Explosion und dann? Mein Weg - Mit Hoffnung im Gepäck
Von Hady Jako
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Über dieses E-Book
Ihr werdet nichts von diesem Anschlag (*) gehört haben. Über 70 Menschen starben. Und noch mehr wurden verwundet.
Es waren Leute, die ich kannte. Es waren Nachbarn, Verwandte, Freunde. Wir waren zusammen aufgewachsen, sie gehörten zu meinem Dorf, zu meiner Heimat.
In diesem Moment wusste ich noch nicht, was passiert war. Später erzählte mein Bruder mir von einem Selbstmordattentat. Er sagte, ich sei zu nah dran gewesen - zu nah an der Bombe.
Und alle, die mich sahen, sagten, es sei ein Wunder, dass ich überlebt hatte.
Ohne dieses Wunder wäre ich jetzt nicht hier. Meine Geschichte würde bereits mit diesen Zeilen enden.
Aber es war nicht das Ende, und deshalb soll diese Geschichte hier auch nicht enden! Sie soll nicht bei Mord und Tod aufhören. Sie soll von deren Überwindung erzählen und von Menschen, die die Überwindung des Todes möglich machten!
Von Menschen soll sie berichten, die Hoffnung schenken, Hoffnung auf Freiheit und Frieden.
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Buchvorschau
Explosion und dann? Mein Weg - Mit Hoffnung im Gepäck - Hady Jako
Vorwort
Am 27.3.2006 ging die Bombe hoch und man legte mich zu den Toten.
Ihr werdet nichts von diesem Anschlag (*) gehört haben. Über 70 Menschen starben. Und noch mehr wurden verwundet. Es waren Leute, die ich kannte. Es waren Nachbarn, Verwandte, Freunde. Wir waren zusammen aufgewachsen, sie gehörten zu meinem Dorf, zu meiner Heimat.
In diesem Moment wusste ich noch nicht, was passiert war. Später erzählte mein Bruder mir von einem Selbstmordattentat. Er sagte, ich sei zu nah dran gewesenzu nah an der Bombe. Und alle, die mich sahen, sagten, es sei ein Wunder, dass ich überlebt hatte. Ohne dieses Wunder wäre ich jetzt nicht hier. Meine Geschichte würde bereits mit diesen Zeilen enden.
Aber es war nicht das Ende, und deshalb soll diese Geschichte hier auch nicht enden! Sie soll nicht bei Mord und Tod aufhören. Sie soll von deren Überwindung erzählen und von Menschen, die die Überwindung des Todes möglich machten, von Menschen, die Hoffnung schenken, Hoffnung auf Freiheit und Frieden!
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(*) hierzu Sachinformationen im Anhang
Ja, man hatte mich zu den Toten gelegt. Aber dann traf ich solche Menschen, die sich für mich einsetzten, die etwas wagten, auch wenn die Lage hoffnungslos schien. Ich hatte mehrmals in meinem Leben das Glück, von solchen Menschen gefunden zu werden.
Und hier fand mich der Erste – inmitten der Leichen. Ich kenne seinen Namen nicht. Aber ohne diesen Menschen würde ich immer noch bei den Toten liegen. Dann wäre ich längst selbst ein Toter.
Es war bestimmt nicht leicht zu erkennen, dass ich noch lebte. Ich war bewusstlos, ein Explosionsopfer. Mein linker Arm war abgesprengt, ein Bein zerfetzt, Blut überall, das Gesicht verwüstet, Auge und Ohr verwundet … Vermutlich sah ich kaum noch aus wie ein Mensch. Und es muss gestunken haben, nach verbranntem Fleisch und Blut, nach Erbrochenem. Überall lagen Körperteile, der Rauch der Explosion hing in der Luft, und inmitten der Leichen lag ein halbtoter Ezide. Mein ‚Finder‘ – er hatte nicht aufgegeben, und daher beginnt genau hier und mit ihm meine Geschichte.
