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Liebesglück und Marzipanküsse: Romantische Komödie
Liebesglück und Marzipanküsse: Romantische Komödie
Liebesglück und Marzipanküsse: Romantische Komödie
eBook273 Seiten3 Stunden

Liebesglück und Marzipanküsse: Romantische Komödie

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Über dieses E-Book

Eine Romanze so süß wie Schokopralinen, so fluffig wie eine Marzipantorte und so locker-flockig wie Kokosplätzchen!

Lory arbeitet im Café einer Großkonditorei und träumt davon, sich irgendwann für den Job als Rezeptentwicklerin in der Versuchsküche bewerben zu können. Als der allseits beliebte Seniorchef spurlos verschwindet und sein Sohn unerwartet das Ruder übernimmt, ist jeder in Aufruhr. Kaum einer im Unternehmen bekommt den neuen Chef zu Gesicht, aber die Gerüchteküche brodelt alsbald. Die einen meinen, er sei kompetent und charmant, die anderen behaupten, er sei der schlimmste Boss, den man sich nur vorstellen kann. Als Lory die Chance bekommt, sich beruflich zu beweisen, merkt sie rasch, dass sie im Unternehmen mehr Feinde als Freunde hat. Nur Ben hält immer zu ihr, einer der vielen Angestellten, der gutherzig, aber auch etwas absonderlich ist. Lory ahnt nicht, um wen es sich bei ihrem neuen Freund wirklich handelt …

 

Bei dem vorliegenden Roman handelt es sich um Band 7 der Reihe »Liebesglück in Irland«. Die einzelnen Bände sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

 

 

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. Jan. 2024
ISBN9783755467847
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    Buchvorschau

    Liebesglück und Marzipanküsse - Amelie Winter

    1

    Lory wischte bedächtig über die Theke, während sie dem Popsong lauschte, dessen fröhliche Melodie durch den Raum hallte.

    Eigentlich hätte sie schon vor einer halben Stunde Feierabend machen sollen. Nur noch im Café brannte Licht, wo Lory jetzt die Tassen aus dem Geschirrspüler räumte. Sie war immer die Letzte, die das Gebäude verließ.

    Seit knapp einem Jahr arbeitete sie hier und bediente die vielen Gäste, die tagtäglich eintrudelten. Das Café lag im Erdgeschoss des fünfstöckigen Firmengebäudes von Harold’s Pastry, einer Großkonditorei. Die Torten, Kekse und Backmischungen wurden nebenan in der großen Produktionshalle zubereitet; die Büros hingegen befanden sich gleich in den Stockwerken über ihr.

    Lory träumte schon seit Langem davon, für das Unternehmen zu arbeiten – und zwar als Rezeptentwicklerin und nicht als Bedienung im Café. War es ein Fehler gewesen, sich für diesen Job zu bewerben? Aber sie hatte die Chance, bei Harold’s Fuß zu fassen, nutzen wollen. Lory hoffte, dass ihre eigenen Torten und Pralinen irgendwann in ganz Irland in allen Läden erhältlich waren. Aber jetzt steckte sie hier fest und servierte Kaffee, anstatt Rezepte zu kreieren.

    Ihr Handy klingelte, und rasch zog sie es aus der Hosentasche.

    »Ich beeile mich!«, rief Lory fröhlich ins Telefon. »Tut mir leid, dass es heute so lange dauert.«

    Am anderen Ende der Leitung hörte sie ihre Mom erleichtert ausatmen. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht!«

    Beschämt biss sich Lory auf die Unterlippe und schielte auf die blitzblank geputzte Theke, während sie darauf wartete, dass ihre Mom ihr die verdiente Standpauke hielt. Selbst ihre Freundin Valerie, die auch im Café arbeitete, hatte ihr vorgeworfen, sie würde es übertreiben. »Das kümmert hier doch keinen, wenn du dir den Arsch aufreißt!«, hatte sie gesagt. »Wen willst du damit beeindrucken?« Lory wollte niemanden beeindrucken, aber sie war es gewohnt, hart zu arbeiten, und sie wollte ihren Job möglichst gut machen. Bevor nicht die ganze Arbeit erledigt und das Café sauber war, ging sie nie nach Hause. Keinesfalls wollte sie unangenehm auffallen.

