Europas wilder Osten: Reisen durch Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine
Von Ludwig Witzani
()
Über dieses E-Book
Mehr von Ludwig Witzani lesen
Usbekisches Reisetagebuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKaribisches Reisetagebuch: Mit der AIDAdiva und der Mein Schiff 6 durch die östliche und die westliche Karibik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Garten der Welt: Reisen durch Thailand, Burma, Laos, Kambodscha und Vietnam Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie kleine Posaune der Freiheit: Osteuropäische Reisen zwischen Riga und Danzig, Warschau und Sankt Petersburg Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Kap zum Kilimandscharo: Reisen durch den großen Süden Afrikas Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer asiatische Archipel: Indonesische Reisen zwischen Sumatra und Papua Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStampeders´Country: Reisen durch Alaska und das Yukon Territorium Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon Jerusalem nach Marrakesch: Reisen durch das Heilige Land und Nordafrika Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTransasia. Von Karachi nach Beijing: Über den Karakorum Highway und die Seidenstraße von Pakistan nach China Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIndische Reisen: Als Backpacker unterwegs zwischen den Quellen des Ganges und Kap Komorin mit einem Finale auf der Kumbh Mela von Allahabad Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Mullah und das Paradies: Reisen durch den Iran und Usbekistan Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Europas wilder Osten
Ähnliche E-Books
Lesereise Ungarn: Donaublick und Pusztatraum Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ein weißer Fleck in Europa ...: Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon den Meyerschen in die große, weite Welt ... Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTinte ist bitter: Literarische Porträts aus Barbaropa Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Welt hinter Wien: Fünfzig Expeditionen Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die Tür zum Balkan: Eine Reise von Serbien nach Griechenland Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNotizen von unterwegs: 2007 - 2019 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIsrael 1960: Tagebuch einer Reise Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUkraine: Zwischen den Karpaten und dem Schwarzen Meer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Bischof und der Räuberhauptmann: Der Herr der Wälder des Sudetenlandes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLesereise Slowenien: Erkundung eines Miniaturkontinents Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCzernowitz: Stadt der Zeitenwenden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin bißchen Glück für später Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Mütter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLesereise Budapest: Der frivole Charme der Brückenstadt Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Zwischen Orpheus & Shopping Towers: Der etwas andere Reiseführer - Bulgarien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUkraine – Sammlung historischer Werke I: Dr. Wladimir Kuschnir "Die Ukraine und ihre Bedeutung im gegenwärtigen Krieg mit Russland" von 1914 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Osten: Eine politische Himmelsrichtung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWachau: Österreich von innen Band 2 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon Ungarn nach Bergen-Belsen und zurück: Eine Zeitreise Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGemeinsame Geschichte?: Ein Jahrhundert serbischer und österreichischer Mythen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGedanken in Fernost: Biografische Abrisse Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Leben ist möglich: Poesie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGezahnt wie der Kiefer eines Alligators: Was Reisende über die Dolomiten schrieben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Europa: Reisetagebücher eines Historikers Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMordor kommt und frisst uns auf Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZur Strafe und als Belohnung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFamilienarchiv Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnser Sonderberichterstatter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDimitrij der Heiler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Geschichte für Sie
