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Die dunkle Seite des Glücks
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eBook245 Seiten3 Stunden

Die dunkle Seite des Glücks

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Über dieses E-Book

Die 20-jährige Christin trennt sich von ihrem Freund.
In einem Café trifft sie auf den charismatischen Vincent Bell, der großes Interesse an ihr zeigt.
Immer mehr verfällt Christin seinem Charme und bemerkt viel zu spät, dass Vincent ein dunkles Geheimnis hütet.



SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Jan. 2019
ISBN9783743810105
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    Buchvorschau

    Die dunkle Seite des Glücks - Maren G. Bergmann

    1. Kapitel

    »Mach, dass du Land gewinnst oder ich vergesse mich!« Mit hochrotem Kopf rannte ich aus dem Schlafzimmer. Dann schlug die Haustür mit einem Knall ins Schloss, während ich, noch immer vor Wut tobend, im Wohnzimmer auf und ab lief. Heiße Tränen rannen meine Wangen hinab und ich flog am ganzen Körper. Mein Blick wanderte wild umher. Irgendwie sah ich alles und doch wieder auch nicht. Was sich gerade vor meinen Augen abgespielt hatte, war nicht zu begreifen. Es musste ein Irrtum gewesen sein. Ein böser Traum! Plötzlich stand ich schluchzend vor der Schrankwand. Wie ferngesteuert öffnete ich die Klappe der Hausbar, die neben der Vitrine eingebaut war. Mit zittriger Hand griff ich nach der Flasche und genehmigte mir einen Schluck von der durchsichtigen Flüssigkeit. Wie ein Lauffeuer rann der Geschmack nach Anis meine Kehle hinab. Das Brennen wurde so stark, dass ich husten musste.

    Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, schossen die Gedanken wild durch meinen Kopf.

    ›Wieso? Was habe ich getan, dass das passieren musste?‹

        »Chrissy?«

    Erschrocken fuhr ich herum. Achim stand gegen den Türrahmen gelehnt. Wenigstens hatte er sich eine Unterhose angezogen. Wir starrten uns einige Minuten schweigend an. Während ich darauf wartete, dass er den Anfang machte, spürte ich, wie sich das Herz in meiner Brust immer mehr zusammenzog. Achim ignorierend ließ ich mich verbittert auf das Sofa fallen.

    Kurz darauf legte sich eine Hand von hinten auf meine rechte Schulter. Ich schlug sie unmissverständlich weg. Dabei konnte ich den Schluchzer nicht verhindern.

        »Chrissy. Bitte. Lass es mich erklären.«

    Meine Gesichtsfarbe wechselte in ein Dunkelrot. Eine schwarze Wolke, mit einem heftigen Gewitter, breitete sich über mir aus und drohte das gesamte Wohnzimmer einzunehmen.

        »Was gibt es da zu erklären?«, spie ich Achim hasserfüllt entgegen. Mir war es egal, ob die Nachbarn uns hören konnten. Sollten sie doch. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich vom Sofa auf und wollte gehen, doch Achim packte meinen Oberarm und hielt mich fest. Mit finsterem Blick musterte ich seine Hand an meinem Arm und blickte langsam auf. »Lass sofort meinen Arm los«, befahl ich mit einem Flüstern, da mir die Stimme versagte.

    Als Achim den drohenden Unterton in meiner Aufforderung bemerkte, weiteten sich seine Augen und er ließ mich sofort los.

    Ich stieß ihn grob zur Seite. Im Augenwinkel bemerkte ich, wie er mir mit hängenden Schultern nachsah, während ich aus der Wohnung stürzte und die Haustür mit einem ebenso lauten Knall ins Schloss fallen ließ, wie es kurz zuvor schon passiert war.

    2. Kapitel

    Betrübt saß ich am Tisch in einem Café in Kaiserslautern und blickte aus dem Fenster ins Nichts, während ich an den großen Streit vor fünf Tagen zurückdachte. Meine Augen waren feucht und wollten einfach nicht trocknen. Ich versuchte, diesen Zustand zu ändern, indem ich mir kontinuierlich mit den Händen Luft zu fächerte, doch mein Gemütszustand sprach eine andere Sprache. Langsam wurde der Latte Macchiato kalt und ich überlegte, was ich als nächstes machen sollte. Achim bestrafte ich durch Nichtbeachtung und vehementen Schweigen. Obwohl ich das Gefühl nicht loswurde, dass ich mich damit selbst bestrafte. Zusätzlich machte ich Überstunden, sodass ich diesem untreuen Bastard kaum begegnete. Ich hatte diesen Zustand satt. Dieses dumpfe Gefühl, das mein Inneres beherrschte, mich lähmte.

