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Selbst Amor schießt mal daneben: Romantische Komödie
Selbst Amor schießt mal daneben: Romantische Komödie
Selbst Amor schießt mal daneben: Romantische Komödie
eBook271 Seiten3 Stunden

Selbst Amor schießt mal daneben: Romantische Komödie

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Über dieses E-Book

Pfiffige Lovestory mit Witz und Charme! 

Matilda zieht nach London, um im verträumten Notting Hill ein Café zu eröffnen. Alles verliefe nach Plan, wäre da nicht der unliebsame Nachbar, der es auf ihr Grundstück abgesehen hat: Nicholas Bennett, millionenschwerer Hotelerbe, will sich ihren Besitz mit allen Mitteln unter den Nagel reißen. Ein Kampf David gegen Goliath entbrennt. Einzig Matildas neu gewonnener Freund Josh, ein brotloser Schauspieler mit einem Herzen aus Gold, steht ihr unterstützend zur Seite. Sie ahnt nicht, dass ihr Retter und ihr Erzfeind ein und dieselbe Person sind …

Weitere Bücher der Autorin: 

Projekt Cinderella - Bloß nicht verlieben!

Verlobt, verliebt, verpeilt

An der Liebe führt kein Weg vorbei

SpracheDeutsch
HerausgeberElaria
Erscheinungsdatum26. Mai 2019
ISBN9783964651235
Selbst Amor schießt mal daneben: Romantische Komödie

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    Buchvorschau

    Selbst Amor schießt mal daneben - Amelie Winter

    1

    Nicholas Bennett nippte an einem Starbucks-Kaffee. Ab und an sah er hoch in den wolkenlosen Himmel. Sonne statt Nieselregen – in London kam das nicht oft vor.

    »Willst du mir helfen oder nur Löcher in die Luft starren?«, fragte sein bester Freund Tom, der im Gegensatz zu ihm im Moment alle Hände voll zu tun hatte.

    »Dir helfen? Ich bin nur hier, um zuzusehen. Passiert mir nicht alle Tage, dass ich bei einem Filmdreh dabei sein kann.«

    Tom war zugleich Regisseur und Produzent dieses kitschigen Streifens.

    »Ich brauche niemanden, der untätig herumsteht«, meckerte er.

    Nick verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen, während sein Blick zu den Schauspielern schweifte, die von einer Oscar-Nominierung noch Lichtjahre entfernt waren.

    »Die Kleine ist süß«, sagte er.

    Die Filmheldin war vermutlich kaum älter als zwanzig, hatte langes blondes Haar, blaue Augen und einen üppigen Busen, den ihr Gott höchstpersönlich mit auf den Weg gegeben hatte – im besten Fall. Vielleicht hatte aber auch ein geschickter Chirurg nachhelfen müssen.

    »Leider ist sie nicht Julia Roberts«, murrte Tom. Er gab dem Kameramann Anweisungen. Nick war bewusst, dass er im Weg stand. Es kümmerte ihn nicht. Seinen besten Freund bekam er nicht oft zu Gesicht. Wenn sie sich dann endlich mal trafen – so wie heute –, wollte er auch Zeit mit ihm verbringen. Selbst wenn das bedeutete, ihn bei seiner Arbeit zu behindern.

    »Der da sieht auch nicht aus wie Hugh Grant«, meinte Nick.

    »Und er kann sich nicht mal seinen dämlichen Text merken!« Tom ließ kein gutes Haar an seinen Filmen, seinen Schauspielern, der Produktion. Er war ein Perfektionist und nie zufrieden, wenn es um die Kunst ging.

    »Was machst du eigentlich hier? Ich meine, außer mir im Weg zu stehen?«, wollte er wissen.

    »Ich bin wegen des Hauses hier.« Nick deutete zu dem Townhouse, das seiner Familie gehörte. Sein Onkel hatte dort bis vor Kurzem gelebt.

    »Willst du etwa hierherziehen? Nach Notting Hill?«

    »Warum nicht?« Nick zuckte mit den Schultern.

