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Seelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer
Seelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer
Seelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer
eBook189 Seiten2 Stunden

Seelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer

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Über dieses E-Book

Anja ist dreizehn, geht in die achte Klasse und es kursieren demütigende und bloßstellende Fotos und Videos von ihr an der Schule.
Alina und ihre Clique haben es auf sie abgesehen. Anja wird gemobbt und misshandelt und niemand scheint sich darum zu kümmern.

Beschimpfungen, Prügel, Tritte, Drogen und Gewalt - Anja wird zum Spielball ihrer Klassenkameraden. Ihr Leben wird zu einem Spießroutenlauf, einem Teufelskreis an dessen Ende nur eines steht: Eine vernichtete Seele.

Corinna Engel und Christian Kaiser haben aus den Berichten des Opfers eine eindringliche und schockierende Collage gearbeitet, die das Schicksal eines Mobbingopfers in nie gekannter Deutlichkeit portraitiert.
SpracheDeutsch
HerausgeberUBOOKS
Erscheinungsdatum23. Apr. 2013
ISBN9783939239628
Seelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer

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    Buchvorschau

    Seelenvernichter - Corinna Engel

    Corinna Engel und Christian Kaiser

    Seelenvernichter

    1. Auflage März 2012

    Titelbild: Corinna Engel & Christian Kaiser

    ©opyright 2012 by Corinna Engel und Christian Kaiser

    Lektorat: Franziska Köhler

    Satz: nimatypografik

    Druck & Bindung: AALEXX Buchproduktion GmbH – www.aalexx.de

    ISBN: 978-3-939239-62-8

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder

    eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher

    Genehmigung des Verlags gestattet.

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    Ubooks-Verlag | U-line UG (haftungsbeschränkt)

    Neudorf 6 | 64756 Mossautal

    www.u-line-verlag.de

    Corinna Engel, Jahrgang 1986, brach mit 13 Jahren aus ihrem behüteten Zuhause aus. Ihre Jugendzeit verbrachte sie nach einem längeren Aufenthalt in der Psychiatrie schließlich in einer therapeutischen Wohngruppe. Nach dem Abitur begann sie, Lehramt Deutsch und Religion an der Ludwig-Maximillians-Universität in München zu studieren.

    Christian Kaiser ist Jahrgang 1982. Gemeinsam konnten sie trotz «massiver Zensurbestrebungen seitens deutscher Jugendschutz-Organisationen und staat­licher Stellen» im August 2011 ihren Bildband Heroin Kids veröffentlichen.

    Das Paar lebt gemeinsam mit seinem Hund Lola in Berlin und arbeitet mittlerweile ausschließlich an seinen Kunstprojekten.

    Ein Opfer ist dazu da, es richtig fertigzumachen, so ist das nun mal. Ein Opfer ist ein Opfer ist ein Opfer. Das Leben ist Krieg, beißen oder gebissen werden. Hass allem, was irgendwie «lämmer­mäßig» blickt – Gewalt ist geil!

    Als Kind habe ich mir immer gewünscht, ein Pony zu haben. So ein «braun-weißes», wie es auf meiner Kinderschultasche von Scout abgedruckt war. So ein typisches Indianerpferd mit langer Mähne und langen Haaren, die ihm wild in die Augen hängen, und sein Fell ist warm und kuschelig, weil wir ganz viel kuscheln, und nachmittags reite ich mit ihm aus – ich und mein kleines Indianerpony. Manchmal würde ich sicher auch einfach neben ihm im Heu einschlafen, denn wir sind die besten Freunde. Wie auch immer – ich habe nie so ein Pferd bekommen …

    Die Sektflasche

    Alina: «Komm Anja, nimm noch ’nen Schluck Wodka.»

    Tanja: «Ja, kipp’s dir rein, du gehörst jetzt zu uns!»

    Ich will eigentlich schon gar nicht mehr. Ich glaub, ich bin ganz schön betrunken, aber ich fühl mich irgendwie auch gut, irgendwie leicht. Ich nehme die Flasche, die Alina mir auffordernd vors Gesicht hält, höre Kichern um mich rum, setze die Glasflasche an den Mund und fühl mich richtig gut, mit den anderen hier zu sitzen. Es sieht aus wie Wasser, aber schmeckt scharf wie Spiritus und brennt in der Kehle. Ich gehöre jetzt dazu – so fühlt sich das also an. Wenn Taifun das jetzt nur sehen könnte, ich hier mit Alina und ihrer Clique, man das wäre total obergeil …

    Alina: «Hey Schlampe, was los?! Besoffen?»

