Bis in die Puppen: Die 100 populärsten Redensarten
Von Karl Hugo Pruys
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Buchvorschau
Bis in die Puppen - Karl Hugo Pruys
www.bebraverlag.de
Zum Geleit
Gott sei Dank hat dieses Buch kein Germanist geschrieben!
Karl Hugo Pruys ist ein Journalist und Buchautor, der die deutsche Sprache liebt und sie pflegt wie ein Vier-Sterne-Koch sein Messer-Besteck. Im Kollegenkreis trägt er nicht von ungefähr den Spitznamen »die Feder«. Es ist immer sein Anliegen gewesen, die deutsche Sprache als Vehikel gleichermaßen zum Verständnis wie zum Lesevergnügen zu nutzen. Mit anderen Worten: Der Autor führt elegant den Galanterie-Degen des Wortspiels, statt mit dem schweren Kürassier-Säbel Kerben in den etymologischen Wortstamm zu schlagen.
Mit dem vorliegenden Buch werden Sie textsicher! Es ist ein Vademecum zum Gebrauch für jene, die sich auch am Computer – beim Abfassen von emails – der Farbigkeit der deutschen Sprache bedienen wollen. Ein Vademecum (»Geh mit mir!«) – so lehrt uns das elektronische Nachschlagewerk Wikipedia – ist die traditionelle Bezeichnung für ein Handbuch oder einen Ratgeber zu einem bestimmten Thema. Und genau diese Absicht steht hinter dem Büchlein: Nutzerfreundliche Informationen für den richtigen Gebrauch von Redewendungen im hektischen Alltag. Und da liegt der Hase im Pfeffer!
Heinz Schulte, im Februar 2008
Statt einer akademischen Einführung
»Here is, looking at YOU, Kid!«
»Ich seh dir in die Augen, Kleines!« – So und nicht anders lautet der berühmteste Satz im Jahrhundertfilm »Casablanca«.
Die Bemerkung »looking at you« hat ihren Platz mehrfach im Film als eine Art Toast auf das Liebespaar Ilsa und Rick, von letzterem gemeint als Auftakt zu einem privaten Besäufnis mit angenehmen Folgen. Diese Redensart wird freilich durchweg, nun sogar im Titel einer neuen Drehbuchanleitung, nicht nur falsch zitiert, sondern glatt auf den Kopf gestellt: »Schau mir in die Augen, Kleines!«
Auch das ist ein Grund, sich umzuschauen, wie es um die Zitierung und Interpretation der rund zehntausend deutschsprachigen Redewendungen und Redensarten steht. Ganze 100 wurden hier herausgegriffen, in der Hoffnung, dass auch ein größeres Lesepublikum diese als die populärsten gelten lassen wird. Der Ehrgeiz des Autors besteht nicht darin, mit akademisch ausgewiesenen Germanisten darin zu wetteifern, die jeweils zu hundert Prozent historisch richtige Ableitung chemisch rein aus dem Wust der einschlägigen Literatur herauszufiltern.
Es sollte lediglich ein ebenso lehrreiches wie unterhaltsames Buch entstehen, ein Brevier populärer Redensarten, dienlich als Lektüre auf einer Bahnfahrt, in einer Pause beim Wandern oder zur Entspannung vor dem Zubettgehen. Geschichten zu lesen, nichts als gute Geschichten, ist die heimliche Lust sowohl der Einsamen, als auch jener Leser, die mitten im Leben stehen, die Leselust mitbringen, die mitreden und ihrer Leidenschaft zum Gespräch in Gestalt schöner oder zumindest interessanter Metaphern Futter geben wollen.
Sprach- und schreibkundige Zeitgenossen räumen selbst ein, dass die fachliche Definition des Begriffs »Redensart« (oder »Redewendung«) ein einziges Chaos darstellt: Neben diesen beiden Begriffen existieren noch die Bezeichnungen »Ausdrucksweise«, »Floskel«, »fester Ausdruck«, »Phrase«, »Formel« und »stehende Wendung«. Weitere Auffächerungen ließen sich aufzählen, was aber hier bewusst unterbleiben soll. Eines wollen wir jedoch festhalten: Allen Redewendungen gemeinsam ist der Gebrauch von Sprachbildern, die etwas auszudrücken vermögen, was sich in dürren Worten nicht sagen ließe.
