Zweierlei Dreiheiligen: Erinnerungen an Innsbruck
Von Monika Fabjan und Georg Fabjan
()
Über dieses E-Book
Zwei AutorInnen plus ein Stadtteil ergibt Dreiheiligen: Monika Fabjan und ihr Sohn Georg Fabjan werfen einen ganz persönlichen Blick auf diesen schönen Teil Innsbrucks. Ihre Betrachtung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven verspricht abwechslungsreiche Geschichten mit Geschichte: von der Kohlstatt über das Dreiheiligen der Nachkriegszeit bis hin zum jungen, urbanen Viertel der 2000er Jahre. Die Erinnerungen aus unterschiedlichen Epochen spannen einen weiten Bogen. Sie umfassen insgesamt drei Generationen Familiengeschichte und fast hundert Jahre Dreiheiligen.
Ähnlich wie Zweierlei Dreiheiligen
Titel in dieser Serie (18)
Kindheit in Pradl Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEine Million Kilometer durch Innsbruck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOlympisches Dorf: Kleinstadt im Weltdorf Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKindheit in Hötting Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWahre Kriminalgeschichten aus Innsbruck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAufwachsen in Innsbruck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Bischöfe von Innsbruck: Paulus Rusch, Reinhold Stecher, Alois Kothgasser, Manfred Scheuer, Hermann Glettler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKindheit im Saggen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErich Landauer: Barfuß durch Innsbruck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPfingstrosen am Sieglanger: Geschichte einer Innsbrucker Familie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAmraser: Schnelle Geschichten vom langsamen Erwachsenwerden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKindheit in Igls Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch war ein Reichenauer Rattler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZu die heiligen Schindln: Das Altstadt-Buch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZweierlei Dreiheiligen: Erinnerungen an Innsbruck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAufwachsen am Bergisel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer "Ziegelstadl" und ich: Erinnerungen eines Gefängnisdirektors Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Innsbrucker Western: Die Eroberung der Höttinger Au Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnliche E-Books
Ich hab gelebt: Erinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWo kommt ihr denn wech?: Kindheit und Jugend in Ostwestfalen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBergstraße: Eine Kindheit in der Nachkriegs-Eifel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErzählungen über das Erleben und Begegnen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGedankensplitter: Ein Schweizer in Potsdam Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMühlenstraße 12: oder Meine "wilden Fünfziger Jahre" in Peine Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSie nannten mich Mimi: Romanbiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOsterode und Hannover waren mir nie so nah!: Eine Lebensgeschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHelga aus Swinemünde: Erinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBevor ich's vergessen könnte: Ein Bericht aus meiner Zeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeg von hier! Teil I: Vom langsamen Ende einer Jugendbewegung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAmraser: Schnelle Geschichten vom langsamen Erwachsenwerden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFamilie W. aus Stettin: Von 1935 bis 1954 Stellvertretend für viele Familien mit ähnlichen Biographien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Halbtagsfrau: Mein langer Weg ins richtige Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Leben: Vom Stadtkind zur Bauersfrau Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLumpenball: Historischer Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKönigin der Landstraße: Meine Jahre auf der Walz Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDurch dick und dünn: Aus dem Leben von Ursi und Dani Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch gehe den Weg meiner Sehnsucht bis zum Ende: Der lange Weg einer Künstlerin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Großvater meiner Mutter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Pianistin von Wien: Eine Geschichte von Überleben, Liebe und Musik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAm Wege Oins oms andr': Essays, Erzählungen, Briefe, Gedichte, Rezepte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAls noch Kartoffelfeuer brannten: Eine Kindheit im Ahrntal Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHöhere Tochter, Weltkrieg und Inflation: Erinnerungen aus dem alten Dresden 1900 bis 1925 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch, der Küster von Zwingenberg - Ein einfaches, aber interessantes Leben: 1931 - 2015 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Kinder der Dienstmagd Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFür mich bist du tot: Zerstörte Illusionen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWie Abdrücke in feuchtem Sand: Erinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHopfenduft und Butterbrezel: Karlsruher Kinder erzählen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Persönliche Memoiren für Sie
