Die Mutter der Macht. Ein Mensch namens Mao Tse-tung.: Dritter Band: Millionen Tote für ein neues China
Von Ralph Ardnassak
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Von weitreichenden Folgen, auch für die Ansichten Mao Tse-tungs, war allerdings der kurz vor der Zeitenwende durch Han Feizi propagierte Legalismus, der die Ansicht vertrat, das Zusammenleben der Menschen ließe sich rein mechanisch durch ein ausgefeiltes System von Kontrollen und Strafen organisieren.
Belohnung und Strafe sieht Han Feizi als den ausschließlichen Schlüssel zur Macht im Umgang mit der an sich schlechten und verderbten Natur des Menschen.
Erziehung, so der Legalismus, kann den schlechten Menschen niemals verbessern, sondern lediglich die Gewissheit von schwersten Strafen. Hinrichtungen und schwerste Strafen sind allerdings nicht nur für den Schuldigen selbst bestimmt, sondern vor allem auch für dessen nächste Verwandte. Diese Gewissheit verstärkt die abschreckende Wirkung der drakonischen Strafen zusätzlich.
Auch ist das Studium sinnlos, denn je mehr Menschen sich in einem Land der Wissenschaft zuwenden, desto weniger Boden wird bebaut und kultiviert. Auch der Gelehrte hat deshalb sinnvolle Arbeit zu verrichten, deren Ergebnis mess- und sichtbar zu sein hat und der Gesellschaft dienen muss.
Der Herrscher muss stets drei Aspekte berücksichtigen. Zunächst muss er die wirkliche Macht besitzen, die sich nicht allein aus einem abstrakten Titel oder aus einer Ahnenfolge herleiten lässt.
Schließlich muss er die richtige Methode des Herrschens finden und anwenden, denn mit eigener Tugend allein, lässt sich kein Volk der Welt dauerhaft beherrschen.
Außerdem sind Gesetze notwendig, um das Zusammenleben der Menschen zu organisieren, ihre Rechte und Pflichten festzuschreiben.
Später kam noch aus Indien der Buddhismus hinzu, der für die Gepflogenheiten der chinesischen Kultur und Gesellschaft zunächst angepasst werden musste, sie dann aber entscheidend prägte.
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Buchvorschau
Die Mutter der Macht. Ein Mensch namens Mao Tse-tung. - Ralph Ardnassak
I
„Die Toten sind nützlich. Sie können den Boden düngen."
Mao Tse-tung
Der Schamanismus bildet den Ursprung jener chinesischen Kultur, die über viele Jahrhunderte als die fortschrittlichste Kultur der Menschheit galt.
Im chinesischen Altertum stellten die Fangshi, jene sagen haften Männer der Technik und zugleich Zauberpriester, das Zentrum der Gesellschaft.
Die Fangshi, deren Existenz bereits seit den Tagen der Shang- und der Zhou-Dynastie als verbürgt gilt, waren die Träger der uralten Überlieferungen.
Die Fangshi hielten sich an den zahlreichen Höfen der Herrscher und der Warlords auf. Kein noch so kleiner und bescheidener Adelshof wäre je ohne diese Würdenträger denkbar gewesen.
Während der Zeit des ersten Kaisers Qin Shihuangdi wurden sie zu einer festen gesellschaftlichen Institution bei Hofe. Sie erhielten vom Kaiser die Aufgabe, unablässig den Frieden des Reiches zu erhalten und zu vervollkommnen und gleichzeitig eine Wunderdroge zu finden, die geeignet war, die Unsterblichkeit des Kaisers herzustellen. Ebenso waren sie für die Kontakte zu den Göttern zuständig.
Also hatten die Fangshi, aufgrund der Breite, der ihnen vom Kaiser zugewiesenen Aufgaben, eine Vielzahl von Disziplinen zu erlernen und unablässig zu praktizieren: Astrologie und Schamanismus, Exorzismus, Medizin und Divination, Geomantik, Magie, Medizin und Techniken zur Erzielung eines möglichst langen Lebens.
