Verheiratet mit der Zeitung: Kuriose Geschichten und Anekdoten eines Zweibrücker Bildjournalisten
Von Jo Steinmetz
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Buchvorschau
Verheiratet mit der Zeitung - Jo Steinmetz
Einleitung
„In guten und in schlechten Zeiten"! Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Am Tag der Eheschließung hört man diese Worte vom Pfarrer in der Kirche. Wie in einer Ehe erlebte ich mit der Rheinpfalz zumeist gute, aber auch hin und wieder mal weniger gute Zeiten.
Gute Zeiten deshalb, weil die Rheinpfalz mir die Chance zur Selbstverwirklichung gab und mir die daraus resultierende Arbeit zu Selbstbewusstsein und Anerkennung verholfen hatte. Mein Beruf als Bildjournalist war mehr als nur meine Arbeit: Er wurde zu meiner Berufung. Wurde ich nach meinem Beruf oder nach meiner Arbeit befragt, antwortete ich meistens: „Ich arbeite nichts. Eigentlich bin ich ein Faulenzer, aber mit meinem Hobby verdiene ich Geld."
So zumindest empfand ich die meiste Zeit mit der Rheinpfalz gewissermaßen als ohne feste Arbeit, denn es war nur mit meinem Hobby Fotografie und dem Realisieren kreativer Ideen verbunden. Die unzähligen Stunden anfangs in der Dunkelkammer genoss ich ungemein. Das war eine abgeschlossene Welt, in der ich experimentieren konnte.
War die Zeit darin auch noch so knapp: Es blieben während der Laborarbeiten immer Minuten für ein Käffchen. Später eröffneten sich mir mit der digitalen Bildbearbeitung neue Horizonte. Mit Photoshop und Co. hatte ich bereits Anfang der 90er zu Hause experimentiert, als die digitale Technik bei der Rheinpfalz noch nicht spruchreif war und man damals noch wacker mit Schwarzweiß-Abzügen gearbeitet hatte. Meine Ideen für Grafiken, Collagen und zu bearbeitende Fotos ließen sich immer besser umsetzen. Noch wenige Jahre zuvor während meiner Ausbildung in zwei Werbeagenturen hatte ich von diesen Möglichkeiten nur träumen können. Obwohl die technischen Voraussetzungen für damalige Verhältnisse auch schon recht gut waren, hatten in erster Linie Werbeprofis in grafischen Ateliers Zugriff darauf. Mir ist jedenfalls niemand bekannt, der zu Hause eine Raum füllende Reprokamera, eine zwei Meter breite Fotosatzmaschine oder einen Leuchttisch stehen hatte. Von den diversen anderen technischen Apparaturen, die nur etwa auf Hamsterkäfig-Größe kamen, einmal ganz abgesehen. Mein unstillbarer Impetus nach Technikwissen rund ums Thema Fotografie und später digitale Bildbearbeitung keimte auf und verschmolz mich mit meinem Alltag. Ohne es zu merken, war ich verheiratet
mit der Zeitung. Mehr als mir anfangs bewusst gewesen war. Die anderen Medien davor könnte man als meine Freundinnen
abhandeln.
Ich schwor der Rheinpfalz Treue – also nicht fremdzugehen mit anderen, in direkter Konkurrenz stehenden Medien. Wenn ich heute zurückdenke, kommt mir die Zeit mit der Rheinpfalz tatsächlich wie eine Ehe vor. Manchmal sogar wie eine Zwangsehe, in die mich aber niemand gezwungen hatte, denn ich hatte diesen Schritt selbst gewählt. Aber die damit verbundenen Zwänge, wie beispielsweise den 24-Stunden-Standby-Betrieb in all den Jahren, hatte ich mir meistens selbst auferlegt. Geliebt hatte ich den kreativen Job und manches Drumherum für die Rheinpfalz. Doch konnte ich auch Schattenseiten dieser Ehe
verbuchen. Im ersten Jahrzehnt als Hauptberuflicher gab es Jahre, an denen ich von 365 möglichen Arbeitstagen an 364 der Rheinpfalz zur Verfügung stand. Jeweils den Neujahrstag hatte ich mir des Öfteren von meinen ehelichen Verpflichtungen
frei genommen. Später kam ich auf 350 Arbeitstage und in den letzten Jahren auf immer noch weit über 300. Urlaub brauchte ich keinen. Wozu langweiligen Urlaub? Ich arbeitete ja nichts, sondern frönte nur meinem Hobby. Auf Kosten meiner Gesundheit. Doch das Leben und die Leute interessierten mich. Immer mehr wollte ich von meinem Leben hier vor Ort erfahren. Was jenseits der Grenze unseres Leserkreises passierte, tangierte mich peripher. So kam es, dass ich in den Jahren immer mehr Leute kennenlernte: von A wie Akademiker bis Z wie zahnlose Bierdosenhelden. Und ich nahm alle Leute ernst und versuchte ihre Sprache zu sprechen, mich in ihre Denkmuster hineinzuversetzen und auf Augenhöhe zu kommunizieren, ohne bei Hochgebildeten den Bückling zu machen oder bei Normalos
überheblich zu wirken. Auch die weniger guten Zeiten mit der Rheinpfalz überstand ich. Das Miteinander wurde kühler, routinierter, man war einander vertraut und kannte die Macken des anderen.
