Wie der Osten Urlaub machte: Die schönsten Ferienorte der DDR
Von Anonym
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Buchvorschau
Wie der Osten Urlaub machte - Anonym
Statt eines Vorworts
Uli Jeschke
(picture alliance / ddrbildarchiv / Klaus Morgenstern)
Urlaub! Dieses Wort weckt sofort Assoziationen – Meer, Wellen, Sonne, Berge, Wandern, Nichtstun, Lesen, gutes Essen, fremde Länder sehen. Die Gedankenketten sind sicher so vielfältig und unterschiedlich wie die Menschen, bei denen sie wachgerufen werden. Das Positive, die schönen Erinnerungen und die Vorfreude auf Kommendes überwiegen sicher dabei. Entspannung, aktive oder passive, auf jeden Fall jenseits vom Alltag, von der Arbeit, das bedeutet Urlaub für die meisten.
Und dabei liegen sie dicht am Ursprung des Wortes. Etymologisch geht Urlaub auf das mittelhochdeutsche urloup bzw. das althochdeutsche urloub zurück, was so viel bedeutet wie »Erlaubnis, sich zu entfernen«. Im Mittelalter durfte sich einer nicht einfach von seinem Wohnort fortbewegen, schon gar nicht, wenn er Leibeigener oder Bediensteter war, aber auch der niedere Adel benötigte die Erlaubnis seines Lehnsherrn. Und so wie einer im Mittelalter die Einwilligung erhielt, wegzugehen, so entfernen wir uns von unseren unmittelbaren Pflichten und Zwängen und genießen dabei, wenn man den Werbesprüchen der gewaltigen Urlaubsindustrie folgen will, die glücklichsten Tage des Jahres. Dabei sind wir hier in Deutschland durchaus privilegiert, liegen wir doch weltweit mit 20 Tagen Mindesturlaub im guten Mittelfeld und galten global lange Zeit als Reiseweltmeister.
Wie war das aber nun früher im Osten? Welche Rolle spielte Urlaub im Leben der DDR-Bürger und wie wurde er gestaltet? Nun gibt es die DDR seit 30 Jahren nicht mehr. Da mögen manche die Frage stellen, ob damals Urlaub überhaupt stattfand, wo es doch die Mauer gab und man nicht frei reisen durfte, andere fragen sich, ob nicht alles von der Partei, der Gewerkschaft oder dem Betrieb bestimmt wurde …
Zum Ersten sollte daran erinnert werden, dass bei Gründung der DDR, wie auch der Bundesrepublik, der verheerende Zweite Weltkrieg keine fünf Jahre vergangen war. Hüben wie drüben waren die Menschen in allererster Linie damit beschäftigt, die Zerstörungen zu beseitigen und sich um das unmittelbar Nötige zu kümmern. Aber freie Arbeitstage und Urlaub gab es schon in der 1950er Jahren.
In der DDR versuchte man von Beginn an, bei aller Not, auch auf das Soziale, das Menschliche zu achten. Die Verantwortlichen waren sich darüber im Klaren, dass es nicht nur die materiellen, sondern auch die geistigen Folgen eines Krieges mit über 65 Millionen Toten zu überwinden galt. So wurde in dem jungen Staat neben dem wirtschaftlichen Aufbau von Beginn an großer Wert auf die Möglichkeit eines kulturvollen Lebens gelegt, Verlage entstanden und wurden gefördert ebenso wie Theater und Film, denken wir nur an die vielen interessanten DEFA-Filme aus den frühen DDR-Jahren.
Wer schwer arbeitet, soll sich erholen können. Das ging schon weit über die reine Erhaltung der Arbeitskraft hinaus. Gleichzeitig sollte die Arbeit an sich eine Würdigung erfahren, zu arbeiten, nicht nur um Geld zu verdienen, sondern auch um sich zu entwickeln und »seinem« Land zu helfen, geriet zum Wert. Nur so ist es zu erklären, warum das Recht auf Urlaub und Erholung schon in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 im Artikel 16 Verfassungsrang bekam, nachdem der Artikel 15 bereits das Recht auf Arbeit manifestierte. Weiter wurden dann in den Arbeitsgesetzbüchern der DDR konkrete Rechte formuliert. So heißt es im Gesetzbuch der Arbeit der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. April 1961 unter § 79 und § 80:
Das Recht auf Erholungsurlaub
§ 79. (1) Alle Werktätigen erhalten jährlich einen bezahlten Erholungsurlaub.
