Liebe ohne Grenzen: Für immer Dein
Von Isabel Fischer
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Buchvorschau
Liebe ohne Grenzen - Isabel Fischer
Kapitel 1
Es ist Freitag Abend und ich sitze – ziemlich verblüfft – vor meinem Laptop und starre auf eine Email meines Chefs. Ich hatte mir, wie so oft, mit einer DVD – eine romantische Komödie – und einer Tüte Chips auf der Ausklappcouch meines Einzimmerapartments einen gemütlichen Freitag Abend gemacht und wollte vor dem Schlafen gehen nur noch einmal kurz meine Emails abrufen. Nicht dass ich eine spannende Nachricht zu erwarten hatte, aber nachdem man einen wunderschön kitschigen Film mit Rund-um-Happy-End gesehen hat, wagt man ja doch immer mal wieder ganz heimlich und leise auf eine romantische Botschaft von seinem Traummann zu hoffen, obwohl dies in meinem Fall doch ziemlich unwahrscheinlich ist.
Hierzu muss ich jedoch sofort klarstellen: Mein Chef ist definitiv nicht mein Traummann!! Er ist gelernter und – darauf besteht er – studierter Fotograf, Mitte fünfzig, leicht untersetzt, hat graues, wirres Haar und ist ein ziemlich tüchtiger Geschäftsmann. Wahrscheinlich einer der Gründe, dass ich heute mit 24 Jahren noch genauso viel – oder eher genauso wenig – verdiene wie vor drei Jahren als ich in seinem Fotostudio als nur gelernte Fotografin – auch darauf besteht er – angefangen habe.
Allerdings muss man auch sagen, dass er seinen guten Geschäftssinn wohl nicht besonders anstrengen muss, soweit es um mich geht. Ich bin mit solchen Sachen nämlich eher zurückhaltend, man könnte auch schüchtern oder sogar feige sagen. Als er mich damals bei meinem Vorstellungsgespräch nach meiner Gehaltsvorstellung fragte, bekam ich einen knallroten Kopf, mein Herz klopfte wild in meinem Hals und ich bin mir sicher, dass auch Schweißperlen auf meiner Stirn standen. Nach einer unbehaglich langen Schweigepause konnte ich dann doch noch zwischen meinen Zähnen hervor pressen: „Ich nehme was Sie bezahlen wollen. Ich möchte den Job nämlich unbedingt haben". Mit dieser Antwort schien er mehr als zufrieden zu sein. Er grinste, rieb sich die Hände, sagte eine Summe, ich nickte und unterschrieb noch am selben Tag meinen Arbeitsvertrag.
Er sagte mir, dass dies die richtige Arbeitseinstellung sei und er eine Mitarbeiterin wie mich, mit solch einer Leidenschaft für die Fotografie – bei der das Finanzielle nur eine Nebensache sei – gesucht habe. Rückblickend betrachtet war ich wahrscheinlich die einzige Bewerberin auf diese Stelle. Aber man soll ja die Vergangenheit ruhen lassen.
Seit diesem äußerst unerfreulichen Gespräch über mein Gehalt haben wir beide dieses Thema – zum Leidwesen meines Kontostands – nie wieder angesprochen. Allerdings macht mir meine Arbeit, sogar die Zusammenarbeit mit meinem Chef, großen Spaß. Und wie ich von meinen Freundinnen weiß, ist das mehr als die meisten Menschen in unterbezahlten Jobs von sich behaupten können.
Zwar hat mein Chef auch ein kleines Fotostudio in der Stadt. Er hat sich aber schon vor vielen Jahren auf Hochzeitsfotografie, insbesondere auf türkische und arabische Hochzeiten, spezialisiert. Er meint in diesem Bereich eine ganz besondere Nische gefunden zu haben, die außerdem gut bezahlt wird. Und da kann ich nicht widersprechen. Tatsächlich ist es so, dass türkische und arabischen Hochzeiten weitaus pompöser ausfallen als die durchschnittliche – doch meist eher schlicht und nach Möglichkeit günstig gehaltene – deutsche Hochzeit. Und wer für die sich über mehrere Tage hinziehenden Hochzeitsfeierlichkeiten mit 200 bis 800 Gästen ein kleines Vermögen investiert, der ist auch nicht kleinlich was die Vergütung der Fotografen angeht. Schließlich sind diese Fotos eine Erinnerung für die Ewigkeit und außerdem hervorragend dafür geeignet, den wenigen Leuten aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis, die nicht Teil der Hochzeitsgesellschaft waren, zu zeigen, welch ein rauschendes und kostspieliges Fest man seinen Kindern bieten konnte.