Die Idee, ein Buch wie dieses zu schreiben, hatte ich schon bald, nach wenigen Jahren als hauptberuflicher Bildjournalist, nachdem mir schon einige Kuriositäten begegnet waren. Letztendlich ausgelöst wurde mein Entschluss im Sommer 2015 während der Rheinpfalz-Sommerredaktion. Dort war mein Freund Lars Lunova zu Gast, der in der Zweibrücker Musikszene als Schlagzeuger der Rock-Band Sin City bekannt ist. Dieser hatte zuvor ein Buch mit dem Titel "Rock 'n' Roll Niemandsland oder wie Angus Young mich aus der Tanzmusikhölle rettete" verfasst und mir damals ein Exemplar mit Widmung geschenkt. Beim Lesen seiner Geschichte wurde ich von Seite zu Seite mehr inspiriert, auch meine Erlebnisse schriftlich zu fixieren und ebenfalls als gebundene Ausgabe zu veröffentlichen.
Das Titelbild zeigt mich zusammen mit meiner Fleisch gewordenen Zeitungs-Ehefrau
, wie sie mit mir zielstrebig, den Blick nach vorne gerichtet und Händchen haltend, durch die Zweibrücker Fußgängerzone läuft. In ihrer linken Hand hält meine Gattin
einen großen Wecker mit mehreren Stunden- und Minutenzeigern – symbolisch für den Zeit- und Termindruck in meinem Job. Ich selbst präsentiere mich den Lesern dieses Buches so, wie ich auch im beruflichen Alltag zumeist aufgetreten bin: in Turnschuhen, mit über der Schulter hängender Fototasche und Kamera, Baseballcap und ärmelloser Weste. Ursprünglich wollte ich ein anderes Erkennungszeichen
von mir anziehen: die schwarze M-65 Jacke mit dem Logo meines Lieblings-Basketballvereins Phoenix-Suns
. Allerdings war es mir bei 35 Grad Celsius beim Shooting des Titelbildes hierfür zu heiß.
Gewiss wird so mancher Betrachter ein zweifellos gequältes
Lächeln in meinem Antlitz erkennen – auch hier wieder symbolisch: Ich kann ja versuchen zu überspielen, dass sich mein Adrenalinpegel mal wieder im roten Bereich befindet!
Die Gestaltung meines Buchcovers ließ ich mir natürlich nicht nehmen. Das Kostüm, in dem meine Zeitungs-Ehefrau
steckt, entstand zu Hause am Computer. Die Camouflage-Technik, die ich hier angewendet habe, entspricht digitalem Bodypainting
. Bereits in meiner Ausstellung Interpretationen
in der Galerie Prisma Ende 2017 zeigte ich, wie man mithilfe der digitalen Bildbearbeitung realistische Strukturen auf den nackten Frauenkörper projiziert, so dass das fertige Bild aussieht, als sei die darauf abgebildete Person tatsächlich angemalt. Dank an dieser Stelle an meine Zeitungs-Gattin
– dem saarländischen Model Natalie – und an Fotograf Stefan, der uns am Rande von Zweibrücken beim Shooting in Szene gesetzt hat!
