Ein tapferes Bubenherz: Sophienlust Bestseller 132 – Familienroman
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Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
Als Christian Birkhofer den Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn anrief und ihn bat, einer kalbenden Kuh beizustehen, fiel dem Tierarzt an seiner Stimme nichts Außergewöhnliches auf. Sie klang seiner Meinung nach durchaus gefasst und normal. Doch bei seinem Eintreffen auf dem Bauernhof bemerkte er sofort, dass sich Christian Birkhofer in hellster Aufregung befand. Zuerst schrieb er diese Tatsache der Unerfahrenheit des jungen Mannes in Bezug auf landwirtschaftliche Belange zu. Doch bald merkte er, dass das andere Gründe haben musste. Deshalb versuchte er sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was er von Christian wusste. Christian Birkhofer war noch jung. Erst vor Kurzem hatte er seinen dreiundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Und zwar hatte er das, zum heimlichen Verdruss seiner Angehörigen, nicht im Beisein seiner Eltern und seines kleinen Bruders Florian, sondern im Kreis seiner Freunde in Stuttgart getan. Seine Mutter war darüber traurig gewesen. Sie hatte es als Zeichen dafür gewertet, dass sich ihr älterer Sohn nun gänzlich von seiner Familie gelöst habe. Ein wenig schob sie die Schuld daran Anita Pribil, Christians Verlobter, zu, aber in ihrem Inneren wusste sie, dass schon lange zuvor eine Entfremdung zwischen Christian und seiner Familie entstanden war. Diese Entfremdung war ganz allmählich vor sich gegangen und hatte damit begonnen, dass Christian schon als Kind für die Landwirtschaft kein besonderes Interesse gezeigt hatte. Dafür hatten ihn technische Dinge fasziniert. Als Zwölfjähriger hatte er seine Eltern dadurch verblüfft, dass er einen zu Mucken neigenden Traktor einwandfrei repariert hatte. Sein Vater hatte ihn in eine Realschule gesteckt, und nach deren Abschluss war der junge Birkhofer in eine größere Metallwarenfirma in Stuttgart eingetreten. Anna Birkhofer bedauerte diesen Umstand, obwohl man ihr zu verstehen gab, dass vor ihrem Sohn eine zwar nicht außerordentliche, aber doch solide Karriere liege, da er nicht nur begabt, sondern auch zielstrebig sei.
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Sophienlust Bestseller
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Buchvorschau
Ein tapferes Bubenherz - Elisabeth Swoboda
Sophienlust Bestseller
– 132 –
Ein tapferes Bubenherz
Elisabeth Swoboda
Als Christian Birkhofer den Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn anrief und ihn bat, einer kalbenden Kuh beizustehen, fiel dem Tierarzt an seiner Stimme nichts Außergewöhnliches auf. Sie klang seiner Meinung nach durchaus gefasst und normal. Doch bei seinem Eintreffen auf dem Bauernhof bemerkte er sofort, dass sich Christian Birkhofer in hellster Aufregung befand. Zuerst schrieb er diese Tatsache der Unerfahrenheit des jungen Mannes in Bezug auf landwirtschaftliche Belange zu.
Doch bald merkte er, dass das andere Gründe haben musste. Deshalb versuchte er sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was er von Christian wusste.
*
Christian Birkhofer war noch jung. Erst vor Kurzem hatte er seinen dreiundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Und zwar hatte er das, zum heimlichen Verdruss seiner Angehörigen, nicht im Beisein seiner Eltern und seines kleinen Bruders Florian, sondern im Kreis seiner Freunde in Stuttgart getan. Seine Mutter war darüber traurig gewesen. Sie hatte es als Zeichen dafür gewertet, dass sich ihr älterer Sohn nun gänzlich von seiner Familie gelöst habe. Ein wenig schob sie die Schuld daran Anita Pribil, Christians Verlobter, zu, aber in ihrem Inneren wusste sie, dass schon lange zuvor eine Entfremdung zwischen Christian und seiner Familie entstanden war. Diese Entfremdung war ganz allmählich vor sich gegangen und hatte damit begonnen, dass Christian schon als Kind für die Landwirtschaft kein besonderes Interesse gezeigt hatte. Dafür hatten ihn technische Dinge fasziniert. Als Zwölfjähriger hatte er seine Eltern dadurch verblüfft, dass er einen zu Mucken neigenden Traktor einwandfrei repariert hatte. Sein Vater hatte ihn in eine Realschule gesteckt, und nach deren Abschluss war der junge Birkhofer in eine größere Metallwarenfirma in Stuttgart eingetreten.
