Der Mullah und das Paradies: Reisen durch den Iran und Usbekistan
Von Ludwig Witzani
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Der Mullah und das Paradies - Ludwig Witzani
Ludwig Witzani
Der Mullah
und das
Paradies
Reisen
durch den Iran
und Usbekistan
Ludwig Witzani: Der Mullah und das Paradies
Reisen durch den Iran und Usbekistan
_____________________________________________
Reihe „Weltreisen" Band VI
Lektorat: Tilman Griebenow
epubli Verlag, Berlin, 2016
für die Angehörigen
der Familie Yazdi,
ganz egal,
wie sie heute heißen mögen
BildBildSzenen aus der iranischen Stadt Schiraz
BildVorbemerkung
Zum historischen Iran gehören neben der Islamischen Republik Iran auch Teile von Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Afghanistan, vor allem die Gebiete der nördlichen Seidenstraße mit den glanzvollen Städten Chiwa, Buchara und Samarkand. Zusammen gesehen bildet der iranische Raum eines der großen Kulturzentren der Welt.
Dabei scheint es das Schicksal des Iran zu sein, immer das ganz Andere darzustellen. Schon in der Morgendämmerung der Weltgeschichte bildete die Kultur der Elamiter eine eigenständige iranische Variante der altorientalischen Kultur. In der Antike agierten die iranischen Großreiche als Antagonisten der Griechen und Römer - das Reich der Achaimeniden stand gegen die Griechen, das Reich der Parther und Sassaniden gegen das römische Imperium. Vom Islam im siebten und achten Jahrhundert überwältigt, wurde die iranische Kultur revolutioniert, aber nicht, ohne dass sich auch der Islam unter dem iranischen Einfluss tiefgreifend veränderte. Die politische und theologische Revolution der Safaviden-Dynastie machte den Iran im 16. Jahrhundert zum Gegenpart der Osmanen und innerhalb der islamischen Welt zur schiitischen Opposition. Im 20. Jahrhundert wurde der Iran schließlich zum Schauplatz der Iranischen Revolution, wahrscheinlich der bedeutendsten politischen Bewegung des letzten Jahrhunderts, deren Ziel nicht mehr und nicht weniger als der Sturz der Moderne ist.
Eine Reise durch den iranischen Kulturraum erlaubt also nicht nur die Begegnung mit erstrangigen Zeugnissen der Geschichte, sondern auch einen Einblick in eine religiös und ästhetisch vollkommen andersartige Welt - namentlich wenn sie außerhalb eingetretener Pfade und selbstorganisiert unternommen wird. Gerade in diesen Jahren, in denen der Islam in seinen unterschiedlichen Ausprägungen die westliche Welt herausfordert, kann eine Reise in den Iran dazu dienen, jenseits oberflächlicher Verbrüderungen das Eigene und das Fremde genauer zu erkennen.
Das vorliegende Buch bündelt zwei Reisen, die ich im Abstand von gut einem Jahrzehnt unternommen habe - die erste vor den Anschlägen des 11. September 2001, die zweite unmittelbar nach dem Beginn der Terroroffensive des Islamischen Staates gegen unschuldige Touristen im Jahre 2015. Aus dieser zeitlichen Differenz erklären sich die unterschiedlichen Perspektiven im ersten und zweiten Teil.
BildBildErster Teil:
Reisen durch die Islamische Republik Iran
BildStatt einer Einleitung:
Azila
Vor vielen Jahren, lange bevor ich meine Reisen begann, hatte ich eine kleine Freundin. Ihr Name war Azila, sie war jung und schön – und sie war Iranerin. Damals hatte das einen anderen Klang als heute, wo alles Mohammedanische schnell unter Generalverdacht gerät. Damals war der Orient noch der verträumte Bruder des Westens, jedenfalls erschien es mir so, als ich Azilas Elternhaus in Bonn betrat, in dem der gutmütige Vater Farid und seine deutsche Frau Sabine mich herzlich willkommen hießen. Da war nichts von der strengen Kontrolle zu spüren, der heute viele moslemische Töchter unterworfen sind - im Gegenteil: Farids drei Töchter Azila, Roxana und Rosa waren so deutsch, wie man es sich nur vorstellen konnte. Sie kicherten und lachten, wie es alle Backfische in ihrem Alter tun und wickelten ihren Vater um den Finger, wie sie nur wollten.
