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Pfingstrosen am Sieglanger: Geschichte einer Innsbrucker Familie
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Pfingstrosen am Sieglanger: Geschichte einer Innsbrucker Familie
eBook180 Seiten1 Stunde

Pfingstrosen am Sieglanger: Geschichte einer Innsbrucker Familie

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Über dieses E-Book

Eine Reise in die Vergangenheit Innsbrucks - lebendig in persönlichen Erinnerungen!

Erinnerungen, ob gut oder schlecht, begleiten jeden Menschen. Mit den Straßen und Gassen Innsbrucks verbindet jeder seine ganz persönliche Geschichte. Unsere Erinnerungen verbinden wir mit Räumen, Büchern, alten Bildern, Düften, Farben und den Lebensgeschichten, die uns die Stimmen unserer "Vorangegangenen" zuflüstern.
Susanne Leoncino erzählt die Lebensgeschichte ihrer Großeltern. Die Episoden aus deren Leben ereigneten sich in einem Zeitbogen ab 1916 bis in die frühen 1960er Jahre. Erlebnisse, die sich während und zwischen den beiden Weltkriegen abspielten und die mit damaligen Lebensumständen zwischen Frohsinn, Lebensmut und Tragik berühren.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Feb. 2020
ISBN9783703065132
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    Buchvorschau

    Pfingstrosen am Sieglanger - Susanna Leoncino

    ERINNERUNGEN AN INNSBRUCK

    Band 10:

    Susanne Leoncino

    Pfingstrosen am Sieglanger

    Inhaltsverzeichnis

    Cover

    Titel

    VORWORT

    KRIEG UNTER STERNEN

    WEITERLEBEN

    GASSENHAUER

    DIE WALDHÜTTE

    WALDLICHT

    GEISTERSCHATTEN

    DRACHENBRUT

    NOCH EINMAL EIN LETZTES AUFGEBOT

    UNTERDRÜCKUNG

    BOMBER

    BEFREIUNG

    G.I.S

    SCHULD UND AUFBAU

    DER LETZTE GRABEN

    SEHNSUCHT

    ANMERKUNGEN

    Susanne Leoncino

    Zur Autorin

    Impressum

    E-Books der Reihe „Erinnerungen an Innsbruck"

    VORWORT

    Diese Aufzeichnung ist meinem Großvater, meiner Großmutter und ihrer Zeit gewidmet, die aus heutiger Sicht betrachtet wie ein auswegloser Tunnel erscheint.

    Und trotzdem waren ihre Tage von einer positiven Grundeinstellung und viel heiterem Optimismus geprägt, durchzogen von Harmonie mit der Natur, von Liebe und Respekt, Aufmerksamkeit und Behutsamkeit gegenüber ihren Kindern und gegenüber den Menschen, die sie umgaben.

    Dies ist weder eine geschichtliche Abhandlung noch eine Heldenerzählung, außer man bewertet das einfache Leben als große Aufgabe und das Glück der kleinen Freuden als höchstes Ziel einer erfüllten Existenz.

    In diesen Zeilen schwingt der Geist meiner Mutter mit, der erstgeborenen Tochter von Edi und Josefine, deren Erzählungen dieses Buch möglich machten.

    Ein Buch für alle, die weiter an das menschliche Zusammenwirken glauben wollen, in Innsbruck und sonst wo.

    KRIEG UNTER STERNEN

    Schremm, schramm, schremm, schramm, schremm … der eintönige Widerhall begleitete die groben Militärstiefel bei ihrem Aufstieg über die schottrigen Wege der Alpentäler.

    Schremm, schramm, schremm, schramm, die Steine speckten links und rechts weg, schremm, schramm, ein banales Geräusch, das Tausende von Soldaten im Rhythmus hielt bei ihrem Marsch vorbei an lieblichen Almlandschaften, hinauf zu den felsigen Höhen, die sich bizarr gegen einen violetten Septemberhimmel abzeichneten. Ein einlullender Gleichschritt, der sie als Individuen abschaffte, um sie fortan als Molekülteilchen einer bislang unvorstellbaren Vernichtungsmaschinerie zu gebrauchen.

    Ein Geräusch, das nichts von der schwerwiegenden Tragweite des Aufmarsches erahnen ließ, der nicht nur die Landesgrenzen verschieben, sondern auch die bisherigen Lebensfixpunkte aus den Angeln heben sollte.

    Es war früher Herbst, und nach der letzten Sommermahd lag noch die würzige Heuluft über den Hochwiesen, gesäumt von Kiefern und Latschenbäumen, hinter denen man zu den karstigen Bergspitzen gelangte. Die sonst eher beschauliche Zeit der Vorbereitung auf den Winter wurde durch die endlosen Truppenverschiebungen in den Alpenhochtälern aufgewühlt.

