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Wir lassen nur den Ort.: Ein Essay über den Tod
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Wir lassen nur den Ort.: Ein Essay über den Tod
eBook52 Seiten38 Minuten

Wir lassen nur den Ort.: Ein Essay über den Tod

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Über dieses E-Book

Es heißt, ungefähr im Alter von 7 Jahren, begreift ein Kind, was es bedeutet, zu sterben. Damit beginnt die meist lebenslange Furcht der Menschen vor dem Tode, die eigentliche Ursache hinter all ihrem Tun darstellt: hinter Staatenbildung, hinter Gesetzgebung, hinter Kriegen, Politik, Wissenschaft, Religion und Ethik. Es gibt keine stärkere Triebkraft, als die Furcht vor dem Tode. Dabei ist diese Furcht nicht nur sinnlos, sondern zugleich unbegründet. Sie ist sinnlos, weil wir alle, Gott sei Dank, dem Tode ohnehin nicht entgehen werden und angesichts einer Tatsache, die zwangsläufig, gesetzmäßig, automatisch und ohne mein Zutun eintreten wird, brauche ich mich nicht zu fürchten. Ebenso wenig, wie vor dem Schmelzen des Schnees im Frühjahr oder vor dem Sonnenaufgang am Morgen. Sie ist unbegründet, weil der Tod nicht, wie allgemein seit alter Zeit in vielen Kulturen angenommen, das Ende aller Dinge und das Ende des Seins darstellt, sondern weil er tatsächlich nur eine Phase im Sein bildet, das sich nicht auf den winzigen Abschnitt reduzieren lässt, den wir gemeinhin das Leben nennen. Der Tod ist nur eine Pforte, die wir während unseres Seins durchschreiten, ein Unterwegsbahnhof, auf dem der Zug, in dem wir sitzen, gerade Halt macht und im Prozesse unseres Seins schon tausendmal Halt gemacht hat. Jedes Atom, das wir in uns tragen, hat den Tod einer belebten oder unbelebten Daseinsform, in die es eingebunden war, bereits tausende Male erlebt. In diesem Sinne sind wir bereits tausende von malen gestorben. Und unsere Atome und Moleküle werden sich im Moment unseres eigenen Todes daran erinnern, dass sie diese Erfahrung bereits viele Male durchlebt haben und dass sie keinesfalls das Ende allen Seins im Universum darstellt und auch nicht das Ende unserer selbst.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. Juli 2014
ISBN9783847699729
Wir lassen nur den Ort.: Ein Essay über den Tod

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    Buchvorschau

    Wir lassen nur den Ort. - Ralph Ardnassak

    I

    Wenn wir aus dieser Welt durch Sterben uns begeben,

    so lassen wir den Ort, wir lassen nicht das Leben.

    Friedrich von Logau

    Du stirbst. Du durchlebst diese Phase, ebenso, wie Du einst Deine Geburt durchlebt hast. Und zugleich ist es der letzte Teil Deines irdischen Daseins, den Du durchlebst und erlebst, bei dem Du Subjekt und Handelnder bist und nicht Objekt.

    Wenn Du stirbst, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dies in einem Krankenhaus geschieht, denn seit dem Fortschritt der sogenannten Apparatemedizin in den 1950er Jahren sterben fast 45 % aller Menschen in einem Krankenhaus und nicht daheim, in ihrer vertrauten Umgebung.

    Der moderne Mensch hat den Tod aus seinem Leben verbannt. Er wünscht, möglichst nicht mit ihm in Berührung zu kommen, weil er ihm seine eigene Sterblichkeit vergegenwärtigt und die Tatsache, dass Menschen nicht immer gewinnen, nicht immer Erfolg haben können.

    Du stirbst daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Krankenhaus, umgeben von Pflegepersonal, denn die Ärzte ziehen sich üblicherweise zurück. Und wenn Du Glück hast, dann ist dieses Pflegepersonal, das sich um Dich kümmert, während Du stirbst, nicht gerade von Überstunden überlastet und spricht vielleicht sogar Deutsch.

    Du stirbst.

    Zunächst wird sich Deine Hirnaktivität verringern, was dazu führen wird, dass Deine Wahrnehmung zurück geht. Dieses ist der erste Schritt auf Deinem letzten Weg, den Du nun angetreten bist. Wie alles im Leben, so hat auch diese Verringerung der Wahrnehmung Deines sterbenden Hirns ihren Sinn und ihre Berechtigung. Es bleibt Dir manches von den Umständen Deines Endes erspart, durch die verringerte Aktivität Deines Hirns.

    Deine Sensibilität für Schmerzen geht zurück und wenn Du zu Hause stirbst, was immerhin noch 25 bis 30 % aller Menschen tun, so wirst Du es vielleicht nicht bemerken, wenn Dir Urin ab geht oder Kot.

    Nah und nach wird Deine Atmung flacher. Dies zieht eine Vielzahl von Konsequenzen nach sich, die sich in den Zellen Deines Körpers abspielen, denn der Gasaustausch nimmt ab.

    Während Deine Atmung immer flacher wird, nimmt Dein Sehvermögen ab. Es heißt, Du bekommst einen Tunnelblick.

    Dann setzt ein Großteil Deiner Fähigkeit aus, zu hören. Akustisch nimmst Du nur noch teilweise war, was um Dich herum vorgeht. Hörst vielleicht das Schluchzen von Angehörigen, das Wispern von Pflegern und Schwestern oder das Schlagen von Türen auf den Fluren des Krankenhauses.

    Nun geht Deine Sehfähigkeit völlig und für immer verloren. Die Lampen im abgedunkelten Zimmer, in das sie Dich gebracht haben, verlöschen für immer.

    Dein Herz beginnt zu flimmern. Müde bäumt es sich noch einmal auf, ehe der Herzstillstand eintritt. Die Linie des Gerätes, welches Deine Pulskurve anzeigt, ist flach.

    Steht Dein Herz still, dann tritt innerhalb von nur wenigen Minuten jener Zustand ein, denn man Hirntod nennt.

    Haben Herzstillstand und Hirntod erst eingesetzt, dann bist Du aus biologischer und medizinischer Sicht tot. Du bist nicht mehr am Leben. Die Sorgen und Nöte Deines irdischen Daseins, wie gravierend sie auch gewesen sein mögen, hast Du hinter Dir gelassen.

    Mit Herzstillstand und Hirntod setzen nun jene Prozesse in dem Körper ein, den Du hinterlassen hast, die sich Autolyse oder Selbstzersetzung nennen und die darin gipfeln, Deinen Körper in seine Elemente zu zerlegen.

    Da mit der Atmung und dem Herzschlag der Stoffwechsel in Deinem toten Körper ausgesetzt hat, da nun weder Sauerstoff, noch Nährstoffe, zu

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