    »Du arbeitest zu viel!«, schimpfte ihre Mutter. »Bezahlen sie dir die Überstunden überhaupt?«

    »Mom, du weißt, dass ich bei Harold’s gut verdiene!«

    Sie verdiente ganz ordentlich, das stimmte. Aber sie hatte ihrer Mom verheimlicht, wo genau sie arbeitete. Sie hatte ihr erzählt, in der Produktionshalle Torten zu backen. Noch nie zuvor hatte Lory ihre Mutter angelogen, aber diese allererste Lüge war gigantisch! Sie schämte sich dafür, nach der jahrelangen Ausbildung zur Konditorin nun Kaffee zu servieren. Wie machte sich so was denn in ihrem Lebenslauf? Zuletzt hatte Lory in einer großen Konditorei in Kildare gearbeitet, die Fahrt bis dorthin hatte eine Stunde gedauert. Vorher hatte sie etliche Praktika im Ausland absolviert: In Paris hatte sie von einem berühmten Konditormeister gelernt, wie man Macarons zubereitete, in Wien hatte sie Sachertorten gebacken, und in Stockholm hatte sie Kanelbullar gemacht, Zimtschnecken aus leckerem Hefeteig. Sie hatte in möglichst vielen Ländern möglichst viele Erfahrungen und Ideen sammeln wollen, um ihre eigenen Rezepte kreieren zu können, wobei sie sich gerne von Backspezialitäten aus aller Welt inspirieren ließ. Ihre Mom hatte sie in ihrem Vorhaben, eine großartige Konditorin zu werden, nicht nur moralisch, sondern auch finanziell unterstützt, dabei verdiente sie in ihrem Job an der Supermarktkasse nicht viel. Lory war es ihrer Mutter schuldig, etwas aus ihrem Leben zu machen. Aber sie war es leid gewesen, täglich eine Stunde zur Arbeit zu fahren. In einer kleinen Konditorei im Stadtzentrum von Dublin hatte sie auch nicht arbeiten wollen, denn dort hätte sie nichts Neues lernen können. Seit Jahren stöberte sie immer wieder durch die Stellenangebote bei Harold’s, und der Job im Café war der einzige gewesen, für den sie in Frage gekommen war.

    »Ich bin in einer halben Stunde zu Hause«, sagte sie.

    »Ist gut … Es gibt Fleischbällchen, die isst du doch so gerne.«

    »Dann werde ich mich beeilen!« Mit einem Lächeln legte sie auf.

    Lory machte die Musik aus und wollte endlich nach Hause gehen, als sie Schritte vernahm: Hell und klar echoten sie zu ihr herein. Der Besucher kam von der hohen Eingangshalle durch die schmale Glastür. Der flinke, aber bedächtige Gang war ihr vertraut. Sie hob den Kopf, und genau in diesem Moment trat Mr Harold auf sie zu. Er trug ein braunes Tweed-Jackett, sein Markenzeichen; der Hemdkragen war gestärkt, die Krawatte perfekt gebunden. Das schlohweiße Haar hingegen wirkte ungekämmt und passte gut zu seinem verschmitzten Lächeln, das vermuten ließ, dass trotz seines Alters noch immer ein ungestümes Herz in seiner Brust schlug. Jeder im Unternehmen mochte ihn. Man erzählte sich, er hätte in jungen Jahren im Kajak die Grüne Insel umrundet. Mit dem Paragleiter wäre er eine der längsten Strecken geflogen, quer durch Irland, mehr als zweihundert Kilometer weit. Er war ein schrulliger alter Herr, der gerne aufregende Geschichten erzählte und jeden damit amüsierte. Das Unternehmen hatte er von seinem Vater übernommen, und vermutlich würde sein Sohn Oliver irgendwann in seine Fußstapfen treten.

    Leichtfüßig kam er näher. Trotz seines Alters wirkte er agil und drahtig; er war von niedriger Statur, kaum größer als Lory.

    Sie begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln. Auch er verließ das Gebäude immer zu später Stunde, so kam es, dass sie sich ab und zu begegneten. Vor einer Woche hatte sie ihm zuletzt einen Whiskey serviert.

    »Sie sind noch immer hier, Lory?«, meinte er fürsorglich, die ruhigen Augen auf sie gerichtet. Sie hatte ihren Gedanken nachgehangen und mit der Arbeit getrödelt, wofür sie sich schämte, besonders jetzt, da der Chef vor ihr stand, denn um diese Zeit war sie normalerweise schon zu Hause.

