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Die weiße Dame
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eBook294 Seiten4 Stunden

Die weiße Dame

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Über dieses E-Book

Der Roman spielt hauptsächlich in Berlin und München. Die schöne Heldin des Romans, an Kleptomanie leidend und eine Übersetzerin von Beruf, spielt als vorgebliche Filmschauspielerin in dem Gespensterfilm "Die weiße Dame" die Hauptrolle, die sie berühmt macht, denn zukünftig wird sie von vielen als "die weiße Dame" überall wieder erkannt, auch noch im Älterwerden. In den Regisseur des Films, in den Rudolph K., verliebt sie sich während der Dreharbeiten, aber ein Unglück trennt die beiden Liebenden bald wieder, die dann erst als ältere Leute wieder zusammenfinden, aber sich auch wieder verlieren. In der Zwischenzeit läuft sehr viel Unwägbares ab, mitunter auch psychische Krankheiten oder Verfolgung durch einen Detektiv, was mit viel Mühsal für die reiche Heldin des Romans verbunden ist, die sich in jungen Jahren ohne Liebe mehrfach aus Habgier mit Milliardären verheiratet hat, doch bald wieder scheiden hat lassen. Bei jeder Scheidung erhielt sie eine Abfindung von mehreren Millionen und konnte sich darum ein Stadthaus in Berlin und später eines in München kaufen. Sie baut sich in München eine Clique von künstlerischen Leuten auf...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum18. Nov. 2018
ISBN9783746781815
Die weiße Dame

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    Buchvorschau

    Die weiße Dame - Agnes Schuster

    Die Weiße Dame

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    21. Kapitel

    22. Kapitel

    23. Kapitel

    24. Kapitel

    25. Kapitel

    26. Kapitel

    27. Kapitel

    28. Kapitel

    29. Kapitel

    30. Kapitel

    31. Kapitel

    1. Kapitel

    Es war im Jahre 1961 zu Frühlingsanfang, als folgendes Gespräch in einer Westberliner Mietwohnung zwischen Mutter und Tochter Bromberg stattfand: 

    Oh, Corinna, da bist du nun endlich!, begrüßte sie ihre Mutter, als ihre jüngste Tochter vom Gymnasium nachhause kam. Ich muss dir gleich eine große Neuigkeit mitteilen. Bei mir war gerade eine Wahrsagerin hier und hat mir meine Zukunft aus den Handlinien gelesen. Was glaubst du, was sie mir von dir gesagt hat?

    Ich weiß es nicht, Mama. 

    Die Wahrsagerin sagte zu mir: Ihre jüngste Tochter wird einmal sehr schön, reich und berühmt werden, wenn sie groß ist. 

    Was sagst du dazu?

    Was soll ich dazu sagen? Ich bin ganz überrascht, Mama.

    Die Wahrsagerin fügte noch hinzu, ein Millionär wird dich heiraten, der ein Schloss oder einen Palast besitzt. Ist das nicht fabelhaft? Dann werde auch ich mit dir reich werden. 

    Ach, Mami, das ist ja wunderbar! Aber es ist doch noch so lange hin, ich bin doch erst 11 Jahre alt geworden.

    Die Jahre vergehen schneller als man denkt, Kind, und bald wirst du groß sein.

    Mama sag mir, wie konnte die fremde Frau das wissen? Das kann ich nicht ganz begreifen.  

    Eine Wahrsagerin kann das eben. Deshalb heißt sie doch auch Wahrsagerin, weil sie Wahres vorhersagen kann.  

    Mama, das wusste ich noch gar nicht, dass es solche Leute gibt.

    Freilich, gibt es solche Leute! Die gab es schon immer und die wird es auch immer geben.

    Mamas letzte Worte überzeugten endlich Corinna. 

    Das ist ja ein Ding!, Mama, wenn das wirklich stimmt.  