Anna Birkhofer bedauerte diesen Umstand, obwohl man ihr zu verstehen gab, dass vor ihrem Sohn eine zwar nicht außerordentliche, aber doch solide Karriere liege, da er nicht nur begabt, sondern auch zielstrebig sei. Sie hätte es lieber gesehen, wenn Christian auf dem väterlichen Hof mitgearbeitet hätte, und zwar mit dem Ziel, diesen eines Tages zu übernehmen.
Aber davon war längst nicht mehr die Rede. Nachdem Christian sich mit einem auffallend hübschen und dementsprechend selbstbewussten Mädchen verlobt hatte, kam er kaum noch zu Besuch nach Wildmoos. Sein Vater, der stets bestrebt war, dem Glück seines ältesten Sohnes in keiner Weise im Weg zu stehen, raffte sich schließlich dazu auf, ihm deswegen leichte Vorhaltungen zu machen. Er tat dies mit dem Hinweis, dass die Mutter, die immer hart gearbeitet und sich für die Familie aufgeopfert habe, über die Entwicklung der Dinge bekümmert sei.
Christian sah seinen Fehler sofort ein. Um seinen Eltern zu zeigen, dass er sie liebte und dass er ihnen dankbar war, beschloss er, ihnen eine besondere Freude zu bereiten. Er überlegte hin und her, bis ihm eine Idee kam, die ihm gefiel. Seit Jahren hatten seine Eltern keine Reise mehr gemacht, einfach deshalb, weil sie am Hof unabkömmlich waren. Kurz entschlossen suchte Christian ein Reisebüro auf und buchte für seine Eltern eine vierzehntägige Autobusreise nach Kroatien. Danach fuhr er nach Wildmoos und stellte Vater und Mutter vor die vollendete Tatsache.
»Was ist dir denn da eingefallen!«, rief Josef Birkhofer mehr erschrocken als erfreut aus. »Du musst diese Reise stornieren.«
»Aber warum?«, fragte Christian leicht beleidigt. »Ich habe gedacht, ihr freut euch.«
Josef Birkhofer schüttelte den Kopf. »Siehst du nicht ein, dass es unmöglich ist, Christian?«
»Wenn euch das Ziel nicht gefällt, so könnt ihr umbuchen«, versicherte Christian eifrig. »Italien vielleicht – oder Griechenland.«
»Ich fürchte, wir reden aneinander vorbei«, seufzte Josef Birkhofer. »Es ist ein Jammer. Du bist unser Sohn und hast von der Landwirtschaft absolut keine Ahnung. Du müsstest doch wissen, dass wir nicht einfach für vierzehn Tage verreisen können. Wenn es möglich wäre, hätte ich es längst getan. Mutter hätte einen Urlaub nötig. Aber einen Bauernhof kann man nicht einfach zusperren wie einen Laden.«
»Aber, Vater, das weiß ich natürlich«, entgegnete Christian. »Eben deshalb habe ich meinen Urlaub so eingeteilt, dass ich vierzehn Tage davon in Wildmoos verbringen kann. Ich werde mich um den Hof kümmern, während ihr weg seid.«
»Du?«, fragte Josef Birkhofer in einem Tonfall, der für Christian nicht gerade schmeichelhaft war.
»Ich werde schon nichts anstellen«, erwiderte Christian. »Du musst mir nur sagen, was alles zu machen ist. Und dann ist ja auch noch Florian da. Er ist ein kluger kleiner Bursche und kennt sich überall aus.«
Es dauerte noch eine geraume Weile, bis der alte Bauer sich überzeugen ließ. Dazu trug vor allem seine Frau bei, die sagte: »Zwei Wochen lang in der Sonne liegen und faulenzen – ich kann mir kaum vorstellen, wie das ist.« Damit wurde Josef Birkhofer klar, dass er Christians Angebot nicht ausschlagen durfte. Nur einen letzten Einwand hatte er noch: »Was sagt deine Verlobte dazu?«
Damit traf er einen wunden Punkt bei seinem Sohn. Christian verzog das Gesicht und brummte: »Anita wird sich damit abfinden. Nach eurem Urlaub fahre ich dann mit ihr nach Spanien.«
»Christian, ich will nicht schuld daran sein, dass es zwischen dir und Anita zu Unstimmigkeiten kommt.«
»Ach, Unsinn. Wir haben noch so viele gemeinsame Urlaube vor uns.« Das war alles, was Christian dazu zu sagen hatte.