(2) Das Recht auf Erholung wird verwirklicht mit Hilfe des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, der einen bedeutenden Teil seiner Mittel für die gesellschaftliche Aufgabe des planmäßigen Ausbaus der Erholungsmöglichkeiten, insbesondere des Feriendienstes der Gewerkschaften, nutzt, damit die Werktätigen ihren Erholungsurlaub unter vorbildlichen gesundheitlichen, kulturellen und sozialen Bedingungen zur Erhaltung ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit verbringen können.
Die Dauer des Erholungsurlaubes
§ 80. (1) Jeder Werktätige hat Anspruch auf einen Grundurlaub von
zwölf Werktagen.
(2) Werktätige, die überwiegend besonderen Arbeitserschwernissen oder Arbeitsbelastungen ausgesetzt sind oder eine besonders verantwortliche Tätigkeit ausüben, erhalten einen arbeitsbedingten Zusatzurlaub.
(3) Die Dauer des Zusatzurlaubes ist für die einzelnen Beschäftigtengruppen in Urlaubskatalogen festzulegen, die in die Rahmenkollektivverträge aufzunehmen sind. Auf ihrer Grundlage ist die Dauer des Zusatzurlaubes in einer jährlich zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung abzuschließenden Urlaubsvereinbarung zu bestimmen.
§ 81. Zur Festigung der Betriebsbelegschaften wird entsprechend den Rahmenkollektivverträgen für langjährige Tätigkeit in bestimmten Berufen oder in volkswirtschaftlich besonders wichtigen Betrieben ein Zusatzurlaub gewährt.
Ähnliche Formulierungen finden sich dann auch in späteren Fassungen des Arbeitsgesetzbuches, wobei der Mindesturlaub kontinuierlich angehoben wurde. So bekamen 1975 alle Werktätigen per Gesetzblatt einen jährlichen Grundurlaub von 18 Tagen. Lehrlinge erhielten 24, jugendliche Werktätige 21 Tage und vollbeschäftigte Mütter mit mindestens 3 Kindern (bis 16 Jahre) 21 Tage. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass Menschen mit Behinderungen oder besonderen Arbeitserschwernissen mehr Urlaubstage zuzugestehen sind. Geregelt wurde das konkret in den Rahmen- oder Betriebskollektivverträgen. Diese Verträge vereinbarte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), als Dachverband der Gewerkschaften, mit den Betrieben, welche für die Umsetzung der Vereinbarungen in die Pflicht genommen wurden. Von Seiten der Betriebe waren die Direktoren für Arbeit und Soziales verantwortlich. Sie kümmerten sich um alle sozialen Belange, vom Kantinenessen bis zu den betrieblichen Erholungseinrichtungen. Natürlich begann das in den 1950er Jahren langsam, aber Ferienlager für die Kinder hatten schon immer Vorrang. So kam es, dass bis zum Ende der DDR fast jeder zweite in dem Land Heranwachsende Erfahrungen mit Ferienlagern aller Art gemacht hatte. Schlafen in einfachen Unterkünften mit vielen anderen zusammen, gemeinsames Essen, kollektive Freizeitgestaltung, aber auch Saubermachen, Küchendienste u. Ä., also Aufgaben im Interesse aller waren fester Bestandteil der Ferienlagerkultur. Einigen mag es nicht gefallen haben, es gab sicher auch herzzerreißende Formen von Heimweh – doch für die Mehrzahl der Ferienlagerkinder waren die gemeinsamen Ferien eine wunderbare Sache.