    Freilich stimmt das. Du wirst es erleben, Corinna. Warte es ab! Habe nur noch ein bisschen Geduld. Es wird so kommen, wie es uns die Wahrsagerin vorhergesagt hat. 

    Daraufhin setzte sich das kleine Mädchen bedächtig zu Tisch und aß mit großem Appetit zu Mittag, während sie an ihre großartige Zukunft dachte. 

    Ob die Mutter als Erziehungsperson richtig gehandelt hat? Das ist sehr fraglich. Jedenfalls beeinflussten Mutters Worte stark Corinna Brombergs Werdegang. 

    Corinna, die jüngste von drei Schwestern, fühlte sich von nun an wie auserwählt, stand fortan oft vor dem Spiegel und betrachtete mit Genugtuung, wie sie von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr schöner wurde. Sie freute sich über ihr hübsch geschnittenes rosiges Gesicht, über ihre schöne Gestalt und vor allem über ihre goldnen Zöpfe, die aufgelöst, eine wahre Lockenpracht darstellten.

    Ihre Mutter, eine Berliner Großstadtdame und ehemalige Tänzerin, die viel Geld für sich selber ausgab, war keine gute Hausfrau, kochte schlecht, wusch selten die Wäsche, bügelte nie und verstand nichts vom Flicken und Stopfen. Das Haushaltsgeld reichte hinten und vorne nicht. Ihr Mann warf ihr Inkompetenz im Haushalt vor. Als nicht sehr erfolgreicher Notar mit wenig Klientel, verdiente er nicht genug Geld für seine fünfköpfige Großstadtfamilie. Kurzum, die Familie litt Not; es reichte zum Essen, aber nicht für schöne Kleidung für die heranwachsenden Töchter. 

    Da die jüngste Tochter Corinna sehr hübsch war, wollte sie natürlich auch schöne Kleider tragen, so wie ihre Mitschülerinnen am Gymnasium, das war doch klar. Aus dieser Not heraus, fiel sie in eine große Versuchung. Nach dem Unterricht und noch mit dem Schulranzen auf dem Rücken ging sie jetzt in große überlaufene Kaufhäuser und stahl sich still und heimlich, wenn gerade niemand zugegen war und zusah, schöne Kleider, schob sie flink in den Schulranzen, setzte diesen wieder auf den Rücken und verließ abrupt das Kaufhaus. Natürlich fragte hinterher ihre Familie, wenn sie das Kleid am Körper trug: Corinna, woher hast du plötzlich das schöne Kleid her?

    Ach, sagte sie dann, ohne rot zu werden, das hat mir eine Frau auf der Straße in die Hand gedrückt und dabei gesagt: Ein schönes Mädchen muss auch ein schönes Kleid tragen. Hier, nimm es, Kleine.

    Ich wollte es zuerst ablehnen und habe mich lange dagegen gesträubt, aber die Frau ließ nicht locker und drängte es mir auf; da musste ich es wohl oder übel annehmen. 

    Hierauf wusste man ihr in der Familie nichts mehr dagegen zu sagen und glaubte es ihr. 

    Diese Vorgehensweise wiederholte sich von nun an alle ihre kommenden Jungmädchenjahre lang. Freilich hegte man in der Familie den leisen Verdacht, dass Corinna stiehlt. Aber Frau Bromberg ließ sie gewähren; denn offenbar stahl sie selber auch. Herr Bromberg steckte schwer in seinem Beruf und bekam von Vielem, was in seiner Familie ablief, gar nichts mit. Nur selten befasste er sich mit Corinna und sagte zu ihr: Du wirst doch nicht stehlen? Mache das nicht, meine Tochter, sonst wirst du bestraft werden. 