*
So war es gekommen, dass Anna und Josef Birkhofer die Reise in den Süden angetreten und den Hof und den siebenjährigen Florian in Christians Obhut zurückgelassen hatten. Im letzten Moment hatte der Bauer seinen Söhnen noch aufgetragen, besonders auf Konstanze, eine der Kühe, zu achten, da sie trächtig sei. Auf alle Fälle sollte der Tierarzt zu Rate gezogen werden.
Diesen Auftrag hatte Christian an diesem Morgen befolgt. Konstanze war ihm nicht recht geheuer vorgekommen. Er hatte angenommen, dass das Kalb bald zur Welt kommen würde. Doch die Aufregung, in der Dr. Hans-Joachim von Lehn den jungen Mann vorfand, stand in keinem Verhältnis zu diesem Ereignis.
»Na, wo finde ich denn die Patientin?«, fragte der Tierarzt.
»Die Patientin? Ach so – Konstanze. Im Stall«, stammelte Christian und fuhr sich mit der rechten Hand durch das wirre dunkelblonde Haar.
»Kein Grund, sich derartig aufzuregen«, versuchte Dr. von Lehn den jungen Mann zu beschwichtigen. »Es ist nicht das erste Mal, dass Konstanze Mutterfreuden entgegensieht.«
»Ich rege mich nicht auf. Nicht wegen der Kuh«, stöhnte Christian. »Es sind meine Eltern.«
Dr. von Lehn fasste den jungen Mann nun genauer ins Auge. Er kannte Christian nicht so gut wie dessen Eltern, aber er wusste, dass er eher ein ausgeglichener und ruhiger Mensch war. Außerdem sah er recht gut aus. Er war mittelgroß und ein wenig stämmig, hatte regelmäßige Gesichtszüge, eine gerade Nase sowie einen gut geschnittenen Mund und ein etwas kantiges Kinn. Aber im Augenblick war sein Gesicht verzerrt, und in seinen grauen Augen lag ein Ausdruck des Entsetzens.
»Was ist mit Ihren Eltern?«, erkundigte sich der Tierarzt.
»Sie sind verunglückt. Mit dem Bus«, erwiderte Christian tonlos. »Vorhin wurde es im Radio durchgegeben. Heute Morgen ist ein mit deutschen Urlaubern besetzter Reisebus auf der kroatischen Küstenstraße zwischen Sibenik und Split mit einem Lastwagen zusammengestoßen«, zitierte er. »Der Sprecher hat von mehreren Toten und vielen Schwerverletzten gesprochen. Mein Gott, es ist entsetzlich!«
»Ja«, bestätigte Dr. Hans-Joachim von Lehn. »Aber woher wollen Sie wissen, dass es sich ausgerechnet um den Bus handelt, in dem sich Ihre Eltern befinden? Es sind Dutzende von Bussen in der Reisesaison unterwegs. Ich bin sicher, dass es ein anderer Bus ist, der …«
»Nein«, unterbrach Christian den Tierarzt. »An diesen Strohhalm habe ich mich auch geklammert, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Aber als ich hörte, an welcher Stelle der Unfall passiert ist, habe ich das Reisebüro angerufen. Dort hat man meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Es ist der Bus mit meinen Eltern. Im Reisebüro konnte man mir keine Auskunft geben, was mit meinen Eltern geschehen ist, ob sie verletzt sind oder …, oder …« Christian scheute davor zurück, das Schreckliche auszusprechen. Nach einer kurzen Pause sagte er mehr zu sich selbst: »Was mache ich jetzt bloß? Am liebsten würde ich hier alles stehen lassen und nach Kroatien fahren. Aber dieser Plan ist undurchführbar. Da ist Florian – und der Hof. Ich kann nicht weg.«
Der Tierarzt antwortete nicht, sondern sah angestrengt vor sich hin.
Christian unterbrach seinen Gedankengang, indem er in einem resignierten Tonfall sagte: »Ich werde Sie jetzt in den Stall führen. Etwas anderes kann ich ja doch nicht tun.«
»Nein, warten Sie«, entgegnete Dr. von Lehn. »Lassen Sie mich überlegen. Ich glaube, mir ist soeben ein Ausweg eingefallen. Sie wollen doch vermutlich nicht lange wegbleiben?«
»Nein. Sobald ich weiß, wie es um meine Eltern steht, will ich zurückkommen.«
»Florian könnte so lange in Sophienlust untergebracht werden«, fuhr Dr. von Lehn fort. »Sophienlust ist das Kinderheim, das die Stiefmutter meiner Frau, Denise von Schoenecker, für ihren Sohn aus erster Ehe verwaltet. Sie haben wahrscheinlich bereits von Sophienlust gehört.«
»Ja«, bestätigte Christian. »Ich wäre