    »Ich dachte, dir hätte es die arabische Wüstensonne angetan. Warst du nicht in Dubai?«

    »Ich bin immer woanders.« Seine Familie besaß Hotels überall auf der Welt. »In Dubai war ich Ski fahren, mehr nicht. Auch ich hab mal Urlaub nötig.«

    Die Araber hatten sich was Schräges einfallen lassen. Ein Indoor-Skiressort mit allem, was dazugehörte: kalte Temperaturen, mehr Schnee, als in der Wüste erlaubt war, und natürlich Luxusunterkünfte.

    »Gut! Es kann losgehen!«, rief Tom seinem Team zu.

    Nick beugte sich nach vorne, um auf den kleinen Bildschirm an der Filmkamera lugen zu können. Sein Freund sah hoch konzentriert aus, während die Schauspieler ihren Text sprachen.

    »Ich will aus dem Reihenhaus ein Hotel machen«, erzählte Nick beiläufig.

    »Cut!«, rief Tom aufgebracht. Irgendetwas hatte ihm an der Szene missfallen. »Dreht euch beide näher in diese Richtung!«, wies er die Schauspieler an. Er rannte herum wie ein aufgescheuchtes Huhn. Nick hingegen hatte sich schon lange nicht mehr so entspannt gefühlt. Der Kameramann beäugte ihn misstrauisch, da er ihn geradezu belagerte.

    »Okay, noch mal von vorne!«, schrie Tom. Seine Stimme erhob er nur, wenn’s um den Job ging. Ansonsten neigte er zum Flüstern und Nuscheln. Er war keine Führungspersönlichkeit, umso amüsanter fand Nick es, ihn auf einem Filmset beobachten zu können. Mit wildem Gebaren rauschte er umher und wirkte dabei, als hätte er vergessen, seine tägliche Ration Beruhigungstabletten einzunehmen.

    »Du willst ein Hotel aus dem Haus deines Onkels machen?«, fragte er, als er sich wieder zu Nick gesellte. Der Schweiß perlte auf seiner Stirn.

    »Ist doch eine tolle Idee, findest du nicht? Wenn dein Film so berühmt wird wie damals Notting Hill, dann wird dieser Stadtteil ein wahrer Touristenmagnet.«

    »Das ist nur ein Indie-Streifen, Nick. Der schafft’s doch nicht mal auf die große Leinwand.«

    »Du solltest endlich lernen, das Glas halb voll zu sehen.«

    »Ist doch wahr …! Guck dir mal an, wie die beiden sich küssen!«

    Nick schaute gespannt. Das junge Paar machte den Eindruck, als würde es sich arg überwinden müssen, die Lippen aneinanderzuschmiegen.

    »Cut! Cut!«, rief Tom aufgebracht. »Mehr Leidenschaft bitte! Ihr liebt euch wie verrückt, schon vergessen?«

    Nick verkniff sich mit Mühe ein Lachen. Dieses Spektakel amüsierte ihn so sehr, dass sein Kaffee noch kalt werden würde.

    »Soll ich ihnen zeigen, wie man richtig küsst?«, schlug er vor. »Die Kleine gefällt mir … Die würde ich nicht von der Bettkante stoßen …«

    »Was sagt denn Holly dazu, dass du gerne mit anderen Frauen flirtest?«

    »Holly?«

    »Ja, du weißt schon … deine Verlobte …«

    »Holly sagt gar nicht viel. Vermutlich vergnügt sie sich auch anderweitig.«

    Holly hatte er schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Er hatte ihr ein Foto von sich mit Schiern in der Wüste geschickt. Ihre Antwort? Ein erstaunt guckendes Emoji. Holly war die Emoji-Queen. Eigentlich hatte er mit ihr gemeinsam nach Dubai fahren wollen, aber sie hatte Wichtigeres zu tun gehabt. Das hatte sie eigentlich immer.

    Er ließ seinen Blick erneut zu dem Pärchen schweifen. Den kitschigen Dialog hörte er nun schon zum dritten Mal. Die beiden beteuerten sich ihre Liebe, mit falschen Tränen in den Augen und falschen Gefühlen im Herzen.

    »Willst du nicht aus Liebe heiraten?«, sagte Tom.