    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte sie höflich. Er trank immer denselben Whiskey, von Jameson, mit einem Tropfen Wermut und etwas Eis.

    »Sehr gerne.« Er setzte sich an einen der runden Tische, wo er sich sonst doch meist an der Theke mit ihr unterhielt. »Bringen Sie mir zwei Gläser! Sie trinken doch einen mit mir mit, oder nicht?«

    »Ich soll mit Ihnen einen Whiskey trinken?« Lory schmunzelte. Da sie kaum etwas vertrug, füllte sie ihr Tumbler-Glas nicht mal bis zur Hälfte. Auch musste sie noch fahren, und da sie ohnehin eine eher schlechte Autofahrerin war, wollte sie keinesfalls einen Unfall verursachen. Dann hätte sich ihre Mom zum ersten Mal nicht umsonst Sorgen gemacht.

    Mit den beiden Gläsern setzte sie sich zu dem alten Herrn.

    Sie prosteten sich zu. »Sláinte«, sagten sie gleichzeitig, was auf Gälisch »Gesundheit« bedeutete, und gute Gesundheit wünschte sie Mr Harold von Herzen. Das Unternehmen würde nicht mehr dasselbe sein, sollte er die Geschäftsführung an jemand anderen abgeben. Er gehörte zu dieser Konditorei wie das raue Wetter und die Klippen zu Irland gehörten, er war das Herz und die Seele der Firma. Lory kannte seine Geschichte und seinen beruflichen Werdegang, den konnte nämlich jeder auf der Website von Harold’s Pastry nachlesen. Sie war stolz darauf, zu diesem Unternehmen zu gehören.

    »Sie sollten wirklich früher nach Hause gehen«, sagte er. »Ihre Mom macht sich doch bestimmt wieder Sorgen.« Es war schon mal vorgekommen, dass ihre Mutter angerufen hatte, während Lory Mr Harold einen Whiskey ausgeschenkt hatte. Sie hatte ihm daraufhin gestanden, dass ihre Mom dazu neigte, etwas überfürsorglich zu sein.

    »Ich habe ihr vorhin am Telefon versichert, dass ich bald zu Hause bin«, sagte Lory.

    »Und nun halte ich Sie auf!«

    »Aber nein …!«

    Sie unterhielt sich gerne mit Mr Harold. Der alte Herr schien sie zu mögen, aber vielleicht verhielt er sich jedem gegenüber so herzlich. »Du kennst den Chef?«, hatte Valerie mit weit aufgerissenen Augen gefragt. Lory hatte ihr erzählt, dass er manchmal abends ins Café kam. »Dann frag ihn doch, ob du in der Versuchsküche arbeiten kannst!«, hatte ihre Freundin daraufhin vorgeschlagen.

    Aber Lory hatte Mr Harold nie etwas davon verraten, dass sie selbst Rezepte entwickelte und zu Hause bereits eine ganze Sammlung von Notizbüchern hatte, nach Typ sortiert: Torten, Pralinen, Kekse und vieles mehr. Sie wollte den Job kriegen, weil sie die Beste war, und nicht weil der Chef sie gut leiden konnte. Bisher war noch keine Stelle frei geworden. Sie wartete darauf, sich bewerben zu können, sollte es endlich so weit sein, und dann würde sie mit ihren Qualifikationen und ihrem Talent überzeugen. Leider war bei Harold’s schon lange kein neuer Mitarbeiter mehr eingestellt worden. Man munkelte, das Unternehmen würde nicht mehr so gut laufen wie noch vor ein paar Jahren.

    Ob sich Mr Harold überhaupt mit solchen Entscheidungen herumschlug? Dafür war doch die Personalabteilung zuständig. Für das Unternehmen arbeiteten über dreihundert Leute, die kannte er bestimmt nicht alle persönlich.

    »Wenn Sie sich immer so gut um Ihre Mom kümmern, wer kümmert sich dann um Sie?«, sagte er. »Gibt es keinen netten jungen Mann, der Ihr Herz gestohlen hat und Sie hoffentlich auf Händen trägt, so wie Sie es verdienen?«

    Lory schmunzelte. »Fragen Sie mich gerade, ob ich einen Freund habe?«

    »Vielleicht gefällt Ihnen ja mein Sohn?« Mr Harold lächelte spitzbübisch, die alten Augen waren voller Leben. Es war offensichtlich, dass sich dahinter ein wacher Geist und ein warmes Herz verbargen.