GEO EPOCHE eBook Nr. 3: Gangster, Mörder, Attentäter: Zehn historische Reportagen über Verbrechen, die den Lauf der Geschichte verändert haben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Kampf Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Die TranceFormation Amerikas: Die wahre Lebensgeschichte einer CIA-Sklavin unter Mind-Control Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLexikon der Symbole und Archetypen für die Traumdeutung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Der Erste Weltkrieg: Von Sarajevo bis Versailles: die Zeitenwende 1914-1918 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZusammenfassung: Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen: Kernaussagen und Analyse des Buchs von Yuval Noah Harari: Zusammenfassung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenClausewitz - Vom Kriege Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie flache Erde oder Hundert Beweise dafür, daß die Erde keine Kugel ist Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDeutsche Geschichte: Das Alte Reich 962-1806 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer reichste Mann von Babylon: Der erste Schritt in die finanzielle Freiheit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Weise Frau: Hebamme, Hexe und Doktorin. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Heilkunst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGEO EPOCHE eBook Nr. 2: Die großen Entdecker: Zehn historische Reportagen über Abenteurer, die das Bild der Erde gewandelt haben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGrandiose Täuschungsmanöver der Geschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Weltbild Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer kleine Schweizermacher (E-Book, Neuauflage 2022): Alles Wichtige über unser Land Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEden Culture: Ökologie des Herzens für ein neues Morgen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFremdbestimmt: 120 Jahre Lügen und Täuschung Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5GEO EPOCHE eBook Nr. 1: Die großen Katastrophen: Acht historische Reportagen über Ereignisse, die die Welt erschüttert haben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKriegsausbruch 1914: Der Weg in die Katastrophe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlternative Realitäten: Überzeugungen erschaffen Realität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchwarze Wurzeln: Afro-deutsche Familiengeschichten von 1884 bis 1950 Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Jüdische Altertümer: Vollständige Ausgabe Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Zauberpflanze Alraune: Die Magische Mandragora: Aphrodisiakum - Liebesapfel - Galgenmännlein Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer geheime Code: ... auf unserer Erde Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie geheim gehaltene Geschichte Deutschlands - Sammelband Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Duden Allgemeinbildung Deutsche Geschichte: Menschen, Ereignisse, Epochen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenScharfschützeneinsatz in Woronesch: Information + Original-Fotos + Roman Zeitgeschichte Zweiter Weltkrieg Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Hexen: Die unbesiegte Macht der Frauen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Kaiser zum Duce: Lodovico Rizzi (1859-1945). Eine italienische Karriere in Istrien Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die große Täuschung: John F. Kennedys Warnung & die Bedrohung unserer Freiheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Europas wilder Osten
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Europas wilder Osten - Ludwig Witzani
Ludwig Witzani
Europas wilder Osten
Reisen durch Serbien,
Bulgarien, Rumänien,
Moldawien und die Ukraine
(Weltreisen Band XII)
TitelImpressum
Europas wilder Osten
Ludwig Witzani
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
Copyright: © 2020 Europas wilder Osten
Lektorat: Michael Hoppe, Köln
Konvertierung: sabine abels, Hamburg
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Europas wilder Osten
Vorspiel: Große Männer in kleinen Autos
Serbische Ouvertüre
BULGARIEN
Die Pistole im Handschuhfach
Sofia als urbane Collage
Mit den Massen am Meer
Die bulgarische Schwarzmeerküste
Von einer Fremdherrschaft in die nächste
Späte Blüten in Veliko Tarnovo und Russe
RUMÄNIEN
Die Stadt, in der die Revolution ausbrach
In Temeswar, der Hauptstadt des Banat
Der wahre Dracula
Mit Vollgas durch die Walachei
Vom Nebeneinander des Ungleichzeitigen
Bukarest nach Ceausescu
Zankapfel der Völker
Siebenbürgen zwischen Kronstadt und Klausenburg
Der rumänische Gulag
Sigheti Marmației im Maramureșgebirge
Die Bilderbücher Moldawiens
Ein Abstecher zu den Moldauklöstern
Wo Europa zu Ende ist
Constanța und das Donaudelta
Zwischenspiel: Die Reise nach Odessa
UKRAINE
Die berühmteste Treppe der Welt
Ein Tag in Odessa
Russlands Traum vom südlichen Meer
Jalta zwischen Pracht und Verfall
Wladimir und die Schwarzmeerflotte
Geschichtliche Streifzüge durch Sewastopol
Der Tränenbrunnen von Bakhchisaray
Ein Ausflug zu den Krimtataren
Weltstadt am Dnjepr
Kiew im Schnittpunkt der Zeiten
Exkurs 1: Die Nestorchronik
Exkurs 2: Die orangene Revolution und der Euromaidan
Exkurs 3: Der Holodomor
Die Perle Galiziens
Spaziergänge durch Lemberg
Unterwegs mit dem Marushki
Auf der Suche nach Galizien
Exkurs 4: Die Mitte Europas
Welthaupstadt der Melancholie
Czernowitz im Daueregen
MOLDAWIEN
Pingpongball der Geschichte
Die moldawische Hauptstadt Chișinău
Der höchste Lenin der Welt
Sowjetkult in Transnistrien
Nachspiel: Was bleibt?