1: Bombenexplosion – Tage der Finsternis
Ich bin Hady Jako vom Stamm (*) der Raschka. Ich wurde am 01.01.1985 in Gohbal (*) geboren, einem Dorf im Norden des Distriktes Shingal (*), Provinz Ninive (*), Zentralirak. (*)
27.03.2006: An diesem Montag ging ich zu einer Rekrutierungsstelle in der Nähe der Stadt Mosul (*) im Distrikt Mosul. Dort wollte ich mich als Soldat registrieren lassen. Meine Freunde, einige Verwandte und viele junge Männer aus dem Dorf waren auch dabei. Wir wollten zusammen stark sein, für unser Dorf, für unsere Heimat. Wir wussten, dass die Folgen dieser Entscheidung gefährlich werden könnten. Meine Tante Khefsche hatte mich zuvor noch angefleht, ich möge nicht gehen. Sie habe in der Nacht geträumt, es gäbe ein Unglück …
Auf dem Platz vor der Kaserne befanden sich ca. 700 Männer, die sich registrieren lassen wollten. Überwiegend junge Männer waren das. Es gab keine Kontrollen, als wir uns zu den Wartenden stellten. Erst beim Einlass in die Kaserne wurde kontrolliert. Die Stimmung war aufgeladen, entschlossen, die Gemeinschaft machte Mut, wir standen wild durcheinander, doch das Ziel vor Augen einte uns. Das letzte, an das ich mich sehr viel später erinnerte, war dies: Ich rauche eine eilige Zigarette mit Freunden …
Da ertönte ein dröhnender, feuriger Knall! Eine brennende Wucht schlug mich nieder! Wie von weit her sprach eine Stimme: „Hady, was ist mit dir? „Ich weiß nicht, aber Gott wird mir helfen.
Hilfesuchende Blicke, wildes Gedankenkreisen … „ Es hat sich jemand in die Luft gesprengt, du warst nah dran Hady!" Kathan, ein Bekannter aus dem Dorf sprach mit mir, aber ich hörte ihn nicht mehr. Das Koma trug mich fort, eine ganze Woche lang. Später erzählte man mir, dass ich ins amerikanische Lazarett gebracht worden war. Mein Bruder Ali hatte überall in verschiedenen Krankenhäusern im Irak nach mir gesucht. Schließlich hatte er vor mir gestanden – und mich doch nicht gesehen. Unmöglich war es, mich zu erkennen. Die Ärzte wussten auch nicht, wen sie da vor sich hatten – mehr tot als lebendig.
Das Koma bescherte mir seltsame Träume: Ich war zu Hause mit meinen Geschwistern, im Garten und bei meinen Schafen. Es gab einen riesigen, wunderschönen Saal. Mein Onkel Yousef und mein Onkel zweiten Grades Alo waren auch anwesend; sie wollten mich nach Hause holen - aber dann sah ich im Traum meine Lieben sterben und aus dem Saal hinauf in den Himmel fliegen.
Das Erwachen aus dem Koma geschah voller Verwirrung und Schmerz. Ich quälte mich, griff nach meinen Wunden – was war das, wo war mein Arm? Ich konnte meine Hände nicht zusammenführen, mir fehlte eine Hand! Voller Grauen merkte ich, dass mir der ganze linke Unterarm fehlte, der Oberarm war ein Stumpf! Was war das, überall fühlte ich Fäden?! Ich zog daran, zog mir die Nähte aus der Haut. Wie konnte es möglich sein, dass ich verletzt war?
Irgendwann hielt mir jemand einen Spiegel vor, in den ich hineinsah: Ein Arm fehlte, ein Auge war verwundet, mein rechter Oberschenkelknochen ragte blank aus einer Wunde heraus, mein Bauch war von einem Verband verdeckt. Ich sah grauenhaft aus! Und doch, ich lebte!