Unterm Rad Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Gesammelte Werke: Romane, Kurzgeschichten, Memoiren und Humoristische Reiseerzählungen: Tom Sawyer + Huckleberry Finn + Leben auf dem Mississippi + Meine Reise um die Welt + Im Gold-und Silberland + Querkopf Wilson + Unterwegs und Daheim + Biografie von Mark Twain und viel mehr Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSternstunden der Menschheit: Historische Miniaturen. Klassiker der Weltliteratur Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Welt von Gestern Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Briefe an einen jungen Dichter Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Verräter ihres Glaubens: Das gefährliche Leben von Muslimen, die Christen wurden Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Wir waren keine Menschen mehr: Erinnerungen eines Wehrmachtssoldaten an die Ostfront Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ekstasen der Gegenwart: Über Entgrenzung, Subkulturen und Bewusstseinsindustrie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeorge Soros: Meine Philanthropie: Philosophie und Praxis eines Wohltäters Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Abenteuer eines Westlichen Mystikers - Band 1: Suche nach dem Guru Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Kriegstagebuch: 1949-1945 Mit den Gebirgsjägern bis in den hohen Norden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenÜberrascht von Freude: Eine Autobiografie Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Benjamin Franklins Leben: Die Autobiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenApropos Gestern: Meine Geschichten hinter der Geschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJulia Pink im Beach Club St.Tropez Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie wichtigsten Psychologen im Porträt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers - Das goldene Zeitalter der Sicherheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenScivias - Wisse die Wege: Die Visionen der Hildegard von Bingen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGedanken und Erinnerungen: Die Autobiografie von Otto von Bismarck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGoethe: Italienische Reise Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSelbstbiographie: (Geschäftsmann, Archäologe und Entdecker von Troja und Mykene: Die Lebensgeschichte eines aussergewöhnlichen Mannes) Abbildungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMeine Real Life Story: und die Sache mit Gott Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie verlorene Generation: Gespräche mit den letzten Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHenri Nouwen - Mit Leidenschaft für das Leben: Vorwort von Anselm Grün Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenManfred Krug. Ich bin zu zart für diese Welt: Tagebücher 1998 – 1999 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeavenly Man: Die atemberaubende Geschichte von Bruder Yun - Aufgeschrieben von Paul Hattaway Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Seelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Zweierlei Dreiheiligen
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Zweierlei Dreiheiligen - Monika Fabjan
Monika und Georg Fabjan
Zweierlei Dreiheiligen
Band 18
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Vorwort
Zu Hause in Dreiheiligen
Bei den Großeltern
Die frühen 1950er Jahre
Abenteuerspielplatz in Ruinen
Fensterschauen
Die Kreise weiten sich
Geschäfte und die nähere Umgebung
In den Straßen von Dreiheiligen
Jahnstraße
Dreiheiligenstraße
Weinhartstraße und König-Laurin-Allee
Grillparzerstraße
Zeughausgasse
Kapuzinergasse
Sebastian-Scheel-Straße und Erzherzog-Eugen-Straße
Schulen
Die Erstkommunion
Die Pfarre
Das Zeughaus
Museum oder Veranstaltungsort
Kultur und andere Lustbarkeiten
Die Siebenkapellenkirche
Theatralisches Dreiheiligen
Das Kolpinghaus
Z6
Nachtleben in Dreiheiligen
Das Weli und andere Bögen
Der Viadukt
Schlusswort
DANK
Monika Fabjan und Georg Fabjan
Die Autorin und der Autor
Impressum
Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag
Foto_02.jpg(© Foto: David Lederbauer)
Für alle Nachkommen der Familie Lederbauer,
insbesondere für Olivia
Vorwort
Erinnerungen sind etwas ganz Besonderes. Erinnerungen sind immer subjektiv, denn ich erinnere mich nur an meine Beobachtungen, meine Erfahrungen, meinen Blickwinkel. Mit den Erinnerungen kreiere ich eine neue, meine Wirklichkeit. Und trotzdem bleibt das Bemühen, möglichst objektiv, möglichst genau den Gegenstand zu beschreiben, das Ereignis, welches ich aus der Vergangenheit in die Gegenwart holen will. Ich erinnere mich an eine Auseinandersetzung zwischen meiner Mutter und ihrer Schwester über ein Ereignis aus ihrer Vergangenheit. Sie hatten durchaus unterschiedliche Erinnerungen. Das Argument „Ich war da ja dabei wurde sofort widerlegt mit dem Ausruf: „Ich ja genauso!
Obwohl das so ist, dass wir uns unterschiedlich erinnern, stelle ich mein Dreiheiligen vor. Ruinen und Wiederaufbau sind Tatsachen, die diesen Stadtteil besonders geprägt haben. Es ist die Geschichte von konstanter Veränderung und trotzdem heimatlichen Gefühlen.