    »Liebe?« Nick schaute irritiert zu ihm hin. »Ich glaube nicht an die Liebe.«

    Er hatte ein Imperium zu leiten, da war kein Platz für Emotionen – oder verrücktspielende Hormone. Nichts davon war von Dauer. Er war jetzt dreißig, da musste er sich um Nachwuchs kümmern. Er würde irgendwann mal einen Nachfolger brauchen. Nicholas Bennett Junior würde hoffentlich bald das Licht der Welt erblicken, aber nur wenn Holly sich von ihrem Telefon losreißen konnte. Er wusste gar nicht, was sie mit dem Ding ständig tat. Sie war ein Influencer – was auch immer das bedeutete. Immerzu postete sie Bilder von sich auf Instagram. Sie hatte zehn Millionen Follower. Wenn sie gemeinsam reisten – was nur selten vorkam –, war stets ein Kamerateam dabei. Holly machte nie einfach Urlaub, sie hatte einen Auftrag. Ein Foto von ihr, wie sie in einem Hotelpool posierte, ließ sie sich teuer bezahlen.

    »Gut so!«, rief Tom. »Jetzt drehen wir die nächste Szene!«

    Nick trat einen Schritt zurück, da der Kameramann mit seiner Ausrüstung umziehen musste, und zwar einige Meter die Straße hoch.

    »Etwas klein für ein Hotel, oder nicht?« Tom deutete auf das Townhouse. In dieser Straße reihte sich nahtlos eins ans andere. Man wohnte hier auf mehreren Stockwerken in sehr engem Raum.

    »Deswegen will ich das Nachbargebäude kaufen.« Die Fassaden der beiden Reihenhäuser waren identisch: viktorianischer Stil, im späten neunzehnten Jahrhundert erbaut. »Stell dir vor: Ich reiße einfach die Mauern ein, dann ist Platz für eine schicke Lobby. Eine hübsche Glasfassade ermöglicht den Blick hinaus auf den großen Garten, der sich gleich dahinter befindet.« Nick geriet ins Schwärmen. Er hatte ganz genaue Pläne für das neue Hotel. Es sollte den typischen Charme von Notting Hill versprühen, gleichzeitig aber modern und elegant wirken.

    »Und was sagt Onkel Bill dazu?«

    »Onkel Bill ist wie vom Erdboden verschluckt«, murrte Nick. »Er hat mir das Haus verkauft, bevor er abgehauen ist. Wahrscheinlich will er seinen Lebensabend woanders verbringen.«

    »Das klingt aber gar nicht nach ihm …«

    Im Vergleich zu seinem Vater hatte sich Onkel Bill nie viel aus Geld und Besitz gemacht. Er hatte gerne in dem alten Haus in Notting Hill gelebt. Er hatte die Menschen hier gemocht.

    »Vorerst muss ich mich um Annegret Schönberg kümmern«, sagte Nick.

    »Wer soll das sein?« Tom hielt kurz inne, um sich einen Überblick über das Set zu verschaffen. Das Kamerateam war neu positioniert und die von der Maske pinselten an den Gesichtern der Schauspieler herum.

    »Die Schwester von Martha Schönberg. Ich werde mich mit der alten Lady mal unterhalten müssen.«

    »Und wer ist Martha Schönberg?«

    »Das ist die Frau, der mein Onkel in einem Anflug von geistiger Verwirrtheit sein Haus überlassen hat! Sie ist vor einem Jahr gestorben. Nach ihrem Tod hat es die Schwester geerbt.«

    »Woran ist sie denn gestorben?« Tom durchlöcherte ihn geradezu mit Fragen.

    »Wer? Diese Martha?«

    »Wer sonst?«

    Nick holte tief Luft. »Herztod … oder so was. Bin mir nicht sicher. Geschieht ihr recht! Das war eine ganz hinterlistige Hexe, nichts weiter! Ursprünglich gehörten beide Häuser samt Garten meiner Familie. Mein Onkel hat ihr eins davon geschenkt. Geschenkt! Kannst du das glauben? Wahrscheinlich hat sie ihn bezirzt, ihm schöne Augen gemacht. Den Frauen konnte er keinen Wunsch abschlagen. Dieser alte Narr!«

    Nick hatte die Dame nie getroffen. Sein Onkel hatte das Gebäude vor ihrer Ankunft vermietet. Im Erdgeschoss befand sich ein Souvenirladen, den früher jemand anders geführt hatte: ein Mann indischer Abstammung, der neben der alten Kasse einen winzigen Fernseher stehen gehabt hatte, wo ständig Bollywood-Filme gelaufen waren.