    Die Bataillons waren in Windeseile von anderen Fronten hierher versetzt worden, und der Landsturm hatte alles, was ein Gewehr halten konnte, zusammengetrommelt, von den Veteranen bis hin zu den jungen Burschen. Blutjunge Burschen, kaum 16 oder 17 und auch jünger, aufgestachelt in ihrer Begeisterung, das eigene Leben zu opfern für einen Zweck, der ihnen nicht klar war, gegen einen Feind, den sie erst von den Plakaten her kannten, die sie zur Heimatverteidigung aufriefen.

    Was bis gestern ein Räuber- und Gendarmspiel in grauen Hinterhöfen war, wurde nun zum heldenhaften Einsatz für Gott, Kaiser und Vaterland.

    Endlich war der Moment gekommen, am wirklichen Leben teilzunehmen, sich in richtigen Kämpfen zu messen, den richtigen Kriegshelden nachzueifern und vielleicht auch „richtig" zu sterben.

    Alle waren ohne Zögern dem Aufruf zum Landsturm gefolgt, ein letztes Aufgebot, den Feind aufzuhalten. Es galt den Heimatboden zu verteidigen; plötzlich wurde ein jeder zum Mann, der den letzten Tropfen Blut zur Verteidigung der Landesgrenzen opfern würde, so wie es Generationen von Vorvätern getan hatten, die dem Tiroler Landlibell verpflichtet waren.

    Ihre noch so jungen Stimmen vereinten sich in Kampf- und Heimatliedern, wohl um die Angst vor der Ungewissheit zu verjagen und um in ihnen den stolzen Kampfgeist zu erwecken, der sie in Selbstverachtung gegen die feindlichen Linien rennen ließ.

    Nach stundenlangem Aufstieg erreichten die kaiserlichen Scharfschützen die ersten Vorposten, hinter denen die Kampfgräben verliefen. Ihre blaugrauen Uniformen verschwanden vor den Felswänden, nur die Spielhahnfedern auf ihren Hüten blitzten vor dem eintönigen Hintergrund auf, so wie die Bajonnette, die weit über ihre Köpfe hinausragten.

    Es blieb nicht viel Zeit für Rast oder Verköstigung und schon gar nicht, um sie in Kampfstrategie oder Verteidigungstaktik einzuführen; aus nicht allzu großer Ferne tönten die trockenen Einschläge der feindlichen Mörser.

    Alles, was es brauchte, um abzudrücken, hatten sie in einem Schnellverfahren im Kasernenhof mit den zur Verfügung stehenden Gewehren gelernt, und schon mussten sie sich durch die in Fels und Eis gehauenen Gänge den Feindesstellungen nähern.

    Mit jedem Schritt wurde das Dröhnen der Kanonen durchdringender, jeder Einschlag durchfuhr die Knochen und erschütterte den jugendlichen Mut, der sie bis hierher geführt hatte.

    Es war ein gnadenloser Zusammenprall mit der unerbittlichen Realität eines entsetzlichen Kampfes, der sie aus den heilen Tagen der gesicherten und vertrauten Abläufe ihrer Kindheit in eine Vorstufe zur Hölle katapultierte.

    Sie hatten schnell gelernt, in den schulterhohen Gräben den Kopf einzuziehen, Schutz suchend vor den ununterbrochenen Granateneinschlägen und den gezielten Schüssen der feindlichen Standschützen.

    Die älteren Soldaten erschienen müde und abgekämpft von den unablässigen Feuergefechten, ausgehöhlt von täglichen Gräueln, ergeben an die Gedanken der Ausweglosigkeit dieses Krieges und der stets präsenten Wahrscheinlichkeit, nie mehr lebend von diesem Berg herabzusteigen.

    Auch die fast rührend erschrockenen Gesichter der Neuankömmlinge bewirkten keine Gefühlsregung und sicher kein Mitleid in ihnen. „Frisches Kanonenfutter" war die geringschätzige Bezeichnung für die jugendlichen Kämpfer, die zuerst zu Hilfsdiensten für die Soldaten herangezogen wurden, zu Botengängen zwischen den Schützengräben und den Hilfsstellungen, Nachreichen der Munition, Nachschub an Essen und Zigaretten.

    Doch schon bald gab es keinen Unterschied mehr zwischen Rekruten und Kampferprobten. Die Heftigkeit der Angriffswellen ließ keinerlei Verschnaufpause zu, selbst die Angst machte der hitzigen Beschäftigung im Graben Platz.

    Die ersten Tage verliefen in dieser fiebrigen Hast bürokratisch geregelter Kriegsabläufe, die nur durch wenige und kurze Schlafpausen unterbrochen wurden. Ein Schlaf, der wie eine gnädige Zufluchtsstätte war, der einzige Zustand, der erlaubte, sich aus diesem Gräuel zu entfernen und zu sich selbst zurückzukehren.

