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Spiel der Sinnlichkeit
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eBook264 Seiten3 Stunden

Spiel der Sinnlichkeit

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Über dieses E-Book

Mit ihrer Schauspielertruppe reist Deborah durchs Land – bis sie einwilligt, für den unwiderstehlichen Duke of Cirencester zu lügen. Erst hat er sie in der Hand, dann in seinen starken Armen! Und wenn der Duke sie heiß liebt, wünscht Deb, der Vorhang dieses gefährlich sinnlichen Spiels würde niemals fallen …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum16. Okt. 2021
ISBN9783751512954
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    Buchvorschau

    Spiel der Sinnlichkeit - Lucy Ashford

    IMPRESSUM

    Spiel der Sinnlichkeit erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © 2014 by Lucy Ashford

    Originaltitel: „The Rake’s Bargain"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON, Band 37

    Übersetzung: Vera Möbius

    Umschlagsmotive: Getty Images / Tony Marturano, Olga, ProVectors

    Veröffentlicht im ePub Format in 10/2021

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751512954

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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    1. KAPITEL

    Juni 1803

    Deborah drückte sich an die efeuumrankte Hauswand und versuchte, nicht zusammenzuzucken, als kalte Regentropfen von der Krempe ihrer Kappe in den Jackenkragen rannen. Soeben war sie über die Grenzmauer des Anwesens geklettert und war durch das Gebüsch gepirscht, den Kopf vorsichtig gesenkt. Jetzt konnte sie sich umsehen und stellte fest, dass sich niemand in der Nähe aufhielt.

    Hardgate Hall. Allein schon der Name genügte, um ihr einen Schauer über den Rücken zu jagen. Sie spähte zu dem kleinen Fenster im zweiten Stockwerk hinauf. Das musste ein achtloser Dienstbote offen gelassen haben. Fast sechzehn Jahre waren verstrichen, seit sie dieses Haus zum letzten Mal betreten hatte – eine verwirrte Sechsjährige an der Hand ihrer Mutter. Wenige Minuten später waren sie hinausgescheucht worden.

    „Du hast damals deinen Entschluss gefasst, Emily!, hatte Hugh Palfreyman schroff betont. Nur zu gut erinnerte Deb sich daran, denn ihre Mutter hatte geweint. „Wie man sich bettet, so liegt man …

    Jetzt war sie zweiundzwanzig, ihre Mutter längst gestorben. Aber Deb hatte diesen Ort nie vergessen, das Bild von Hardgate Hall stets in ihrer Fantasie gesehen. Unter einem grauen Himmel. So wie an diesem Tag. Sie blickte sich wieder um und bekämpfte ihre wachsende Angst.

    Erleichtert atmete sie auf, als zwei vertraute Gestalten durch den Regen zu ihr rannten. „Luke, Francis, da seid ihr ja! Ich dachte schon …"

    „Was, Miss Deb?", fragte der junge Luke. Auf seinen Wangen klebten nasse blonde Strähnen.

    Dass sie befürchtet hatte, das Personal ihres Onkels hätte die beiden geschnappt, behielt sie für sich. „Ihr habt euch Zeit gelassen. Gibt es Neuigkeiten?"

    „So wie du es wolltest, haben wir uns vergewissert, dass niemand in der Nähe ist, Deborah, erwiderte Francis. „Glücklicherweise wurden alle Gärtner anscheinend damit beauftragt, heute Nachmittag die Gewächshäuser zu reinigen. Und die liegen am anderen Ende des Südrasens.

    Deb nickte. „Also wird man uns hier nicht entdecken. Und die Wachhunde?"

    Nun meldete Luke sich wieder zu Wort. „In der Ferne hörten wir sie bellen. So wie das klang, sind sie ziemlich groß, fuhr er schaudernd fort. „Aber wie ich herausgefunden habe, werden sie in einem Zwinger bei den Ställen gehalten und erst rausgelassen, wenn’s dunkel wird. Dann streifen sie durch das Gelände, mit messerscharfen Zähnen, die einem riesige Fleischklumpen aus den Oberschenkeln reißen können und …

    „Danke, Luke, das genügt", unterbrach sie ihn. Und zwar vollauf. „Sind wir hier erst mal sicher?"