    Aber Corinna konnte trotz Warnung vom Stehlen nicht mehr lassen und entwickelte sich allmählich zur richtigen Kaufhausdiebin. Es ging ihr in Fleisch und Blut über. Kein Wunder, dass sich bei ihr über kurz oder lang ein krankhafter Zug zum Stehlen entwickelte. Je älter sie wurde, umso professioneller betrieb sie ihr Diebeshandwerk. Niemand kam dahinter; es glückte ihr jeder Versuch, jeder Handstreich. Langsam quoll ihr Kleiderschrank über von schönen Kleidern, Täschchen und niedlichen Schuhen. Ihre älteren zwei Schwestern, reagierten neidisch und sagten unter sich: Corinna stiehlt, das ist doch eindeutig! Sie kann doch nicht alles von dieser rätselhaften Frau auf der Straße geschenkt bekommen! 

    Sie wuchs und wurde so schön, dass Altersgenossinnen am Gymnasium sie beneideten, nicht zuletzt auch wegen ihrer schönen Kleider, mit denen sie durch Westberlins Straßen flanierte wie eine wahre Fee. Die Familie wohnte zur Miete in einem großen Stadthaus. Mit ihren älteren, weniger gut aussehenden Schwestern verstand sie sich überhaupt nicht gut, ließ sie links liegen und gab sich nicht mit ihnen ab. Schon früh liefen ihr junge Männer nach und wollten sie zu ihrer Freundin machen, mit ihr anbandeln, aber weil sie noch keine Millionäre sein konnten, lehnte sie diese strikt ab, vor allem auch, weil ihre Mutter hinter ihr stand und sie stets mahnte: Auf dich, Corinna, wartet niemand anderer als ein Millionär mit einem Palast, also habe noch etwas Geduld und warte ab. 

    Ab Fünfzehn trug sie ihre blonden Zöpfe offen. Lose fielen ihr fortan goldne Locken weit über die Schultern herab. Sehr aufreizend wirkte sie jetzt und nicht mehr wie ein braves Gretchen. Zu einem sehr koketten Geschöpf wuchs sie heran, das in Westberlins Straßen auffiel. Gerne trieb sie sich in großen Einkaufsstraßen herum, wo sich die vielen Kaufhäuser befanden und wo sie sich inzwischen als Diebin wie zuhause fühlte. 

    Seit langem hielt sich die Berliner Großstadtgöre schon für kein normales junges Mädchen, sondern für eine Auserwählte, besonders seit ihre Mutter ihr den Floh ins Ohr gesetzt hatte: Du wirst einmal reich werden! 

    Vermutlich hatte sie diese Botschaft der Wahrsagerin so unvorstellbar eitel und hochmütig gemacht und letztlich ganz verdorben. Bescheidenheit und Naivität gingen ihr verloren, besonders auch, als sie an einem Westberliner Schönheitswettbewerb teilnahm und tatsächlich den ersten Platz belegte. 

    Ach, wie schade um diesen Menschen Corinna!, denn so würde sie vielleicht die wahre Liebe niemals kennenlernen und zukünftig ein oberflächlicher Mensch werden wie so viele andere auch. Ja, dies war ihrer Veranlagung nach zu befürchten.

    Einmal schaute ihr der Vater heimlich durch den Türspalt zu, wie sie sich mit einem neuen gestohlenen Kleid wie ein Pfau bewundernd vor dem Wandspiegel drehte. Sicher, auch ihre Figur war tadellos. Nichts war zu beanstanden! Was habe ich doch für eine große Schönheit gezeugt!, ging es dem Vater bei ihrem Anblick durch den Kopf. Aber ihre Gefallsucht missfiel ihm trotzdem sehr. Darum sagte er zu ihr: Mein Kind, du wirst aus Eitelkeit noch zugrunde gehen!

    Ihr Vater prophezeite ihr also das Gegenteil von dem, was ihre Mutter ihr sagte. 

    Aber Vaters Worte verhallten wie ein Echo im Wald, während Mutters Worte in ihrem Herzen immerzu  grünten und präsent blieben, vermutlich hatten sie schon Wurzeln geschlagen in ihren blutjungen Jahren.

