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Wernyhora, der Seher in der Ukraine
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eBook287 Seiten3 Stunden

Wernyhora, der Seher in der Ukraine

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Über dieses E-Book

Nach der Teilung der Ukraine Ende des 17. Jahrhunderts zwischen Polen und Russland, gelüstete es Russland gut hundert Jahre später nach mehr. Wenige Jahre vor der Teilung Polens zwischen Russland, Preußen und Österreich kam es 1768 im polnischen Teil der Ukraine zu Aufständen der Hajdamaken gegen den polnischen Adel und Juden, initiiert durch die russische Zarin Katharina II. Dieser Teil der Geschichte ist wenigen bewusst, umso mehr war ich überrascht, im Antiquariat dieses Buch vorzufinden, welches sehr authentisch die damalige Zeit beschreibt. Und noch mehr überrascht den Leser, wenn man die Übereinstimmung der damaligen Ereignisse mit heute vergleicht. Dazu ist das Buch sehr spannend geschrieben und hilft, die aktuelle Situation in der Ukraine besser zu verstehen.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum14. Juni 2020
ISBN9783752963380
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    Buchvorschau

    Wernyhora, der Seher in der Ukraine - Michael Czaykowski

    Vorwort

    Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben, noch wird uns lächeln, junge Ukrainer, das Schicksal. Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne, und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein. Leib und Seele geben wir für unsere Freiheit, und bezeugen, dass unsere Herkunft die Kosakenbrüderschaft ist.

    Teil der Ukrainische Hymne

    Seit mein Interesse an der Geschichte der Ukraine erwachte, musste ich feststellen, dass sehr viele Quellen, vor allem die nach 1917 erschienenen, einen russischen Stempel tragen. Schon seit dem Zaren Peter I., der das ehemalige, im Westen völlig bedeutungslose Moskowitische Fürstentum in »Russland« - also das »Land aller Rus« umbenannte, und damit Ansprüche auf ein Gebiet weit über die Grenzen der Moskowiter hinaus einbezog, wurde systematisch seitens der Russen Geschichtsfälschung betrieben. Die Moskowiter, die über hunderte von Jahren Untertanen der Goldenen Horde, den mongolisch-tatarischen Khans waren, hatten mit Europa so viel zu tun, wie ein Affe mit einem Pferdesattel.

    Mit Lügen, Tricks und dank fremder Hilfe konnte man das Joch der Khans letztendlich abstreifen, und es gefiel den Moskowitern, ihr Einflussgebiet  durch Intrigen und Gewalt nach und nach zu vergrößern. Und sie behielten diese Taktik über die Jahrhunderte, bis in die heutigen Tage bei.

    Aber in den Geschichtsbüchern machen sich List, Intrigen und hinterhältige Machenschaften nicht gut, ebenso wenig das tatarische Erbe. Und man wollte unbedingt zur europäischen Familie gehören, koste es, was es wolle. Deshalb war man sich auch nicht zu schade, die Geschichte anderer Länder zu stehlen, mit denen man in längst vergangenen Zeiten einmal verbunden war und diese Geschichte russlandfreundlich umzuschreiben.

    Das gelang ihnen mit Beginn der kommunistischen Herrschaft immer besser, auch und vor allem über die eigenen Grenzen hinaus. Es zählte einzig und allein die russische Version, Kritiker wurden und werden mundtot gemacht.

    Für mich selbst sind da die Quellen, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert und davor haben, eine wahre Schatzgrube. So wie dieses Buch, welches ich mehr durch Zufall in einem Antiquariat fand, und ich mache es mir zur Aufgabe, dieses lehrreiche und spannend geschriebene Werk zurück in das aktuelle Literaturangebot zu holen.

    Hajdamaken – gehört hat man diesen Namen bestimmt schon einmal, was steckt aber dahinter? Selbst die Enzyklopädien sind da sehr sparsam mit Informationen. Hajdamaken werden mit dem Kolijiwschtschyna-Aufstand in Verbindung gebracht, bei dessen Höhepunkt tausende Polen und Juden in Uman massakriert wurden. Wieso kam es dazu? Was machte aus den meist einfachen Bauern dermaßen brutale Mörder? Und da kam mir dieses Buch gerade recht. Erstaunlich war, dass ich bei der Lektüre des Originals immer wieder an die aktuelle Situation in der Ukraine erinnert wurde.