        »Entschuldigung. Ist hier zufällig noch frei?«

    Eine freundliche Männerstimme ließ mich meine Gedanken nicht beenden. Langsam erhob ich den Kopf. Unsere Blicke trafen sich. Strahlend blaue Augen sahen mich freundlich an. Er war mir bereits zuvor kurz aufgefallen. Bei seiner stattlichen Größe war er kaum zu übersehen.

    Bevor er ins Café kam, stand er einige Minuten vor dem Fenster. Er hatte mich die ganze Zeit über beobachtet, während er mit dem Handy telefonierte. Es war mir unangenehm und doch wiederum auch nicht.

    Die Schwermut schien für einen winzigen Augenblick zu verfliegen.

    Ich räusperte mich, da ich Schwierigkeiten hatte, meine Stimme unter Kontrolle zu bringen und nickte kurz.

    »Ja. Ich wollte sowieso gerade gehen.« Meine Hand griff zum Handy auf dem Tisch, als der Typ sich über diesen beugte, den Becher abstellte und mit seiner Hand meine fixierte. Verblüfft hielt ich inne.

     »Nein, bitte. Bleib doch noch. Ich trinke nicht gern allein. Darf ich dich zu einer weiteren Tasse Kaffee einladen?«

    Verstohlen wanderte mein Augenmerk auf seine Hand. Für einige Sekunden verharrten wir in dieser Position. Sie war warm. Vermutlich hatte er den Becher damit festgehalten. Schließlich zog er die Hand zurück, warf einen raschen Blick über die Schulter und ließ sich in den Sessel sinken.

        »Verzeih, ich wollte nicht aufdringlich werden.« Etwas verlegen schaute er auf den Boden, nur um kurz darauf wieder meinen Blick zu suchen. Er war sehr höflich. Eine Eigenschaft, die in der heutigen Zeit eher selten zu finden war. Die meisten fielen gleich mit der Tür ins Haus. Als ob die Jungs mit dieser ruppigen Art ihre Angebetete erobern könnten. Frauen stehen noch immer auf Romantik. Zumindest die, die ich kenne.

        »Ist schon in Ordnung. Ich bin momentan keine gute Gesellschaft.« Ich nahm meine Tasche und ließ darin das Handy verschwinden. Während ich im Begriff war zu gehen, erhob er sich. Dabei schob er mit der Hand den Sessel ein wenig zur Seite, um mir Durchgang zu gewähren.

        »Schade. Aber wenn du jemanden zum Reden brauchst ...«, er unterbrach sich kurz und legte den Kopf leicht schief, bevor er weiter sprach. »Nun, man sagt mir nach, dass ich ein guter Zuhörer bin.«

    Ich hielt inne. Er machte einem kleinen Schritt zur Seite. Nun stand er direkt vor mir.

    Wir beide musterten uns gegenseitig.

        Sein Rasierwasser roch angenehm herb, mit einem Hauch Moschus. Er war gut einen Kopf größer als ich. Sein kurzes, hellblond gefärbtes Haar, wuchs wild und gab ihm ein leicht verruchtes Aussehen. Sein Kleidungsstil gefiel mir ebenfalls. Schwarze, eng anliegende Jeans sowie ein dunkelgraues T-Shirt schmeichelten seiner schmalen Taille und seinen breiten Schultern. Er wusste, was er tragen konnte, damit die Frauen auf ihn aufmerksam wurden. Aber mit ihm über meine Situation reden? Einem Fremden? Ich schüttelte innerlich den Kopf.

    »Danke, aber ich denke, das geht dich nichts an.«

    Plötzlich hielten mich kräftige Hände sanft an den Schultern fest.

    »So schlimm?«

    Sein Blick suchte meinen, doch ich starrte nur zum Ausgang.

