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Kindsein zwischen Leben und Überleben
Kindsein zwischen Leben und Überleben
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eBook265 Seiten2 Stunden

Kindsein zwischen Leben und Überleben

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Über dieses E-Book

"Man hat mir vieles genommen, aber mein Lachen nicht."
15 wahre Geschichten erzählen von bitterer Kindheit. Beschrieben wird, wie sich Erfahrungen von Gewalt, Missbrauch, Sucht, Krankheit, Armut, Behinderung, Verwahrlosung oder Flucht auf Kinder auswirken, ihr Leben beeinflussen und prägen. Die unterschiedlichen Lebenswege zeigen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Verarbeitung traumatischer Kindheitserlebnisse. Den Geschichten zur Seite gestellt sind Kommentare und Analysen von ExpertInnen aus dem psychosozialen Bereich und Beiträge von Schriftstellern wie Dimitré Dinev oder Arno Geiger. Diese Reflexionen beleuchten Hintergründe und zeigen Zusammenhänge auf.
Der Herausgeber
SOS-Kinderdorf ist ein weltweites, konfessionell und politisch unabhängiges privates Sozialwerk für gesellschaftlich benachteiligte Kinder, das 1949 von Hermann Gmeiner in Innsbruck gegründet und mit dem Bau des ersten SOS-Kinderdorfes in Imst/Tirol in die Tat umgesetzt wurde.
Ziel von SOS-Kinderdorf ist es, Kindern, die ohne Eltern aufwachsen müssen, ein langfristiges neues Zuhause, die Wärme und Geborgenheit einer Familie sowie eine gute Ausbildung zu geben - als Basis für eine geglückte Kindheit und Jugend mit Perspektiven für eine hoffnungsvolle Zukunft. Die Kinder und Jugendlichen werden bis zur Selbständigkeit betreut. Zahlreiche neue pädagogische-therapeutische und präventive Programme bieten jungen Menschen und Familien in Krisen auch kurz- und mittelfristig Betreuung und Beratung an.
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum23. März 2016
ISBN9783706558303
Kindsein zwischen Leben und Überleben

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    Buchvorschau

    Kindsein zwischen Leben und Überleben - StudienVerlag

    Berlin

    Ich lebe und ich lache

    Ich bin als Kind sexuell missbraucht worden. Wenn ich heute zurückdenke, habe ich das Gefühl, mein ganzes Leben bestand aus Missbrauch. So viele Männer, die mich irgendwo irgendwie berührten und ich konnte nichts dagegen tun. Denn ich war das perfekte Opfer. Ich ließ mich missbrauchen, um an Liebe zu kommen.

    Meine erste Erinnerung an Missbrauch beginnt, als ich ungefähr drei Jahre alt war. Noch heute kann ich den Weg in den Wald, die Straße und alles, was passierte, genau beschreiben. Wie in einem Film läuft immer wieder alles vor meinem inneren Auge ab. Ich weiß, dass ich damals circa drei Jahre alt war, weil wir kurz darauf umgezogen sind und auch meine Mutter die Schilderung des Hauses und des Waldweges bestätigte.

    Mit neun Jahren hatte ich in der Schule Aufklärungsunterricht. Ich hatte fürchterliche Angst, dass ich schwanger werden könnte. Meine Angst war so groß, dass ich der Mutter eines Spielkameraden von dem Missbrauch erzählte. Sie besaß glücklicherweise so viel Courage und konfrontierte meine Mutter damit. Ich bin mir sicher, dass meine Mutter den Missbrauch ansonsten nie angezeigt hätte. Es folgte eine Anzeige und kurz darauf die Verhandlung, die in einem Strafausmaß von zwei Jahren Haft für den Täter endete. Er wurde verurteilt wegen Unzucht und Beischlaf mit einer Minderjährigen. Beischlaf wird juristisch zweifach definiert: erstens der vollzogene Geschlechtsverkehr und zweitens Oralsex. Bis heute kann ich mich an eine Vergewaltigung nicht erinnern – aber ich weiß, dass es passiert ist.

