Was für ein Geburtstag: Sophienlust - Die nächste Generation 103 – Familienroman
Von Simone Aigner
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Angelina Dommin saß vor ihrem Schreibtisch in ihrem Zimmer im Kinderheim Sophienlust. Sie betrachtete sich in dem aufstellbaren Tischspiegel mit der goldenen Metalleinfassung. Ihre rotblonden Locken kringelten sich um ihr sommersprossiges Gesicht. Sie endeten knapp über den Schultern. Ihre Wimpern waren ganz hell, ebenso wie die Augenbrauen. Zu hell für ihren Geschmack. Ihr Mund war ebenmäßig geschnitten, die Lippen voll, aber nicht zu üppig. Mit ihrem Mund war sie zufrieden. Sie lächelte sich zu, sodass sie ihre Zähne sehen konnte. Sie waren schneeweiß und wunderbar gerade. Angelina, die ob ihrer unzähligen Sommersprossen von allen ›Pünktchen‹ genannt wurde, lehnte sich im Stuhl zurück. Noch immer konnte sie sich im Spiegel ansehen. Es war unglaublich, in wenigen Tagen wurde sie 16 Jahre alt. 16! Die Zahl war fast wie eine kleine Volljährigkeit. Ganz offiziell durfte sie dann bis 24 Uhr ausgehen, wenn sie es wollte und Nick von Wellentin-Schoenecker, dem das Kinderheim gehörte, damit einverstanden war. Oder Tante Isi, seine Mutter, die eigentlich Denise hieß und Sophienlust bis zu Nicks Volljährigkeit vor zwei Jahren für ihn geführt hatte. Sie durfte auch Alkohol kaufen, wenn sie es wollte. Zumindest die eher milden Getränke, wie Wein oder Bier. Igitt.
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Buchvorschau
Was für ein Geburtstag - Simone Aigner
Sophienlust - Die nächste Generation
– 103 –
Was für ein Geburtstag
Unveröffentlichter Roman
Simone Aigner
Angelina Dommin saß vor ihrem Schreibtisch in ihrem Zimmer im Kinderheim Sophienlust. Sie betrachtete sich in dem aufstellbaren Tischspiegel mit der goldenen Metalleinfassung. Ihre rotblonden Locken kringelten sich um ihr sommersprossiges Gesicht. Sie endeten knapp über den Schultern. Ihre Wimpern waren ganz hell, ebenso wie die Augenbrauen. Zu hell für ihren Geschmack. Ihr Mund war ebenmäßig geschnitten, die Lippen voll, aber nicht zu üppig. Mit ihrem Mund war sie zufrieden. Sie lächelte sich zu, sodass sie ihre Zähne sehen konnte. Sie waren schneeweiß und wunderbar gerade.
Angelina, die ob ihrer unzähligen Sommersprossen von allen ›Pünktchen‹ genannt wurde, lehnte sich im Stuhl zurück. Noch immer konnte sie sich im Spiegel ansehen. Es war unglaublich, in wenigen Tagen wurde sie 16 Jahre alt. 16! Die Zahl war fast wie eine kleine Volljährigkeit.
Ganz offiziell durfte sie dann bis 24 Uhr ausgehen, wenn sie es wollte und Nick von Wellentin-Schoenecker, dem das Kinderheim gehörte, damit einverstanden war. Oder Tante Isi, seine Mutter, die eigentlich Denise hieß und Sophienlust bis zu Nicks Volljährigkeit vor zwei Jahren für ihn geführt hatte.
Sie durfte auch Alkohol kaufen, wenn sie es wollte. Zumindest die eher milden Getränke, wie Wein oder Bier. Igitt. Pünktchen schüttelte sich und musste lachen. Sie mochte Derartiges nicht. Nick auch nicht, soweit sie wusste.
Nick. Bei dem Gedanken an ihn bekam Pünktchen ein verräterisches Kribbeln im Bauch. Erneut musterte sie ihr Spiegelbild kritisch. Sie sah nicht älter aus als vor knapp einem Jahr, als sie 15 geworden war. Eigentlich sah sie sogar ähnlich aus wie mit 14 Jahren. Oder nicht?
Sie schnitt eine Grimasse und beugte sich wieder nach vorne. Ein wenig Wimperntusche ab und an, würde ihre Augen besser zur Geltung bringen, ebenso konnte ein Augenbrauenstift nicht schaden. Im Internet, auf YouTube zum Beispiel, gab es viele Anleitungen, wie man seinem Gesicht mehr Ausdruck geben konnte. Auch ein dezenter Lippenstift würde ihr wahrscheinlich gut stehen.