        Gerade kam ein glückliches Pärchen herein und bahnte sich seinen Weg zum Counter. Während sie warteten, küsste er sie innig, was in mir Erinnerungen hervorrief. Schließlich lösten sie sich voneinander, um der Barista ihre Aufmerksamkeit zu widmen und die Bestellung aufzugeben. Danach schlenderten sie Hand-in-Hand zur Ausgabestation, um ihre Heißgetränke und zwei Stücke Kuchen abzuholen.

    Der Anblick dieses Pärchens traf mich wie ein Giftpfeil, sodass ich einen tiefen Atemzug machte.

    »Hat er dich verlassen oder du ihn?«

    Er überraschte mich mit dieser Frage, sodass ich ihn verdutzt ansah. »Wie kommst du darauf, dass ...«, stotterte ich, doch er fiel mir ins Wort.

        »Das sieht doch jeder auf den ersten Blick.« Ein Lächeln umspielte seinen Mund und fügte seinen Augen ein Leuchten hinzu.

    Ich musste schlucken. »Wirklich?« Ungläubig starrte ich ihn an. Innerlich ärgerte es mich, dass ich meine Gefühle nicht besser verbergen konnte. In meinen Augen spiegelte sich immer mein Gemütszustand wider. Ich empfand es als Fluch, dass ich nicht in der Lage war, der Welt vorzugaukeln, dass es mir gut ging, obwohl in mir ein Monsun wütete, der drohte, mich innerlich zu vernichten. Er zog seine rechte Augenbraue hoch und deutete mir an, dass ich mich wieder setzen sollte.

    Vor zehn Monaten waren Achim und ich nach Kaiserslautern gezogen. Außer meinen Arbeitskollegen kannte ich kaum jemanden. Meine beste Freundin wohnte über sechshundert Kilometer entfernt. Heute bereute ich den Entschluss, mit Achim weggegangen zu sein. Als wir uns kennenlernten, war es Liebe auf den ersten Blick. Zumindest von meiner Warte aus gesehen. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass wir uns einmal trennen würden. Und mit einem Mal kam sie. Ohne Vorwarnung trat sie in mein Leben. Überraschte mich wie ein Hurrikan, schnappte sich hinterrücks den Mann meiner Träume und machte 13 wundervolle Monate zunichte.

        »Ich heiße Vincent. Kaffee?«

    Aus dem Gedanken gerissen, blickte ich ihn an. »Dein Name ist Vincent Kaffee?«

    Er hatte ein süßes Lächeln. Seine Augen wurden plötzlich schmal und ließen das Blau seiner Iris wie einen tiefen See in einer dunklen Grotte erscheinen.

        »Nein«, erwiderte er lachend. »Vincent Bell. Ich wollte fragen, ob du noch einen Kaffee möchtest.« Geduldig wartete er meine Antwort ab.

        »Ich nehme gern einen Latte Macchiato mit Karamell.«

        »Lauf nicht weg. Ich bin gleich zurück«, zwinkerte er mir zu.

    Ich sah ihm nach, beobachtete, wie er die Bestellung aufgab. Sein Lächeln schien nicht nur mir das Herz zu erwärmen, denn die Barista schaute ebenfalls schüchtern auf die Kasse, als sie ihm das Wechselgeld zurückgab. Anscheinend flirtete Vincent gern. Ich konnte sie verstehen. Er hatte wirklich Charme, war zuvorkommend, freundlich, ohne aufdringlich zu wirken.

    Mein Gefühlszustand glich einen Scherbenhaufen. Wenn Achim sich mit anderen Frauen traf, wieso sollte ich es ihm nicht gleichtun? Ich entschied, dass ein wenig Ablenkung mir guttun würde, und ließ mich auf dieses kurze Abenteuer ein. Nur eine Tasse Kaffee. Das würde ich wohl problemlos überstehen.

        »Hier. Bitte. Ich habe dir auch einen Löffel mitgebracht, falls du umrühren willst.«

    Mein Blick wanderte zu der riesigen Tasse, deren Oberfläche mit einem hübschen Kastenmuster aus Karamell verziert war.

