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King Kong in Wien: Roman
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eBook214 Seiten2 Stunden

King Kong in Wien: Roman

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Über dieses E-Book

Herr Schnickelfritz ist Kammerjäger, er hat diesen verantwortungsvollen Beruf von seinem Vater übernommen und befreit die Haushalte von Ungeziefer. Jeden Abend geht er ins Café Bussi, denn die Kellnerin dort hat es ihm emotional angetan. Doch Schnickelfritzens Selbstbewusstsein ist nicht groß, ein befreundeter TV-Moderator muss ihn dazu überreden, einen ersten Schritt in Richtung Liebe zu wagen. Dann aber überschlagen sich die Ereignisse: Der berühmte Riesenaffe King Kong wird im Wiener Augarten gesichtet und muss schnellstmöglich vertrieben werden. Beruflich wie privat steht Schnickelfritz vor der Erledigung sehr wichtiger Aufgaben!
„King Kong in Wien" ist eine pointiert erzählte Groteske um einen sympathischen Antihelden, der unbedarft durch eine herrlich dämliche Geschichte stolpert. Ein Marionettentheater in Romanform, ein Lehrstück in Sachen Flow und nebenbei ein elegantes und Zeigefinger-freies Zerrbild über den Umgang mit dem Fremden.
SpracheDeutsch
HerausgeberMilena Verlag
Erscheinungsdatum31. Juli 2017
ISBN9783903184107
King Kong in Wien: Roman

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    Buchvorschau

    King Kong in Wien - Marc Carnal

    ZEHN

    EINS

    Mein Name ist Schnickelfritz und ich bin Kammerjäger.

    Vater Schnickelfritz war ebenfalls Kammerjäger.

    Aber Großvater Schnickelfritz nicht. Der war etwas anderes.

    Vater Schnickelfritz war der beste Kammerjäger von Wien. Er tötete nicht nur Mehlwürmer, Schaben oder Wespen, sondern hatte eine Vorliebe für besonders schwierige oder gefährliche Aufträge.

    Mutter Schnickelfritz war nie besonders stolz darauf, mit einem Kammerjäger verheiratet zu sein, sie hatte eigentlich immer von einem Leben an der Seite eines erfolgreichen Kammersängers geträumt.

    Ich dagegen bewunderte ihn immer ein bisschen.

    Einmal waren zum Beispiel die zwei Würgeschlangen eines bekannten Schauspielers aus ihrem Terrarium entkommen. Für gewöhnlich würde man in diesem Fall die Polizei oder einen Tierarzt rufen, doch der bekannte Schauspieler rief Vater Schickelfritz, den berühmten Kammerjäger. Also fuhr er zur Villa des Schauspielers und besiegte die Schlangen mit ihren eigenen Waffen. Indem er sie einfach mit bloßen Händen erwürgte.

    Ein anderes Mal sollte er den Keller einer alten Döblinger Villa von einer Rattenplage befreien. Jeder andere Kammerjäger hätte Fallen ausgelegt, doch Vater Schnickelfritz nahm Flötenunterricht und konnte bereits nach zwei Wochen bezaubernd spielen. Er stellte sich in den Garten der Villa und spielte eine Eigenkomposition. Schon kam eine Ratte nach der anderen aus dem Keller, um die schöne Melodie zu hören. Bald war Vater Schnickelfritz von dutzenden Ratten und auch einigen Döblingern umzingelt. Er spielte weiter und machte sich auf den Weg. Die Ratten und die Döblinger folgten ihm wie hypnotisiert. Er ging bis Fischamend. Dort hörte er auf zu spielen. Die Döblinger fuhren mit dem Taxi zurück, die Ratten blieben aber dort.

    Das war übrigens der Grund für die legendäre Rattenplage von Fischamend, an die sich ältere Leute vielleicht noch erinnern können.

    So war Vater Schnickelfritz.

    Außerdem war er ein guter Lügner.

    Ich weiß bis heute nicht, welche seiner Heldentaten eigentlich erfunden waren. Das war mir aber egal, denn ich hörte seine Geschichten gern. Guten Lügnern hört man eben gerne zu.