Vater Farid hatte ein gutmütiges Gesicht, dunkle Haut und die runden Augen eines Teddybären. Er war mittelgroß und kräftig, seine Stimme war tief und seine Umgangsformen besaßen etwas Vornehmes. Als iranischer Student in Deutschland hatte er noch in der Schah-Zeit die damals blutjunge Sabine kennengelernt, hatte um sie geworben und sie schließlich geheiratet. Solche deutsch-iranischen Ehen waren damals an der Tagesordnung gewesen, denn der Iran befand sich unter der Herrschaft Schah Muhammed Reza Pahlawis in stürmischem Aufbruch. Eine Landreform hatte den Ärmsten der Armen endlich eine Existenzgrundlage verschafft, die Frauen waren offiziell gleichberechtigt, und von außen betrachtet schien es so, als führe die Weisheit eines orientalischen Augustus den Iran in eine glorreiche Zukunft. So dachten wir damals, und keiner hätte sich ernsthaft vorstellen können, dass alles ganz anders kommen sollte.
Jedenfalls heirateten Farid und Sabine und zogen nach Teheran. Dort bekamen sie sehr zügig drei Töchter, Rosa, die Scheue, Azila, die Schöne und Roxana, die Fröhliche. So weit so gut, doch Sabine wurde im Iran nicht glücklich. Was genau damals in Teheran geschehen ist, weiß ich nicht, aber offenbar war das alltägliche Leben in den Vorstädten einer orientalischen Millionenstadt doch erheblich anders, als es sich Sabine vorgestellt hatte. Es kam zu Konflikten, und eines Tages nahm Sabine ihre drei Töchter und kehrte nach Deutschland zurück. Die Zeiten von „Nicht ohne meine Tochter" befanden sich noch in weiter Ferne. Farid, der verlassene Ehemann, blieb in Teheran zurück. Erst als ihm vor Kummer alle Haare ausgefallen waren, reiste er Sabine hinterher und erklärte sich bereit, hinfort mit seiner Familie in Deutschland zu leben. Er fand eine gutbezahlte Stellung bei einem Exportunternehmen, man bezog eine geräumige Wohnung in einem Bonner Vorort, und die drei kleinen Töchter vergaßen bald in Kindergarten und Grundschule alles Iranische und wurden waschechte Deutsche.
Nur einmal noch, das habe ich aber erst später erfahren, entstand Unruhe in der Familie, als im Jahre 1979 der Schah stürzte. Zum Staunen der Welt erhoben sich die Mullahs und Bazaris, und die Millionen in Teheran, Isfahan, Schiraz und Maschad folgten ihnen. Der Schah floh aus dem Land, das Volk raste vor Glück, und plötzlich holte auch der freigeistige Farid seinen Gebetsteppich aus dem Schrank, entrollte ihn im heimischen Wohnzimmer, um gen Mekka zu beten. Aber gottlob war das nur eine Episode. Als die Mullahs die neue Freiheit brachial niederkartätschten, packte Farid den Gebetsteppich wieder in den Schrank und kehrte in seine aufgeklärt-liberale Existenzform zurück.
Inzwischen waren die Töchter groß geworden. Rosa, Azila und Roxana befanden sich mittlerweile auf dem Gymnasium und besuchten ein- oder zweimal in der Woche das Studentenreferat der Universität, wo jeden Abend ein massenhaftes Circuit-Training stattfand. Gut und gerne einhundert kräftige junge Männer nahmen an dieser Veranstaltung teil, wo zum brausenden Klang mitreißender Musik die männlichen Körper gedehnt, gebeugt, gekräftigt, aber vor allem so effektvoll zur Schau gestellt wurden, dass dieser Termin für die Oberstufenschülerinnen der Umgebung zur allerheißesten Anlaufadresse wurde.
Dort habe ich Azila kennengelernt. Sie war ein prachtvolles junges Mädchen mit den pechschwarzen langen Haaren einer orientalischen Prinzessin, mit bronzefarbener Haut und dunklen Augen, die mir viel älter vorkamen als der Rest ihres Gesichtes. Die Einzelheiten, wie wir zusammenkamen, tun hier nichts zur Sache, allerdings verwunderte mich, wie direkt und gezielt sie mich erwählte. Alles vollzog sich schnell und unkompliziert, und obwohl ich ein gutes Stück älter war als sie, scheute sie sich nicht, mich ihren Eltern vorzustellen. Womit ich wieder beim Anfang bin und bei dem, was ich eigentlich erzählen wollte.