Die vorliegenden Geschichten und Anekdoten, die sich in all den Jahren ereignet hatten, liegen nicht in chronologischer Reihenfolge vor, sondern sind mehr nach thematischen Inhalten geordnet und deshalb sind Zeitsprünge von mehreren Jahren möglich. Manches darin findet man auch im Zweebrigger Dialekt
vor.
Backstage
Diesem Kapitel wollte ich ursprünglich ein paar Seiten mehr widmen, die dem Leser dieses Buches Einblicke in den Alltag, das Verhältnis und die Umgangsformen zwischen Redaktionsmitgliedern und freien Mitarbeitern verschaffen sollten. Ich habe darauf verzichtet. Nur eins möge man hier diesbezüglich gestatten: Mehrmals entstand bei mir der Eindruck, dass die Arbeit der Freien
nicht oft genug geschätzt wurde. Denn diese sind oft die Einzigen vor Ort, die wissen, was hier passiert und was die Menschen interessiert. Die Redaktionen – egal, wo – würden viele interessante Themen nicht mitbekommen, gäbe es nicht die Freien
. Der Job – so scheint mir – wird immer mehr etwas für Liebhaber. Natürlich bedankt sich die Chefetage bei ihren freien Mitarbeitern jedes Jahr schriftlich bei jedem, allerdings habe ich den Eindruck, dass die Wertschätzung im beruflichen Alltag dennoch auf der Strecke bleibt.
Eine weitere Sache möchte ich an dieser Stelle ansprechen, die mir wirklich sehr ans Herz gewachsen ist: das Verhältnis zwischen Redaktion und ihren Lesern sowie das Verhältnis zwischen Redaktion und der Abteilung Anzeigen
.
Redaktion und Anzeigenabteilung sind gewissermaßen zwei verschiedene Seiten einer Medaille. Während die Redaktion vom Leserinteresse geleitet sein muss – ihre Aufgabe ist es, die Leser zu informieren – ist die Anzeigenabteilung für das Geschäftliche zuständig. Sie verkauft den Kunden Anzeigen, in denen diese ihre Botschaft aussenden. Diese Kunden sind natürlich interessiert daran, dass möglichst viele ihre Botschaft wahrnehmen und dann in ihr Geschäft kommen. Weil auch diese Geschäftsleute meist noch Leser der Zeitung sind, stellt sich der ein oder andere vor, dass man die Botschaft der Anzeige ja auch seitens der Redaktion noch verstärken könnte. Bei einer Anzeigenschaltung des Kunden XY besteht jedoch keine Pflicht der Redaktion, über das Produkt dieses Kunden zusätzlich noch zu berichten. Entscheidet sich die Redaktion fürs Weglassen, meckert oftmals der Kunde mit dem Anzeigenvertreter, der hierfür aber nichts kann. Meiner Meinung nach verwechselt aber so manches Redaktionsmitglied ab und zu den Begriff unabhängig
mit überheblich
: Je stärker der Verwechslungsgrad, desto aufbrausender und arroganter erschien mir oftmals diese „Abgrenzungsdiskussion. Und weil manch ein Redaktionsmitglied von sich so überzeugt war, dass selbstverständlich niemand außer ihm die Sache richtig beurteilen konnte, kann man sich vorstellen, dass der Kessel in einer Lokalzeitung hin und wieder intern gehörig brodelte. Noch schlimmer als diesen internen Disput empfand ich aber den externen, wenn mit den Lesern in einem ähnlichen Strickmuster verfahren wird. Quasi derart: „Du dummer Leser – ich allwissende/r Redakteur/in!
Das Problem lässt sich aber genauso umkehren: Es gibt Leser, die von sich glauben, dass nur sie einen Sachverhalt ganz durchschauen und deshalb Inhaber der absoluten Wahrheit sind. Das Auftreten solcher Nervsäcke in Redaktionsräumen konnte ich auch immer mal wieder live miterleben. Was ich oftmals vermisst habe: diplomatischere Umgangsformen!
Berufswunsch: Journalist? Fotograf? Von wegen!
