwar solchen, die besser aussahen als Annie und sicher auch charmanter und jünger waren. Seufzend schaute sie zum Fenster hinaus auf die weißen Wolken unter ihnen. Sie hatte sich genug blamiert. Aber Annie hielt was aus. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, einen wildfremden Mann nach seiner Nummer zu fragen, nachdem sie gestern erst mit Matthew Schluss gemacht hatte? Wollte sie sich selbst etwas beweisen?
»Wie wär’s, wenn du mir deine Nummer gibst?«, meinte er plötzlich. Ruckartig drehte sie den Kopf zu ihm hin. Fürchtete er, sie würde ihn stalken?
»Okay«, erwiderte sie fröhlich und ratterte die Zahlen herunter. Ob er sie anrufen würde? Wohl eher nicht.
A-n-n-i-e tippte er in sein Smartphone.
»Eigentlich heiße ich Mary Ann«, erzählte sie. »Ziemlich altmodisch, nicht wahr? Meine Großmutter hieß so.« Annie quasselte drauflos und machte sich gerade erfolgreich zum Affen. Aber so was hatte sie noch nie gekümmert. Das hatte sie wohl von ihrer Tante Grace. Sie musste sich für nichts schämen, auch nicht dafür, dass sie Malcolm hinreißend fand, was mit Sicherheit die meisten Frauen taten.
»Mir gefällt der Name.« Er lächelte ihr zu, und Annie war wirklich gespannt, ob er sich bei ihr melden würde.
2
Malcolm holte den Koffer von der Gepäckausgabe. Das Ding war nass! Wo hatten sie es bloß gelagert? Seine neue Bekanntschaft wartete derweil noch immer auf ihr Gepäck und wirkte hibbelig. Malcolm überlegte, wie er sich von ihr verabschieden sollte. Sie standen gleich nebeneinander. Ein Koffer nach dem nächsten zog auf dem Gepäckkarussell an ihnen weiter. Ihrer war nicht dabei.
»Du kommst zurecht?«, fragte er.
»Sicher doch!«
»Dann mach’s gut.«
Sie winkte ihm zum Abschied zu, und Malcolm lächelte, bevor er sich umdrehte und den Ausgang anpeilte. Ob sie ihm hinterhereilen würde? Er hatte nämlich vor, den Bus zu nehmen, und auf den musste er eine Viertelstunde warten. Zweifellos hatte sie einen Narren an ihm gefressen und wollte keine Gelegenheit auslassen, sich länger mit ihm zu unterhalten. Malcolm war sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst. Er war daran gewöhnt, dass die Damen sich in ihn verguckten, aber normalerweise war er derjenige, der die Initiative ergriff. Es passierte ihm nicht oft, dass Frauen offen und ungeniert mit ihm flirteten – so wie Annie das tat. Gleichzeitig gelang ihr das Kunststück, nicht aufdringlich zu erscheinen. Sie war nett. Er hatte sich gerne mit ihr unterhalten.
Als er vor dem Flughafengebäude stand und sich nach der Haltestelle umsah, entdeckte er einen Wagen, den er kannte – und der Mann, der sich lässig gegen die geschlossene Fahrertür lehnte, den kannte er auch.
»Der Schnurrbart steht dir wirklich nicht«, witzelte Malcolm und ging zu ihm hin. »Du siehst aus wie Tom Selleck.«
»Halt die Klappe und steig ein, Junge!«, erwiderte Onkel Vincent mit einer unwirschen Handbewegung. Den Schnurrbart trug er erst seit einigen Monaten, und Malcolm meckerte deswegen ständig. Das Ding war potthässlich!
»Ich mein’s ernst! Du solltest dir diese Pornoleiste wirklich abrasieren!« Es gruselte ihn jedes Mal, wenn er den Schnurrbart im Gesicht seines Onkels sah.
»Dir muss mein neuer Look ja nicht gefallen!«
»Gefällt das buschige Ding etwa deiner neuen Freundin?«, hakte Malcolm schmunzelnd nach und ging zum Kofferraum, wo er sein Gepäck verstaute. Der SUV hatte genügend Platz.