    „Je nachdem, was du mit ‚sicher‘ meinst, Deborah", entgegnete Francis, und sie unterdrückte einen Seufzer.

    Fast doppelt so alt wie Luke, war er ein treuer Freund. Doch er hatte von Anfang an gegen ihren Plan protestiert. Andererseits war es Francis gewesen, der bei einer gemeinsamen Beobachtung aus sicherer Entfernung verkündet hatte, dass die Räume im nördlichen Trakt des Gebäudes unbewohnt und dunkel wirkten. „Wenn du da hineinwillst – diese Efeuranken sind ein Glücksfall für jeden Einbrecher", hatte er hinzugefügt.

    „Ich bin keine Einbrecherin!", hatte Deb empört widersprochen.

    „Jedenfalls möchtest du in dieses Haus einsteigen, hatte er mit ruhiger Stimme argumentiert. „Warum du so ein Risiko eingehst, obwohl der Besitzer ein Friedensrichter ist und uns allen mit einer Gefängnisstrafe gedroht hat, begreife ich nicht.

    Hätte er von ihrer Verwandtschaft mit Hugh Palfreyman erfahren, wäre er sprachlos gewesen.

    „Mein Entschluss steht fest, ich kehre nicht um, erklärte sie nun. „Für deine Ratschläge bin ich dankbar. Trotzdem hoffe ich, du hast nicht vergessen, was du meinem Stiefvater versprochen hast – dass du mir vertraust.

    „Außerdem versprach ich ihm, dich zu beschützen. Deshalb werden Luke und ich hier auf dich warten …"

    „Nein."

    „Was?", stieß Francis erbost hervor.

    Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Ich habe mich anders besonnen. Wenn ihr hier wartet, wäre es zu gefährlich. Vorerst hielt sich niemand in der Nähe auf. Doch das konnte sich ändern, wenn es zu regnen aufhörte. Und Francis war wegen seines breitkrempigen schwarzen Federhuts und des altmodischen rostroten Gehrocks unverwechselbar. Sollte etwas schieflaufen, fand sie, es sei besser, wenn nur sie selbst verhaftet wurde, nicht alle drei. „Geht zu den Pferden zurück und wartet auf mich.

    Von Oxford aus waren sie durch den Ashendale Forest hierher geritten, fast bis zur Grenze des Palfreyman-Landsitzes. Dort hatten sie die Pferde festgebunden, obwohl die alten Gäule wohl kaum davongaloppieren würden.

    Diese neue Anweisung missfiel Francis gründlich. „So ein Unsinn! Wir sollen dich hier zurücklassen? Wenn du erwischt wirst …"

    Als ob sie das nicht bedacht hätte … „Und was könntet ihr beide dagegen tun? Sobald ich nach oben klettere, müsst ihr verschwinden."

    „Aber …"

    „Weißt du noch, was mein Stiefvater sagte, als er die Schauspieler der Lambeth-Truppe ein letztes Mal zusammenrief?" Obwohl Gerald O’Hara bereits vor zwei Jahren gestorben war, drohte ihre Stimme zu brechen, wann immer sie seinen Namen aussprach.

    Auch Francis war sichtlich bewegt. „Oh ja, er übertrug dir die Leitung der Lambeth-Truppe."

    „Und er wies euch alle an, meine Anweisungen zu befolgen. Deb musterte Francis und Luke mit strengem Blick. „Werdet ihr im Wald auf mich warten?

    Beklommen wandte Luke sich dem Älteren zu, der immer noch zauderte.

    „Also gut, gab Francis schließlich nach, „aber …

    „Ich danke euch beiden, fiel sie ihm rasch ins Wort. „Wenn ich bis fünf Uhr nicht bei euch auftauche, reitet ihr nach Oxford zu den anderen zurück. Habt ihr mich verstanden?