Die Schule des Taiji, die sich mit dem Yin und dem Yang befasste und die Fünf Wandlungsphasen übten erheblichen Einfluss auf die Fangshi aus.
Das Taiji erkennt den Polarstern als die Achse des Himmels an, um den sich alles Seiende, welches sich stets in Gegensätzen ausdrückt, unermesslich dreht.
Die Fünf Wandlungsphasen beschreiben Werden, Wandlung und Vergehen aller Elemente, die sich direkt aus der Natur ableiten lassen, wie Holz, Feuer, Metall, Wasser und Erde.
Aus ihren Beziehungen lassen sich die Beziehungen zwischen Mensch, Erde und Himmel abstrahieren, so wie sich die Essenz der Rose, ihr Duft, durch Auskochen der Rosenblätter im Wasser gewinnen lässt.
Unter den Fangshi schwand die Bedeutung des Himmels als Gottheit dahin und die Bedeutung der Omen wuchs.
Die Fangshi bildeten die Quellen sämtlicher Schulen des Daoismus, der von ihnen die Studien zur Langlebigkeit, die Suche nach der Unsterblichkeit durch die Einnahme von Drogen, das Taijiquan und das Qigong, die Sexualpraktiken und Atemübungen und die unterschiedlichen Techniken der inneren und der äußeren Alchimie übernahm.
Zou Yan, einer ihrer wichtigsten Denker, veröffentlichte verschiedene Ansätze zur Beherrschung von Göttern, Dämonen und Geistern.
Zu den Fangshi hinzu traten die Ahnenverehrung und die traditionelle chinesische Naturphilosophie.
Tief prägte die chinesische Kultur und Gesellschaft jedoch der ab etwa dem 5. Jahrhundert aufkommende Konfuzianismus mit seinen Lehren und Ansichten zu den Beziehungen der Menschen untereinander.
Der Daoismus des Laozi brachte hingegen die These vom Leben des Menschen im Einklang mit der ihn umgebenden Natur ein.
Von weitreichenden Folgen, auch für die Ansichten Mao Tse-tungs, war allerdings der kurz vor der Zeitenwende durch Han Feizi propagierte Legalismus, der die Ansicht vertrat, das Zusammenleben der Menschen ließe sich rein mechanisch durch ein ausgefeiltes System von Kontrollen und Strafen organisieren.
Belohnung und Strafe sieht Han Feizi als den ausschließlichen Schlüssel zur Macht im Umgang mit der an sich schlechten und verderbten Natur des Menschen.
Erziehung, so der Legalismus, kann den schlechten Menschen niemals verbessern, sondern lediglich die Gewissheit von schwersten Strafen. Hinrichtungen und schwerste Strafen sind allerdings nicht nur für den Schuldigen selbst bestimmt, sondern vor allem auch für dessen nächste Verwandte. Diese Gewissheit verstärkt die abschreckende Wirkung der drakonischen Strafen zusätzlich.
Auch ist das Studium sinnlos, denn je mehr Menschen sich in einem Land der Wissenschaft zuwenden, desto weniger Boden wird bebaut und kultiviert. Auch der Gelehrte hat deshalb sinnvolle Arbeit zu verrichten, deren Ergebnis mess- und sichtbar zu sein hat und der Gesellschaft dienen muss.
Der Herrscher muss stets drei Aspekte berücksichtigen. Zunächst muss er die wirkliche Macht besitzen, die sich nicht allein aus einem abstrakten Titel oder aus einer Ahnenfolge herleiten lässt.
Schließlich muss er die richtige Methode des Herrschens finden und anwenden, denn mit eigener Tugend allein, lässt sich kein Volk der Welt dauerhaft beherrschen.
Außerdem sind Gesetze notwendig, um das Zusammenleben der Menschen zu organisieren, ihre Rechte und Pflichten festzuschreiben.
Später kam noch aus Indien der Buddhismus hinzu, der für die Gepflogenheiten der chinesischen Kultur und Gesellschaft zunächst angepasst werden musste, sie dann aber entscheidend prägte.