Denn jeden Sonntag, wenn ich mich am Vormittag bis zur Erschöpfung auf dem Fußballplatz verausgabt hatte, war ich Gast am Mittagstisch der Familie Katami. Das war zweifellos ein Privileg, denn der Sonntagstisch der Katamis war das üppige Zentrum des allwöchentlichen Familienlebens, bei dem aufgetragen wurde, was immer Wochenmarkt und Kühlschrank hergaben. Töpfe voller Reis, Gemüse, verschiedene Fleischsorten auf unterschiedlichen Platten, kleine Vorspeisenteller und jede Menge Knabberzeug standen zum Verzehr bereit, und als Konzession an Farids Heimweh nach dem Iran erklangen die melancholischen Töne einer iranischen Zitter über eine gediegene Stereoanlage. Das Gespräch bei Tisch hatte nichts Rituelles, nichts Weihevolles, alles plapperte durcheinander, und Azila, die sich in der Gegenwart meiner älteren Freunde oft um Stil und Ernsthaftigkeit bemühte, kreischte und lachte mit ihren Schwestern wie ein ausgelassenes Kind. Vater Farid saß derweil wie ein gütiger, glatzköpfiger Buddha am Kopfende des Tisches und nickte freundlich zu allem, was die Töchter über Schule und Leben so von sich gaben. Auch ich beschränkte mich überwiegend aufs Zuhören, denn ich war in erster Linie damit beschäftigt, den Speisen zuzusprechen, die Mutter Sabine auf den Tisch des Hauses gezaubert hatte.
Nach dem Essen aber kam das Tollste. Farid und mich überkam eine wohlige Müdigkeit, der Verdauungsvorgang setzte ein, und ehe wir uns versahen, waren wir bereits von den Mädchen in Wolldecken eingewickelt und wie zwei dicke Würste auf den beiden Diwanen des Wohnzimmers zum Mittagsschlaf abgelegt worden. Sabine und ihre Töchter räumten in Windeseile den Tisch ab, ich hörte noch ihr Lachen und das Klimpern des Geschirrs in der Küche, dann schlief ich ein.
Wenn ich es genau bedenke, kann ich mich an nur ganz wenige Momente meines Lebens erinnern, in denen mich eine derartige Entspannung bis in die letzten Fasern meines Wesens erfüllte, wie allsonntäglich auf dem Katami´schen Sofa im ersten Stock eines Wohnhauses in Bonn-Beuel. Jedes Mal versank ich übergangslos in einen tiefen Schlaf, in dem sich alle Verspannungen lösten und aus dem ich nach einer Stunde rundumerquickt und wie neu geboren erwachte. Inzwischen hatten Sabine und ihre Töchter den Samowar auf den Wohnzimmertisch gestellt und die Tschai-Gläser aus dem Schrank geholt. Farid und ich wurden aus den Wolldecken wieder herausgepult, nahmen eine ordentliche Sitzhaltung ein und tranken den Tee, der uns vor die Nase gesetzt wurde. Nun war die Zeit gekommen, in der der Hausherr und ich über die Lage der Welt diskutierten, was meistens so ablief, dass mir Farid seine Meinung zu den aktuellen Geschehnissen im In- und Ausland darlegte und ich nur hier und da leicht paraphrasierte, nicht zu viel, um nicht vorwitzig zu erscheinen, und nicht zu wenig, um nicht in den Ruf einer tauben Nuss zu kommen, die nur an dem Lammfleisch auf seinem Teller interessiert war. Ich weiß noch, wie kritisch Farid die Politik der Amerikaner und Briten beurteilte, verstand aber damals nicht die Berechtigung dieser Position, weil mir die Geschichte des Irans ein Buch mit sieben Siegeln war. Diese amerikakritische Haltung war im Hause Katami übrigens sakrosant, und selbst die Töchter schwiegen, wenn der Vater von dem Unrecht erzählte, dass die Briten den Iranern bei der Ausbeutung der Ölfelder angetan hatten. Vielleicht interessierte es sie aber auch gar nicht, denn Azila, Rosa und Roxana saßen nebeneinander auf dem Sofa und strickten an Shwals, Handschuhen oder Pullovern, was heute kaum glaublich erscheint, aber damals unter jungen Mädchen gang und gäbe war. Azila strickte für mich einen Pullover, von dem ich ahnte, dass er an meinem Körper wie ein Sack herunterhängen würde, den ich aber als Ausfluss ihrer Liebe in allerhöchsten Ehren halten würde. Ich habe ihn später in kalten Nächten schätzen gelernt und irgendwann in der Mongolei verloren.