Es klopfte an ihre Zimmertür. Pünktchen erschrak und verlegene Röte stieg ihr in die Wangen. Ganz gleich, wer zu ihr wollte, sie hatte Sorge, man könnte ihr ihre Überlegungen ansehen. Sie schob den Spiegel beiseite.
»Ja?«, rief sie. Die Tür ging auf und Denise von Schoenecker stand im Rahmen.
»Guten Morgen, Pünktchen«, sagte Tante Isi freundlich. »Darf ich kurz hereinkommen?«
»Guten Morgen, Tante Isi. Natürlich, gerne«, erwiderte Pünktchen und lächelte ihr zu.
Nicks Mutter erwiderte das Lächeln, schloss die Tür hinter sich und trat in den Raum.
»Pünktchen, du hast ja bald Geburtstag. Den 16ten. Damit gehörst du dann endgültig zu den großen Kindern von Sophienlust. Ach, was sage ich. Ein Kind bist du nicht mehr. Du wirst allmählich erwachsen.«
Pünktchen spürte ihre Wangen vor Freude und Verlegenheit warm werden. Tante Isi lächelte noch immer.
»Ich wollte dich fragen, ob du einen Wunsch hast? Womit können wir dir eine Freude machen?«, fragte sie.
»Wie lieb, Tante Isi. Vielen Dank.« In ihrem Kopf ratterte es. Ja, sie hatte einen Wunsch. Genaugenommen mehrere. Da gab es diesen schönen Roman in der Buchhandlung »Lesefreude« in Maibach. Er hieß ›Rosalie im Glück‹. Darin verliebte sich die 17-jährige Rosalie in den neu zugezogenen Nachbarsjungen und aus ihnen wurde ein Paar. Sie sparte schon eine Weile ihr Taschengeld dafür. Es würde jedoch noch mindestens zwei Wochen dauern, ehe sie genug Geld hatte, um sich den Roman zu kaufen.
»Wenn dir jetzt nicht gleich etwas einfällt, kannst du es mir ja auch morgen oder übermorgen noch sagen«, fuhr Tante Isi fort, die ihr Schweigen als Nachdenken verstand.
»Ich …« Nein. Sie konnte nicht darüber reden, dass sie einen Liebesroman lesen wollte. Das war ziemlich peinlich, oder? Sie brauchte ja auch ein wenig Schminke. Allerdings wollte sie auch nichts von Wimperntusche und Lippenstift erzählen.
»Ich würde mich über einen Gutschein von der Drogerie freuen«, sagte sie, rasch entschlossen.
»Sehr gerne«, versprach Tante Isi. »Nachdem das ein bescheidener Wunsch ist, such dir gerne noch etwas aus.«
»Danke, Tante Isi. Im Moment fällt mir aber nichts weiter ein«, sagte Pünktchen.
»Gut. Lass dir Zeit. Ich möchte dir noch etwas sagen. Dein Geburtstag fällt dieses Jahr auf einen Samstag und es ist wunderbares Wetter gemeldet. Nick und ich dachten, dass wir eine Party für dich ausrichten. So richtig wie für die Großen. Das heißt abends.« Freundlich sah Tante Isi sie an.
»Eine Party? Echt?« Am liebsten wäre Pünktchen aufgesprungen, um sie zu umarmen.
»Ja, Pünktchen. Eine richtige Party. Wir hängen bunte Lampions zwischen die Bäume, es soll ein Büffet geben, eine Frucht-Bowle von der auch die kleineren Kinder trinken dürfen, das heißt alkoholfrei und noch so manches mehr. Meinst du, das könnte dir gefallen?«
»Aber ja! Ich finde das toll. Ich freu mich so, Tante Isi.« Sie strahlte über das ganze Gesicht.
»Wie schön. Du kannst gerne auch ein paar Freunde von außerhalb einladen. Aus deiner Klasse zum Beispiel oder aus der Schule. Wen immer du willst.«
»Super. Ich werde Bine und Lilly einladen, mit ihnen verstehe ich mich gut«, teilte Pünktchen aufgeregt mit. Sie bekam Herzklopfen vor Vorfreude.