    Zum einen ist da die Entsendung von »verkleidetem« Militär seitens Russlands, aber auch dessen perfide, hinterlistige Untergrabung der Souveränität der Ukraine; unter den Menschen selbst, in den Medien, und leider auch unter den Politikern in und außerhalb der Ukraine. Und auch die russische Kirche spielt heute wie damals eine einflussreiche, ja teuflische Rolle und versucht, eng verbunden mit dem heutigen »Zaren«, die Ukraine zu spalten, man lese nur einmal die Frolov-Leaks¹!

    Was ist nun dran an den damaligen Intrigen seitens Russlands und deren Zarin Katharina II.? Es heißt: »Ein falsches Dekret von Katharina II. wurde in Umlauf gebracht, welches die Ausrottung der Juden und Polen befohlen haben soll.« Selbst die jüdische Enzyklopädie² meint, dass die allgemein verbreitete Meinung, dass der Aufstand seitens Katharina initiiert wurde, falsch wäre. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass Russen so intrigieren und in heutiger Zeit versuchen, alles abzustreiten. Und wenn Katharina den Brief, der im Buch wiedergegeben wird, nicht selbst verfasst hat, wieso schickte sie Waffen in die Ukraine, hat sie den Gonta mit Orden und Würden versehen, was alles historischen Tatsachen entspricht? Wieso war das russische Heer auf polnischem Gebiet? Wieso entsendete sie die Kosaken unter Salisnjak zur Unterstützung des Aufstandes in die rechtsufrige Ukraine? 

    Michael Czaykowski, der Autor dieses Buches hatte noch mit Augenzeugen sprechen können und lernte persönlich den Mönch Mladanowicz, einen Sohn des Amtmanns von Uman und Gontas Patenkind kennen! Der Leser wird diesem noch im Buch begegnen. Dieser war selbst als Kind in Uman Augenzeuge und hat seine Erlebnisse, sowie die vieler anderer Augenzeugen in eigenen Schriften festgehalten. Daneben hatte der Autor Gelegenheit, in mehreren privaten und durchaus seriösen Archiven zu recherchieren. Selbst schrieb der Autor in seinen Anmerkungen:

    „Ich sage hier gleich am Anfang, dass ich die nötigen Materialien aus solchen Quellen schöpfte, um nicht immer wiederholen zu müssen, woher ich die Eigennamen und Ereignisse habe. Die ganze Ukraine wusste, dass die Zarin von Russland den Bauern Messer zum Geschenk sandte, mit dem Befehl an die Popen der griechisch-russischen Kirche, sie zu weihen. Sie wurden geweiht am Tage des heiligen Makowey im Kloster der heiligen Mutter, das in den Wäldern etwa eine Meile von Tschyhyryn liegt. Hierauf wurden die Messer in den Dörfern umher geführt und an die Bauern verteilt. Im Beichtstuhl befahlen die Popen, die Ljachen und Juden zu schlachten. Viele von diesen Popen waren mit moskowitischem Golde erkauft, andere dagegen von religiösem Fanatismus verblendet und gegen den Adel erbittert in Erinnerung an die früheren Verfolgungen in der Ukraine.

    Nichts ist gewisser, als dass Katharina II. die Anstifterin des Blutbades war. Selbst ihre Lobredner verteidigen sie nicht gegen diesen Vorwurf, aber die diplomatischen Noten, die zeitgenössischen Geschichtsschreiber und noch lebende Zeugen, bestätigen es ganz ausdrücklich."

    Noch ein Wort zur Titelfigur. Wernyhora gab es wirklich und er war in der ganzen Ukraine berühmt. Zur Zeit des Blutbades von Uman bemühte er sich, die Bauern zur Vernunft zu bringen. Die Moskowiter hätten ihn gern in ihre Gewalt gebracht und setzten wirklich ein Kopfgeld auf ihn aus. Der Autor erwähnt auch ausdrücklich, dass er sich bemüht hat, bei allen Ereignissen, in denen Wernyhora auftritt, von der Wahrheit der Überlieferung keinen Fußbreit abzuweichen.