    Yami: «Du bist doch total dicht!»

    Kichern. Alina nennt jeden Schlampe, sogar ihre beste Freundin Yami. Ich glaub, ich bin heute echt aufgestiegen!

    Tanja: «Hey, sag ma was, geht’s dir nich gut? Trink doch mal ’nen Schluck Wasser nach, dann geht’s wieder besser! Komm, trink!»

    Jemand reicht mir ein Glas und ich trinke. Igitt, SCHEISSE, das schmeckt voll scharf! Ich hab ’nen richtig großen Schluck genommen. Schmeckt wie purer Wodka. Ich muss husten – es ist purer Wodka. Um mich herum lachen alle. Ich spucke – ich pruste den Rest, den ich im Mund hab, wieder aus, mein Rachen brennt so, aber ich muss auch lachen. Ich brauch unbedingt was Normales zum Nachtrinken, und da fängt Alina an loszubrüllen: «Du dumme Fotze, kotzt hier alles aus, waaas?!»

    Meine Kehle brennt.

    «Der Scheiß kostet Geld und du kotzt es einfach so aus. Is ja nich mal dein Alk. Da lad ich dich ein und du Hurenkind, voll daneben … Du Fotze, schau dir das an, du hast meine Jeans total versaut!»

    Ihre Augen glitzern vor Zorn.

    «Du Scheißkrüppel!»

    Yami: «Du Judenkind!»

    Ich bin total durcheinander und versteh nur noch Wortfetzen. Ich muss mich jetzt unbedingt entschuldigen. Echt, mir ist das total peinlich. Warum hab ich mich nicht im Griff? Ich mach echt alles kaputt. Kein Wunder, dass Alina so sauer ist, immerhin hat sie sich für mich eingesetzt, dass ich mitkommen kann. Ich sollte ihr vielleicht ’ne neue Jeans kaufen, die war sicher teuer. Ich muss mich echt zusammenreißen, das Schlimmste wäre, wenn Alina … Also sag ich irgendwas von: «Sorry, wollt ich nich.» Hoffentlich reicht das. Mehr krieg ich nicht raus, da kommt nur so ein leises, total vernuscheltes Murmeln. Ich hab Sprachprobleme, ich hab das nicht unter Kontrolle. So kenn ich mich, ich konnte noch nie so laut sprechen wie die anderen.

    «Du scheiß Krüppelkind! Kauf mir ’ne neue Hose!»

    «Yeah, du musst jetzt Alina ’ne neue Hose kaufen. Wie viel Geld hast du dabei?»

    Yami grinst.

    «Ey und dann muss sie erst mal sauber machen. Wisch den scheiß Tisch ab! Hey, bist du behindert, du Krüppel?»

    Tanja lacht laut. Alina schmeißt mir das dreckige Tischtuch ins Gesicht und für einen Moment sehe ich nichts mehr. Das Tuch stinkt nach vergammelten Essensresten. Warum macht sie das? Tut mir ja leid mit der Jeans und so, aber sie muss ja nicht gleich so fies sein. Warum macht mich das gerade so scheißwütend?! Ich weiß doch, dass Müll zu Müll gehört. Außer­dem, was hab ich denn erwartet? Dass ich gleich die Königin der Clique hier bin? Dass ich vielleicht sogar Alinas beste Freundin werden könnte? Und dann höre ich mich plötzlich sagen: «Fick dich doch!»

    Es rutscht mir einfach so raus. Scheiße – warum hab ich das gesagt?! Ich bin so eigentlich gar nicht, ich weiß auch nicht … aber zu spät. Ich sehe Alinas Augen funkeln vor Zorn – oder ist es Freude? Und plötzlich hab ich ’ne Scheißangst, und ich erschrecke, als mir nasses, kaltes Bier ins Gesicht klatscht. Alina hat mit voller Wucht das Bierglas in mein Gesicht geschüttet und schreit mich an: «Du dreckige Hure!»