    Ihr Vater, der schon kränkelte, beobachtete seine heranwachsende jüngste Tochter weiterhin kritisch und argwöhnisch, wenn er erschöpft und geschwächt auf dem Sofa lag und ihr zusah. Aber er starb bald bei einem Jagdunfall im Brandenburger Wald, zu dem ihn seine Kumpanen eingeladen hatten. 

    Ihre zwei älteren Schwestern heirateten schon früh und lebten in armen, aber glücklichen Verhältnissen. Corinna blieb in der Mietwohnung bei ihrer Mutter wohnen, wo sich beide gerade noch mit der Witwenrente der Mutter über Wasser halten konnten. Mehr als jemals zuvor vervollständigte die Mutter ihr Werk nun an der jetzt 19-jährigen Tochter, die gerade ihr Abitur machte, indem sie ihr stets einbläute: Lass dich nicht ein mit gleichaltrigen Burschen, die sind noch nichts und haben noch nichts. Dein Los aber ist es, einmal reich zu werden, denke immer daran!

    Ihre Mutter stellte sich als geldgieriger Drache heraus. Darum war sie für ihre heranwachsende Tochter kein gutes Vorbild. Infolgedessen wuchs Corinna im Haushalt und in der Gemeinschaft mit ihrer verwitweten Mutter in überheblicher Weise heran, und wenn sie in Kontakt mit gleichaltrigen Burschen geriet, die sich um das schöne Mädchen bemühten, wies sie diese nach dem Ratschlag der Mutter schnöde und abrupt ab. Darum lernte sie in ihrer Jugend die Liebe, das Wunderbarste, was es jemals im Leben des jungen Menschen gibt, nicht kennen. Sie war sich dessen allerdings nicht bewusst.

    2. Kapitel

    Nach dem Abitur studierte Corinna Fremdsprachen: Vier Semester in Berlin, zwei Semester in London und zwei Semester in Paris. Den Auslandsaufenthalt zahlte ihr ein reicher Onkel, der Bruder ihres verstorbenen Vaters, denn Corinna selbst hätte sich ein Studium im Ausland nie im Leben leisten können. Anschließend kehrte sie als Übersetzerin nach Westberlin zurück, wo sie in einem Buchverlag eine Anstellung erhielt. 

    Eines Tages nahm sie der reiche Onkel, der ein großer Literaturliebhaber war, mit zur Frankfurter Buchmesse, denn Corinna interessierte sich ebenfalls in leidenschaftlicher Weise für Literatur. In Frankfurt am Main wurde sie eines Tages von einem noch relativ jungen Millionär angesprochen und um ein Stelldichein gebeten. Meine Stunde schlägt, dachte sie in heller Freude, und zeigte sich sofort mit einem Rendezvous einverstanden. Aufgeregt teilte sie diesen freudigen Umstand und Entschluss ihrem Onkel und ihrer Mutter mit. Es dauerte nicht lange, da hielten Corinna und der Millionär eine pompöse Hochzeit mit allem Drum und Dran, wie es sich für reiche Leute gehört. Scheinwerfer wurden von aufdringlichen Pressefotografen auf das Hochzeitspaar gerichtet, als es umjubelt aus dem Dom trat und sich der Menge zeigte, die über Corinnas ungewöhnlicher Schönheit staunte. Die Flitterwochen verbrachte das frisch gebackene Ehepaar atemlos vor lauter Staunen auf einem Luxusschiff, das sie rund um die Welt führte. Wieder zuhause, lebten sie in Saus und Braus. Im Schloss, wo sie wohnten, brauchte sie keine Hände zu rühren und wurde von einer Dienerschaft verwöhnt. Sie fühlte sich wie im siebenten Himmel, obgleich sie ihren Ehemann nicht liebte. Immerzu zerstreute man sich, ging laufend in Gesellschaft, auf Bälle und Hochzeiten, in Opern und Konzerte, wo ihr Ehemann immer mächtig mit seiner schönen jungen Ehefrau angab, die alle Schönheiten der Welt überträfe, so wie er glaubte. Ihre arme Mutter, die vom Glück ihrer Tochter hörte, fuhr voller Hoffnung zum Schloss, um sich Geld zu erbetteln und mit einigen 1000 DM beschenkt, fuhr sie mit Freudentränen in den Augen wieder nachhause zurück.