    Bei der Abschrift und Bearbeitung der aktuell vorliegenden Ausgabe habe ich die Namen der historisch überlieferten Persönlichkeiten und auch der noch vorhandenen Ortschaften der aktuellen Schreibweise angepasst. Und ich hoffe, mir ist es gelungen, die Orthographie und Grammatik an heutige Lesegewohnheiten ein wenig anzupassen, wobei ich vor allem bei den Dialogen sehr behutsam war, denn die Ausdrucksweise der damaligen Zeit hat ja auch einen gewissen Charme.

    Ich widme dieses Buch allen Soldaten der Ukraine, die heute wieder einmal ihr Land vor der moskowitischen Brut schützen. Mögen sie erfolgreich sein und die Ukraine endlich als ein freies, demokratisches Land erblühen!

    Kapitel 1 — Die Verschwörung

    Den Lärm der Zecher übertäubt der Gläser Klang, die Reden atmen Luft, doch kocht im Herzen Wut, sie sprechen, trinken, und beim frohen Sang bricht hell hervor die wilde Gier nach Bruderblut.

    Franz Grzymala

    Auf der Straße von Cherson kam in gemächlichem Trab ein Kosak geritten. Das Pferd senkte seinen Kopf zur Erde nieder und sog die Feuchtigkeit des Taues mit den Nüstern ein. Der Kosak war in Gedanken vertieft und rieb oft mit der rauen Hand die Augen aus, die gegen Tagesanbruch vor Schlaf zufielen und wie mit Sand bestreut waren. Schweigen herrschte ringsum, nicht der Hufschlag lies sich hören. Die Erde, in feinem Staub wie in weiche Federn gebettet, brachte die Lüfte durch keinen Widerhall in Schwingung; zuweilen nur klirrte der Pallasch³ an dem Steigbügel, zuweilen klatschte die Hand unwillkürlich mit dem Kantschu⁴ auf die Sattelflügel und das Pferd dröhnte dumpf mit der Kandare bei jeder Schwenkung seines Kopfes.

    Jetzt warf die Sonne helle Strahlen über die Erde hin – leicht, wie die Gedanken eines Kindes, bezaubernd, wie die Blicke eines jungen Mädchens – und lies sie spielen in den vollen Tropfen Taus, die an noch volleren Blüten von Staudengewächsen hingen; und wie die Strahlen sich über den Berg erhoben, beleuchteten sie das welke Antlitz des Kosaken, und hefteten sich auf den ergrauenden Schnurrbart, auf die Mütze von Schaffell, und den schönen Kalpak⁵, und mit demselben Wohlgefallen, mit welchem das reizende, auf Huldigungen ausgehende Weib sich im Spiegel beschaut, spiegeln sie sich in der stählernen Scheide und dem Griffe des krummen Säbels; es ermunterte sich das Pferd und begann zu kräftigeren Schritten auszuholen; es ermunterte sich der Kosak auf dem Sattel, und begann mit frischeren Blicken umherzuschauen.

    Rechts gegen Osten, wo die Wolken auf der Erde zu ruhen schienen, zeichneten sich in der Ferne die Gipfel hundertjähriger Eichen ab; in diesem dunklen Grunde erscheinen weißliche Fleckchen von mancherlei Gestalt, unordentlich untereinander geworfen, aber auf einem Haufen zusammengedrängt; dies war Tschyhyryn⁶.