Und dabei ist nicht einmal ganz klar, wie die Grenzen von Dreiheiligen verlaufen. Da ist die Katastralgemeinde, die die Grenze entlang der Viaduktbögen zieht, aber im pfarrlichen Bereich, da geht es durch den Viadukt hindurch, so weit z. B. die Dreiheiligenstraße reicht, da wird die Kapuzinergasse auch nicht getrennt, nur weil ein Viadukt darüber hinwegführt. Dreiheiliger, Dreiheiligerin zu sein, das hat weniger mit Grenzen zu tun als mit dem Gefühl der Zugehörigkeit. Da bin ich eben zu Hause, da kenne ich Menschen, da treffe ich Freunde.
„Im Pfarrsaal von Dreiheiligen bieten sie einen Workshop an, der auch dich interessieren könnte. Willst du mit mir hingehen?"
„Ja, schon, aber wo ist Dreiheiligen?, fragt mich eine Freundin. „Wie komme ich dorthin?
Ja, wie erkläre ich Dreiheiligen, den Stadtteil, mit dem mich so viel verbindet, in dem ich aufgewachsen bin? Irgendwie ist es ein Wurmfortsatz der Innenstadt, heutzutage deutlich abgetrennt durch den Bahnviadukt und eingezwängt zwischen Bahn und Sill.
Dreiheiligen ist die alte Kohlstatt, das mittelalterliche Gewerbegebiet der aufstrebenden Stadt Innsbruck, da, wo die Köhler für Energie sorgten, wo der so viel gerühmte und zitierte Kaiser Maximilian seine Kanonen gießen oder zumindest aufstellen ließ und sie dann im dort aufgebauten Zeughaus lagerte. Da waren Handwerksbetriebe tätig, die ihre Energie aus den diversen von der Sill abgezweigten Kanälen bezogen, da wurde später das Pestlazarett gebaut, als im frühen 17. Jahrhundert die Pest in Innsbruck wütete. Und als diese besiegt war, da bauten die dankbaren Innsbrucker eine Kirche, die den drei Pestheiligen Sebastian, Pirmin und Rochus geweiht wurde – eben den drei Heiligen, die der Kirche und dann in Folge auch dem umgebenden Gebiet den Namen gaben.
„Und warum sind dann vier Heilige vorne am Mosaik abgebildet?", fragt mich, nicht unverständlich, meine Freundin.
Man wollte den Heiligen Alexius aus der nahen Siebenkapellenkirche nicht einfach ausquartieren, als diese Kirche geschlossen wurde, und so wurde der Heilige einfach in die Gruppe der drei integriert und steht friedlich seit 200 Jahren als Vierter im Bunde, bereit, seine schützende Hand über diesen Stadtteil auszustrecken.
So ist eben Dreiheiligen, etwas unlogisch, etwas inhomogen, aber immer bereit, Neues zu integrieren. Ein Stadtteil im Zentrum, im Herzen von Innsbruck, aber doch etwas verlassen und ausgegrenzt – zumindest, was die Anbindung an Öffis betrifft. Ein Stadtteil, der im 19. Jahrhundert als Siedlungsgebiet für die bessere Gesellschaft entdeckt wurde, was die vielen schönen Häuser der Gründerzeit bis heute bezeugen, und der trotzdem die Kohlstatt blieb. Dreiheiligen – das ist eine Erfahrung, ein Abenteuer für Generationen.
Zu Hause in Dreiheiligen
Ich kam als Dreijährige 1949 nach Dreiheiligen – und zwar in jene Wohnung, in der schon mein Vater aufgewachsen war. Das Gebäude in der Jahnstraße 25 war eines jener Häuser, die in der Gründerzeit errichtet wurden. Das bedeutete schöne, hohe Räumlichkeiten, unebene Böden, kaum gerade Winkel und primär auch ohne Bad. Aber schon der Großvater ließ vor dem Ersten Weltkrieg ein Bad einbauen mit einer schönen gusseisernen Badewanne, die natürlich emailliert war, und einem Boiler, der mit Holz beheizt werden musste, um warmes Wasser zu bekommen. Nach dem Tod der Großmutter kamen wir dorthin, heraus aus einer engen Wohnung in der Altstadt.