In den letzten Jahren sind mein Chef und ich tatsächlich zu einem großartigen Team zusammengewachsen. Zunächst hatte er es im Alleingang versucht. Er hatte nur einmal, schon Jahre vor mir, eine Fotografin eingestellt, die dann jedoch relativ schnell schwanger wurde, in den Mutterschutz verschwand und nie mehr wiederkehrte, weil sich Kind Nummer zwei ankündigte. Man kann sagen, dass er jungen Frauen gegenüber also etwas skeptisch gegenüberstand, was deren Verlässlichkeit in Bezug auf ihren Job angeht, als er mich kennenlernte. Er musste dann aber doch einsehen, dass er es in seiner Nische ohne eine weibliche Fotografin an seiner Seite wohl nicht weit bringen würde. Denn es gibt viel zu viele private Momente zwischen der Braut und anderen Frauen beider Familien, die es fotografisch zwar festzuhalten gilt, zu denen ein Mann, schon gar keiner außerhalb der Familie, jemals Zutritt bekommen würde. Als mein Chef mir dann beim Vorstellungsgespräch gegenüber saß und mich ausgiebig von oben bis unten gemustert hatte, war ihm wahrscheinlich sofort klar, dass ich ohnehin kein spannendes Privatleben haben würde und somit an den Wochenenden immer für die Hochzeiten zur Verfügung stehen und schon gar nicht schwanger werden würde.
Es gibt noch ein weiteres Attribut, das mich für meinen Beruf als Hochzeitsfotografin prädestiniert: Ich bin quasi unsichtbar. Dies haftet mir eigentlich schon seit meiner frühen Jugend an. Ich bin in einem kleinen Örtchen als mittleres von drei Kindern sehr behütet aufgewachsen. In der Ehe meiner Eltern und auch bei uns Kindern gab es keine Skandale. Darauf waren unsere Eltern auch stets bedacht. Sie predigten uns ständig, dass wir doch wohl kaum zum Dorfgespräch werden wollten und wir hielten uns – jedenfalls überwiegend - an diese Regel.
Meine zwei Jahre ältere Schwester Lea war schon immer wunderhübsch und hatte in unserer Schule den Spitznamen „Engel" – wohl wegen ihrer langen blonden Engelslocken. Die Verehrer standen bei ihr Schlange - in der Schule, auf jeder Party und wo wir sonst so hingingen. Um dennoch nicht zum Dorfgespräch zu werden, jedenfalls nicht in negativer oder verwerflicher Weise, suchte sie sich mit 16 den attraktivsten ihrer Verehrer aus, den 19 Jahre alten, charmanten und gutaussehenden Sohn des Bürgermeisters, und heiratete diesen nachdem sie ihren Schulabschluss gemacht hatte. Mittlerweile haben die beiden eine gut laufende Boutique und zwei bezaubernde Kinder, meine Neffen Max und Moritz, deren stolze Patentante ich bin. Mit dieser Bilderbuchromanze ist Lea dann doch zum Stadtgespräch geworden. Da aber jeder im Ort meine Eltern zu so einer wunderbaren Tochter nur beglückwünscht und regelmäßig Loblieder auf das Traumpaar und die sehr gelungene Erziehung meiner Eltern singt, sehen sie ihr dies nach.
Neben so einer Schwester wären wahrscheinlich viele Mädchen verblasst, aber bei mir kommt hinzu, dass ich wirklich so blass bin, dass man fast durch mich hindurchsehen kann. Ich bin einfach weiß. Sehr, sehr weiß. Und auch ich habe natürlich blonde Haare, allerdings sind diese wesentlich dünner und kürzer als die meiner Schwester und kerzengerade. Von Engelslocken kann ich nur träumen. Selbst wenn Lea vor Parties manchmal versucht hatte mich „aufzuhübschen", wie sie es immer nannte, und mir die Haare auf Lockenwicklern aufdrehte, purzelten diese - als würden sie gegen meine Haare protestieren - bei der kleinsten Bewegung direkt wieder von meinem Kopf. Also gab meine Schwester das Projekt Aufhübschen wieder auf und nahm mich wie ich war. Unsichtbar!
Mein kleiner Bruder Lars, ebenfalls ein Blondschopf, ist ein kleines Mathematikgenie und studiert mittlerweile Luft- und Raumfahrttechnik an irgendeiner Eliteuniversität und bildet sich darauf ziemlich viel ein. Er ist aber der ganze Stolz meines Vaters, der ihn bei jedem Heimatbesuch in seinem Höhenflug noch bestätigt.