    Ich dagegen bin ein schlechter Lügner. Schade!

    Vater Schnickelfritz war ein Meister im Lügen, aber selbst Meistern kann einmal ein Fehler passieren. Durch einen solchen Fehler verließ ihn Mutter Schnickelfritz.

    Ich war zehn oder elf, als er den Auftrag bekam, aus dem Dachboden eines berühmten Kammersängers ein Wespennest zu entfernen. Als er zu seinem Haus fuhr, war der Kammersänger nicht zu Hause. Seine Frau aber schon.

    Sie war mit ihrem Mann nicht glücklich und hatte ihr Leben lang eigentlich von einem Leben an der Seite eines erfolgreichen Kammerjägers geträumt. Dass ausgerechnet der erfolgreichste und beste der ganzen Stadt in ihrem Haus ein Wespennest entfernte, indem er Wespenbussarde auf dem Dachboden aussetzte, war ihre große Chance. Sie verführte ihn, und er konnte ihren Reizen nicht widerstehen.

    Ihr Mann, der Kammersänger, war gerade auf Tournee, also besuchte Vater Schnickelfritz sie täglich, erzählte Mutter Schnickelfritz aber, dass der Kammersänger jetzt sein bester Freund wäre und dass sie irgendwas gemeinsam machten. Für einen guten Lügner eine wirklich schwache Ausrede!

    Obendrein war Mutter Schnickelfritz zufällig ein großer Fan des Kammersängers und wusste deshalb natürlich, dass er gerade auf Tournee war. Als sie dann Kratzwunden am Hals von Vater Schnickelfritz fand, war ihr klar, dass er sie betrog. Die Kratzwunden waren zwar in Wirklichkeit von einem Wespenbussard gewesen, doch sie glaubte ihm kein Wort mehr, packte ihre Sachen und verließ uns.

    Ich war damals noch zu klein, um zu verstehen, warum Mutter Schnickelfritz plötzlich weg war. Immer wieder fragte ich Vater Schnickelfritz, wann sie denn endlich wieder zurückkäme. Doch er sagte nichts.

    Nach ein paar Wochen begann ich zu begreifen, dass ich sie wohl länger nicht sehen würde, vielleicht sogar nie wieder.

    Unser Haus war auf einmal so groß und leer ohne Mutter Schnickelfritz.

    Zumindest fühlte es sich leer an, denn eigentlich war es mit Tonskulpturen vollgeräumt. Das Töpfern war immer die große Leidenschaft von Mutter Schnickelfritz gewesen. Oft war sie den ganzen Tag im Keller und arbeitete an ihren Skulpturen. Wir hatten nie verstanden, was ihre Werke darstellen sollten. Wochenlang war sie an einer Skulptur gesessen. Dann hatte sie immer Schilder darauf geklebt, auf denen »unvollendet« stand. Über die Jahre hatten sich an die zweihundert riesige Figuren angesammelt. Garten, Dachboden, Wohnzimmer, Balkon, Küche, Garage, Bad – überall standen die Skulpturen herum. Mit jeder war sie unzufrieden gewesen und hatte dann einfach mit der nächsten begonnen.

    Nun war sie weg und Vater Schnickelfritz wusste nicht, was er mit den ganzen Skulpturen machen sollte. Also räumte er sie nach und nach in den Keller und verlor kein Wort mehr darüber.

    Natürlich wollte ich wissen, wohin Mutter Schnickelfritz verschwunden war. Monatelang hörten wir nichts von ihr. Als ich mich langsam damit abgefunden hatte, dass sie wohl nie wieder zurückkehren würde, läutete das Telefon. Vater Schnickelfritz hob ab, sagte nur immer wieder »Ja« und »Aha« und legte dann wieder auf.

    »Es war Mutter Schnickelfritz«, sagte er. »Sie kommt nicht mehr zurück.«

    »Wo ist sie denn?«, fragte ich.

    »Das wirst du nicht verstehen«, sagte er.

    »Bitte! Sag schon!«

    »Ona je ted v sekte«, sagte er.

    Wenn er nicht mehr weiterwusste, sprach er manchmal Tschechisch.