»Sehr gerne«, antwortete Tante Isi. »Und nun ist wohl Zeit für das Frühstück. Hab einen schönen Tag, Pünktchen.«
»Der wird bestimmt gut«, plapperte Pünktchen in ihrer Aufregung ob der anstehenden Party. »Wir haben doch heute unseren jährlichen Schulausflug. Wir gehen zum Haselberg.«
»Zum Haselberg? Dorthin gehen die Klassen, in denen Fabian, Angelika und Vicky sind, auch«, erwiderte Denise.
»Ja.« Pünktchen nickte eifrig. »Es haben sich einige Klassen für den Haselberg entschieden.«
»Er ist eine gute Wahl. Es ist wirklich schön dort. Der größte Teil der Strecke geht durch den Wald. Auch das Wildgehege ist interessant«, sagte Tante Isi.
»Genau. Und oben auf der Hütte machen wir Rast«, teilte Pünktchen Nicks Mutter mit. Sie stand von ihrem Platz am Schreibtisch auf. »Wir kommen erst am Nachmittag zurück.«
Tante Isi lächelte ihr zu.
»Vergiss nicht, dich einzucremen. Es ist sehr warm und sonnig heute«, sagte sie freundlich.
»Hab ich schon gemacht.« Stolz zeigte Pünktchen auf die Tube Sonnencreme, die auf ihrem Schreibtisch lag. Gemeinsam mit Tante Isi verließ sie ihr Zimmer.
Bis zu ihrem Geburtstag waren es noch fünf Tage. Fünf lange Tage, bis sie ihren Gutschein bekam, um sich Schminke zu kaufen und bis die Party steigen konnte. Noch fünf Mal schlafen. Fast hätte sie gekichert. Sie wurde erwachsen und zählte die Zeit ab, wie ein kleines Kind.
*
Denise betrat nach kurzem Anklopfen das Büro ihres Sohnes Nick.
»Hallo, Mama«, begrüßte er sie freundlich, kaum, dass sie den Raum betreten hatte.
»Hallo, Nick.« Denise lächelte ihm zu.
»Hast du noch einen Moment Zeit oder bist du schon auf dem Sprung zu den Pferden? Heute wollte doch Hans-Joachim kommen und sich Cindy ansehen«, erinnerte sie sich.
»Richtig. Aber ich habe durchaus noch ein paar Minuten«, erwiderte Nick.
Der Tierarzt, Doktor Hans-Joachim von Lehn, hatte zugesagt, um halb neun Uhr zu dem Pferdestall zu kommen, der zu Sophienlust gehörte. Über den Feldweg, welcher vom Kinderheim zum Stall führte, war man in wenigen Minuten zu Fuß dort. Am Abend des Vortages hatte Pferdepfleger Janos berichtet, dass die Haflingerstute Cindy lahmte. Daraufhin hatte Nick den Tierarzt verständigt, der nun vorbeikommen wollte, um sich das Pferd anzusehen.
»Ich habe eben mit Pünktchen gesprochen und ihr von der Party erzählt, die wir uns für sie überlegt haben«, informierte Denise ihn.
»Und?« Erwartungsvoll sah Nick seine Mutter an.
»Sie hat sich wirklich sehr gefreut und kam mir richtig aufgeregt vor«, berichtete Denise. Sie setzte sich auf den Besucherstuhl, der dem Schreibtisch ihres Sohnes gegenüberstand. Nick lächelte.
»Wie schön. Ich habe übrigens heute Morgen noch mit Alexander gesprochen. Er hat Rutger gebeten, uns für die Party seinen mobilen Tanzboden auszuleihen«, sagte Nick. »Er hat auch schon eingewilligt. Er wird ihn am Samstagvormittag liefern und aufbauen.«
»Das ist eine wunderbare Idee für einen 16. Geburtstag«, stimmte Denise zu. Rutger Welm war ein langjähriger Freund ihres zweiten Mannes Alexander. Sein Hobby war der Tanzsport. Oft lud er zu privaten Veranstaltungen ein und nutzte dazu den besagten Tanzboden, der stets in seinem Garten aufgebaut wurde.
Denise erster Mann, der auch der Vater ihres Sohnes Nick war, war in jungen Jahren und als Nick noch sehr klein gewesen war, tödlich verunglückt. Sie hatte schlimme Zeiten durchlitten, ehe sie an der Seite von Alexander von Schoenecker die Liebe wiedergefunden hatte. Er war ihrem Sohn ein liebevoller väterlicher Freund. Sie hatten auch noch ein gemeinsames Kind, den