    Die schönste Zeit ihres Lebens glaubte nun Corinna zu genießen. Sie nahm täglich die Pille, denn Kinder wollte sie keine bekommen. Ihr Ehemann aber trachtete aufrichtig auf einen Erben. Ihr Verhältnis verdüsterte sich deshalb zusehends nach zwei Jahren Ehe. So blieb es nicht aus, dass ihre Ehe wieder geschieden werden musste. Es fiel ihr weiter nicht schwer, denn mit der Zeit hatte sie ihren ungeliebten und steinreichen Mann, der immer nach seinen Jagdhunden roch, überbekommen.  

    Der Millionär überreichte ihr zum Trost bei der Scheidung noch einen Scheck von einigen Millionen als Abfindung. Damit gab sich Corinna recht zufrieden. Allerdings fand auf Seiten der Mutter jetzt eine große Enttäuschung statt, die nun behauptete: Tochter, du wirst noch arm werden, arm und elend!

    Ihre Mutter, die auf großem Fuße leben und immer Geld von ihrer Tochter erpressen wollte, war nun, versteht sich, sehr enttäuscht.

    Als Corinna geschieden war, ging sie wieder in ihren Beruf, um Übersetzungen zu machen. Ein Westberliner Buchverlag, der sie schon kannte, gab ihr wieder ein Buch zum Übersetzen. Manchmal wurde es ihr unvorstellbar langweilig, dann musste sie sich zerstreuen. Wie benommen rannte sie durch die Straßen und verschwand in den Kaufhäusern, um wieder etwas zu stehlen. Dies gab ihr wieder eine Zeitlang Aufwind und Auftrieb. Der Lauf der Dinge und ihr Schicksal eben, das sich so schrecklich ankündigte. Wie früher als armes Mädchen nahm sie wieder die Kaufhäuser unter die Lupe, fuhr Rolltreppen auf und nieder, jetzt jedoch getarnt als reiche, wohlhabende Dame mit toller Ausstattung, eleganter Kleidung, Schuhe mit Pfennigabsätzen und teuerstem Schmuck. Warum stahl sie bei ihrem Reichtum jetzt immer noch? Das kam ihr selber komisch vor. Etwas ganz Paradoxes spielte sich ab. Vermutlich war es eine Regression, ein Rückfall in frühere Verhaltensmuster, wo sie sich aus bloßer Armut nach Strich und Faden Waren in Kaufhäusern zusammen stahl. Dieser Hang zum Stehlen war ihr offenbar geblieben, was völlig unverständlich war. 

    Manchmal wurde sie unterwegs von Räubern überfallen und beraubt. Gedemütigt und niedergeschlagen kam sie dann zuhause an, so wie heute wieder. Sie besah sich im Spiegel und sagte enttäuscht: Ach, auch meine Perlenkette, mein teures, edles Glanzstück haben sie mir abgenommen! Sie ließ minutenlang traurig Kopf und Arme hängen und beweinte ihr tristes Schicksal. Und wie sie übertrieb: Arm bin ich geworden, die Schönheit halb verloren! 

    Bald darauf aber sagte sie aufmunternd zu sich selber: Ich muss mir wieder einen reichen Sonnyboy anlachen wie vormals schon; ich besitze doch noch Reiz genug, bin noch jung genug. Dann wischte sie sich energisch die Tränen fort, trat wieder vor dem Spiegel und sagte sich: Meine Figur ist noch tadellos, die Haut jung, glatt und frisch wie Morgenrot, das Haar wie edles Gold so blank und so voller Glanz, dass es jeden blendet, die Stirn sehr steil, was mich klug aussehen lässt, um von meinen schönen dunkelblauen Augen ganz zu schweigen. Oh, ich bin noch reizvoll genug für einen reichen edlen Mann, der Augen im Kopf hat!