    Sofort verdüsterte sich Francis’ Miene wieder, und er öffnete den Mund, um eine neue Warnung zu äußern.

    Das verübelte Deb ihm nicht, weil sie ihre eigenen Bedenken hegte. „Erinnerst du dich an unser Abkommen, Francis? Nur unter der Bedingung, dass ihr mir ausnahmslos gehorcht, habe ich euch erlaubt, mich hierher zu begleiten. Und wie lautet das Lambeth-Motto?"

    „Triumph über alle Widrigkeiten", deklamierte Luke.

    „Genau. Je früher ich da hinaufgelange … Sie zeigte auf den Efeu. „Desto eher bin ich wieder bei euch. Zu ihrer Erleichterung hörte sie keinen weiteren Protest. Sie ergriff die Ranken und begann, nach oben zu steigen, drehte sich um und nickte den beiden aufmunternd zu. „Fort mit euch! Sorgt euch nicht um mich, alles wird gut!"

    Sie sah die beiden über den Rasen und ins regennasse Gebüsch laufen. Jeden Moment fürchtete sie, das Gekläff von Hugh Palfreymans Wachhunden oder das Geschrei seiner Dienstboten zu hören. Zum Glück herrschte weiterhin tiefe Stille, und sie beobachtete, wie Francis und Luke sich über die rettende Grenzmauer schwangen.

    Sehr gut! Nach einem tiefen Atemzug zog sie die Kappe so weit wie möglich über ihre dichten kupferroten Locken hinab und setzte die wichtigste Klettertour ihres Lebens fort.

    Triumph über alle Widrigkeiten – ein passendes Motto für die Wandertruppe. Alljährlich reisten sie von März bis Dezember von einem Rummelplatz oder Viehmarkt zum anderen, die alten Karren voller Kostüme und Bühnenausstattungen. Die Lambeth-Schauspieler waren ihre Familie, ihr Lebensinhalt.

    Ursprünglich hatte sie sich vorgenommen, ihr Abenteuer zu bestehen, ohne irgendjemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten. Aber zu ihrem Pech war es Francis nicht entgangen, dass sie vor dem Gasthof Angel Inn am Stadtrand von Oxford, wo die Truppe logierte, ein Pferd gesattelt hatte.

    Da hatte er natürlich wissen wollen, wohin sie reiten würde. „Wir haben Gerald O’Hara geschworen, auf dich zu achten, Deborah", hatte er wieder einmal betont.

    Wohl oder übel hatte sie ihm mitteilen müssen, sie beabsichtige, Hardgate Hall aufzusuchen und heimlich in das Haus einzudringen, hatte sich jedoch geweigert, den Grund ihres Vorhabens zu nennen. Es sei ein Kinderspiel, innerhalb kürzester Zeit hinein- und hinauszuschleichen, hatte sie beteuert, was er verständlicherweise bezweifelte. Entsetzt hatte er sie auf die Gefahren hingewiesen, die ihr drohten. Schließlich hatte sie Francis und Luke gestattet, sie durch den Ashendale Forest zu begleiten, und schweren Herzens erkannt, dass ihr Plan vielleicht doch keine so gute Idee war.

    Der Regen komplizierte das Wagnis. Wenn sie an der nassen Mauer abrutschte oder die Efeuranken rissen … Wie tief würde sie hinabstürzen? Und wenn jemand auf diese Seite des Hauses kam, ein Gärtner oder sogar ein Wildhüter mit einem Gewehr … Denk nicht dran, schau nicht runter. Vorsichtig ertastete sie mit den Spitzen ihrer Stiefel einen sicheren Halt nach dem anderen, geschickt wie ein Junge.

    „An Ihnen ist gar nichts dran, Mädchen, hatte die Gastwirtin gestern Abend konstatiert und im schäbigen Schankraum eine Schüssel mit ziemlich fettigem Eintopf auf den Tisch gestellt. „Sehen Sie zu, dass Sie richtig Fleisch auf die Rippen kriegen. Sonst werden Sie keinen Mann bekommen.