Als kleiner Junge wollte ich immer Pilot werden. Oft stand ich an unserem Gartentor und blickte in Richtung Zweibrücker Flugplatz, der damals in den 60er Jahren von den Kanadiern betrieben worden war. Die Flugzeuge, die in dieser Zeit über unser Haus donnerten, hießen Starfighter. Der von diesen Maschinen verursachte Lärm machte mir nicht das Geringste aus. Im Gegenteil: Er bereitete mir jedes Mal eine angenehme Gänsehaut. Das Jaulen und Geheule dieses Kampfjets bewirkten in mir eine starke Faszination. Im Kindergarten malte ich deshalb viele Flugzeuge mit Wachsmalkreiden. Lieblingsmotiv: der F-104 Starfighter. Kurz bevor die Kanadier Ende der 60er Jahre von den Amerikanern auf der Zweibruecken Air Base abgelöst wurden, fand dort ein Tag der offenen Tür statt. Mein Vater, dem meine Flugzeugleidenschaft nicht verborgen geblieben war, nahm mich damals mit. Unsere Gruppe besuchte den Tower. Von dort aus konnte man einen großen Teil der Landebahn überblicken. Es wurde viel in Englisch gesprochen, was ich als Fünfjähriger noch nicht verstehen konnte. Wir beobachten im Tower alle gespannt eine Militärmaschine, die parallel zur Landebahn flog und vor unseren Augen einen Looping machte. Da ich der Jüngste und Kleinste in der Gruppe war, hatte ich gewissermaßen Privilegien: Ich durfte immer ganz vorne stehen. Und wie so oft im Leben kam das Beste zum Schluss: die Besichtigung der Flugzeuge in einem Hangar – hautnah. Zum ersten Mal sah ich eine F-104 direkt vor mir. Zum Anfassen! Sie erschien mir viel größer als vermutet. Vermutlich hatte ich die Maschine lange und fasziniert angeschaut, so dass der kanadische Offizier schließlich meinen Vater fragte, ob ich mich nicht mal reinsetzen wollte. Klar wollte ich! Man half mir eine kleine Leiter rauf. Mein Vater sagte sinngemäß: „Setz' dich einfach mal rein! Das Innere der F-104 hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Etwa so wie das Innere eines Sportwagens mit zwei oder drei Messinstrumenten. Aber hier waren überall um mich herum Schalter und jede Menge
Uhren". Ich war beeindruckt. Zu Hause angekommen, habe ich sofort meiner Mutter von diesem schönen Erlebnis berichtet, und im Hornbacher Kindergarten konnte ich so richtig damit angeben! Der Entschluss stand fest: Joachim wird Starfighter-Pilot!
Die Faszination des Starfighters ließ mich nicht los. An einem Geburtstag – vermutlich der sechste oder siebte – bekam ich ein kleines Starfighter-Modell geschenkt, das sich noch bis heute in einer Vitrine meines Zimmers befindet. Es ist dunkelgrün, genau acht Zentimeter groß (ich habe extra nachgemessen) und besitzt an den Flügelenden Tiptanks. Ohne diese gefiel mir die F-104 nicht. Die Tiptanks gehörten einfach dazu wie beim 911er Porsche der Heckspoiler. Dieses Starfighter-Modell stand ursprünglich viele Jahre direkt auf meinem Nachttisch. Oftmals, wenn ich abends schon im Bett lag, flogen die Starfighter über unser Haus. Die Starts waren sehr laut, die Landungen hingegen soft. Als ich später meinen ersten Hund Blacky hatte – einen Dobermann – tat mir dieser jedes Mal leid, wenn die Maschinen gerade über unser Haus donnerten. Manchmal hörte ich auch von Richtung Flugplatz kommend nur ein bescheidenes „Huhh … Huhh" wie von einem Uhu. Das stammte ebenfalls von den Starfightern, die im Schritttempo auf den Taxiways rollten. Allmählich spürte ich einen Widerstand in der Gesellschaft, was Fluglärm betraf. Viele Leute schimpften deswegen.
Hatte ich mal Besuch von Freunden aus der Stadt, die nicht wie ich in der später definierten Lärmschutzzone 1 wohnten, waren die allesamt wie paralysiert, wenn einer meiner beflügelten
Freunde über uns hinwegdonnerte.