Ein Rückblick
Anhang
Reisehinweise
Ausgewählte Literatur
Fotonachweis
Über den Autor
Weitere Veröffentlichungen von Lundwig Witzani
Titelfür Andreas Fuhrmann,
den Freund
und Reisebegleiter
EINLEITUNG
Europas wilder Osten
„Was ist Osteuropa?" fragen viele und wissen es nicht.
Ich weiß es auch nicht, glaube aber daran, dass es mindestens zwei Osteuropas gibt. Ein Osteuropa, das kein Osteuropa sein will, und eines, das in diesem Buch als der „wilde Osten" beschrieben wird. Das bedarf natürlich einer Begründung.
Zum europäischen Osten, der gar kein Osten sein will, gehören Polen, das Baltikum, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Diese Länder beanspruchen, was Lage und kulturelle Traditionen betrifft, zur geografischen und zivilisatorischen „Mitte" Europas zu gehören.
Ganz anders verhält es sich mit dem so genannten „wilden Osten". Dazu gehören nicht nur Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine, die in diesem Reisebuch beschrieben werden, sondern auch Serbien, Bosnien, Albanien, Mazedonien und Montenegro. Russland und Weißrussland sind noch einmal eine ganz andere Hausnummer.
Was aber soll an diesem Osten „wild sein? Als der Herzog von Richelieu im Jahre 1774 die Bukowina bereiste, notierte er pikiert, „dass hier Europa zu Ende
sei, weil Sitten und Gebräuche viel mehr Ähnlichkeit mit dem Orient hätten als mit Europa.
Ist das gemeint? Ist der „wilde Osten" ein zurückgebliebener Teil Europas, in dem das Ungezügelte und Ungeformte alter Zeiten so stark nachwirken, dass sie den Durchbruch der Moderne behindern?
Dreimal nein. Der wilde Osten kann zwar auf eine durchaus „wilde" Geschichte zurückblicken, in der serbische Haiducken, montenegrinische Tschetniks, rumänische Vlachen oder ukrainischen Kosaken ihren turbulenten Auftritt hatten, aber er besitzt auch jahrhundertealte religiöse und kulturelle Traditionen, die der Kommunismus nur verschüttet, aber nicht beseitigt hat.
„Wild ist der Osten vielmehr aus zwei anderen Gründen. Erstens, weil er sich in einem nicht vollständig steuerbaren Prozess der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation befindet, den man aus einer gewissen Perspektive durchaus als „wild
bezeichnen könnte. Um die Erfahrungen dieses Umbruchs wird niemand die Menschen dieser Region beneiden. Die radikale Eingliederung in die globalisierte Arbeitsteilung hat die einheimischen Industrien weitgehend zerschlagen, ohne dass genügend Geld ins Land gekommen wäre, um zukunftsträchtige Wachstumsbranchen aufzubauen. In den ersten zehn Jahren nach der revolutionären Wende von 1989ff. sind die Einkommen der Serben, Bulgaren, Rumänen, Ukrainer und Moldawier um durchschnittlich ein Drittel abgestürzt, stellenweise sogar noch mehr. Aus dieser Massenverarmung, die die Freiheit mit sich brachte, rappeln sich die Länder Südosteuropas inzwischen wieder auf, gestützt durch einen viel stabileren religiösen Halt, als er im Westen existiert, immer wieder aber auch gehandicapt von ethnischen Konflikten, politischer Korruption und Wirtschaftskrisen.