    Der Täter war der Vater meiner Geschwister. Bis zur Anzeige bin ich immer in dem Glauben belassen worden, er wäre auch mein Vater. Bis heute weiß ich nicht, wer mein wirklicher Vater ist. Über seinen Verbleib ist mir nichts Genaues bekannt. Ich habe so viele verschiedene Varianten gehört: Einmal lebt er, einmal ist er kurz nach meiner Geburt tödlich verunglückt. Das Geheimnis wird meine Mutter wohl mit ins Grab nehmen. Der Vater meiner Geschwister lebte nicht bei uns, denn er hatte noch eine andere Familie. Bei dieser wohnte er. Circa alle vierzehn Tage kam er zu uns auf Besuch. In dieser Zeit fanden die Übergriffe statt.

    Nach dem Prozess und der Verurteilung lief mein Leben weiter wie bisher. Ich erhielt keine professionelle Hilfe. Im Zuge der Anzeige war ich zwar bei einem Psychologen, aber scheinbar war mit mir alles in Ordnung. Damals, 1989, da war Therapie vielleicht noch kein Thema.

    Meine Mutter sprach nie mit mir über das Geschehene. Sie war selten zuhause. Nach der Arbeit ging sie oft aus und lebte in wechselnden Partnerschaften. Wir hatten nicht viel Geld, sie musste uns Kinder ja nun alleine großziehen. In meinem Leben war nichts Beständiges. Ich weiß nicht, wie ich diese Jahre überlebt habe. Ich hasste die Schule. Ich war nicht gut in meinen Leistungen. Ich war anders. Ich war aussätzig. Ich prügelte ständig. Ich log und ich war verstockt. Ich hatte kaum FreundInnen. Ich war ein unbeliebtes, eigenartiges Kind. Ich wurde gehänselt und gedemütigt. Niemand wusste aber, warum ich so war und warum ich mich so verhielt. Es fragte auch niemand danach. Noch heute ist Einsamkeit etwas, mit dem ich gut umgehen kann.

    Prävention: Selbstwert der Kinder stärken und sie ermutigen, „Nein" zu sagen

    Niemand kennt sie, die tatsächliche Zahl sexuell missbrauchter, physisch und psychisch misshandelter Kinder – die Dunkelziffer kann nur geschätzt werden. Viele Täter bleiben unerkannt, weil trotz der Aufweichung des Tabus immer noch zu wenig geredet wird. Genau das „Darüber reden scheint das unausweichlich Notwendige zu sein. In den letzten Jahren ist in dieser Frage viel Positives geschehen, auch wenn die Initiierung zahlreicher Hilfs- und Präventionsprojekte oft eine Reaktion auf öffentlich gewordene, vieldiskutierte Verbrechen an Kindern und Jugendlichen war. Diese Sensibilisierung ist gut, denn sie ermöglicht den Start und die weitere Finanzierung hilfreicher Netzwerke an Opferschutzeinrichtungen. Zunehmend traute und traut man sich in Schulen und Kindergärten, bei Elternvereinen und in der Gesellschaft über Gewalt und sexuellen Kindesmissbrauch zu reden, sowie junge Menschen zu stärken, ihnen Mut zu machen nicht zu schweigen, sie zu informieren, wo und wie sie sich Hilfe holen können. Mutiger wird thematisiert, was nicht sein darf – leider oft deshalb, weil wir durch aktuelle Missbrauchs- oder Misshandlungsfälle immer wieder aufs Neue erschüttert werden. In einer zivilisierten Gesellschaft liegt es in der Verantwortung von uns allen, aufmerksam und hellhörig zu sein. Zum Schutze der Kinder und Jugendlichen kann unser ernst gemeintes Signal an diese nur sein, dass wir bedingungslos und überzeugend an ihrer Seite stehen. Unsere Botschaft muss wirkungsvoll und nachhaltig sein, vor allem muss sie lauten: „Rede darüber, dann kann dir geholfen werden. Du bist nicht allein, wir begleiten dich! und „Du bist nicht schuld daran! Es gilt mitzuhelfen, den Selbstwert der Kinder zu stärken, ihnen Geborgenheit und Sicherheit zu geben und in allen Fragen, die für sie wichtig sind, Türen zu öffnen und offen zu halten. Aufgabe vieler Opferschutzeinrichtungen und Institutionen ist es geworden, mithilfe von behutsamen Projekten sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder zu sensibilisieren. Denn Missbrauch und Gewalt hat viele Formen und die Taten geschehen nicht auf offener Straße sondern hinter verschlossenen Türen, meist im „geschützten Bereich.