    In diesem Moment war der Wirt eingetreten, ein ruppiger Kerl mit Bierbauch, dem sein selbst gebrautes Ale viel zu gut schmeckte, und Deb hatte ihn gemustert. So einen Mann? Nein, danke.

    Sie wollte nicht heiraten. Stattdessen träumte sie von einem richtigen Theater für ihre Schauspieler. Am besten in London. Dann würden sie nicht mehr von einem Ort zum anderen reisen müssen. Und nach diesem Tag würde sie ihr Ziel verwirklichen.

    „Magst du auch ein Friedensrichter sein, Hugh Palfreyman, flüsterte sie, während sie am Efeu emporkletterte. „Mir bedeutest du nichts. Und du wirst bald merken, dass man sich nicht ungestraft mit der Lambeth-Truppe anlegt.

    Endlich erreichte sie das kleine Fenster, stieß es weiter auf und stieg über das Sims.

    In der verbotenen Domäne des Onkels begann ihr Herz, schneller zu pochen, und Deb erinnerte sich wieder an den Besuch in Hardgate Hall vor sechzehn Jahren.

    Danach hatte sie sich in die Arme ihrer schluchzenden Mutter geschmiegt. „Mama? Mama?"

    „Mein liebes Mädchen … Ganz fest hatte die Mutter sie an sich gedrückt. „Ich hätte dich nicht hierherbringen dürfen. Aber ich dachte … ich hoffte …

    „Ist er ein böser Mensch, der Mann in dem großen Haus?"

    „Das ist mein Bruder, er ist viele Jahre älter als ich. Er wurde bereits der Herr von Hardgate Hall, da war ich noch ein Kind. Ich nahm an, inzwischen hätte er sich geändert. Doch das war ein Irrtum."

    „Warum war er so grausam, Mama?"

    „Weil er sehr unglücklich ist. Ich glaube, das war er schon immer. So oft ritt er allein aus. Oder er schloss sich stundenlang in einem Zimmer im zweiten Stockwerk ein. Wahrscheinlich hat er Geheimnisse. Welche das sind, wollte ich nie herausfinden …"

    Einige Monate später hatte Deb gehört, wie ihre Mutter diese Geschichte Gerald O’Hara erzählte.

    „Ich wunderte mich, warum er niemandem erlaubte, dieses Zimmer im Nordflügel zu betreten, hatte Mama berichtet, „nicht einmal den Dienstboten. Stets blieb die Tür versperrt. Nur er besaß einen Schlüssel …

    Vorsichtig huschte Deb durch den Korridor und probierte eine Tür nach der anderen aus. Keine war verschlossen, die Räume enthielten nur alte, von Staubschonern geschützte Möbel. Als sie schon fürchtete, sie würde das Wagnis vergeblich unternehmen, erreichte sie endlich eine versperrte Tür. Hastig zog sie ihr kleines, spitzes Messer hervor, öffnete geschickt das Schloss und überquerte die Schwelle.

    In der Mitte des Zimmers stand ein großer Mahagonischreibtisch, dahinter ein Ledersessel. Dunkelrote Samtvorhänge verhüllten die Fenster nur zur Hälfte. An den anderen Wänden reichten Bücherregale bis zur Decke hinauf.

    Wie Deb nur zu gut wusste, gab es in dieser Bibliothek keine klassische Literatur oder wissenschaftliche Werke. Vor etwa einer Woche hatte sie den Stand eines reisenden Buchhändlers auf dem Oxford-Markt besucht, auf der Suche nach halb vergessenen Theaterstücken für ihre Kompanie – Komödien oder Tragödien, die das Publikum begeistern würden.

    „Sind Sie nicht die junge Dame von der Lambeth-Truppe?, hatte sich der Buchhändler erkundigt. „Gestern Abend sah ich Sie auf dem Hauptplatz in der Kampfszene von Marlowes ‚Tamerlan der Große‘. Einfach fabelhaft!