Umso erstaunlicher ist das, was es dreißig Jahre nach dem Untergang des Kommunismus schon wieder zu sehen gibt. Bukarest und Sofia, selbst Czernowitz und vor allem Kiew und Lemberg sind aus ihrem kommunistischen Kälteschlaf und der marktwirtschaftlichen Schocktherapie erwacht. Wer durch die Straßen dieser Metropolen geht, spürt einen Geist des Aufbruchs, der auch Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei nach der Wende prägte und diese Länder inzwischen aus dem Gröbsten herausgeführt hat. Möglich, dass viele der älteren Menschen, denen der Kommunismus das Leben zerstörte, inzwischen zu alt geworden sind, um mit der neuen Freiheit noch etwas anfangen zu können. Aber die jungen und die mittleren Jahrgänge scheinen ihre Chance zu ergreifen und ernsthaft zu versuchen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. „Wild" in diesem Sinne möchte ich die Entschlossenheit vieler Menschen nennen, aus der Unterentwicklung herauszukommen und zum Wohlstand des Westens aufzuschließen. Das ist in dieser Allgemeinheit natürlich sehr großes Karo, hunderttausendfach individuell gebrochen und variiert, aber die Richtung dürfte stimmen.
Vor gut zehn Jahren bin ich durch den Osten, der kein Osten mehr sein will, gereist und habe versucht zu verstehen, was in Polen und in den baltischen Staaten vor sich ging. („Die kleine Posaune der Freiheit", Weltreisen Band IV). Jetzt war ich in Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und der Ukraine unterwegs und habe mich in diesen Ländern umgeschaut. Mein Antrieb war die Neugierde, mein Spielfeld der Raum und die Geschichte, und der Ertrag war nicht anders als der Ertrag aller Reisen: die Hoffnung auf eine vertieftes Verständnis der Welt und die Bereicherung, die die Begegnung mit der Fremde mit sich bringt. Es muss nicht besonders erwähnt werden, dass die Urteile und Blickwinkel, die in diesem Buch zur Sprache kommen, so subjektiv sind wie Reiseerfahrungen oder Leseeindrücke nur sein können. Vieles von dem, was ich erwartete, habe ich auch so angetroffen. Aber noch viel mehr war auch ganz anders. Davon erzählt dieses Buch.
TitelErbeutetes Kriegsgerät in der Zitadelle von Belgrad
VORSPIEL:
Große Männer in kleinen Autos
Serbische Ouvertüre
Der Zug fuhr durch weiteres, ebenes Land. Wir passierten, Weinfelder, Sickergruben und kleine Dörfer, in denen die Kirchtürme wie widerspenstige Wächter das Land überragten. Auf den Bahnsteigen roch es nach Kohl. Die Frauen wirkten resolut, und die Grenzbeamten marschierten durch den Zug wie eine Schwadron Texas Rangers. Sie waren kurzgeschoren, völlig ohrenfrei, und freundlich, als wunderten sie sich darüber, dass Mitteleuropäer ihr umstrittenes Land besuchten.
Viele Touristen waren es nicht, die in diesem Zug von Budapest nach Belgrad reisten, denn seien wir ehrlich: Serbien besitzt keinen besonders guten Ruf in Europa. Nicht wenige betrachten die Serben auf dem Balkan als das, was die Deutschen lange Zeit in Europa waren: als die Spitzbuben der Völkergemeinschaft, die immer nur Kriege anzetteln und ihre Nachbarn nicht in Ruhe lassen wollen. Die Balkankriege und der Kosovokonflikt hatten die Serben einmal mehr an den Schandpfahl der Welt genagelt, was mir ungerecht vorkam, weil jeder, der sich auch nur ein wenig mit den Einzelheiten dieser Konflikte beschäftigte, entdecken musste, dass Gut und Böse bei weitem nicht so säuberlich getrennt waren, wie es die öffentliche Meinung vorgab.
Nach dem Grenzübertritt durchquerte der Zug die Wojwodina, einen flachen und extrem fruchtbaren Teil der pannonischen Tiefebene. Raps, Sonnenblumen, Getreide- und Gemüsefelder, soweit das Auge reichte. Im jugoslawischen Vielvölkerstaat war die Wojwodina eine autonome Region Serbiens mit einem hohen ungarischen und kroatischen Bevölkerungsanteil gewesen. Die deutsche Bevölkerung, die als Donauschwaben zum Teil jahrhundertelang in diesem Gebiet ansässig gewesen war, hatte man schon nach dem Zweiten Weltkrieg entrechtet, ermordet oder vertrieben. Auch ein blutiges Kapitel der Weltgeschichte, über das niemand mehr spricht.