    Nachdem sein Onkel ihm das Haus verkauft hatte – ja, er hatte es ihm verkauft und nicht geschenkt –, war er verschwunden. Keiner wusste, wo er sich herumtrieb. Nick hatte zu spät erfahren, dass die Hälfte seines einstigen Besitzes und der große Garten nun dieser Annegret Schönberg gehörten. Hätte er früher davon gewusst, hätte er seinen Onkel dazu überredet, die Schenkung rückgängig zu machen.

    »Hört sich kompliziert an …« Tom stöhnte laut auf.

    »Nicht so kompliziert wie das Drehen von romantischen Komödien.« Nick grinste schelmisch, da sein Freund nun wieder so aussah, als stünde er vor einem Nervenzusammenbruch.

    »Was ist da los?!«, rief er aufgewühlt. »Mit dem Ton stimmt irgendetwas nicht!« Er raufte sich die blond gelockten Haare. »Wo ist Henry, verdammt?!«

    »Der macht grad Kaffeepause!«, rief jemand vom Team. Nick konnte nicht erkennen, wer es gewesen war. Es tummelten sich hier zu viele Leute. Darunter waren auch einige Passanten, die sich neugierig umsahen und schnell das Weite suchten.

    »Kaffeepause …!«, schnaubte Tom. Er wandte sich mit empörtem Blick Nick zu, der ihm daraufhin beschwichtigend auf die Schulter klopfte.

    »Atme erst einmal tief durch, okay?« Tom folgte seinem Ratschlag und vollführte Atemübungen wie eine Frau in den Wehen.

    »Geht’s dir jetzt besser, hm?«, fragte Nick.

    »Du weißt, der Job regt mich auf.«

    »Dann such dir doch einen anderen.«

    »Aber ich liebe das Filmemachen …!«, stieß Tom verzweifelt hervor.

    »Weiß ich doch, weiß ich doch! War nur ein Scherz!« Er tätschelte ihm die Schulter.

    Die Schauspieler waren wieder an ihrem Platz, geschminkt und richtig verkabelt. Der Ton passte, das Bild passte. Alles war perfekt. Tom gab ihnen einige Anweisungen. Diesmal mit ruhiger Stimme, so wie Nick ihn eigentlich kannte.

    Die Filmklappe schnappte zu und es konnte losgehen.

    »Du willst jetzt also der Schwester das Haus abluchsen?«, fragte Tom plötzlich.

    »Abluchsen? Ich bezahle gut.«

    »Und wenn sie nicht verkaufen will?«

    »Das wird sie.«

    »Und wenn nicht?« Tom beäugte ihn misstrauisch.

    »Was guckst du mich so an?«

    »Du bist ein guter Freund, Nick«, verkündete er in feierlichem Ton. »Aber ich würde niemandem wünschen, dich zum Feind zu haben.«

    »Ich nehme mir nun mal, was mir gehört.«

    »Das Haus gehört dir aber nicht … Cut! Das machen wir noch mal!«

    Nick blickte zu dem Reihenhaus auf der anderen Seite der Straße. Warum war sein Onkel nur so dämlich gewesen, dieser Frau seinen Besitz zu überlassen? Die Bennetts kauften und sie verkauften. Aber sie verschenkten nichts. Nicht mal in der eigenen Familie.

    »Ach du Sch …!«, platzte es aus Tom heraus.

    »Was ist?«

    »Da rennt mir jemand in die Szene rein! Wo ist bloß Henry?!« Er griff nach seinem Funkgerät – solche wurden hier großzügig verteilt –, aber ein Henry meldete sich nicht.

    »Nick, kannst du hingehen und sie aufhalten? Sag ihr, dass wir hier einen Film drehen!«

    »Bin ich dein Setrunner?«, fragte Nick amüsiert.

    »Nein, du bist mein bester Freund, der mich jetzt nicht im Stich lässt!«

    »Ich geh ja schon …« Er machte sich eilig auf den Weg. Die junge Frau kramte in ihrer Handtasche und fand dabei keine Zeit, nach vorne zu blicken. Nichts ahnend rannte sie auf die Schauspieler zu.

    Nick hechtete mit großen Schritten über die Straße, um sie noch rechtzeitig aufzuhalten. Der Kaffee schwappte beinahe über den Rand des Bechers.