    „Freut mich, dass es Ihnen gefallen hat." Deb inspizierte ein paar Bücher auf dem Ladentisch. Weil sie nichts Interessantes fand, wollte sie zu einer Kiste im Hintergrund des Marktstands gehen.

    Aber der Buchhändler hielt sie zurück. „Oh nein, Miss, das ist nichts für Sie, behauptete er und räusperte sich. „Ernsthafte Literatur. Nur für meine Privatkunden.

    Sie hatte bereits ein paar Titel gelesen. Ernsthafte Literatur? Wie lächerlich … „Die Kunstschätze der Venus, „Unterhaltsame klassische Sammlung für Gentlemen, und so weiter. Offenbar erotische Texte. „Dafür werden Sie sicher gute Preis erzielen, Sir", meinte sie in sanftem Ton und schlenderte davon.

    Etwas später ging sie noch einmal an seinem Stand vorbei und sah ihn in ein Gespräch mit Hugh Palfreyman vertieft. Obwohl sie ihren Onkel als sechsjähriges Mädchen zum letzten Mal gesehen hatte, erkannte sie ihn sofort an seiner ausgeprägten Hakennase. Der Buchhändler wickelte einige schmale Bände in braunes Papier, reichte ihm das Päckchen und nahm mehrere Münzen entgegen.

    Mit schnellen Schritten hatte sich sein Kunde entfernt, und Deb war nachdenklich stehen geblieben. Anscheinend bevorzugte der Bruder ihrer Mutter – ein Friedensrichter – jene Literatur, die man in gehobenen Kreisen „anregend" nannte.

    Jetzt nahm sie ein paar Bücher aus den Regalen in seiner Bibliothek und legte sie auf den Schreibtisch. Sie enthielten nur kurze Texte, teilweise in Englisch, auch in Italienisch und Französisch. Doch auf die kam es nicht an, sondern auf die zahlreichen eindeutigen Illustrationen. Schockiert riss Deb die Augen auf. Und dann schlug ihr Herz höher. Denn in jedem der schön gebundenen Werke mit edlem Goldschnitt stand der Name des Eigentümers auf dem Vorsatzblatt: Hugh Palfreyman.

    Welch ein Narr … Einerseits hielt er seine Leidenschaft streng geheim, andererseits sorgte er für unwiderlegbare Beweise. Und welch ein Triumph für sie, Deborah O’Hara! Deb hatte gehofft, ihrem Onkel, der ihre Mutter und sie selbst so grausam aus dem Haus gewiesen hatte, nie mehr zu begegnen. Eines Samstags, vor fast zwei Wochen, hatte sich das geändert. Eine nette alte Dame war zu ihr in den Gasthof gekommen und hatte erklärt, ihr Ehemann sei ein großer Bewunderer von Shakespeare, aber zu gebrechlich, um eine Freilichtaufführung der Lambeth-Truppe zu genießen. Wären einige Schauspieler so freundlich, ihn zu besuchen und ein paar Stellen aus seinen Lieblingsstücken vorzulesen?

    Am nächsten Nachmittag war Deb mit drei Darstellern in das Haus des Ehepaars gegangen, und sie hatten die wunderbare letzte Szene von Shakespeares „Sturm" aufgeführt. Voller Freude hatten die Augen des alten Herrn aufgeleuchtet. Nach der Darbietung hatte seine dankbare Gemahlin den Schauspielern Geld zustecken wollen, was diese jedoch abgelehnt hatten. Erstens war es verboten, an einem Sonntag aufzutreten, und zweitens wollten sie sich für eine gute Tat nicht bezahlen lassen.

    Irgendwie hatte Palfreyman von der Aufführung erfahren. Und er war der Vorsitzende der Friedensrichter von Oxfordshire.