»Interessierst du dich für mein Liebesleben?«, gab Onkel Vincent schmunzelnd zurück.
»Willst du sie mir nicht mal vorstellen?« Malcolm setzte sich auf den Beifahrersitz, während sein Onkel sich ächzend hinters Steuer klemmte.
»Wen denn?«
»Die Frau, deretwegen du dieses hässliche Ding trägst!«
»Da gibt es niemanden. Ich hatte nur mal Lust auf eine Veränderung.« Onkel Vincent trug einen braunen Anzug und eine braune Krawatte. Nicht nur der Schnurrbart erinnerte an die Siebzigerjahre, auch seine Anziehsachen. Das Haar – ursprünglich auch braun – war mittlerweile vollends ergraut. Er schaute immer so zerknittert aus, dabei war der Anzug faltenfrei.
»Wie lief’s in London?«, fragte er und startete den Motor.
»Super. Die Verträge sind hier drin!« Malcolm klopfte auf den Aktenkoffer, der auf seinem Schoß balancierte. »Wir können jederzeit mit dem Umbau anfangen. Bald wird es eine neue CoffeeStar-Filiale inmitten von London am Piccadilly Circus geben! Die Lage ist der Hammer.«
»Auf dich ist Verlass, Junge«, sagte Onkel Vincent anerkennend. Malcolm grinste zufrieden. Er war gut darin, andere für sich zu gewinnen.
Sie fuhren Richtung Norden zum The Elysian, das sich im Herzen von Cork City befand. Er wohnte erst seit einer Woche dort. Zum Gebäudekomplex gehörte ein über achtundsechzig Meter hoher Tower, der mit seinen siebzehn Stockwerken majestätisch in den Himmel ragte. Malcolms Apartment befand sich im elften. Die Wohnung war fantastisch. Er konnte von dort aus ganz Cork überblicken. Hier oben fühlte er sich wie ein König. Malcolm hatte es weit gebracht. Es erschien ihm surreal, wenn er daran dachte, dass er auf einer kleinen Farm in Charleville aufgewachsen war, inmitten von Wiesen, auf denen Kühe weideten. Sein Onkel lebte weiter außerhalb von Cork in einer stilvollen Villa auf einem großen Anwesen. Er war seit vielen Jahren ein erfolgreicher Geschäftsmann, und Malcolm respektierte und bewunderte ihn.
»Du wirst es noch weit bringen, Junge!«, meinte er und parkte vor dem Tower. Malcolm holte das Gepäck aus dem Kofferraum. Onkel Vincent stieg aus und stützte den Arm auf der offenen Autotür ab.
»Ruf Maggie mal an!«, rief er ihm zu. Instinktiv verdrehte Malcolm die Augen. »Das habe ich gesehen!«, rügte ihn Onkel Vincent. Maggie war Malcolms Mutter, eigentlich hieß sie Margret.
»Ich ruf sie doch ständig an«, murmelte er.
»Nein, machst du nicht. Aber weißt du, wer ständig anruft? Maggie. Und weißt du, wen sie anruft? Mich!« Er deutete mit dem Finger auf seine fade Krawatte.
»Und was hat das mit mir zu tu…«
»Sie glaubt, dass du meinetwegen in Arbeit ertrinkst! Maggie gibt mir die Schuld, dass du dich nicht bei ihr meldest!«
»Tut mir leid, aber –«
»Sie macht sich Sorgen!«, fiel Onkel Vincent ihm ins Wort.
»Ich bin kein Kind mehr«, grummelte Malcolm. »Ich lebe mein eigenes Leben.«
»Tun wir doch alle. Und trotzdem finden wir Zeit, uns um unsere Familie zu kümmern. Wie schaffen das bloß alle anderen – und du nicht? Wo du doch sonst alles hinkriegst?«
»Ist gut, hab verstanden«, ratterte Malcolm emotionslos herunter. »Ich ruf sie gleich an.«
»Warum glaube ich dir das