    Links ergeht sich das Auge frei auf den Ebenen, die sich gegen die »Schwarze Straße⁷« hinziehen, wie auf der Steppe das ukrainische Ross ohne Zügel; dort hat seine Vollkraft keine Schranke und selbst die Wolke erscheint auf der weiten Ebene als keine Grenze; nur hier und da ragen Grabhügel hervor, Überbleibsel des Kosakenruhmes oder Spuren der Tatarenzüge. Fußpfade schlängeln und kreuzen sich in Schlangenwindungen auf den grünen Auen und ein Nebelgewölk von dem aufsteigenden Morgendunst schwebt über den fruchtbaren Feldern. An den Ufern des Tiaslyk hin schütteln zwei Reihen buschiger Buchen ihre Häupter und neigen sich vor der aufgehenden Sonne. Scharen wilder Pferde ohne Hirten ergehen sich in Kreuz- und Quersprüngen auf der unberührten Steppe und Herden grauer Ochsen eilen auf die Weide und erfüllen mit ihrem Gebrüll die Luft. Hin und wieder schlägt die wilde Weise eines wild-melancholischen Gesanges von Jünglingen an das Ohr, die ihre einstige Freiheit und die Kriegstaten der Bewohner des Saporoger Landes⁸ besingen. Alles ist hier bezaubernd.

    Oh liebliches Land! Wer, der dich je sah, gewann dich nicht lieb; und wer, der dich einmal liebgewonnen, wünschte nicht, auf deinem gesegneten Boden zu leben und zu sterben.

    Ehe er noch das »kahle Grab« erreicht hatte, hielt sich der Kosak weiter nach links, und nachdem er sich am Rande eines tiefen Abgrundes mehrmals im Zickzack hin und her gewendet hatte, erblickte er im Tal alte Erlen und weiße Birken. Zwischen ihnen guckte eine weiße Hütte und ein weitläufiges, mit Stroh gedecktes Gebäude hervor, weiterhin erhoben Schober mit noch vor-vorjährigem Getreide ihre Scheitel; dort fiel der Tiaslyk in den Tjasmyn, wie der Bruder in die Arme der zärtlichen Schwester; hier stand der Khutir⁹ Holowaty’s, das Ziel der Reise des Kosaken.

    Er hielt vor der Tür an, stieg vom Pferde, reckte sich ein paar Mal, streckte die Arme zum Himmel aus, gähnte, wischte Staub und Tau von Stirn und Haar, nahm Sattel und Zaum ab, rieb den Rücken des Pferdes mit einem trockenen Wisch Heu, und des Raumes kundig, öffnete er ein Seitentor, das zum Rossgarten führte und lies sein treues Ross hinein. Dieses schnaubte, sprang einige Schritte vor, hielt an, scharrte mit den Hufen, warf sich dann zur Erde nieder, dass die Erde ächzte und das Tier mit ihr. Und nachdem es sich tüchtig abgerieben, brauste es mitten hinein unter die anderen Pferde, um Gras zu fressen, das mit Klee und bunten Blumen vermengt war. Der Kosak, froh, dass sein Pferd so munter, war eben im Begriff die Haustüre zu öffnen, als ein kräftiger Knecht eilends ihm entgegen kam und ihn herzlich zu begrüßen begann. Der Reisende sprach „Wie geht es dir, Iwan? Ist Holowaty zu Hause?"

    „Jawohl, Vater Dudar, und nicht wenige Gäste dazu."

    „Wer und woher sind sie?"

    „Der Blahoczynny¹⁰ aus Tschyhyryn und ein anderer Pope; es muss wohl der Protopop¹¹ sein, denn sie tun ihm gar viel Ehre an; einige der Saporogischen Hauptleute, eine Menge »Nichtverzeichneter¹²« und dann einer, der so etwas wie ein Kosak oder Graf aus Petersburg sein soll."

    „Nun, wohl an, Iwan, nimm den Sattel, lege ihn auf die Seite unter den Schuppen, ich will gehen und diesen Dohlen in die Augen schauen, die sich auf das Kosakenland niederlassen, als wäre es schon Aas."

    Er hing den Kalpak auf die eine Seite über, strich sich den Schnurrbart in die Höhe, und munteren, aber dabei wohl abgemessenen Ganges schritt er auf die Hütte zu. In seinem Gesichte, obwohl vom Alter sehr durchfurcht, funkelte ein Jugendfeuer, das, wie Zunder, jeden Augenblick hervorzubrechen bereit schien. Die Hunde bellten nicht, sondern kamen wedelnd und mit einschmeichelnden Blicken, indem sie die Ohren dicht an den Körper zurücklegten, herbeigelaufen, um ihn als einen alten Bekannten zu begrüßen. Und die Kinder, die im Sande spielten, sprangen hervor und klatschten jubelnd in die Hände: „Der Dudar, der Dudar! Der wird uns schöne Märchen erzählen."