Meine Eltern lieben mich mit Sicherheit nicht weniger als meine Geschwister und lassen mich ihre Liebe und Unterstützung immer spüren. Aber ein Leben im Schatten von zwei so herausragenden Geschwistern ist nicht gerade die ideale Voraussetzung für ein starkes Selbstbewusstsein und ein großes Auftreten. Sobald die beiden einen Raum betreten, wissen die Leute, dass sie da sind. Sie sind offen, laut und stets präsent. Ich höre hingegen auf Familienfesten häufig: „Mensch, Linda, du bist auch schon da? Ich habe dich gar nicht kommen sehen." Und solche Aussagen bekomme ich nach ein bis zwei Stunden Anwesenheit zu hören.
Vielleicht entwickelte ich deshalb eine Leidenschaft für die Fotografie, damit ich mich hinter meiner Kamera verstecken konnte. Ich begann meine Fotografiekarriere also auf unseren Familienfesten, wo mich die Leute ja ohnehin meist nicht, oder erst wenn sich das Fest dem Ende zuneigte, sahen und so gelang es mir, wunderschöne und ungestellte Momentaufnahmen von meiner Familie einzufangen. Alle waren begeistert von diesen natürlichen Bildern und so wurde ich auch schnell im Bekanntenkreis weiterempfohlen, um auf Taufen und Geburtstagen die Fotos zu machen und konnte auf diese Weise mein Taschengeld etwas aufbessern.
So kam ich sogar nach meinem Abitur zu einem dreimonatigen, kostenlosen Aufenthalt in England, da die Tochter einer entfernten Verwandten, die vor vielen Jahren nach England ausgewandert war, heiratete und ich mit der Fotografie von der Verlobungsfeier, über den Junggesellinnen-Abschied und der Hochzeiten bis zum Aufbruch in die Flitterwochen beauftragt worden war. Trotzdem blieb mir noch genug Zeit, meine Englischkenntnisse aufzufrischen.
Man kann also in gewisser Weise sagen, dass auch ich meine Nische gefunden habe. Dass ich letztendlich, nach meiner Ausbildung, in der Hochzeitsfotografie gelandet bin, war nur die logische Konsequenz daraus. Und ich liebe es! Wenn ich schon nicht meine eigene Romanze erleben darf, so kann ich wenigsten immer wieder, an jedem Hochzeitswochenende aufs neue, Teil einer wunderschönen Liebesgeschichte sein, deren Höhepunkte ich in Bildern festhalten darf. Am Hochzeitstag bzw. an den Hochzeitstagen sind ohnehin alle Augen auf die Braut gerichtet. Es ist trubelig, so viele Leute, die hin und her huschen und mich gar nicht beachten. Ich kann also immer wieder still und heimlich den Traum von 1001 Nacht miterleben und dabei die schönsten Momente der Braut festhalten, während mein Chef immer den Bräutigam begleitet. Alle meine Bräute sind südländische Schönheiten mit ihren dicken, glänzenden schwarzen Haaren und ihrem olivfarbenem Teint. Mit dem auffälligen Make-Up und den tollen Frisuren, den pompösen Brautkleidern ist jede von ihnen in meinen Augen eine orientalische Prinzessin. Und so fotografiere ich sie auch. Wunderschön und königlich!
Die Bräute waren allesamt immer begeistert und so haben mein Chef und ich uns tatsächlich in den letzten Jahren in unserer Region einen Namen gemacht. Die Hochzeiten wurden immer größer, eleganter – und zur Freude meines Chefs – teurer. Wenn ich so sehe, welches Honorar wir zum Teil für eine Fotostrecke einnehmen, sollte ich doch einmal den Mut aufbringen, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.
Selbstständig machen, lohnt sich für mich nicht. Davon brauche ich gar nicht erst zu träumen – worauf mich auch mein Chef regelmäßig hinweist. Erstens bin ich keine besonders gute Geschäftsfrau – man siehe mein Gehaltsgespräch – und zweitens bräuchte ich dann ebenso einen männlichen Fotografen im Team, wie mein Chef mich als Fotografin braucht, wenn ich weiterhin auf türkischen und arabischen Hochzeiten fotografieren will. So ist das nun einmal in dieser Welt. Mit Frauen wollen die wenigsten Geschäfte machen. Und als Arbeitgeberin, die für einen Angestellten verantwortlich ist und, noch schlimmer, diesen anweisen muss, wie er seine Arbeit zu erledigen hat, eigne ich mich beim besten Willen nicht. Solange mein Chef mich also nicht rausschmeißt, werde ich wohl bis zu seiner Rente mit ihm zusammenarbeiten und hoffentlich irgendwann den Mut aufbringen doch einmal eine Gehaltserhöhung anzusprechen.
Vor wenigen Monaten war es dann soweit. Uns gelang, wie mein Chef meinte, der Durchbruch. Über einen ehemaligen, scheinbar ausgesprochen zufriedenen Kunden, erhielten wir per Email eine Anfrage