    Rupert Huttegger, Fachbereichsleiter für Kriminalprävention beim Landeskriminalamt Salzburg, Initiator des Primärpräventionsprojektes „Inspektor Lux", das sich direkt an Kinder/Jugendliche wendet und 2005 mit dem Salzburger Kinderrechtspreis ausgezeichnet wurde (www.inspektorlux.at).

    Als ich etwa elf Jahre alt war, lernte meine Mutter meinen Stiefvater kennen. Und das erste Mal in meinem Leben erfuhr ich, was einen Vater zu haben alles heißen kann. Ich liebte diesen Mann abgöttisch. So einen Vater hatte ich mir immer gewünscht. Als ich zwölf war, fing auch er an mich zu missbrauchen. Es gab so viele Situationen, in denen ich mich von meiner Mutter ertappt fühlte. In denen ich dachte, mein Gott, jetzt hat sie es herausgefunden. Sie hat es gemerkt, gesehen, was auch immer… Aber die Zeit verging und ich ertrug Übergriff um Übergriff. Ich fühlte mich schuldig, denn ich gab mir die Schuld an allem. Ich war überzeugt davon, es nicht anders verdient zu haben. Ich war der Meinung, ich wäre diejenige, die das provozierte, die das möchte. Aber ich habe Liebe, Vaterliebe, nie auf eine andere Art kennen gelernt. Ich verband Missbrauch mit Liebe und das machte mich zu einem perfekten Opfer. Ich hätte mich auch nie getraut, meiner Mutter von dem neuerlichen Missbrauch zu erzählen, denn ich bin mir sicher, sie hätte mir niemals geglaubt.

    Als ich fünfzehn war, begann ich eine Lehre. Kurz darauf starb meine beste Freundin bei einem schweren Reitunfall. Das drauffolgende Jahr zehrte sehr an mir. Ich fühlte mich einsam und verlassen. Wem konnte ich schon erzählen, was mit mir alles passierte? Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter manchmal stundenlang mit mir über Gott und die Welt redete, tags drauf sprach sie kein Wort mehr mit mir. Ich habe sie als sehr unberechenbar erlebt. Ich wusste nie, woran ich war, in welcher Stimmung sie mich erwartete. Oft schlug sie mich. Als ich ihr einmal als Jugendliche sagte, sie könne mich ruhig schlagen, wenn sie sich dann besser fühle, hat sie es tatsächlich getan. Es war das letzte Mal. Sie merkte, dass mich ihre Schläge nicht mehr verletzen können. Also hat sie ihr nächstes Druckmittel verwendet: Sie hat einfach nicht mehr mit mir geredet.

    Fakten und Zahlen zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Österreich

    Sexuelle Gewalt bedeutet immer auch psychische Gewalt und Ausnützen von Macht in Erziehungs-, Betreuungs- und Ausbildungsverhältnissen oder auch von Machtungleichheit zwischen den Geschlechtern. Die unterschiedlichen Formen von sexueller Gewalt haben ein weites Spektrum. Sie reichen von Berührungen im Genitalbereich, Streicheln an Intimstellen, Zungenküssen, bis hin zu Geschlechtsverkehr oder Penetration mit Händen oder Gegenständen. Sexuelle Gewalt ist auch, wenn Kinder ohne direkten Körperkontakt gezwungen werden, bei sexuellen Handlungen zuzuschauen oder pornografische Filme anzusehen.