Bei Novi Sad wurden Berge sichtbar. Langsam durchfuhr der Zug die zweitgrößte Stadt Serbiens. Unbefestigte, halb überwachsene Uferpfade, Eckensteher, schrottreife Autos vor der Ampel. Nichts deutete heute noch darauf hin, dass in der Gegend von Novi Sad, die Geschichte des Balkans „gekippt" war. Die österreichischen Truppen unter der Führung von Prinz Eugen hatten 1697 die Türken in der Schlacht von Zenta vernichtend geschlagen und die Donaufestung von Peterwardein gegründet, aus der später die Stadt Neusatz (serbisch Novi Sad) entstehen sollte. Als die Türken fast zwanzig Jahre später noch einmal an der Donau erschienen, wurden sie 1716 in der Schlacht von Peterwardein wieder besiegt. Ihre Zeit war abgelaufen, die türkische Dünung, die fast ein halbes Jahrtausend die christlichen Völker des Balkans überspült hatte, war rückläufig.
Bald lag Novi Sad hinter uns, und der Zug nahm Kurs auf Belgrad. In gemächlicher Geschwindigkeit schlängelte er sich durch eine verbuschte Landschaft mit winzigen Weilern neben Tümpeln und Teichen. Im Regen erreichten wir schließlich die serbische Hauptstadt Belgrad, zuerst die Trabantenstädte von Novi Beograd, dann die Innenstadt.
Es ist immer ein spannender Moment, zum ersten Mal den Bahnhof einer fremden Stadt zu betreten. Es ist wie der erste Händedruck mit einem fremden Menschen, der einen dauerhaften Eindruck hinterlässt. Auf dem Bahnhof von Belgrad spürte ich nichts. Die große Halle lag in Dämmerlicht, vor winzigen Schaltern standen die Leute nach Fahrkarten an. Ohne Probleme gelang es mir, ein Schlafwagenticket für die Weitereise nach Sofia zu reservieren. Dann mietete ich mich ins „Hotel Beograd" ein, einem alten, abgewohnten sozialistischen Bums, vollkommen überteuert, aber immerhin mit funktionierenden Duschen ausgestattet.
Auf meinen Studentenreisen nach Griechenland war ich auf dem sogenannten „Auto-Put" immer nur mit dem Bleifuß auf dem Gaspedal an Belgrad vorbeigerauscht. Graue Betonklötze oberhalb der Unterführungen war das einzige gewesen, was ich von Belgrad gesehen hatte. Was mochte diese Stadt zu bieten haben, hatte ich oft gedacht. Diesmal sah ich es, und was ich sah, war wenig erbaulich. In der Umgebung des Bahnhofs standen zweifelhafte Gestalten neben heruntergekommenen Hotels mit unverschämten Preisen. Männer und Frauen besaßen die harten Gesichter von Menschen, die ihr Leben lang gezwungen gewesen waren, unter dem Diktat der Knappheit ihre Ellenbogen einzusetzen. Kein Wunder, dass die Übervorteilung regierte, wohin ich auch kam, im Hotel, beim Getränkeeinkauf, beim Essen, im Taxi und selbst beim Ticketverkauf im Bus, als sei das das Gesetz, das die Menschen weiter brächte.
Als ich am Morgen in meinem kargen Hotelzimmer erwachte und den trüben Himmel über der Stadt erblickte, war alles hässlich: die Betten, die Aussicht, die Tapeten, und selbst der Becher im Bad kam mir verdächtig vor. Wer hatte aus diesem Becherlein vor mir getrunken? Das Wasser unter der Dusche roch penetrant nach Chlor. Nachdem ich mir die Haare gewaschen hatte, saß die Frisur wie ein Helm auf meinem Kopf. Noch nicht einmal den Morgenkaffee konnte ich kochen, weil der Stromanschluss defekt war. Ohne Kaffee am Morgen war ich aber nichts wert, und so nahm die klassische Reiseeröffnungsdepression ihren Lauf. Sie überfällt mich manchmal in der ersten Reisewoche, lässt aber nach einigen Schnäpsen schnell nach.