    »WAS?«

    »Das heißt ›Bitte‹«, schimpfte er.

    »Wo ist Mutter Schnickelfritz?«

    »Das verstehst du nicht.«

    »Dann übersetz es doch!«

    Er gab auf und erzählte mir die Wahrheit. Er erzählte mir, dass Mutter Schnickelfritz einer Sekte in Saarbrücken beigetreten war.

    »Ich verstehe das auch nicht. Sie lebt jetzt bei diesen Verrückten. Sie glaubt jetzt daran, dass die Welt bald untergehen wird, weil …«

    Ich wartete. Er schien zu überlegen, was er eigentlich davon halten sollte.

    »Die glauben, dass die Welt untergeht, weil die Pole schmelzen und dann die nächste Sintflut kommt. Die nächste Sintflut! Als hätte es … Egal. Die glauben jedenfalls, dass die ganze Menschheit durch eine riesige Sintflut sterben wird. Und diese Verrückten meinen, dass nur sie überleben werden und alle anderen Menschen sterben müssen. Deshalb bauen sie … Also sie werden überleben, weil sie ein riesiges Schiff bauen. Glauben die jedenfalls. Eine Arche. Du weißt schon, wie die Arche Noah. An einem solchen Schiff bauen die gerade. Mutter Schnickelfritz lebt jetzt bei diesen Menschen. Und sie will ihr ganzes Geld … Egal. Es tut mir leid, aber …« Vater Schnickelfritz setzte sich zu mir, legte seine riesigen Hände auf meine Schultern und sprach leise weiter.

    »Mutter Schnickelfritz wird nicht mehr zu uns zurückkommen. Sie bleibt in Saarbrücken und will dieses Schiff bauen. Es tut mir leid, mein kleiner Schnickelfritz. Aber ich will dir keine Hoffnung machen. Mutter Schnickelfritz ist leider … sie ist … na ja …«

    Mehr sagte er nicht. Er blieb noch ein bisschen bei mir sitzen.

    Vater Schnickelfritz musste damals viel arbeiten, denn die Scheidung war sehr teuer. Kein Wunder, er war ja schuld daran. Er hatte ja die Affäre mit der Frau des berühmten Kammersängers begonnen. Das kleine Vermögen, das Mutter Schnickelfritz bekam, investierte sie sofort in die Arche, während Vater Schnickelfritz jeden Auftrag annehmen musste, um uns beide durchzubringen.

    Ich war damals erst elf. Also zu klein, um den ganzen Tag alleine zu Hause zu bleiben.

    Also nahm er mich einfach mit in die Arbeit.

    Die nächsten Jahre begleitete ich ihn jeden Tag nach der Schule bei seinen Aufträgen.

    Ich war zum Beispiel dabei, als er eine entlaufene Vogelspinne mit einem Netz einfing. »Gefährliche Tiere muss man mit ihren eigenen Waffen schlagen!«, sagte er immer.

    Ich sah, wie er das Haus einer alten Witwe von Mäusen befreite. Im ganzen Haus legte er Speckwürfel aus, in die er kleine Eisenteile gesteckt hatte. Nachdem sich die Mäuse in der Nacht den Speck geholt hatten, kamen wir am nächsten Tag wieder, und zwar mit einem riesigen Magneten, den wir an eine Autobatterie anschlossen. Als Vater Schnickelfritz die Batterie aktivierte, war der Magnet so stark, dass es die Mäuse mit den kleinen Eisenteilen in ihren Bäuchen aus den Löchern zog. Leider zerstörte der Magnet auch den Fernseher der alten Witwe. Sie war aber nicht böse, denn sie war die Mäuse los.

    Ich hörte auch immer gerne zu, wenn er seinen Kunden Blödsinn erzählte.