    Sexuelle Gewalt kann körperliche Symptome zur Folge haben, wie etwa Verletzungen im Genital- und Analbereich, Geschlechtskrankheiten oder Harnwegsinfekte. Zu den psychischen Symptomen zählen exzessive Masturbation, Einnässen, Einkoten, sexualisiertes Verhalten und generell Verhaltensauffälligkeiten. Dabei geht es aber nicht nur um aggressives Verhalten sondern auch um Rückzug, Gehemmtsein und Bedrücktheit. Weitere Anzeichen sind psychosomatische Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen sowie „freeze-Reaktionen („erstarren) bei körperlichen Untersuchungen oder Berührungen. Diese Symptome sind jedoch nicht eindeutig, d.h. sie können auch andere Ursachen haben.

    Wenn sich ein Kind äußert oder Symptome zeigt, die auf sexuellen Missbrauch hinweisen, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und dem Kind zu glauben. Bei einem begründeten Verdacht sollte rasch professionelle Hilfe geholt werden (z.B. Kinderschutzzentren, Kinderschutzgruppen in Spitälern oder Jugendwohlfahrt). Hier bieten ExpertInnen psychologische Beratung, Hilfe und Begleitung. Bei sexuellen Übergriffen innerhalb der Familie besteht häufig ein Loyalitätskonflikt seitens des Opfers. Umso wichtiger ist eine behutsame und professionelle Unterstützung.

    Durch zahlreiche Untersuchungen in Amerika und Europa gilt heute als wissenschaftlich abgesichert, dass jedes 3./4. Mädchen und jeder 7./8. Junge in der Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Von sexuellem Missbrauch sind Kinder aller Altersgruppen betroffen. 8 %-14 % werden im Vorschulalter missbraucht. Das Durchschnittsalter der missbrauchten Kinder beträgt ungefähr elf Jahre. In Österreich werden jährlich rund 700 Sexualdelikte an unter 14-jährigen zur Anzeige gebracht.

    Zu 93 %-98 % sind Männer die Täter. Fast die Hälfte sind Vaterfiguren oder Verwandte. Die andere Hälfte der Täter sind nahe Bezugspersonen des Kindes. Nur ein relativ kleiner Teil (6 %-15 %) sind den Opfern unbekannte Männer, also Fremdtäter.

    Mag. Hedwig Wölfl, Fachliche Leiterin „die möwe"-Kinderschutzzentren

    Meine Mutter verleugnet die Übergriffe nicht. Sie gibt zu, dass der Missbrauch passierte, obwohl sie es „das, was mit Papa passiert ist nennt. Sie kann noch nicht einmal das Wort „Missbrauch aussprechen. Was meine Mutter immer gut konnte, war, mir zu vermitteln, dass ich selber dran schuld war. Als sie vom zweiten Missbrauch erfuhr, fragte sie mich: „Warum hast du dir das gefallen lassen? Hat es dir vielleicht gefallen?"

    Sie lebt heute noch mit dem zweiten Täter zusammen und begründet es mit finanziellen Schwierigkeiten. Tatsache für mich ist, dass sie mich verkauft hat, um für sich ein gesichertes Leben zu haben. Für sie bin ich die Schuldige, die Täterin.