Heute lebt Azila schon längst in einer anderen Stadt, ist glücklich mit einem guten Mann verheiratet – und hat wieder drei Töchter! Ich habe längst den Kontakt zu ihr verloren, doch geblieben ist mir die Erinnerung an die Sonntagnachmittage im Hause Katami, an ein merkwürdig wesenloses Glück, wie ich es nachher nie wieder in dieser Intensität empfunden habe. Auch wenn es im Hause Katami alles andere als traditionell-moslemisch oder iranisch zuging, auch wenn die sonntägliche Diaspora von allen Bedrängtheiten des Alltags als eine deutsch-iranische Melange daherkam, blieb die Erinnerung an diese paradiesische Behaglichkeit für mich immer mit dem Begriff des Irans verbunden. Essen, Trinken, Schlafen, Geborgenheit, Austausch und Liebe bildeten in ihrer Gesamtheit eine iranisch getönte Reminiszenz, die ich nicht mehr vergaß und die bei mir war, als ich Jahre später endlich den Iran bereiste.
BildDer Ayatollah
in der Einbahnstraße
Tage in Teheran
Als ich in den Iran aufbrach, stand die Welt an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Die Erinnerung an den Sieg der Freiheit über den totalitären Sozialismus in Osteuropa war noch frisch, und noch vermochte sich niemand vorzustellen, welche Blutspur der Islamismus, diese Geißel des 21. Jahrhunderts, in den nächsten Jahren durch die ganze Welt ziehen würde. Der Islam war noch nicht der ungebärdige Aufwühler der Welt, sondern erschien dem oberflächlichen Blick noch immer als der milde, pittoreske Bruder des Okzidents, in dessen Städten sich der Reisende aus den kalten Gesellschaften des Westens eine Zeitlang an den Wonnen der Gemeinschaftlichkeit laben konnte. Selbst im Iran, der jahrzehntelang unter Revolution und Krieg gelitten hatte, schienen sich die Verhältnisse zu beruhigen. Eines der prachtvollsten und interessantesten Länder der Erde öffnete seine Pforten für die, die es sehen wollten. Ich besorgte mir ein Visum, packte meinen Rucksack, verstaute meine Kaffeevorräte und meine Bücher und brach auf.
*
Ich fuhr alleine zum Köln-Bonner Flughafen und checkte mein Gepäck am Schalter der Turkish Airlines ein. Zur Zeit gab es keine preisgünstigere Verbindung nach Teheran als einen Flug mit Turkish Airlines und einem Zwischenstop in Istanbul. Es war Wochenende, die Maschine war heftig überbucht, und es dauerte fast eine Stunde, ehe die Mitarbeiter der Fluggesellschaft genügend Passagiere überreden konnten, gegen üppige Kompensationen zurückzutreten.
Im Unterschied zu anderen Großraumflugzeugen war der Innenraum des Airbusses nicht unterteilt, so dass der gesamte Passagierraum von hinten nach vorne übersehbar war. Einen Moment lang erschienen mir die etwa dreihundert Passagiere, die vor mir saßen, wie die Besucher eines altertümlichen Kinos, die alle gebannt nach vorne starrten, obwohl es keine Leinwand gab. Bizarr wurde es, als die Maschine der Turkish Airlines beim Aufsteigen erschreckend ins Trudeln geriet und die Hinterköpfe der Passagiere allesamt in gleichen Takt hin- und her wackelten. Jeder Flug ist eine kleine Anfrage an den Tod, die gottlob meistens abschlägig beschieden wird.