    »Hi«, sagte er, als er sie erreichte. Er war ganz außer Atem.

    Sie blieb abrupt stehen und schaute erschrocken zu ihm auf. Ihre grünen Augen hypnotisierten ihn. Dazu das rotblonde Haar, das sie zu einem Knoten hochgebunden hatte … Sie war hübsch.

    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.

    »Ähm, ja. Wir drehen hier einen Film und Sie sind gerade dabei, die Szene zu ruinieren.«

    Sie lugte verwundert an ihm vorbei und schien endlich zu begreifen, was sich hier abspielte.

    »Oh, tut mir leid! Ich habe nach meinem Hausschlüssel gesucht und gar nicht bemerkt, dass …!«

    »Schon okay! Wohnen Sie hier in der Nähe?«, erkundigte er sich charmant.

    »Ja, gleich hier.« Sie deutete auf das Haus, das Martha Schönbergs Schwester gehörte. Sprachlos betrachtete er seine neue Bekanntschaft von deren Haaransatz bis zu ihren Sneakers. Sie trug Jeans und eine Trainingsjacke, darunter ein schlichtes T-Shirt.

    Vor ihm stand doch nicht Annegret Schönberg? Das war unmöglich. War es vielleicht ihre Tochter?

    Die Szene war im Kasten. Ein lautes ›Cut!‹ ertönte von Weitem. Tom war zufrieden mit dem Ergebnis. Seine beiden Daumen zeigten nach oben und er hatte ein breites Grinsen im Gesicht.

    »Ich will Sie nicht länger aufhalten«, sagte Nick und trat einen Schritt zurück. Sie ging weiter, und er drehte sich absichtlich so, dass sie ihn leicht anrempelte. Der Kaffee in seinem Becher war in Bewegung geraten und Nick kippte ihn sich ungeniert aufs blütenweiße Hemd – natürlich ohne dass sie etwas davon mitbekam.

    »Meine Güte …!« Sie erschrak, als sie seine schmutzige Kleidung sah. »War ich das etwa?«

    »Kann passieren.« Er zuckte mit den Schultern.

    »Der schöne Anzug …«, murmelte sie. Nicht nur sein Hemd war ruiniert, auch das Jackett hatte etwas abgekriegt.

    »Oh, der ist nur geliehen. Ich bin Schauspieler, eigentlich eher Statist oder im besten Fall Komparse. Dieser durchgeknallte Typ da drüben wird mir jetzt eine Standpauke halten.« Er deutete auf Tom.

    »Wie kann ich das wiedergutmachen?«, fragte sie.

    »Machen Sie sich keinen Kopf! Die Garderobiere wird sich darum kümmern. Aber vielleicht können Sie mich ja mal zu einem Kaffee einladen. Diesen hier habe ich leider verschüttet.« Er hob den leeren Becher hoch und schenkte ihr das schönste Lächeln, zu dem er fähig war.

    Sie zögerte, was ihn verwunderte. Normalerweise konnten ihm Frauen nicht widerstehen, wenn er sich von seiner besten Seite zeigte. Ihre grünen Augen musterten ihn neugierig; die rotblonden Locken, die ihr in die Stirn fielen, wehten im Wind. Sie machte einen zierlichen Eindruck. Sicher würde er leichtes Spiel mit ihr haben. Sie war in seinem Alter, vielleicht ein paar Jahre jünger. Mit Sicherheit war sie nicht halb so durchtrieben wie er.

    Die Filmcrew war mit der Arbeit fertig. Eifrig wurde die Ausrüstung in einen Van geschafft.

    »Sie sehen, ich habe jetzt Feierabend«, versuchte Nick es erneut. Das Hemd klebte nass auf seiner Brust, und auch im Schritt hatte er ein ungutes Gefühl.

    Sie sah zum Souvenirladen und sagte: »Ich kann Ihnen einen Kaffee machen, wenn Sie wollen. Schließlich wohne ich gleich hier. Sie können natürlich auch mein Bad benutzen.«

    »Das ist ja wie im Film mit Hugh Grant und Julia Roberts! Leider bin ich kein weltberühmter Schauspieler, sondern nur ein brotloser Künstler.«

    »Und ich bin keine glücklose Buchhändlerin mit britischem Charme«, gab sie schlagfertig zurück. »Vielleicht doch glücklos, aber ohne Charme.«

    »Sie kennen also den Film Notting Hill aus dem Jahr 1999?«

    Sie nickte kurz, und erstmals entdeckte er den Anflug eines Lächelns in ihrem Gesicht.