    Und so geschah es denn auch. Sie nahm jetzt den ersten reichen Mann, den Millionär Alvin Süß, der sie im Foyer der Oper ansprach und rundheraus fragte: Edle Dame, wollen Sie mit mir auf Weltreise gehen? 

    Er war sichtlich gerührt und verliebt auf den ersten Blick. Aber sie nicht. Sie wusste bis dato noch immer nicht, was wahre Liebe ist. Trotzdem sagte sie sofort zu, indem sie behauptete: Eine Weltreise habe ich schon immer angestrebt. Sehr gerne reise ich mit Ihnen mit.

    Auf einem Luxusschiff genossen sie dann die endlose Fahrt übers Meer rund um die Welt. Endlich kehrten sie wieder zurück. Sie gab vor, Alvin Süß zu lieben, doch es war eine Lüge. Zuhause feierten sie mit all dem aufwendigen Pomp ihre Hochzeit. Aber trotz all dem Positiven, dem Luxus, dem Reichtum, was ihr vom neuen Ehemann kam, war sie nicht recht zufrieden mit ihm und wartete die Möglichkeit ab, sich wieder von ihm zu trennen, was nicht ausblieb; denn auch er sagte schließlich nach zwei Jahren Ehe so wie schon vorher der erste Ehemann: Du wirst nicht schwanger, Corinna, ich jedoch brauche Erben für meine Millionen, also müssen wir uns scheiden lassen. Bist du einverstanden? Ich werde dich abfinden mit 3 Millionen.

    Ja, sagte sie, ich bin einverstanden, Alvin. 

    All das Verwöhnen, das Schweben im Schönen war wieder verebbt und Corinna, obgleich wieder abgefunden mit Millionen, stakste nun einsam durch Westberlin und wusste nichts Rechtes mit sich anzufangen vor lauter Ödnis und unbestimmtem Verlangen. Schlecht gelaunt, besann sie sich wieder auf ihren Beruf, ging zu ihrem Buchverlag und übersetzte Bücher aus fremden Sprachen ins Deutsche. Ihr Buchverlag war höchst verblüfft darüber, wie schnell und präzise, ganz ohne Fehler, ihr die Übersetzungen gelangen. Wegen Ihrer großen Kompetenz im Übersetzen, Frau Bromberg, sagte ihr Chef,  verdienten Sie eine Auszeichnung.      

    Corinna machte anschließend, nachdem sie einige Bücher übersetzt hatte, Urlaub, besuchte verschiedene Großstädte, reiste nach Paris, flog nach London, wo sie sich längere Zeit aufhielt. Immer zogen sie die Metropolen an. Dies war schon immer so. Als sie einmal im Londoner Hyde Park spazieren ging, um nichts zu suchen, das war ihr Sinn, da entriss ihr plötzlich ganz unerwartet in Sekundenschnelle eine Bande routinierter Taschendiebe all ihre Habseligkeiten, die sie mit sich führte. Sie erleichterten sie sehr. Leicht wie ein Vogel fühlte sie sich hinterher. Wie die das nur machen?, wunderte sie sich. In England, dachte sie, sind Räuber und Diebe zuhause, denkt man nur an Oliver Twist oder Robin Hood. Aber vielleicht ist meine vorschnelle Meinung ein bloßes Vorurteil, denn Menschen sind doch überall gleich. 