    »Wollen Sie mich verkuppeln?«, scherzte Lory. Sein Sohn Oliver ging doch noch zur Schule. Nach dem Abschluss würde er bestimmt an einer renommierten Universität studieren.

    »Nächste Woche wird mein Sohn Benjamin hier anfangen. Es war nicht leicht, ihn dazu zu überreden, nach Irland zurückzukommen«, sagte Mr Harold. »Er war lange in den Staaten und hat sich dort etwas Eigenes aufgebaut.«

    Benjamin? Lory stutzte. Diesen Namen hörte sie zum ersten Mal. »Ich wusste nicht, dass Sie noch einen Sohn haben«, rutschte es ihr heraus.

    »Das weiß niemand«, seufzte er. »Ich habe den Jungen jahrelang vor jedem versteckt. Dafür schäme ich mich bis heute. Ich habe sein Potential nicht erkannt. Er ist ein ganz besonderer Junge … mit vielen Talenten. Leider ist er seiner Mutter sehr ähnlich …« Mr Harold rieb sich die Stirn, während er das Glas hin und her schwenkte, den Blick auf den bernsteinfarbenen Alkohol gerichtet, der darin schwappte. So nachdenklich kannte ihn Lory gar nicht. Meist alberte er nur herum, wirkte vergnügt und unbekümmert. Sie unterhielten sich sonst immer über Belanglosigkeiten wie das Wetter oder die Jahreszeit. Er fragte auch oftmals, welches Gebäck sich im Café am besten verkaufte, obwohl die Verkaufsabteilung darüber genauestens Bescheid wusste und ihm bestimmt regelmäßig die Zahlen lieferte. »Ich habe meinen Sohn im Stich gelassen. Das bereue ich zutiefst«, fuhr er fort. Lory lauschte gespannt. »Ich habe mich zu wenig um ihn gekümmert. Ständig frage ich mich, ob er es mir übel nimmt.« Er hielt kurz inne. »Was erzähle ich Ihnen da nur? Sie haben bestimmt Besseres zu tun, als den langweiligen Geschichten eines alten Mannes zu lauschen. Je älter man wird, desto stärker quälen einen die Fehler, die man im Leben gemacht hat.«

    Es stimmte sie traurig, ihn so aufgewühlt zu sehen. »Dann rufen Sie ihn doch an und sagen Sie ihm, wie stolz Sie auf ihn sind.« Noch während diese Worte ihren Mund verließen, bereute sie es bereits, sich das Recht herauszunehmen, Mr Harold kluge Ratschläge zu erteilen. Sie war fünfundzwanzig Jahre jung. Was wusste sie schon vom Leben? Aber auch Lorys Vater hatte sich kaum um sie gekümmert, ihre Eltern hatten sich früh scheiden lassen. Sie hätte sich gewünscht, dass ihr Dad sie mal angerufen und ihr gesagt hätte, dass er sie liebte und stolz auf sie war. Aber bisher hatte sie noch keinen solchen Anruf erhalten. Sie wusste nicht, wo er sich gerade herumtrieb. Zum letzten Mal hatten sie vor zwei Jahren miteinander telefoniert.

    Seufzend nahm sie einen Schluck von dem Whiskey, der in ihrem Hals brannte. Es lag ihr nicht, sich selbst zu bemitleiden. Sie hatte schon immer die Ärmel hochgekrempelt, in die Hände gespuckt und versucht, das Beste aus jeder Situation zu machen. Lory beschwerte sich nie. Jammern war nutzlos. Mit Jammern hatte es noch niemand im Leben weit gebracht – und Lory hatte vor, es weit zu bringen.