    Für einen Moment hoff ich, dass es das war, dass es jetzt aufhört, aber da steht Alina auch schon auf und tickt richtig aus.

    «Du Opfer traust dich, mich zu beleidigen?»

    Und im nächsten Moment spür ich schon die Schmerzen von ihrem Schlag in meinem Gesicht. Eigentlich hab ich immer gedacht, wenn man betrunken ist, na ja, dass man dann keine Schmerzen spürt, aber das tut richtig beschissen weh. Ich schmecke Blut in meinem Mund … Ich weiß noch gar nicht richtig, was passiert ist.

    «Sag noch mal ‹Fick dich, du Fotze›.»

    Alina schubst mich, die anderen kichern gespannt.

    «Was hast du da gerade gesagt?!»

    Alina schreit jetzt.

    Ich will einfach nur noch, dass es aufhört, dass sie mich in Ruhe lassen. Ich versuch mich jetzt auszuklinken – KLINK – und ich bin gar nicht mehr richtig da. Macht mit mir, was ihr wollt! Das ist fast so, als würde ich mir zuschauen, aber diesmal funktioniert es irgendwie nicht so recht. Alinas Gesicht ist direkt vor mir. Ich sehe ihre blauen, mit schwarzem Mascara­ und rosa Lidschatten geschminkten Augen, ihre ­goldenen Kreolen baumeln an ihren Ohren und glitzern. Sie sieht mich so fordernd an, sie ist so hübsch, ich würde alles dafür geben, so auszusehen wie sie, so zu sein wie sie.

    Ich weiß, sie wartet auf eine Antwort, aber ich bring keinen Ton raus, ich spür die Schweißperlen auf meiner Stirn – oder ist es Bier? Wie ich da so sitze, ich sehe sicher aus wie ein hässliches, schwitzendes Schwein. Und dann noch ein Schlag. Sie schubst mich an den Schultern und zerrt mich irgendwie hoch und alles dreht sich und die anderen sind auch da und Tanja hält mich fest. Ich glaub, dass ich ziemlich betrunken bin.

    Tanja: «Die ist doch total besoffen.»

    Yami: «Ey, schaut sie euch mal an, die kann nich mehr stehn.»

    Ich taumle und dann trifft mich noch ein Schlag auf meine Wange. Ich will weg. Ich versuch, mich irgendwie zu befreien, irgendwie mein Gesicht wegzudrehen, aber überall zerrt irgendwer an mir. Tanja zieht mich von hinten an den Schultern zurück und ich kippe um, da packt Alina meine Haare, als würde sie mich noch halten wollen. Sie schlägt noch mal zu. Es klatscht laut und dröhnt in meinem Kopf, als würde er gleich zerspringen, und ich schmecke noch mehr Blut und Bier. Alles fühlt sich so dumpf an. Sie hat mich voll erwischt – es tut so weh, weh, weh, weh, weh! Mein Kopf wird von dem Schlag zur Seite gerissen, Alina zieht ihn grob an den Haaren wieder zurück – ein stechender Schmerz im Genick. Es fühlt sich so an, als hätten sie mir die Wirbelsäule rausgerissen. Wenn man eine Glatze wie Britney Spears hat, dann kann das nicht passieren … Eh egal, ob ich Haare hab oder nicht, hässlicher geht nicht mehr. Noch ein Schlag.

    Alles, woran ich mich jetzt grad noch erinnere, ist dieser rosa Wet-Look-Lippenstift auf ihren Lippen und ihre großen, goldenen Kreolen, und von allen Seiten Schreien und Lachen. Noch ein Schlag. Klatsch! Wieder sehe ich Alina lachen. Sie schaut mich an und spuckt mir ins Gesicht. Eine warme Flüssigkeit läuft mir über die Nase, in die Nase und über den Mund. Es schmeckt salzig, fast wie Tränen und nach Bier. Ich weiß, dass ich hässlich bin, ich weiß, dass ich ein scheiß Hurenkind bin, eine dumme Fotze. Macht mit mir, was ihr wollt. Ich will nur, dass ich danach noch einigermaßen heil bin. Ich warte einfach, bis es aufhört. Wenigstens liege ich jetzt auf dem Boden und muss nicht mehr stehen. Mir ist schlecht. Noch ein Schlag von der Seite.

    Alina: «Ja Yami, voll rein!»