        »Hast du vor, mich hier länger festzuhalten?«

    Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

    »Mal sehen. Vielleicht. Du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten.«

    Ich schürzte die Lippen. Sollte ich ihn meinen richtigen Namen nennen? Immerhin kannte ich Vincent gerade mal zwei Minuten. In einer Kleinstadt wie Kaiserslautern kam es vor, dass man sich häufiger mal über den Weg lief.

        »Christin. Christin Palmer.«

    Er führte die Tasse zu seinem Mund und nahm einen Schluck. Etwas Milchschaum blieb an seiner Oberlippe haften. Ich musste grinsen.

        »Du hast da was an deiner Lippe«, gab ich ihm den Hinweis, indem ich meinen Finger an meine Lippe hielt.

    Er nahm die Serviette und wischte sich damit über den Mund.

        »Danke.«

    Bei diesem Lächeln begann mein Herz plötzlich davon zu galoppieren.

    »Nun? Willst du mir verraten, welcher Idiot dich verlassen hat?«

    Mein Blick senkte sich nach unten, denn ich war noch längst nicht bereit darüber zu sprechen. Alles war noch zu frisch. Zudem wollte ich es einfach nicht wahrhaben.     

    »Reden soll ja helfen, die Dinge klarer zu sehen«, murmelte ich eher zu mir selbst.

        »Es kann befreiend wirken«, stimmte Vincent mir zu.

        Ich bewunderte seine Gelassenheit. Immerhin saß ihm ein Häufchen Elend gegenüber, dem er sich geduldig annahm. Ich gab mir einen Ruck und erzählte ihm von dem Seitensprung meines Freundes. Oder war er bereits mein Ex-Freund?

        »Was willst du jetzt machen?«

       Verzweifelt vergrub ich das Gesicht in meinen Händen. »Ich weiß es nicht. Ich habe bereits meine Koffer gepackt. Doch wo soll ich hin?« Erneut wurde mir meine aussichtslose Situation vor Augen geführt. Ein Kloß begann sich in meinem Hals festzusetzen.

    »Ein Hotel kann ich mir nicht leisten und bis ich ein kleines Zimmer für mich gefunden habe, wird es wohl noch etwas dauern.« Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Vincent reichte mir ein Taschentuch. Schluchzend nahm ich es entgegen.

        »Ich mag es nicht, wenn eine hübsche Frau traurig ist«, sagte er mit sanfter Stimme, die mich innerlich aufhorchen ließ.

    »Das ist der Lauf des Lebens. Niemand ist vor Enttäuschungen sicher«, schniefte ich ins Taschentuch und trocknete meine Wangen.

        »Wenn du eine Bleibe brauchst, dann kannst du bei mir wohnen.«

    »Wie bitte?« Vincent erntete einen verständnislosen Blick von mir. »Ich ziehe doch zu keinem Fremden. Nimm es mir nicht übel, aber so verzweifelt bin ich nun auch wieder nicht.«

    »Nein.« Er hob abwehrend die Hände. »Du verstehst mich falsch. Meine Eltern besitzen hier in der Nähe ein Mietshaus. Dort ist gerade ein Zimmer frei. Wenn du möchtest, machen wir einen Termin und du siehst es dir an. Wenn es dir gefällt, ist es dein.«

        Es dauerte einen Moment, bis ich diese Nachricht verdaut hatte. Er bot mir ein Zimmer an? Für mich allein? Sollte mich das Glück doch noch nicht komplett verlassen haben? Meine Miene hellte sich ein wenig auf.

        »Habe ich es richtig verstanden? Du besitzt ein Mietshaus und du bietest mir ein Zimmer an? Hier? Mitten in der Innenstadt?«

        »Nein. Noch gehört das Haus meinen Eltern. Mir gehört nur eine Wohnung und ein Zimmer darin.«

    »Was soll es denn kosten?« Auch in einer Kleinstadt wie Kaiserslautern waren die Mietpreise, für Wohnungen oder Zimmer im Zentrum, für mich unbezahlbar. Mit meinem Job als Bedienung war mein Einkommen nicht üppig. Die Zeiten waren nicht rosig. Trinkgelder wurden zwar gegeben, doch damit konnte ich keine großen Sprünge machen.