Wenn wir etwa laut fluchen, frei nach Goethes Götz von Berlichingen, dass uns einer »am Arsch lecken« kann, so meinen wir dies nicht im wörtlichen Sinne, sondern in einem übertragenen. Und wenn jemand mit »einem blauen Auge davonkommt«, ist sein Auge nicht wirklich in der typischen blauen Farbe geschwollen. Im übertragenen Sinne meint diese Floskel nichts anderes, als dass jemand aus einem heftigen Streit mit nur geringem Schaden hervorgegangen ist. Wenn einem »ein Licht aufgeht«, weist dieses hell-dunkle Wort aufbiblische Geschichten zurück, vornehmlich im Alten Testament, wo es unter anderem heißt: »Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen.« Und wenn man einem nachsagt, er habe »ein Brett vor dem Kopf«, hält man diesen Menschen für einen, der blind für die Gegenwart dasteht.
Ein häufig zu hörender Ausruf größten Erstaunens – nach dem Motto: das ist ja nicht zu fassen! – ist die Redewendung »Da wird der Hund in der Pfanne verrückt!«. Ihr liegt eine Geschichte zugrunde, die man glauben kann oder nicht. Sie verweist auf einen Till-Eulenspiegel-Schwank, mit folgender Pointe: Till, stets zu einem knalligen Spaß aufgelegt, deutet die Anweisung des Braumeisters, Hopfen zu sieden, aus reinem Mutwillen falsch, indem er den »Hopf« genannten Hund des Meisters in die Braupfanne wirft. Kein Wunder, dass der Vierbeiner dafür wenig Verständnis hatte!
Worin unterscheidet sich nun ein Geistesblitz, ein kurzlebiger Einfall, von einer Redensart, die Jahrhunderte überdauern kann? Ganz einfach: der Geistesblitz taucht wieder unter, nachdem er dem Leser in die Augen gesprungen und schon bei Beendigung der Lektüre entfallen ist. Ein schön formulierter Satz ist eben noch lange keine Redewendung, die sich gegen den mächtigen Strom alltäglicher Prosa zu bewähren hat.
Geistesblitze sind so selten wie dreibeinige Kamele in der Wüste Gobi. Redensarten aber gibt es wie Sand am Meer; wir werden niemals satt davon. Jeder redet in Floskeln und gebraucht Wendungen, die zur Umgangssprache gehören wie das Sonnenlicht zum Frühlingstag. Sie hellen unsere Sprache auf, um sie sogleich wieder ins Dunkel zu stürzen. Dann nämlich, wenn man nicht weiß, was hinter ihnen steckt. Mensch, was heißt das eigentlich: »Die Katze im Sack kaufen« oder: »Da beißt keine Maus den Faden ab«?
Wer es nicht wissen sollte, findet Aufklärung in diesem Büchlein.
Viel Vergnügen!
Karl Hugo Pruys
A
Jemanden in den April schicken
Hinter dieser Redewendung verbirgt sich ein meist gut gemeinter Scherz, mit dem schon im Barockzeitalter vertrauensselige Menschen getäuscht wurden. Heute beteiligen sich auch gern die Medien daran. Jemanden am 1. April »zum Narren zu halten« war in Bayern nachweislich seit 1618 ein beliebtes Volksvergnügen.
Mancherorts hat man dem Aprilscherz auch einen religionsgeschichtlichen Hintergrund verpasst: Man deutete beispielsweise das Herumschicken Jesu am Abend vor der Kreuzigung – von Kaiphas zu Pilatus und dann wieder zu König Herodes (↑Von Pontius zu Pilatus laufen) – als eine solche Verhöhnung. Weil das aber in den Augen eines guten Christen weder lustig noch nachahmenswert erscheint, bezeichnete man in Mecklenburg das In-den-April-Schicken konsequenter Weise als eine Sünde, der man sich lieber enthalten sollte.
In den April geschickt wird man üblicher Weise am 1. April, der in England deshalb auch »all fools day« heißt. Aber warum eigentlich ausgerechnet an diesem Tag? Der Grund dürfte eine Kalenderumstellung im 16. Jahrhundert gewesen sein: In Frankreich, galt der 1. April bis zum Jahr 1564 als Neujahrstag. Als der Jahreswechsel nun auf königlichen Befehl