Beim Frühstück saßen lauter angesäuselte Kerle vor ihrem Schnaps und ihren Würsten. Ich notierte: Die Serben sind ein fleischfressendes Volk und beginnen ihren Verzehr schon am frühen Morgen. Auf der anderen Seite trinken sie gerne einen Slivovitz zu früher Stunde, und das kam mir in meiner derzeitigen Verfassung gerade recht.
Als ich das Hotel verließ, lag ein bleigrauer Himmel über der Stadt. Das einzig Bunte, was es auf der Bahnhofsstraße zu sehen gab waren grelle Pornoplakate, auf denen es dicke serbische Männer und Frauen miteinander trieben. Ich blieb sehen, um zu sehen, wer vor den Pornoplakaten stehenblieb. Niemand. Es schien den Passanten peinlich zu sein.
Fast schon den Rang einer Sehenswürdigkeit besaß das durch die NATO Angriffe zerstörte Gebäude des Verteidigungsministeriums. Treppenhäuser hingen inmitten aufgerissener Fassaden in schwindelnder Höhe halb im Freien, während unter ihnen der Verkehr weiterbrauste.
Einen Anblick besondere Art bot die Sveti Sava, eine orthodoxe Kirche von solchen Ausmaßen, dass sie von fast jedem Punkt der Stadt aus zu sehen war. Das ganze eben erwähnte Verteidigungsministerium hätte spielend unter die Kuppel der Kirche gepasst. An der Spitze eines circa 30 Meter hohen Krans turnten Arbeiter vor irgendeinem Fries herum. Als ich eine Passantin vor der Kirche nach dem Namen des Gotteshauses fragte, wusste sie ihn nicht.
Fünf Minuten von der Sveti Sava Kirche entfernt, befand sich in der Mitte eines Parks und durch kein Hinweisschild erschlossen, das Grab von Josef Brosz, genannt Tito, dem im Westen hochverehrten Nationalkommunisten und jugoslawischen Staatsgründer, nach dem gleichwohl heute kein Hahn mehr kräht. Dabei hatte er für einen kurzen geschichtlichen Moment den Traum der Südslawen vom einheitlichen Staat erfüllt. Allerdings hatte es schon kurz nach seinem Tod ein blutiges Erwachen aus diesem Traum gegeben, und ein gnädiges Geschick hatte es Tito erspart, das Auseinanderbrechen Jugoslawiens miterleben zu müssen. Seine sterblichen Überreste befanden sich in einem weißen Marmorsarg unter einem Baldachin. Eine Gruppe von Veteranen, einer wackliger als der andere, stand salutierend vor dem Sarg, als ich den Grabbezirk betrat.
Nach dem Besuch des Tito-Grabes fuhr ich mit dem Bus in die Innenstadt, die aussah wie die Innenstadt von Castrop-Rauxel, womit ich nichts gegen Castrop-Rauxel gesagt haben möchte. In den Fußgängerzonen dominierte der Kolchosflair sozialistischer Zeiten, bevölkert von Passanten, die mit verschlossenen Gesichtern aneinander vorbeirannten. Die Frauen, denen ich in der Innenstadt begegnete machten einen erschöpften Eindruck. So schwer die Geschicke der Völker auch sein möchten, am härtesten traf es immer die Frauen. Die Männer sahen gesünder aus, geradezu stattlich. Kriegergesichter, breiter Gang, eine Variante europäischer Maskulinität, mit der möglicherweise nicht gut Kirschen essen war. Umso merkwürdiger, dass sie fast alle in winzigen Autos durch die Gegend fuhren - mit Gesichtern, die auszudrücken schienen: „Warte nur ab, bald fahre ich mit einer großen Limousine durch die Stadt."