Dann allerdings lag die chinesische Kultur beinahe zweitausend Jahre brach und wurde nicht von weiteren Einflüssen befruchtet.
Man beschränkte sich darauf, in unterschiedlichsten philosophischen Schulen das bis dahin akkumulierte Gut an Kultur und Philosophie Chinas stets immer wieder neu zu interpretieren.
Die etwa seit dem 16. Jahrhundert anhaltenden Bemühungen christlicher Missionare, den christlichen Glauben in seinen unterschiedlichen Ausprägungen in die chinesische Gesellschaft hinein zu tragen, blieben jedoch ohne tiefgreifenden Einfluss auf den Kulturraum.
Die Situation änderte sich, als zu Anfang des 20. Jahrhunderts, aus dem benachbarten Russland kommend, die Idee des Kommunismus nach China gelangte. Von 1949 bis etwa 1980 wurde sie hier zur absolut alles beherrschenden Staats- und Gesellschaftsdoktrin, dank Mao Tse-tung, die das bisherige jahrtausendealte Kulturgut teilweise mit brachialer Entschlossenheit zertrümmerte, andererseits aber auch weite Teile davon einfach kritiklos auflas und übernahm.
Neun entscheidende Wesenszüge des Chinesen und der chinesischen Kultur sind es jedoch, die den Menschen und den Kulturraum entscheidend prägen und die den Siegeszug des Kommunismus in diesem gewaltigen Maßstab in China erst ermöglicht haben:
Gruppendenken, Harmoniestreben, Gesichtsorientierung, Indirektheit, Kollektivität, Hierarchieakzeptanz, Ritualisierung, Diesseitigkeit und Sinozentrismus.
Eine traditionell hohe Bedeutung hat in China der Clan, die Familie. Der Chinese unterscheidet dabei strikt in Clanmitglieder und in Nicht-Mitglieder seines Familienclans.
Dies lässt sich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region und Provinz und auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Arbeitsplatz ohne weiteres übertragen.
Der Chinese stellt eine deutlich wahrnehmbare Demarkationslinie auf, zwischen denjenigen Mitgliedern, die zu einer bestimmten Gruppe dazu gehören und den Menschen, die außerhalb dieser Gruppe stehen. Sehr deutlich ausgeprägt ist dieses Gruppendenken besonders bei den Han-Chinesen, die sich als ethnische Elite innerhalb Chinas begreifen.
Die chinesische Vorstellungswelt wird stark von der Annahme bestimmt, dass im Kosmos zwischen allen Dingen eine geradezu universelle Harmonie bestehen müsse.
Dies kann auf alle Farben, auf die vier Jahreszeiten, auf die Stimmungen der Menschen und der Tiere, auf Stoffe, auf Planeten und auf Körperteile bezogen werden.
Auch zwischen Menschen, Himmel und Erde besteht im traditionellen Verständnis der Chinesen Harmonie, wobei dem Kaiser als dem Himmelssohn stets eine besondere Bedeutung zukommt.
Daher streben Chinesen in allen menschlichen Beziehungen die universelle Harmonie an und vermeiden Konflikte.
So gilt es in China als absolut unmoralisch, ganz gleich, ob berechtigt oder nicht, rücksichtslos die eigenen Interessen durchzusetzen. Im Gegenteil, solches Verhalten wird allgemein sanktioniert, während man stattdessen bestrebt ist, in möglichst langwierigen Prozessen zu einem für alle Seiten befriedigenden Ausgleich zu gelangen.
Schroffe Ablehnung verbietet sich daher im zwischenmenschlichen Umgang bereits von vornherein und selbst eine Bejahung, ganz gleich, wie ernst gemeint sie auch erscheinen mag, trägt keinesfalls den Charakter von Verbindlichkeit.
Jede Art von Kritik und heftiger Emotion, von Wut, Trauer, Freude oder das Preisgeben von Intimitäten und persönlichen Informationen, gelten als strikte Verletzungen des Prinzips der universellen Harmonie und sollten daher unterbleiben.