    »Wissen Sie, mein Herr, ich will Ihnen jetzt einmal etwas verraten. Ich bin schon seit vielen Jahren Kammerjäger. Und eines habe ich dabei gelernt: Um eine Schabe zu bekämpfen, müssen Sie sich zuerst einmal in die Schabe hineinversetzen! Sie müssen sich fragen: Wie tickt sie? Was will sie? Wie denkt eine Schabe? Und was denkt sie? Ich werde es Ihnen sagen: nichts. Schaben denken überhaupt nichts. Was soll so eine Schabe auch groß denken? Ist ja nur eine Schabe. Man muss sie einfach nur vergiften. Vergessen Sie alles, was ich gesagt habe. Es ist völlig unnötig, sich in eine Schabe hineinzuversetzen.«

    Oder die Geschichte mit dem Nest! Der eine Nachbar hatte den anderen Nachbarn angezeigt, weil der nichts gegen das Wespennest in seinem Garten unternahm. Die Wespen flogen dem anderen Nachbarn (also dem ohne Wespennest) ständig auf den Kuchen. Also rief der eine Nachbar (also der mit Wespennest) Vater Schnickelfritz, den besten Kammerjäger der Stadt.

    Ich war schon gespannt, wie Vater Schnickelfritz die gefährlichen Wespen besiegen wollte. Doch er brachte in der Nacht einfach ein zweites Wespennest und montierte es heimlich am Haus des anderen Nachbarn.

    »Gegenanzeige!«, schlug er dem einen Nachbarn vor.

    Zwei Wochen später rief ihn dann auch noch der andere Nachbar und zahlte ihm viel Geld dafür, damit er das Nest wieder entfernte.

    Oder die Kakerlaken! Einmal nahm mich Vater Schnickelfritz in ein Restaurant mit. Er sollte die Küche von den vielen Kakerlaken befreien. Im Auto mussten wir uns als Köche verkleiden.

    »Warum müssen wir uns als Köche verkleiden?«, fragte ich ihn.

    »Weil es ganz schlecht ist für ein Restaurant, wenn die Gäste sehen, dass der Kammerjäger da ist«, sagte er.

    »Aber Vater Schnickelfritz …«

    »NICHTS DA! Zieh dir sofort die Kochmütze an«, unterbrach er mich streng.

    »Aber … Ich bin doch noch ein Kind«, sagte ich.

    »NA UND?!«, rief er. «Warum sollte ein Kind keine Kochmütze tragen?«

    »Aber Vater Schnickelfritz …«

    »NICHTS DA ABER! SAG NICHT IMMER ABER!«, schimpfte er.

    »Aber ich bin doch noch ein Kind. Wenn die Gäste sehen, dass ein Kind kocht, ist das doch auch ganz schlecht!«

    »Da hast du natürlich recht«, musste er zugeben. «Da hast du leider recht. Dann … dann … äh … dann gehst du ganz normal als Kind und ich bin ein Koch.«

    Einmal nahm er mich allerdings nicht mit.

    »Ich kann dich nicht ins Rathaus mitnehmen. Wie sieht das denn aus? Du bist doch noch ein Kind! Du musst heute zu Hause bleiben und fernsehen«, sagte er.

    Es war nämlich so, dass der Bürgermeister von Wien höchstpersönlich (!) eines Tages bei der Verleihung des goldenen Ehrenzeichens im Rathaus weiße Mäuse gesehen hatte. Die Verleihung war am Vormittag gewesen, deshalb hatte der Bürgermeister noch nichts getrunken. Man bezweifelte deshalb stark, dass es im Rathaus wirklich weiße Mäuse gab, doch wer hätte es gewagt, dem Bürgermeister höchstpersönlich (!) zu widersprechen?

    Er befahl Umweltstadträtin Moik, etwas gegen die Mäuse zu unternehmen. Also musste sie natürlich einen Kammerjäger rufen. Wenn ins Rathaus ein Kammerjäger kommen soll, muss das freilich der beste der ganzen Stadt sein, und das war eben Vater Schnickelfritz.

    Er hatte freilich genug Erfahrung, um schnell zu erkennen, dass es im Rathaus keine Mäuse gab. Schon gar keine weißen. Doch das konnte er Umweltstadträtin Moik nicht erzählen. Er konnte ja nicht dem Bürgermeister höchstpersönlich (!) widersprechen!

    Deshalb spazierte er tagelang durch das Rathaus, klopfte Wände ab, legte Fallen aus und schlich einmal sogar in einem Katzenkostüm herum. Ausgerechnet

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