Da ich schon einmal da war, besuchte ich die Belgrader Festung, einen seit uralten Zeiten umkämpften Platz am Zusammenfluss von Sava und Donau, über den sich zu diesem Zeitpunkt ein Balkangewitter zusammenzog. So sah ich diesen Ort, um den Germanen, Römer, Hunnen, Ungarn, Serben, Türken und Habsburger gekämpft hatten, vor der Kulisse einer anbrandenden schwarzen Wolkenfront.
Vor dem bald einsetzenden Regenguss floh ich in das militärgeschichtliche Museum, das in der Zitadelle der Festung untergebracht war. In dieser sehenswerten Ausstellung wurde die stürmische Geschichte Serbiens von der Einwanderung bis in die Gegenwart darstellt. Folgte man dem Tenor der Museumsdidaktik, dann hatte das kleine, aber heldenhafte Volk der Serben im letzten Jahrtausend nur ganz wenig zu lachen gehabt. Nach der der kurzen Glanzzeit eines sogenannten „serbischen Großreiches im späten Mittelalter begann mit der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahre 1389 die lange Nacht der türkischen Fremdherrschaft. Die Blüte des serbischen Adels, die am 28.6.1389 auf dem Amselfeld im heutigen Kosovo gegen die osmanische Übermacht angetreten war, wurde vernichtet, für die Serben eine nationale Katastrophe, die bis auf den heutigen Tag nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren hat. In der Folgezeit wurden die Serben aus dem heutigen Kosovo und der Region rund um den Ohridsee nach Norden vertrieben, das heißt, sie verloren ihre angestammte Heimat und mussten mitansehen, wie sich in ihr moslemische Albaner und Türken ausbreiteten. Die Verbissenheit und Härte, mit der die Serben im Kosovokonflikt ihre Restpräsenz in dieser Region verteidigten, muss vor diesem Hintergrund verstanden werden. Kein Wunder, dass sich die Serben als ein „einsames
Volk begreifen, das von Europa immer wieder im Stich gelassen wurde. Wieso zum Beispiel fand der Aufstand der Serben gegen den Sultan im Jahre 1815 nicht die Unterstützung der mächtigen christlichen Monarchen, die sich zur gleichen Zeit in Wien zum Kongress versammelt hatten? Weil nach den Prinzipien von „Gottesgnadentum und „Legitimität
auch den christlichen Untertanen eines muslimischen Sultans der Aufstand verboten war. So sprach Metternich, und die Folge war, dass Serbien 1815 nur eine partielle Autonomie errang und bis 1878 im osmanischen Reichsverband verbleiben musste. Erst als die Griechen sich 1821 erhoben, zerbrach die religionsübergreifende Legitimitätstheorie der reaktionären europäischen Monarchien. Die verhängnisvolle Rolle, die der chauvinistische serbische Staat bei der Entfesselung des Ersten Weltkrieges gespielt hatte, wurde in dem Museum leider nicht beleuchtet.
So lief ich in dem Museum durch die Jahrhunderte, während draußen der Donner krachte. Am Ende des Rundgangs, am Rande der Gegenwart angekommen, erwartete mich eine große, bunte Karte aus dem Jahre 1999. Sie zeigte die Luftangriffe der NATO, die das Regime des serbischen Präsidenten Milošević zum Rückzug aus dem Kosovo gezwungen hatte. Nun kamen also die Schläge nicht mehr aus dem Süden, sondern aus dem Westen. Derweil verrottete im Hof der Zitadelle das von der NATO erbeutete Kriegsgerät im Regen.
In Sweti Marko, der zweitgrößten Kirche Belgrads, befinden sich zwei Gräber, die die ganze Spannweite der serbischen Geschichte repräsentieren: das Grab von Stefan Dusan und das Grab von Aleksandar Obrenović. In der Regierungszeit Stefan Dusans (1331-1355) erblicken die Serben bis heute das Goldene Zeitalter ihrer Geschichte. Stefan Dusan besiegte die Türken, Bulgaren und Byzantiner, eroberte Mazedonien, große Teile Albaniens, Nordgriechenlands, Bosniens und das damals noch unbedeutende Belgrad. Von seinen Hauptstädten Skopje (heute Mazedonien) und Pizen (heute Kosovo) aus regierte er als mächtigster Herrscher Südosteuropas ein weit ausgedehntes Balkanreich, verkündete eine der ersten Gesetzessammlungen Europas und ließ sich schließlich von einer neu gegründeten serbischen Nationalkirche zum serbischen Zaren (Kaiser) krönen. Wer hätte ahnen können, dass sich der Glanz dieses serbischen Imperiums weniger zwei Generationen nach Stefans Dusans Tod auf dem Amselfeld in nichts auflösen würde?