    Kreischen und jemand reißt mich an den Haaren, Spuckgeräusche.

    Alina: «Ey, mach mal ’n Video!»

    Tanja «Warte! Auf Sendung. Halt sie mal ins Bild.»

    Alina reißt mich weiter an den Haaren. Tanjas rosa lackierte Fingernägel halten die Kamera eines pinken Samsung-Handy, das mit Strasssteinen besetzt ist, direkt vor mein Gesicht. Ich glaube, ich weine.

    «Kuck mal, sie weint.»

    Tanja grinst.

    «Kuck, kuck!»

    Oh Scheiße, morgen wird das jeder auf der Schule kennen! Ich muss voll losheulen und Alina spuckt mir wieder ins ­Gesicht. Meine Haare sind nass. Und es ist klebrig.

    «Hey, kuck mal.»

    Tanja zeigt auf meine Wange.

    Alina: «Das is ja geil, Foto!! Kuck, genauso groß wie meine Hand.»

    Es blitzt.

    Yami: «Passt genau.»

    Alina: «Fotografier mal daneben meine Hand.»

    Es wird wieder hell.

    «Hey, schau dir das mal an, Anja, du hast voll meinen Handabdruck auf deiner Arschfresse.»

    Lachen. Ich sehe in das Handy über meinem Kopf. Meine Wange hat tatsächlich einen roten Fleck in Form einer Hand, man sieht es ganz deutlich. Daneben Alinas kleine Hand mit ihren lila Nägeln, sie passt genau. Mein Gesicht ist verweint und ihre Spucke klebt an meiner Wange, meiner Nase und um meinen Mund …

    «Ist das nich lustig?!»

    Yami grinst.

    «Ja, und wie. Ich glaub, die steht da drauf.»

    Tanja lächelt zu mir runter.

    Alina: «Komm, gib zu, dass es lustig ist, sag: Ja, das ist lustig.»

    Ich sehe auf Alinas rosa Nike-Turnschuhe mit den Glitzersteinen vorne dran. An den Schuhbändern sind so kleine Buchstaben festgemacht, die glitzern auch, und ich weiß, was da steht. Alina Bitch. Das ist cool. Vielleicht hätte ich jetzt was sagen sollen. Noch ein Schlag, jemand spuckt. Ich weiß nicht, wie viele Schläge noch folgen, alles verwischt irgendwie. Irgendwann tritt Alina dann in meinen Bauch, ich huste und keuche, und Yami, die mich an den Armen verkreuzt hinten gepackt hat, zieht mich hoch, um mich dann wieder fallen zu lassen. Ich sacke einfach zusammen und dann sehe ich weiße Sportschuhe mit rosarotem Nike-Markenzeichen in meine Seite treten, gegen meine Rippen und in meine Brust rein.

    Alina: «Du Hure!»

    Tanja: «Yeah, tritt ihr in die Rippen!»

    Yami: «Tritt ihr die Rippen ein!! Mach sie kaputt!»

    Jemand schüttet mir Wodka ins Gesicht.

    «Wasch dich mal. Boah, du Schwein, is ja voll widerlich, du hässliche Sau! Weißt du eigentlich, wie abgefuckt scheiße du aussiehst?»

    Über mir erkenne ich jetzt Yami mit dem Handy.

    «Hey, hol sie wieder mehr ins Licht, kann ja auf dem Teil gar nix sehen.»

    Ich bin wieder wach, Tanja zieht an ihrer Zigarette und kommt auf mich zu.

    «So, du Opfer, jetzt gibt’s Brandzeichen wie bei den Säuen.»

    Lautes Lachen, jemand packt mich von hinten.

    «Zieht ihr den Pulli aus … ausziehen!!!»

    Jemand zieht mit mir den Pulli über den Kopf, auch das T-Shirt. Jemand reißt daran, das tut weh, der Stoff schneidet in meine Haut. Es wird weiter gerissen, bis beides über meinen Kopf gezogen ist und irgendwo am Ärmel hängt. Oben rum bin ich jetzt nackt, nur mein BH sitzt noch irgendwie so halb, glaub, der ist auch hochgerutscht. Alle sehen meine Brust.

    «Boah, die trägt ja ’nen Push-up, schau dir das an!»

    «Braucht die auch. Was hast ’n du für eklige,

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