Diese Wohnung in der Jahnstraße 25 wurde hundert Jahre von meiner Familie bewohnt. Meine Großeltern fanden hier ihr Zuhause. Mein Großvater war Offizier bei den Kaiserjägern. Damals bedeutete das, dass man ein standesgemäßes Leben führen musste, andernfalls durfte ein Offizier beispielsweise nicht heiraten. Ein standesgemäßes Leben führen hieß, man brauchte zumindest ein Dienstmädchen und einen Offiziersburschen. Das war vom einfachen Sold eines Offiziers nicht machbar und so war es wichtig, dass entweder eigenes Vermögen vorhanden war – was beim Großvater nicht der Fall war – oder die Frau das Geld mitbrachte. Da war es schon gut, dass er bei seiner Frau nicht nur Liebe, sondern auch Geld fand. Sie war eines von acht Kindern und entstammte einer Familie, die in Niederbayern eine Brauerei betrieb. So wuchs mein Vater in dieser Wohnung auf, betreut vom besagten Dienstmädchen und auch einem Burschen, und er erinnerte sich, dass ihn dieser mit der Rodel durch die Straßen Dreiheiligens gezogen hatte. Vor den Fenstern der Wohnung, Richtung Kapuzinergasse, floss damals noch ein Sillkanal und da passierte es schon, dass man beim Ausbeuteln von Decken oder einer Tischdecke manchmal Sachen in den Kanal schüttelte, die dort nichts zu suchen hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg war es aus mit der Offizierslaufbahn und damit aus für den Burschen. Aber das Dienstmädchen konnte bleiben. Dieses hätte auch auf die Kinder im Haus schauen sollen, was nicht immer leicht war und mitunter die Familie in helle Aufregung versetzte: Mein Vater erzählte, dass er sich einmal als kleines Kind unter einen Tisch gelegt hatte und dort eingeschlafen war. Im selben Zimmer war auch das Fenster zum Kanal offen. Als die Mutter kam, den Buben zu holen, und ihn nicht fand, begann eine hektische Suche. Inzwischen war mein Vater aufgewacht und blieb unter dem Tisch liegen, weil es für ihn lustig war, dass alle nach ihm suchten. Als sie dann noch in banger Erwartung aus dem Fenster schauten, ob er womöglich gar in den Kanal gefallen sei, da musste er laut lachen und wurde so auch endlich gefunden.
In eine Wohnung einziehen, wo schon die Eltern und Großeltern einiges erlebten, das heißt auch, ihre Geschichten zu erben, sie besser zu verstehen. So war es jedenfalls für mich in der Jahnstraße. Als ich auszog, meine eigene Familie in einem anderen Stadtteil hatte, da kamen wir alle meistens einmal in der Woche in die Jahnstraße zu den Eltern auf Besuch und die Familie blieb der Wohnung und auch dem Stadtteil verbunden. Und nicht nur Kinder und Schwiegerkinder kamen gern, auch die Enkel. Die Wohnung in der Jahnstraße war ein offener Ort, wo sich immer viele Leute trafen, aus dem In- und Ausland. Meine Eltern waren immer großzügige Gastgeber und ließen alle Menschen sich willkommen fühlen in dieser Wohnung.
Wenn andere Familien einen Notfall hatten, wenn etwa deren Mutter erkrankt war, half meine Mutter, ohne lange zu zögern, und nahm gerne Kinder bei uns auf. So gab es immer viele Kinder bei uns und auch Schulfreundinnen und Freunde kamen gerne, um bei uns zu spielen, sich einfach wohl zu fühlen. Und als wir im Teenager-Alter waren, gab es regelmäßige Treffen mit vielen Gleichaltrigen. Da wurde gespielt, erzählt, diskutiert und auch viel gesungen. Mein Bruder komponierte immer wieder neue Lieder und wir alle waren dann eingeteilt, diese Lieder zu erlernen, aufzuführen. Selbstverständlich waren die damaligen Größen der Popmusik auch im Repertoire und wir waren perfekt in der vielstimmigen Wiedergabe von Beatles-Songs. Aber auch Lieder der Renaissance, des Frühbarocks – viele verschiedene Madrigale eben – wurden bei uns gerne gesungen. Diese musikalische Tradition wurde dann mit unseren Kindern weitergeführt. Meine Mutter forderte uns stets dazu auf mit dem wohlbekannten Stehsatz: „Singt was Schönes!" So blieb Dreiheiligen auch ein Zuhause, als alle Kinder längst in andere Stadtteile gezogen waren. Nur meine Schwester mit ihrer Familie kam wieder nach Dreiheiligen zurück und hält so die Familientradition in diesem Stadtteil aufrecht.