    Der Dudar liebte die Kinder, denn er hatte ein gefühlvolles Herz, und obgleich er als Saporoger¹³ ehelos lebte, wurde seine Seele tief erschüttert beim Anblick der unschuldigen Kinderwelt, dieses Bildes der unbefangensten Zeit im menschlichen Leben; er hing und schloss sich an sie, wie sich das Mutterpferd an das junge Fohlen anschließt. Doch heute grüßte er sie nur mit dem Auge, wies die rings um ihn herum springenden Hunde sanft ab und schritt weiter auf den Bienengarten zu, denn er hatte jetzt Eile und dort sah er den alten Holowaty stehen.

    Er trat ein und achtete nicht auf die Reihe von Spießen, die längs am Strohdach lehnten, noch auf die Menge von Sätteln, die umher geworfenen Mützen und die Leute selbst, die sich unter dem Schuppen im Schlafe dehnten.

    In einer Ecke des Bienengartens stand ein Greis; ein blass-gelblicher Bart floss auf seine Brust herab, ein weißer Schnurrbart, der in zwei Zipfeln herabhing, vermengte sich mit dem Kinnbart; weite, leinene Unterhosen, ein von einem blaugrauen Gürtel zusammengehaltenes Hemd, ein kurzer Überrock, eine runde in den Kopf hinein gedrückte Mütze von grauem Schaffell machten die Kleidung des Alten aus. In Gedanken und Betrachtungen versunken, blickte er zwar scheinbar auf die dichten Reihen von Bienenstöcken, aber es geschah diesmal mehr aus Gewohnheit, als mit Absicht, denn er sah nicht danach, welchen reichlichen Vorteil ihm seine Bienen bringen, ja, er stellte nicht einmal Vermutungen an, welcher Schwarm im Stande sein werde, den Winter zu überdauern; die Bienen schwirrten ihm in die Ohren, schimmerten mit ihren goldenen Flügelchen vor seinen Augen umher, ohne seine Aufmerksamkeit zu erregen, so sehr hatten sich andere Gedanken in seinem Kopfe festgesetzt. Bei der Erscheinung des Dudar schien Holowaty aus einem schweren Schlafe zu erwachen, der ihn mit schwarzen Traumgestalten gemartert hatte. Die alte Freundschaft und die Offenheit, die zwischen ihnen bestand, verscheuchte diese Wolke düsterer Gedanken oder drängte sie vielleicht auch nur auf kurze Zeit in den Hintergrund zurück. Sie begrüßten sich gegenseitig mit einer herzlichen Umarmung und jeder drückte einen frohen Kuss auf die Lippen des Freundes.

    „Was gibt es denn hier bei euch Neues, Herr Holowaty, vielleicht eine Kindertaufe von einer eurer Töchter? Denn es sind ja auch Popen da; vielleicht verheiratet ihr eine Enkelin an einen muntern Nichtverzeichneten, oder vielleicht auch… vielleicht brütet ihr über etwas, das wir nicht wissen sollen?"

    „Ach nein, nicht Kindstaufen ist hier, nicht Hochzeit, Gevatter Dudar, sondern die Ljachischen¹⁴ Herrchen sind übermütig geworden, haben da in Bar einen Adelsbund gestiftet und wollen den Nacken der Unsrigen vollends unterkriegen, aber Gott hat sich erbarmt und der Zarin von Moskau eingegeben, dass sie uns ihre Hilfe sandte…"

    Bei dem Namen Moskau erbebten krampfhaft alle Adern des Dudar, wie wenn ihn eine schwere Krankheit eben packen wollte; aber schnell fasste er sich, denn wie ihn der Zorn zur Wut entflammte, so kühlte ihn die Überlegung ab.

    „Höre, Holowaty, schlimm ist dieser Bund mit der Zarin; sie will, wie der Wolf, nur erst eine Tatze auf den Wagen legen, um dann uns zu erwürgen und den Wagen für sich zu behalten. Da ist der Ljache anders, er braust auf und kommt wieder zur Besinnung; erscheint dann Not, so wendet er sich an Gott. Aber drängt uns der Moskowiter oder schreckt uns der Tatar, alsbald steht der Ljache, als unser Bruder, uns zur Seite. Wir sind fest verbunden, jagen den Feind in die Flucht und können nachher, wie Brüder, miteinander Abrechnung halten."