    „Schauspielerei, an einem Sonntag!, hatte er getobt. So hatte es einer seiner Bediensteten auf dem Markt in Oxford geschildert. „Ein dreister Verstoß gegen das Gesetz! In seiner moralischen Entrüstung hatte er der Wanderbühne ein enormes Bußgeld angedroht, sogar eine Gefängnisstrafe.

    Glücklicherweise wusste er nicht, dass die Leiterin der Lambeth-Truppe seine Nichte war.

    Deb suchte drei schmale, besonders obszöne erotische Bände aus, nahm einen Zettel und einen Bleistift aus der Innentasche ihrer Jacke und setzte sich an den Schreibtisch.

    An Mr. Palfreyman, begann sie zu schreiben. Es wäre in Ihrem Interesse, Ihre Anschuldigungen gegen die Lambeth-Theatertruppe zurückzunehmen. Um meine Gründe zu erläutern, lege ich etwas aus Ihrem Besitz bei. Bitte erklären Sie Ihre Drohungen schriftlich für null und nichtig. Verstecken Sie Ihren Brief spätestens bis morgen früh um zehn Uhr unter dem steinernen Pferdetrog neben der Friedhofsmauer von St. Mary’s.

    Nun holte sie ihr Taschenmesser hervor und blätterte in den Büchern, die sie ausgewählt hatte. Oh Gott, sie fand das italienische am schlimmsten. Von einem gewissen Aretino illustriert. Ist so etwas anatomisch überhaupt durchführbar? Schließlich schnitt sie eine Seite heraus, ohne sie genauer zu betrachten, und faltete sie mit dem Brief zusammen. Dann verschloss sie ihn mit einer mitgebrachten Siegelmarke, schrieb Palfreymans Namen darauf und schob ihn in eine Innentasche ihrer Jacke. In einer anderen Tasche verstaute sie die drei schmalen Bände, bevor sie die Bibliothek verließ und durch das kleine Fenster hinauskletterte.

    Der Abstieg an den Efeuranken fiel ihr leicht. Geduckt lief sie an der Hausmauer entlang zum Vordereingang und warf die Nachricht in den Briefkasten. Mit langen Schritten eilte sie zur anderen Seite zurück.

    Im strömenden Regen kämpfte sie sich zwischen Flieder- und Rosenbüschen hindurch. Erst nachdem sie die Grenzmauer überwunden hatte, atmete sie erleichtert auf und gratulierte sich selbst zu ihrem Erfolg.

    Während Damian Beaumaris durch den Wald ritt, rann der Regen von den drei Schulterumhängen seines langen Mantels über die Flanken seines großen braunen Wallachs hinab. Davon ließ sich Beaumaris, den seine Freunde Beau nannten, nicht beirren. Vor zwei Wochen hatte er an Palfreyman geschrieben und ein sofortiges Treffen in London verlangt. Das hatte der Mann mit der Ausrede abgelehnt, sein schlechter Gesundheitszustand hindere ihn daran, seinen Landsitz in Oxfordshire zu verlassen. Daraufhin hatte Beau seinen tüchtigen Sekretär Nathaniel Armitage beauftragt, Palfreyman anzukündigen, sein Herr würde nach Oxfordshire reisen und am 13. Juni um vier Uhr nachmittags in Hardgate Hall eintreffen.

    Armitage hatte eingewendet, der 13. Juni sei ein Freitag. Aber Beau hatte betont, in seinem Leben spiele der Aberglaube keine Rolle. Nach diesem Gespräch mit seinem Sekretär hatte er allerdings überlegt: Hugh Palfreyman, den er für einen feigen, tückischen Schurken hielt, würde in dem Datum wohl ein böses Omen sehen.

    Am Morgen des 12. Juni war Beau in seiner brandneuen Reisekutsche aufgebrochen, die William Barry, sein treuer Fahrer, voller Stolz gesteuert hatte. Die Nacht hatten sie im Greyhound Hotel in Reading verbracht und am nächsten Morgen die Reise mit frischen Pferden fortgesetzt. Beau

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