Foto_03.jpgDie Jahnstraße 25, ein Haus mit hundertjähriger Familiengeschichte.
(© Foto: David Lederbauer)
Bei den Großeltern
Für einige ist der Sonntag der Tag des Herren, für mich war er immer der Tag der Oma. Während meiner gesamten Kindheit, aber später auch während der Jugendzeit, eigentlich überhaupt, bis meine Oma verstorben war, galt für mich: Sonntag ist Omatag. Genauso, wie es für andere einst „Mittwoch ist Substraltag oder gar „Wahltag ist Zahltag
lautete – mit dem großen Unterschied, dass es für uns kein unglaubwürdiger Werbeslogan war. Wir hielten uns konsequent an dieses lieb gewonnene Ritual. Wobei mit „wir meine Schwestern und ich ebenso gemeint sind wie alle meine Cousins und Cousinen und wobei „Omatag
natürlich zu kurz gegriffen ist, denn die ganze Familie besuchte nicht nur Oma, sondern auch den dazugehörigen Opa in Dreiheiligen. So war es, seitdem ich denken und mich erinnern kann. Jeden Sonntag kamen wir in das Haus in der Jahnstraße 25, in die geräumige Altbauwohnung im ersten Stock. Nicht, weil es über all die Jahre zur nicht mehr wegzudenkenden Gewohnheit geworden war, und schon gar nicht, weil wir mussten, sondern weil wir schlichtweg gerne kamen. Wir mochten unsere Oma und unseren Opa sehr, wir schätzten und achteten sie und umgekehrt war es genauso. Die Großeltern ließen die gesamte Großfamilie spüren, dass sie uns mochten, so, wie wir eben waren, jede Einzelne und jeden Einzelnen. Wir dankten es ihnen gewissermaßen, indem wir ihre Wohnung, die uns am Sonntagnachmittag immer offenstand, belebten. Sie wurde zum turbulenten Treffpunkt von Cousins und Cousinen, Onkeln und Tanten – 14 Personen stets unter der Schirmherrschaft von Oma und Opa. Die beiden saßen auf ihren seit gefühlt hundert Jahren angestammten Plätzen und beobachteten das Geschehen und das Treiben ihrer Enkelkinder oft aus dem Hintergrund. Der große thronartige Barockstuhl von Opa, der in der Ecke des Wohnzimmers neben dem alten Meller-Ofen und unter einem wuchtigen Ölgemälde aufgestellt war, verlieh dem Stammplatz die entsprechende Würde und Opa zusätzliches Ansehen. Von den Stammplätzen erhoben sich die beiden nur, um bei der Jause für Nachschub zu sorgen, um Tee oder Kaffee zu holen oder wenn es an der Wohnungstüre klingelte und sich dadurch weitere Sonntagsgäste ankündigten. Dann machten sich Oma oder Opa auf den Weg durch den schier endlos scheinenden Gang, um die Gäste in Empfang zu nehmen. Ich erinnere mich gut an dieses Ankommen bei Oma und Opa. An das Parken des Autos vor dem großen Haus, auf dessen Mauer ein mächtiges Wappen aufgemalt war, an den metallenen Stiefelknecht links am Absatz vor der schweren Eingangstüre, an den aus massivem, glattem Holz geschnitzten Handlauf und an die Türe hinter der Türe – wenn man einige Treppen hinaufgestiegen war, musste man nämlich durch eine Doppelschwingtüre, an der eindrucksvolle goldfarbene Griffe aufblitzten. Wenn man durch diese Schwingtüre hindurch war, hörte man meist schon das lebhafte Geschehen, das aus der offenen Wohnungstüre der Großeltern einen Stock höher drang, oder man hörte gleich Oma oder Opa, die einem vom ersten Stock aus eine Begrüßung zuriefen. Ich erinnere mich dunkel an ein altes Foto, das beinahe so alt sein muss wie ich. Auf diesem ist zu sehen, wie meine Großmutter vor ihrer Türe in die Knie geht und geduldig wartet, bis ich, der ich gerade das Gehen halbwegs erlernt hatte, mich langsam Stufe für Stufe die alten Steintreppen wankend nach oben gekämpft habe, um mich dort freudestrahlend in die Arme zu nehmen. Aber nicht nur das Haus in der Jahnstraße an sich und dessen Eingangsbereich wirkten auf mich als Kind