    »Ich schlage vor, du schaust es dir erst einmal an. Hinterher können wir dann über die Höhe der Miete sprechen.«

    Die Erleichterung war mir wohl anzusehen, denn das Lächeln in seinem Gesicht weitete sich.

        »Das ist ein Angebot, dem ich nicht widerstehen kann.«

       »Solltest du im Moment nichts vorhaben, können wir gerne heute vorbeischauen«, bot er mir freundlich an und ich nickte.

        »Gut. Wenn du deinen Kaffee ausgetrunken hast, gehen wir los.«

        Er hatte nicht zu viel versprochen. Das Haus lag in einer ruhigen Seitenstraße, keine zehn Minuten zu Fuß von der Innenstadt entfernt. Es war ein Altbau und die Fassade hätte einen neuen Anstrich vertragen können. Elegant zog er den Schlüssel aus seiner Hosentasche, öffnete die Eingangstür und bat mich herein. Wir betraten das Treppenhaus.

        »Das Zimmer ist im ersten Stock. Ich gehe vor.«

    Wir stiegen eine alte, hölzerne Wendeltreppe empor. Alles war in dunklem Holz gehalten. Die Stufen schienen sich miteinander zu unterhalten, während wir uns auf den Weg in den ersten Stock machten.

    »Hier ist es.« Er steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die verschlissene Holztür. Mit einer Handbewegung deutete er mir, einzutreten. Vincent folgte mir in das Zimmer, sagte jedoch nichts, während ich mich umsah.

    Das Zimmer war komplett leer. Es gab nicht ein einziges Möbelstück. Die Wände waren mit weißer Raufasertapete bedeckt, die ebenfalls einen neuen Anstrich vertragen konnte. Ein großes Fenster zur Straße sorgte dafür, dass der Raum mit Licht durchflutet wurde, obwohl die schwarze Jalousie bis zur Hälfte heruntergelassen war. Der Boden bestand aus altem Fischgrätparkett und hätte schon vor Jahren abgeschliffen werden müssen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und drehte mich einmal im Kreis.

    »Wenn es nicht irgendwo ein paar Geheimtüren gibt, wo befinden sich dann Bad und Küche?«

    Vincent kratzte sich am Kinn. »Das ist ein Zimmer von mir, das ich nicht brauche und gehört zu meiner Wohnung. Es hat fünfundzwanzig Quadratmeter. Ich selbst wohne eine Etage höher. Wenn dir das Zimmer zusagt, überlasse ich dir Bad und Küche in meiner Wohnung, die wir dann gemeinsam nutzen würden. Ansonsten wäre dieses Zimmer dein Reich und gehört nur dir allein. Die Lösung ist vielleicht nicht ideal. Doch es ist immer noch besser, als das, was du gerade hast.«

    Er beobachtete meine Reaktion. Dabei versteifte sich sein Körper ein wenig, während er meine Antwort abwartete.

    Ich überdachte sein Angebot. Auch wenn es mir nicht wirklich zu gefallen schien, so sollte ich diese Option vielleicht in Betracht ziehen. Etwas Besseres würde ich so schnell nicht finden. Nur die Bezahlung ...

    »Außerdem ginge es mir gegen den Strich, wenn du plötzlich auf der Straße landen würdest«, fügte er seinem Angebot hinzu und riss mich damit aus meinen Gedanken.

        »Aber ich kann doch nicht ...« Weiter kam ich nicht, denn Vincent legte seine Hände auf meine Schultern und schob mich nach draußen.

        »Komm, ich zeige dir jetzt meine Wohnung. Ich selbst bin nur selten zu Hause. Du wirst mich also so gut wie nie antreffen. Bilde dir bitte erst ein Urteil, wenn du das Gesamtpaket gesehen hast.«

        Die Tür fiel hinter uns ins Schloss.

    Wir gingen eine weitere Treppe nach oben. Die Stufen knarrten noch fürchterlicher als die zuvor, als teilten sie uns wehleidig mit, dass sie genug davon hatten, Lasten zu tragen.

    Vincent öffnete die Tür zu seiner Wohnung. Erneut ließ er mir den Vortritt. Ich war überrascht. Alles war aufgeräumt und sehr spartanisch eingerichtet. Er schien die

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