Das zweite Grab der Markuskirche beherbergt die sterblichen Überreste König Aleksandar Obrenovićs, der im Jahre 1903 mitsamt seiner Gattin von serbischen Offizieren in seinem Palast in Belgrad abgeschlachtet worden war. Dieser Mord, der damals ganz Europa erschütterte, war das Präludium zum Ersten Weltkrieg, denn er bewirkte das Umschwenken Serbiens vom österreichischen ins russische Lager. Einer der Mörder des Königs, der Serbe Dragutin Dimitrijevic, sollte später als „Apis die Terrororganisation „Schwarze Hand
gründen, die 1914 das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand organisierte.
Die Inbrunst der Besucher von Sveti Marko war bestürzend, ganz gleich, ob sie den Heiligenbildern oder den Gräbern galt. Vor manche Ikonen legten die Gläubigen Pflaumen, Birnen und Äpfel ab, ehe sie die Bilder küssten. Fast wie im Orient warfen sich einige Besucher vor den Heiligenbildern zu Boden, ehe sie die Kirche verließen. Manche mochten über solche Gesten die Nase rümpfen. Vielleicht aber zeigte sich in der demütigen Frömmigkeit, die in solchen Gebärden zum Ausdruck kam, auch eine Kraft, die die meisten Menschen des Westens verloren haben, ohne zu wissen, dass ihnen etwas fehlt.
Religionen haben überall in der Welt dazu beigetragen, Nationen zu erhalten. Man denke etwa an die katholischen Polen im Vergleich zu den protestantischen Preußen und den orthodoxen Russen - oder an die katholischen Iren im Vergleich zu den anglikanischen Engländern und den protestantischen Schotten. Sie haben aber auch dazu beigetragen, Völkerschaften zu spalten - am ehesten nachweisbar etwa an der Auseinanderentwicklung der orthodoxen Serben und der katholischen Kroaten, die ansonsten die gleiche Sprache sprechen, die gleichen Sportarten lieben und die gleichen Suppen löffeln.
Am Abend vor der Weiterreise nach Sofia aß ich serbische Bohnensuppe und Cevapcici und dachte an die vielen entspannten Abende, die wir früher „beim Jugoslawen" zugebracht hatten. Dieses Jugoslawien gab es nicht mehr. In einer Zeit, in der die maßgeblichen Protagonisten der europäischen Politik auf supranationale Einigungen setzten, hatte die Geschichte des Balkans eine gegenläufige Entwicklung eingeschlagen.
Zehntausend Dinare hatte ich als Geldreserve in meinen Pass gelegt. Mitten in der Nacht, als die serbische Passkontrolle an der serbisch-bulgarischen Grenze unsere Kabinentür pochte, hatte ich das vergessen. Der Zöllner stempelte die Pässe für die Ausreise ab und kassierte die Scheine. Ein wenig Balkan-Kolorit zum Abschied. Ansonsten brachte mich der Nachtzug planmäßig von Belgrad nach Sofia. Als der Morgen graute, durchfuhren wir wildes Karl-May-Land und erreichten schließlich den Bahnhof von Sofia.
BULGARIEN
TitelBulgarien – was weiß man schon von diesem Land? Ich erinnere mich an sumogleiche Ringer, die früher regelmäßig olympisches Gold gewannen, an Schwarzmeerstrände, zu denen in den frühen Tagen der alten Bundesrepublik diejenigen fuhren, die sich Mallorca oder Italien noch nicht leisten konnten. In meiner Studienzeit hatte es mich einmal nach Bulgarien verschlagen, wo ich eine Familie aus Erfurt traf, die bitter über die deutsche Teilung klagte, die doch im