    Bald würden auch diese Halbkinder die weichen Züge ihres jugendlichen Alters verlieren, und die tiefen Falten um ihre Mundwinkel würden sich verhärten, bis sie wie die Felsdriften aussahen, die von den umliegenden Bergspitzen abfielen. Ihre Augen würden den träumerischen Glanz jugendlicher Vorstellungskraft einbüßen und den Spiegelbildern gesehenen Grauens weichen. Keiner würde je mehr im Stande sein, die gellenden Schreie der zerfleischten Kameraden zu vergessen noch den Krampf in der Kehle zu lösen, wenn ein Sterbender bat, die Seinen zu umarmen.

    Nächtens wurde Wache geschoben, schon gab es eisige Fröste. Die Runden in den Schützengräben wurden zur Herausforderung, die kalte Luft, die sich bis auf die Haut durchbiss, ließ einen baldigen Wintereinbruch vorausahnen.

    Der junge Bursch, der sich mit eiligen Schritten in einem monotonen Auf und Ab vor der Kälte zu schützen suchte, war Jahrgang 1899, 16 Jahre alt. Er war nicht besonders groß gewachsen, aber sein Körper war gut und drahtig gebaut, er hatte volles dunkelblondes Haar, das seine wunderschönen blauen Augen noch ausdrucksvoller erschienen ließ, und seine weichen Lippen verrieten ein sensibles Gemüt.

    Wie alle anderen seines Alters war er den Aufrufen zur Landesverteidigung gefolgt. Er hatte vor wenigen Monaten seine Mutter verloren, darum war ihm der Abschied von zu Hause nicht besonders schwergefallen; er entfloh dem Schmerz um den Verlust seines Elternteils und auch der Verantwortung gegenüber seinen jüngeren Geschwistern, die jetzt beim Vater aufwuchsen.

    Auch wenn seine Eltern in den letzten Jahren getrennt gelebt hatten, behielt er in seinem Herzen die wärmende Erinnerung an eine behütete und liebevolle Kindheit.

    Aus irgendwelchen nichtigen Gründen hatten sich die Eltern getrennt, nach sieben Kindern und einem langen gemeinsamen Weg. Eine Trennung ohne großen Schmerz oder Kampf und vor allem ohne den Kindern etwas von dem beschaulichen Leben, das sie im Lauf der Jahre geführt hatten, zu entziehen.

    Die Mutter war weiterhin der weiche, wärmende, wohlduftende Mittelpunkt im Leben ihrer Kinder geblieben, während der Vater bei seinen häufigen Besuchen fortfuhr, mit seinen Töchtern zu scherzen und mit seinen Söhnen im Chor zu singen.

    Der alte Herr, ein angesehener k. u. k. Gerichtsschreiber, hatte eine wunderbare feste Stimme, tief, ausholend, weitläufig wie eine Tropfsteinhöhle, und er hatte seinen vier Söhnen ebenfalls diese warmen, tragenden Stimmen vererbt, so dass die Leute an lauen Sommerabenden oft unter ihrem Küchenfenster stehen blieben, um ihren Liedern zuzuhören.

    Während er seine Wachrunde in dem eisigen Felsgraben drehte, fühlte er sich mit einem Mal in diese herrliche Zeit seiner Kindheit zurückversetzt. Vielleicht aus Sehnsucht, vielleicht aus Selbstverteidigung gegen diese von Tod und Schwärze durchsetzte Situation floh er in eine heimelige Erinnerung.

    Er hob den Blick zum Himmel. Das erste Mal, seit er an der Kriegsfront war, nahm er die Umwelt außerhalb des Schützengrabens wahr, und er betrachtete das unfassbare Sternenmeer über sich. Er empfand die Großartigkeit dieses Wunders als tröstlich, und er wurde sich der menschlichen Überheblichkeit und Unversöhnlichkeit bewusst, die mit unvorstellbaren Opfern einen Krieg ganz nah bei den Sternen platziert hatten.

    Noch nie hatte ein so grausames Ringen so direkt unterm Himmel stattgefunden, noch nie dröhnten die Kanoneneinschläge mit solcher Gewalt durch die Täler, als wollten sie den Herrgott aus seinem Schweigen reißen und sein Urteil erheischen.

    Zum ersten Mal in seinem Leben begann er vorgegebene politische Entscheidungen zu hinterfragen; er fühlte, wie er sich innerlich von den Überzeugungen, die bisher seine Vorstellungen geprägt hatten, entfernte, und vor allem wusste er, dass dies nicht der Weg seiner Bestimmung sein konnte. Er wollte mit all seinen Kräften dafür kämpfen, heil aus

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