In den Sommerferien 1974, als meine Cousins Wolfgang und Michael zu meinen Hornbacher Großeltern kamen, fuhren wir an einem sonnigen Nachmittag in Richtung Flugplatzzaun
. Dieser befand sich damals direkt in der Einflugschneise zum Flugplatz – zwischen Althornbach und Mauschbach. Je näher wir an den Grenzzaun kamen, desto lauter wurde es und umso mehr Schiss hatten meine Cousins. Etwa 100 Meter hinter diesem Zaun begann damals das Rollfeld. Wer sich bis zum Zaun traute, war der Held. Die wenigsten meiner Freunde trauten sich aber – abgeschreckt durch den XXL-Lärm! Die Starts der Starfighter an dieser Stelle waren derart laut, dass man sich unbedingt die Finger in die Ohren stopfen musste. Die Lungen fingen an zu vibrieren. „Mensch, war das geil, dachte ich damals sinngemäß nach jedem Start. Auch bei den Landungen direkt am Zaun bekam ich jedes Mal Nervenkitzel: Die Maschinen – aus Richtung Frankreich kommend – flogen direkt auf die
Zaungäste zu. Stand die Sonne günstig, konnte man sogar den Piloten sehen. „Wusch …
flog der Sternenkämpfer über mich hinweg. Ein paar Sekunden später hörten und spürten wir den Luftwirbel über unseren Köpfen.
Der Zweibrücker Flugplatz sollte auch viele Jahre später noch oftmals eine bedeutende Rolle in meinem Leben spüren.
Meine Schulzeit - umrahmt von arischen
und dorischen Säulenformen
Meine Grundschulzeit verbrachte ich die ersten zwei Jahre in der Hornbacher Grundschule (heute Hieronymus-Bock-Schule). Die erste Klasse bestand aus fast 50 Mitschülern – heute undenkbar. Unterricht hatten wir damals bei einem Fräulein Schmidt. Ein Jahr später unterrichtete uns Frau Lotz. Die beiden letzten Grundschuljahre verbrachte ich mit der Hälfte meiner Klasse in Dietrichingen bei Herrn Georgi. Die andere Hälfte war in Mauschbach untergebracht.
Ich war ein guter bis sehr guter Schüler. In jenen Jahren bekam ich vom Vater meines zwei Jahre älteren Hornbacher Freundes Klaus Martin Weber zwei Zwerghühner geschenkt. Relativ schnell vermehrte sich dieser Bestand bis auf etwa zehn Hühner. Etwa zur gleichen Zeit nahm ich das erste Mal einen Fotoapparat in die Hand: Eine Agfa Box, die mir meine Zweibrücker Oma Amalie geschenkt hatte. Meine ersten Fotomodelle
waren die eigenen Hühner. Später wurde der Boxerrüde Billy meiner Zweibrücker Großeltern zum begehrten Motiv. Hin und wieder hatte ich mal rumgeknipst. Ende der 70er Jahre legte ich mir eine Pocket-Kamera zu. Die Lust zum Fotografieren hatte sich aber erstmals schnell gelegt. Es sollte noch etwa zehn Jahre dauern, bis sich das wegen einer jungen Frau schlagartig ändern sollte.
Nach den Sommerferien 1972 begann meine weitere schulische Laufbahn im Herzog-Wolfgang-Gymnasium. Die olympischen Sommerspiele in München liefen gerade. Bis zur zehnten Klasse waren meine schulischen Leistungen im Zweier-Bereich. Ab der (sogenannten) reformierten Oberstufe MSS (Mainzer Studienstufe) änderte sich das. Mit dem überspezialisierten und unterorganisierten Schulsystem kam ich nicht mehr klar. Viele meiner Schulkollegen nannten dieses System verachtungsvoll Mainzer Schwachsinn
. Noch heute graut es mir, wenn ich daran zurückdenke. So konnte ich beispielsweise die Steig- und Fallzeiten einer Gewehrkugel berechnen, aber kein Überweisungsformular für die Sparkasse ausfüllen. Senecas Non vitae sed scholae discimus
bekamen wir von den Paukern immer wieder eingetrichtert – also dass wir nicht für die Schule lernten, sondern für das Leben. Aber eigentlich war es doch umgekehrt: Wir mussten irgendeinen Scheiß in der Schule lernen, um letztendlich versetzt zu werden. Für das spätere Leben, also für die Praxis, hat mich jedenfalls das Gymnasium nicht vorbereitet. Mit ein paar Ausnahmen: die englische Sprache. Die kam mir damals ganz gelegen, weil ich mit immer mehr amerikanischen Freunden und Freundinnen verkehrte. Ich denke, dass die Schule heutzutage ihre Schüler viel besser auf das Leben vorbereitet als zu meiner Zeit.