Dr. Corbin, Utah, USA:
„27.03.2006; The mass casualty numbers were so great on this day when we heard they were bringing 33 significantly injured patients from an outlying providence. I was on trauma call that day and was assigned to help with the casualties. The 47th Combat Support Hospital located on Forward Operating Diamond Back was known for saving human life at a greater rate than trauma centers in the United States.
Here we waited and when they came, we numbered the patients and coded them as to treat them. It was then I met Hady, he was coded as a potential non-survivor as he was so injured and there were many ahead. He was to be placed in a room and observed while we treated those, we felt we could save.
He somehow and miraculously showed signs he was beginning to wake when we immediately took him to the Operating Room. This was a big job, he was missing an Arm, most of his face was blown off and the left eye was massively wounded.
Once in the OR, I was able to establish his emergency cricothyroidotomy was misplaced therefore I properly performed an emergent tracheostomy and established an airway. Once this was done, we removed a human jawbone from his thigh wound, they properly closed off his left arm that had been blown off, and we took great care to put back his face the best we could.
We were successful in saving Hady’s life, he recovered well. What I remember most about Hady was his smile, he never came across as feeling sorry for himself, was very grateful to me and to my wife for sending me materials to make him an eye patch to cover the significant wound where he lost his left eye.
I remember Hady returned to the operating base hospital and brought two rings which I still have to give to the children that I had at the time as my third was not born at the time. I will never forget Hady and the blessings I received from working on and help mending him from his injuries. Have much love and smiles when I think of Hady."
Übersetzung: „27.03.2006; Die Massenunfallzahl an diesem Tag war sehr hoch, als wir hörten, man werde uns 33 Schwerverletzte aus einer abgelegenen Gegend bringen. Ich war an diesem Tag im Dienst für Verletzte und wurde diesem Einsatz zugeteilt. Das 47. Combat Support Hospital in Forward Operating Diamond Back war bekannt für seine aus irgendeinem Grund vergleichbar hohe Anzahl von geretteten Menschenleben gegenüber der von Trauma-Kliniken in den Vereinigten Staaten.
Hier warteten wir, und als sie kamen, zählten wir die Patienten und teilten sie nach Behandlungsart bzw. Überlebenschance ein. Das war der Moment, als ich auf Hady traf. Er war als potenzieller ‚Non-Survivor‘ (Nicht-Überlebender) identifiziert worden, weil er so schwer verwundet war und weil so viele vor ihm da waren. Er sollte in einen Raum zur Beobachtung gebracht werden, während wir diejenigen behandelten, von denen wir glaubten, sie retten zu können.
Irgendwie, wie durch ein Wunder zeigte er Anzeichen, zu sich zu kommen. Wir brachten ihn sofort in den Operationsraum. Es war eine riesige Aufgabe: Ihm fehlte ein Arm, das meiste von seinem Gesicht war weggerissen, das linke Auge stark verwundet.
Nachdem er im OP war, war es mir möglich festzustellen, dass seine Krikothyrotomie fehlplatziert war. Daher setzte ich umgehend einen Luftröhrenschnitt und stellte so einen Atemweg her. Nachdem das getan war, entnahmen wir ein Stück Kieferknochen (verbombtes Splitterteil einer anderen Leiche, Anmerkung der Übersetzerin) aus seiner Oberschenkelwunde, verschlossen sorgfältig seinen linken Arm, der weggebombt war, und wir behandelten mit großer Sorgfalt sein Gesicht, um es so gut wir konnten wieder herzustellen. Wir retteten an diesem Tag erfolgreich das Leben von Hady, er erholte sich gut.
An was ich mich am deutlichsten bezüglich Hady erinnere, ist sein Lächeln, er kam niemals mit Selbstmitleid daher; er war sehr dankbar mir und meiner Frau gegenüber, die mir eine Augenklappe schickte, um die bedeutende Wunde zu bedecken, wo er sein linkes Auge verloren hatte.