    »Ich sollte ihn wirklich anrufen«, sagte Mr Harold. »Sie sind ein kluges Mädchen, Lory!«

    »Ihr Sohn wird sich bestimmt darüber freuen.«

    »Glauben Sie wirklich? Benjamin ist so dickköpfig …! Aber das hat er wohl von mir. Es ist oft schwer, zu ihm durchzudringen. Er lässt sich nicht gerne helfen, schon sehr früh wollte er auf eigenen Beinen stehen. Ich dachte nicht, dass es mir gelingen würde, ihn davon zu überzeugen zurückzukommen!« Mr Harold nahm einen Schluck Whiskey und wirkte wieder vergnügt. »Das bedeutet doch, dass er mir verziehen hat.« Er grinste schelmisch. »Ich fürchte, er wird mir noch viel mehr verzeihen müssen. Er wird mich verfluchen! Aber am Ende wird er es verstehen. Da bin ich mir sicher. Er ist ein kluger Junge. Außerdem liebt er Herausforderungen … Ich meine, sonst würde er sie doch nicht ständig suchen!« Wie liebevoll er über seinen Sohn sprach, berührte Lory. »Ich habe ihn stets unterschätzt, aber diesen Fehler mache ich nie wieder. Er ist viel herumgekommen, genau wie Sie. Waren Sie nicht in Paris?«

    Lory nickte und hob das Glas an. »À vôtre santé!«

    »Sie sprechen Französisch?«, fragte er.

    »Ich erinnere mich nur noch an wenige Wörter«, gab sie zu.

    »J’aime Paris! Bonjour, mademoiselle … Oder da es nun so spät ist, sollte ich wohl eher ›Bonsoir‹ sagen.« Mr Harold lachte herzhaft. »Was weiß ich noch?« Er rieb sich das Kinn. »Bon appétit?«

    Lory schmunzelte. »Faire tourner et glisser la pâte afin de former une boule«, sagte sie und bemühte sich um die bestmögliche Aussprache.

    »Das klingt doch so wunderschön und romantisch. Was haben Sie mir gerade erzählt?« Er schaute gespannt zu ihr hin.

    »Dass Sie den Teig kneten und formen müssen, bis eine Kugel entsteht«, gab Lory schmunzelnd zu. Der alte Herr lachte erneut.

    »Aber in Irland gefällt es Ihnen am besten, nicht wahr? Sonst wären sie doch nicht zurückgekommen.« Lory stutzte. Ganz egal, wo sie sich aufhielt, Heimat blieb Heimat. Sie fühlte sich wohl hier. Auch schmeckten ihr Macarons und die Wiener Sachertorte, aber am liebsten aß sie immer noch den Apfelkuchen nach dem Rezept ihrer Großmutter mit der Geheimzutat der traditionellen irischen Butter. Ihr lief beim bloßen Gedanken schon das Wasser im Mund zusammen.

    »Ich dachte nie daran, aus Irland wegzuziehen«, sagte sie.

    »Ich wollte meinen Ruhestand immer in der Karibik verbringen, am Strand unter Palmen!«, erzählte Mr Harold. Lory wusste nicht, ob er es ernst meinte oder nur herumalberte. »Meine Frau sagt aber, das wäre nichts für mich. Da würde ich mich nur langweilen.« Er trank das Glas aus, stand mit einem zufriedenen Lächeln auf und bedankte sich. »Lassen Sie Ihre Mom nicht länger warten, Lory. Wenn ich morgen wieder um diese Zeit mein Büro verlasse, will ich Ihnen nicht noch mal begegnen! Dann sind Sie nämlich schon zu Hause!«

    Lory lachte leise, verabschiedete sich, spülte rasch die Gläser aus und stellte sie wieder aufs Regal. Sie schaute auf die Uhr an der Wand mit dem römischen Zifferblatt, machte schnell das Licht aus, sperrte alle Türen ab, die nach draußen führten, und hastete dann durch den Hinterausgang zu ihrem Wagen. Draußen war es kühl. Der Herbst zog ins Land, färbte die Blätter in bunten Farben und brachte viel Wind und Regen mit sich.

    Sie stieg ein und wollte den Motor starten, als ihre Mom erneut anrief.

    »Ich sitze schon im Auto«, trällerte Lory. »In einer Viertelstunde bin ich zu Hause.«

    2

    Ben war mit seinen Freunden in einer Bar im East Village verabredet. Hier tranken sie öfter miteinander und hatten einfach eine gute Zeit. In grünen Neonbuchstaben leuchtete mister paradise über dem Eingang. Als Ben eintrat, winkte ihm Claire sofort zu. Die blonden Stirnfransen hingen ihr tief ins Gesicht, aber nicht tief genug, sodass sie ihre großen braunen Augen daran hindern würden, ihn zu hypnotisieren. Claire hatte eine Art, andere Menschen anzusehen, die es Ben unmöglich machte, seinen Blick abzuwenden. Dabei war er nicht gut darin, anderen länger in die Augen zu schauen.