    Sie war froh darüber, dass sie wenigstens ihre Bankkarte in ihrem Büstenhalter versenkt hatte. Aber London gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Zu viel Gesindel an allen Ecken und Enden und keine Millionäre, sagte sie sich, also, fort von hier. Lieber flog sie direkt nach Rom, wo sie sich um eine Privataudienz beim Papst bemühen wollte. Sie glaubte, alles und alle stünden ihr, der Schönen, zur Verfügung. Aber es kam ganz anders. Im selben Flugzeug, mit dem sie von London aus nach Rom flog, befand sich ein orientalischer Prinz, der sie in Englisch ansprach, sich vorstellte als Omar und sie dringend um ein Stelldichein bat, als sie nebeneinander in Rom den Flughafen verließen. Sie willigte ohne Umschweife ein, denn sie wollte wieder verheiratet sein, um sich erneut als richtige Ehefrau zu fühlen, der ein Ehemann zu Füßen liegt und sie anbetet. Und es kam genauso wie gewünscht. Sie dachte dabei: So ein arabischer Ölscheich hat sicher noch mehr Geld als deutsche Millionäre, denn Ölscheiche besitzen neben unsäglichen Millionen auch noch unerschöpfliche Ölfelder, so wie man heutzutage von überall her hören kann. Es ist mir recht! Den angle ich mir jetzt.

    Er nahm sie tatsächlich gleich mit in seine kürzlich erst gekaufte Villa. Sie war nicht sein einziges Weib, musste sie leider gleich feststellen. Viele schöne Frauen gingen hier in der feudalen Villa aus und ein, die den Scheich mit zurückgeworfenem Schleier und einem Kuss begrüßten, wenn sie ihm begegneten. Um ihre Situation zu klären, da sie ihn fragend anschaute, sagte er zu ihr: Corinna, du sollst meine Hauptfrau sein, denn du bist das blondeste und schönste Weib unter allen meinen Haremsdamen. Also kannst du recht zufrieden sein.  

    Gleich nach der Ankunft führte er sie ins Bad, das nach orientalischen Essenzen duftete. Sie befragte ihn wieder: Bist du wirklich ein Prinz, Omar, oder tust du nur so als ob? 

    Jawohl, ich bin ein Prinz, gestand er ihr mit Nachdruck, da liegst du ganz richtig. 

    Die vielen Nebenfrauen reagierten sauer, weil Omar sich eine Hauptfrau angeschafft hatte. Die obskure Situation mit dem Harem befremdete Corinna sehr. Auf so etwas Fremdartiges war sie wirklich nicht gefasst gewesen, und nur schlecht konnte sie sich damit abfinden. Aber auch den Omar liebte sie nicht. Daher hielt sich ihre Eifersucht auf die andern Haremsdamen in Grenzen.  Überhaupt wusste sie bis dato noch immer nicht, was wahre Liebe ist, von der sie so viel gehört, geträumt und in Romanen gelesen hatte, eine Tatsache, die sie mitunter beunruhigte und fassungslos machte. Eines Tages bat sie Omar: Fliegen wir doch nach Westberlin, dort ist mein Zuhause, ich will dich endlich meiner Mutter vorstellen. Sie erwartet unseren Besuch.   

    Gut, sagte Omar, fliegen wir nach Westberlin.        

    Corinna gefiel dem Scheich über alle Maßen, darum wollte er nur noch mit ihr verkehren und vernachlässigte total seinen Harem in Rom, was ihm seine Haremsdamen natürlich verübelten. Er sagte zu ihr: Jetzt brauche ich keinen Harem mehr, Corinna, seit ich dich kenne, du allein genügst mir vollkommen. Oder er sagte: Für dich könnte ich mich zerreißen und monogam leben wie die abendländischen Herren. Weder Komplimente noch seine Schönheit ließen bei Corinna Liebe aufkommen. Omar war nämlich ein schöner Mann mit kohlschwarzen Augen und rabenschwarzem Haar, ein eleganter Herr von Kopf bis Fuß, der immer weiße Anzüge und einen extravaganten bunten Turban trug, der an einen Papagei erinnerte. Seine

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