    „Oh, Ihr dort hinter den Wasserfällen wisst nicht, was hier vorgeht. Das ukrainische Volk ist tief versunken in Tränen und Not; mitten unter üppig prangenden Fluren stirbt es vor Hunger; und der Übermut der Edelleute treibt seinen Spott mit der Schamhaftigkeit der Frauen und Töchter der Nichtverzeichneten und wer es wagt, von Freiheit nur zu mucksen, muss alsbald eines qualvollen Todes unter den Misshandlungen unmenschlicher Amtsleute und Verwalter sterben."

    „Freilich wahr! Aber dagegen hat man ein Mittelchen. Gibt es denn bei uns keine Jünglinge, welche auszuziehen bereit sind, um solcher Ungebühr die Stirn zu bieten? Wir werden die Ljachen nicht allein lehren, wie sie sich bei uns zu benehmen haben, sondern sogar, wie sie sich zu Hause untereinander selbst zu benehmen haben. In den Kurenen¹⁵ werden sich schon noch Pawlukis und Nalywajkos¹⁶ finden; aber Gott  möge uns bewahren vor Bündnissen mit Moskau! Der Ljache hat viel gesündigt, er mag es büßen. Aber ich halte es lieber mit ihm als mit der Zarin. Weniger gefährlich ist der Hund, welcher bellt, als der, welcher hinterrücks packt. Gegen jenen hat man die Peitsche, vor diesem kann sich der Teufel selbst nicht bewahren."

    „Alles gut, was Du da sagst, Gevatter; aber ljachisches Blut muss schon fließen. Die Zarin ist nicht so schlimm, als sie Euch vorkommt. sie verspricht uns Freiheit und den griechischen Glauben, die Ljachen nur Knechtschaft und Bekehrung zu ihrem verfluchten Latein."

    „Holowaty! Blicke nach Osten; siehst Du, wie die blecherne Kuppel der Kirche von Subotiw sich in die Wolken taucht? Wie sie an jenem Himmel, einem glänzenden Sterne gleich, strahlt, so würde im Kosakenlande unser Chmelnyzkyj leuchten, hätte er sich nicht mit Moskau verbündet. Schwer büßte er für seine Sünde. Auf seinem Sterbebette sprach er die Worte: »Ich habe gesündigt wider Gott und wider Euch, indem ich das Kosakenland unter den Schutz des Zaren Alexej stellte. Ein besserer Bundesgenosse wäre der Muselmann von Zarograd¹⁷ gewesen, oder der Tatar von Perekop¹⁸, als Moskau. Kehret zurück zu den Ljachen und haltet Euch an sie«. Und Ihr, im Angesicht des Ortes, wo der büßende Ataman geboren wurde und aufwuchs, Ihr schmiedet auf schmähliche Weise Pläne, die unsere Freiheit vollends vernichten? Glaubt mir, züchtigen wir die Ljachen, aber brechen wir nicht ganz mit ihnen; solange wir zusammenhalten, bleiben wir unversehrt. Der Bruder verzeiht dem Bruder alles, aber wie wir einmal einen Fremden in unsere Streitigkeiten herein ziehen, so räuchern wir ihn mit allem Birkenteer nicht mehr hinaus. Lieber wollte ich ein Grablied auf meinen Falben hören, als die arglistigen Worte der Abgesandten der Zarin. Oh! Sie sind wie Pfeffer, der mit Honig beschmiert ist. Ihr werdet es einst bereuen, aber vielleicht zu spät, dass Ihr ihn in den Mund genommen habt."

    Die Ankunft einer dritten Person unterbrach das Gespräch; es war der Blahoczynny von Tschyhyryn, in schwarzem, bis zu den Knöcheln hinab reichenden Priesterrock; das dunkle, glatt gestrichene Haar teilte sich auf der Stirn in zwei gleiche Hälften und floss über Schultern und Hinterarme

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