    David saß gleich neben ihr, die Arme lässig auf der Lehne der Sitzbank ausgebreitet.

    Ben ging los und zählte die Schritte bis zum halbkreisförmigen Tisch. Es waren zwölf, durch drei teilbar. Die Drei war seine Glückszahl.

    Lächelnd setzte er sich zu den beiden. Die Reisetasche und den Rucksack legte er auf die Sitzbank, mehr hatte er nicht bei sich.

    In der Bar waren um diese Zeit kaum Leute, erst spätabends ging es hier richtig los. Meist bestellte er einen Whiskey mit einem Tropfen Wermut und etwas Eis. Der Ire in ihm kam wohl doch irgendwie durch, denn von Cocktails hielt er rein gar nichts. Da war ihm ein guter alter Brandy oder eben ein Whiskey lieber. Wer in dieser Bar einen Drink zu sich nahm, trank meist eine Margarita oder einen Cosmopolitan – oder gar einen klassischen Manhattan, da sie sich doch in Manhattan aufhielten.

    Er war viel herumgekommen in den letzten Jahren. Aufgewachsen war er in Irland, aber bereits mit sechzehn war er von zu Hause ausgezogen, weil er nicht länger mit seiner Stiefmutter unter einem Dach hatte leben wollen. Sie hatte ihn immer gehasst. Allein, dass er es gewagt hatte zu atmen, hatte sie bereits verärgert. Sein Dad war für das Apartment aufgekommen, auch für die Schule und später fürs College, denn nach der Highschool war Ben nach Philadelphia gezogen, um zu studieren. Dort hatte er David getroffen, der die verrückte Idee gehabt hatte, Proteinriegel zu verkaufen. Zu zweit hatten sie an einem eigenen Rezept gebastelt. Eigentlich hatten sie nur herumgealbert und alles ausprobiert. Die Dinger hatten aber ziemlich gut geschmeckt, und so hatten sie ihr Glück versucht. Sie hatten sich an eine Firma gewandt, die auf die Herstellung von Riegeln aller Art spezialisiert war. Daraufhin hatten sie ein Start-up gegründet, und mit dem richtigen Marketing hatten sie es geschafft, in kürzester Zeit eine Million Proteinriegel zu verkaufen. Claire hatte ein Video auf TikTok hochgeladen, das viral gegangen war. Genau wie Ben war auch sie in Irland aufgewachsen, aber nicht an der Ostküste, sondern im Herzen der grünen Insel, in Tullamore. Wegen David war sie nach New York gezogen. Sie hatten sich online kennengelernt, und nun waren die beiden seit drei Jahren ein Paar.

    Bens amerikanischer Traum war also Wirklichkeit geworden! Als er in die Staaten gezogen war, hatte er kein eigenes Geld gehabt, sondern war darauf angewiesen gewesen, dass sein Vater ihn unterstützte. Jetzt hingegen stand er fest auf eigenen Beinen. Das Start-up hatten sie vor drei Wochen an einen großen Konzern verkauft, denn keiner von ihnen hatte sich ein Leben lang mit dem Verkauf von Proteinriegeln herumschlagen wollen. David arbeitete bereits an einer neuen schrägen Idee, die er zu Geld machen wollte, und Claire widmete sich stärker ihrer Karriere als YouTuberin. Sie hatte es geschafft, ihre Persönlichkeit erfolgreich zu vermarkten. Die Leute mochten ihren Enthusiasmus, ihre Energie und ihre Begeisterung für neue Dinge. Sie liebte es, auf ihrem Kanal interessante Produkte vorzustellen, egal ob es sich dabei um ein innovatives Headset oder um eine exotische Teesorte handelte.

    »Ich kann’s noch immer nicht glauben, dass du morgen abfliegst«, seufzte sie.

    Der Kellner kam, und rasch bestellte Ben einen Whiskey, so wie immer.

    »Willst du nicht mal was anderes trinken?«, fragte David belustigt. Er wusste natürlich, wie gerne Ben an seinen Gewohnheiten festhielt. Morgens täglich im Central Park eine Stunde zu joggen, war auch eine dieser Gewohnheiten gewesen, die er ab morgen würde aufgeben

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