    »Ich bezweifle, dass es Ihnen an Charme fehlt«, meinte er.

    »Wenn Sie das sagen …«

    Gemeinsam gingen sie los. Nick folgte ihr zufrieden. Kurz schaute er zu Tom hinüber, der ihn nicht weiter beachtete. Sein bester Freund hatte immer Verständnis dafür, wenn Nick sich an eine Frau ranmachte. Tat er das gerade? Machte er sich an diese Frau ran? Einer Beute näherte man sich zuerst vorsichtig, um sie dann aus dem Hinterhalt zu überfallen. Das hatte er im National Geographic Channel gesehen. Das Verhalten der Tiere zu studieren, führte mitunter zu erstaunlichen Erkenntnissen.

    »Sie sind nicht von hier, nicht wahr?«, sagte er. In London tummelte sich alles und jeder. Hier wurde mit unzähligen Akzenten gesprochen.

    »Nein«, gab sie geheimnisvoll zurück. Sie öffnete die Tür zu dem schäbigen Souvenirladen und bat ihn herein. Drinnen empfing ihn das pure Chaos. Sein Blick huschte über verstaubte Teedosen, auf denen die Königsfamilie abgebildet war, eine Unmenge von Küchenmagneten, Schlüsselanhängern und Gryffindor-Flaggen.

    Sie ging schnurstracks in den hinteren Teil des Ladens, wo sich eine schmale Treppe befand, die nach oben in den ersten Stock führte. Schweigend stiegen sie die knarrenden Stufen hoch.

    »Das Bad ist am Ende des Flurs«, erklärte sie und deutete in die Richtung.

    Die Wände waren in bunten Farben gestrichen oder mit altmodischen Tapeten überklebt – genau wie im Haus seines Onkels. Die Küche war nicht aufgeräumt. Überall standen Kartons herum, sogar im äußerst schmalen Flur. Es war offensichtlich, dass sie erst kürzlich eingezogen war. Befanden sich in den Kartons ihre Sachen oder jene der Verstorbenen? Auf jeden Fall hatte es den Anschein, als würde sie sich hier einrichten wollen. Nick bedankte sich höflich, bevor er das Bad aufsuchte.

    Wie sollte er jetzt vorgehen? Er schaute geradeaus in den Spiegel. Das teuflische Grinsen, das sich in seinem Gesicht abzeichnete, überraschte ihn keineswegs. Er würde das Vertrauen dieser jungen Frau gewinnen, mit ihr flirten – wenn’s sein musste! – und sie dann dazu überreden, das Gebäude samt Garten zu verkaufen.

    Sie machte einen einfältigen Eindruck. Warum sonst war sie auf diese dämliche Aktion mit dem verschütteten Kaffee hereingefallen? Oder lud sie öfters wildfremde Männer in ihr Zuhause ein?

    Er knöpfte das Hemd auf. Der Kaffeegeruch war ziemlich penetrant. Mit einem Handtuch versuchte er, die nasse Haut abzutupfen.

    Die kleine Maus würde ihm ganz sicher in die Falle gehen.

    2

    Matilda räumte rasch den Tisch ab. Sie hatte nach dem Mittagessen nicht Zeit gehabt, das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine zu stellen.

    Die La-Pavoni-Espressomaschine gab röchelnde Laute von sich. Sie war die erste Anschaffung für ihren Coffeeshop, den sie in Notting Hill eröffnen wollte. Noch viele weitere würden folgen. Allein die Ausgaben für das Espressoequipment schätzte sie auf zehntausend Pfund. In den letzten Tagen war sie vorwiegend damit beschäftigt gewesen, die anfallenden Kosten zu berechnen.

    Eilig packte sie den mit Zahlen vollgekritzelten Notizblock, der für ihren Gast gut sichtbar auf dem Tisch lag, in eine Schublade.

    Als die Küche halbwegs sauber war, ging sie in den Flur und lauschte gespannt in die Stille.

    Was wollte dieser Kerl nur von ihr?

    Er musste sie für dämlich halten.

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