Um den Urlaub der »Großen«, also der Erwachsenen und Familien, »kümmerte« sich, neben den Betrieben mit ihren Ferienheimen, der FDGB-Feriendienst. Er vermittelte Reisen und unterhielt landauf, landab Ferienunterkünfte, aber auch Urlauberschiffe. Die Werktätigen sollten genügend und kulturvolle Möglichkeiten zur Urlaubsgestaltung haben. Man stellte einen Antrag auf einen FDBG-Ferienplatz und … na ja, manchmal errang man einen. Es war wie bei jeder guten Idee, Theorie und Praxis klaffen oft weit auseinander. Der Bedarf war bis zum Ende der DDR immer größer, als die vorhandenen Plätze hergaben.
Einen sehr großen Teil der Freizeit- und Urlaubsaktivitäten entfalteten die Menschen auf dem Gartengrundstück, in der DDR bekanntermaßen Datscha – russisch Дача für Wochenendhaus in Grünen – genannt. Diese Schrebergärten existierten in Deutschland schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Die zunehmende Enge in den wegen der Industrialisierung schnell wachsenden Städten hatte zu dieser Art von Stadtflucht in Kleingartensiedlungen geführt.
Fremdenverkehrsgebiete in der DDR 1989 (Bode, Volker © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000)
Nach dem Zweiten Weltkrieg, dem in Deutschland viele Wohnungen zum Opfer fielen, dienten diese Gartensiedlungen lange als Ersatzwohnsitz und Gemüselieferant zugleich. Da man im Osten mit der Schaffung von modernem Wohnraum, trotz Wohnungsbauprogramm, nicht hinterherkam, machte man aus der Not eine Tugend. Bis zu 600 Quadratmeter konnten DDR-Bürger pachten, um darauf ihre kleinen privaten Reiche mit Hütten und Rabatten zu errichten. Nach Schätzungen gab es in der DDR an die 3,4 Millionen Datschen und damit die höchste Dichte an solchen kleinen privaten Oasen im Grünen weltweit. Und natürlich war darauf ständig etwas zu tun. Es musste gebaut, gebuddelt, gegraben und gepflanzt werden. Dafür ging sehr viel Freizeit drauf, und so waren Ferien auf der Datsche ganz vorn im DDR-Urlaubsranking.
Natürlich fuhren DDR-Bürger auch ins Ausland, auch wenn die Auswahl der zu bereisenden Länder beschränkt war. Es gab im Prinzip zwei Möglichkeiten: zum einen Privatreisen und zum anderen organisierte Reisen, zumeist in der Gruppe. Bei den Letzteren liefen die Buchungen größtenteils über das Reisebüro der DDR, das dafür über ein bestimmtes Kontingent verfügte. Darüber hinaus konnten junge Menschen bis zu 27 Jahren über Jugendtourist, das Reisebüro der Freien Deutschen Jugend (FDJ), Inlands-, aber auch Auslandsreisen buchen. Auch hier galt das Prinzip, sich rechtzeitig zu bewerben (oder jemanden zu kennen). Bei beiden Reiseveranstaltern standen zudem exotische Ziele wie Kuba, China, Jugoslawien oder sogar im NSW (Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet), etwa Mexiko, Algerien oder Österreich, auf den Listen. Allerdings waren diese Trips nicht nur teuer, sondern es bekam auch nicht jeder ein Visum dafür, denn diese gingen über den Tisch der Verantwortlichen beim MfS, und die hoben oder senkten den Daumen. Da die Gesetze der DDR da nicht eindeutig waren, war viel Spielraum für die entsprechenden Sachbearbeiter, von denen es ängstliche und weniger ängstliche gab. So konnte es passieren, dass ein Mitarbeiter des Militärverlags der DDR, der ja zur NVA gehörte, völlig problemlos nach Jugoslawien fahren durfte, ein Jugendbrigadier in einem Dresdner Betrieb nach Algerien, jedoch jemand, der in einem »normalen« Betrieb arbeitete, nicht nach Kuba durfte. Mag sein, dass solcherart Willkür die DDR-Bürger mehr gestört hat, als nicht nach Schweden oder Frankreich fahren zu können.
Es gab Tausende Privatreisen in die Nachbarländer, besonders die ČSSR, Polen und Ungarn erfreuten sich großer Beliebtheit. Sehr erleichtert wurde der »kleine Grenzverkehr« zwischen Polen und der ČSSR durch das Abkommen über visafreien Reiseverkehr ab 1972. Auch Bulgarien