Das Umsteigen in Istanbul ging problemlos vonstatten. Die Bombenanschläge späterer Jahre lagen noch weit in der Zukunft. Unbewacht lag das Gepäck in den Gängen, nirgendwo war Flughafenpolizei zu sehen. Auch der Anschlussflug von Istanbul nach Teheran war ruhig. Tief unter mir erkannte ich die Umrisse des Van Sees, aus der Höhe wirkte er wie ein seifiges Auge in einem zerklüfteten Gesicht. Heute tobt dort der türkisch-kurdische Bürgerkrieg. Es folgten die schneebedeckten Gipfel des türkisch-iranischen Grenzgebietes, schließlich die grünen Felder Iranisch-Aserbeidschans, dann Berge und Wüsten. Der größte Teil des Irans mit seinen immerhin 1,6 Millionen Quadratkilometern Fläche besteht aus Wüsten, Sandwüsten, Geröllwüsten, Steinwüsten, dann und wann einmal eine Oase, ein Bergzug, bis die nächste Wüste kommt. Kaum zu glauben, dass fast achtzig Millionen Menschen im Iran leben, wenngleich die überwiegende Mehrheit in den städtischen Ballungsräumen, deren größter die Hauptstadt Teheran ist. Ich schloss die Augen und versuchte mir vorzustellen, was mich erwartete. Auf jeden Fall ein lebhaftes Straßenbild, denn wenn man den Statistiken glauben durfte, lag das Durchschnittsalter der Bevölkerung inzwischen unter zwanzig Jahren, und unglaubliche vierzig Prozent der Iraner waren nicht einmal 14 Jahre alt. Kein Land für flächendeckende Kita-Betreuung.
Kaum war das Flugzeug auf dem Ajatollah Chomeini Airport in Teheran gelandet, griffen alle weiblichen Passagiere wie auf Kommando zum Tschador. Graue, schwarze, blondierte, rote, lange oder kurze Haare verschwanden unter dunklen Tüchern. Bildschöne Iranerinnen, die soeben noch mit dem Steward geflirtet hatten, junge Mädchen und ehrwürdige Großmütter, sogar die Touristinnen legten Kopftücher an und traten sorgfältig verschleiert vor die Passkontrolle als näherten sie sich einem Beichtstuhl. Doch die Einreisekontrollen verliefen locker und entspannt. Wo man Horden schiefmäuliger Tugendwächter erwartet hatte, die nur darauf warteten, jeden Ungläubigen bei der Einreise zu drangsalieren, knallte mir ein freundlicher Beamter ohne große Umstände den Stempel in den Pass. Lässig an seinem Tee nippend, winkte mich der Zollbeamte durch. Ich war im Iran.
Vor dem Flughafen stürzte sofort ein halbes Dutzend Taxifahrer auf mich ein. Alle bestürmten mich mit den unterschiedlichsten Angeboten, denen nur eines gemeinsam war, ein unglaublich niedriger Preis. Der fortdauernde Wirtschaftsboykott der westlichen Staaten gegen den Iran hatte dem Rial, der iranischen Währung, übel mitgespielt, so dass die Kaufkraft von Euro und Dollar innerhalb des Irans geradezu unglaublich war. Ich wählte den zurückhaltendsten Anbieter, verfrachtete mein Gepäck im Kofferraum und nannte den Namen meines Hotels. Der Taxifahrer war tadellos gekleidet, duftete nach einem dezenten Herrenparfum und trug seinen pechschwarzen Haare wie angeklebt an seinem langgezogenen Kopf. Ich notierte: Der Iraner als Angehöriger eines alten Kulturvolkes zeigt seinen Rang in der Akkuratesse seiner Frisur. Aber welcher Bevölkerungsgruppe mochte er angehören? Nur die Hälfte der Iraner waren ethnische Perser. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung waren türkischstämmige Aserbaidschaner, knapp zehn Prozent Kurden, und der Rest teilte sich auf in Araber, Tadschiken, Belutschistanis und andere Minderheiten. Die Gesichtszüge des Taxifahrers waren europid, er besaß einen messerscharfen Nasenrücken, einen geschmäcklerischen Mund und dunkle, ausdrucksstarke Augen unter dichten Augenbrauen. Wahrscheinlich war er ein Perser.
Auf halber Strecke zwischen Flughafen und Innenstadt stoppte der Taxifahrer am Straßenrand und verwies