    Mit meinem Stiefvater, dem zweiten Täter, verstehe ich mich heute recht gut. Ich habe mit ihm über den Missbrauch reden können. Sicher kann man Missbrauch nicht herunterspielen und entschuldigen, aber ich habe, leider, Vergleichsmöglichkeiten und der zweite Missbrauch war nichts mehr im Vergleich zum ersten. Vergeben habe ich meinem Stiefvater nicht, so etwas kann man nicht vergeben. Aber wir haben uns eine Basis geschaffen, auf der wir kommunizieren können. Dieser Missbrauch wurde nie angezeigt, das wollte ich nicht. Ich wollte nicht nochmals durch einen Prozess gehen. Zudem bin ich mir bis heute sehr sicher, dass er niemals wieder ein Kind missbrauchen wird. Mein Stiefvater hat lange meine private Therapie gezahlt, auch sonst unterstützt er mich immer wieder finanziell, da ich aufgrund meiner Berufsunfähigkeit ein sehr niedriges Einkommen habe. Meine Familie nennt es Erpressung, aber mein Stiefvater war die letzten Jahre wesentlich mehr für mich da als meine Mutter und meine Geschwister. Bis heute wissen sie nicht, dass ich oftmals von Tag zu Tag nicht weiß, wie ich überleben soll.

    Mit 16 habe ich versucht, mich umzubringen. Ich kam auf die Intensivstation, danach wurde ich auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie überstellt. Es war eine schwierige Zeit, in der ich viel forderte. Im Anschluss an diesen Aufenthalt zog ich in eine Mädchenwohngemeinschaft. Die Umstellung vom Klinikalltag fiel mir sehr schwer. Aber ich fand dort, was ich mein Leben lang nie kennen gelernt hatte: Sicherheit, Rückhalt und das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich geborgen und beschützt. Vor den Jahren in der Mädchen-WG und der Kinderpsychiatrie habe ich immer nur Enttäuschungen und Zurückweisungen erlebt, wenn ich jemandem mein Vertrauen schenkte. Die WG war für mich eine völlig neue Erfahrung. Da waren Menschen, die hinter mir standen, egal, was ich tat. Die zwar wütend und zornig wurden, was aber nichts an dem Rückhalt änderte, den sie mir gaben.

    HISTORISCH: Wie die Tiere

    „Das Ohr eines Jungen sitzt auf dem Rücken: er hört, wenn man ihn schlägt. Das ägyptische „Papyrus Anastasi aus dem 2. Jahrhundert vor Christus belegt, dass Gewalt gegen Kinder keine Erscheinung der Neuzeit ist, im Gegenteil: Noch nie war die Menschheit so gewaltfrei wie heute.

    Schon bei den Griechen und im antiken Rom gab es Knabenbordelle, Buben wurden in der Wiege kastriert, um später als Sexualobjekte zu dienen. Im Mittelalter lag das gesetzliche Mindestalter für die Verlobung bei sieben Jahren, Kinder wurden nach Ansicht mancher Kirchenväter durch Penetration „reif für die Ehe. Und zur Zeit der Hexenverbrennungen wurden Kinder ebenso verfolgt wie Frauen. Auch im Barock waren Kinderbordelle in Mode. Der eigene Nachwuchs galt Tausende Jahre hindurch als Eigentum des Vaters, Säuglingsmord war auch in Europa lange Zeit Normalität – in London etwa waren tote Babys auf den Straßen im 19. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. Missbraucht wurden Kinder auch durch Unternehmer. Mit der industriellen Revolution mussten Kinder zusätzlich noch wie Sklaven in Fabriken arbeiten. Erst 1875 fand in New York der erste Prozess wegen Kindesmisshandlung statt. Die achtjährige Mary Ellen war von ihren Adoptiveltern geschlagen und vernachlässigt worden, eine Tierschutzorganisation nahm sich des Mädchens an und argumentierte, Kinder sollten dieselben Rechte wie Tiere bekommen. Österreich erließ 1911 ein gesetzliches Züchtigungsrecht der Eltern, erst 1974 wurde das Schlagen in den Schulen verboten. 1962 prägte der amerikanische Kinderarzt Henry Kempe den Terminus „battered child syndrom, also das Syndrom des misshandelten Kindes. Mit der Frauenbewegung, durch die Gewalt in der Familie das erste Mal breit

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