Ich erinnere mich daran, wie Hady zurück zum Operating Base Hospital kam. Er schenkte mir zwei Ringe, die ich noch immer habe, um sie (mit seiner Geschichte) an meine beiden Kinder, die ich damals hatte, als mein drittes Kind noch nicht geboren war, weiterzugeben.
Ich werde Hady niemals vergessen und den Segen, den ich durch meinen Einsatz für ihn und für die Behandlung seiner Wunden erhielt. Ich empfinde viel Liebe und Optimismus, wenn ich an Hady denke."
Im Krankenhaus blickte ich verstört zu den Ärzten, doch sie schienen sich zu freuen: Ich hätte Glück gehabt! Sie schienen tatsächlich froh zu sein, dass ich laufen konnte und waren stolz darauf. „Wir haben dein Leben gerettet, dein Gesicht und dein Bauch waren zerfetzt, die Gedärme hingen heraus, und nun sieh dich an, du lebst! Bitte, ein Foto! Ein Wunder! Du lebst!"
Aber ich – ich verstand das alles damals nicht, und ich dachte, ich komme nie wieder nach Hause. Ich konnte mit meinem Luftröhrenschnitt im Hals nicht sprechen und Panik überflutete meine Seele …
Ali, mein Bruder, und Hussein, mein Cousin 2. Grades, waren zu dieser Zeit immer noch auf der Suche nach mir, nach meinem Leichnam. Erneut flehten und weinten sie: „Wir wissen, Hady lebt nicht mehr, aber wir wollen seinen Leichnam finden, damit wir ihn begraben können."
Ein Dolmetscher hatte Mitleid mit ihnen. Bei den Leichen sei kein Hady, er würde bei den schwer Verletzten noch einmal suchen. „Hady Jako!, rief er die Verletzten an. Doch wie sollte ich jetzt ohne Stimme und mit Luftröhrenschnitt antworten?! Wild gestikulierend deutete ich das Schreiben in der Luft an und erhielt bald einen Stift. Dann schrieb ich in lateinischer Schrift, so dass es lesbar für Amerikaner war: ‚Hady, Hady Jako.‘ Doch er glaubte mir nicht – diesem verwirrten Opfer – und lies mich auf Arabisch schreiben: ‚Ich bin Hady Jako!‘ „Hady Jako?
, sprach der Dolmetscher erstaunt. ‚Jaaa‘ rief ich durch heftiges Kopfnicken und dabei schrie ich innerlich so laut ich konnte. Da lief der Mann fort.
Ich weiß heute nicht mehr, ob er mir etwas von der Suche meiner Familie erzählte. Ali und Hussein aber wurden erlöst. „Ich habe ihn gefunden!", rief der Dolmetscher ihnen zu; übermorgen dürften die beiden mich besuchen; ihr Bruder werde überglücklich sein, sie zu sehen! Unvorstellbar war es: zwei Tage lang warten. Zwei volle Tage lang! Wie werden sie wohl sehnsüchtig die Stunden gezählt haben! Endlich wurde mein Bett vorbereitend mit Vorhängen umstellt – so bot man uns ein wenig persönliche Atmosphäre.
Dann waren Ali und Hussein tatsächlich da. Stürmisch umschlangen wir uns; wir hielten uns ganz fest umarmt und schluchzten und lachten minutenlang. Dann, langsam, setzten sie sich zurecht und berichteten mir, was geschehen war. Ein Selbstmordattentat vor der Kaserne hatte es gegeben; ich sei eines der Opfer. „Und die anderen, wo sind die anderen?", wollte ich wissen. Sie seien zu Hause und bei der Arbeit, antworteten sie mir. Mein Kopf schien vor Schmerz zu platzen, alles drehte sich. Eine Mischung aus Schmerzen, Medikamenten und verwirrten Gefühlen trug mich erneut davon.
In den nächsten Tagen war eine weitere Operation geplant. Wieder verlor ich viel Blut; die Bettwäsche war durchnässt. Mein Alltag bestand aus Warten von