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Margas Leben - Familien nach dem Krieg (3)
Margas Leben - Familien nach dem Krieg (3)
Margas Leben - Familien nach dem Krieg (3)
eBook259 Seiten3 Stunden

Margas Leben - Familien nach dem Krieg (3)

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Über dieses E-Book

Die Geschichte der Familie Goldschmid findet in der vorliegenden Erzählung ihre Fortsetzung, der historische Hintergrund ist die deutsche Nachkriegszeit und da besonders die Schritte, die zur Teilung Deutschlands geführt haben. Goldschmids leben seit nunmehr zwölf Jahren in Amsterdam, Robert Goldschmid hat seine Arztpraxis längst aufgegeben, Max Rozenbaum ist auch in Rente, genau wie Piet Gerrits. Die drei Genannten bilden zusammen mit ihren Frauen eine Einheit in den Augen der deutschen Kinder und deren Familien, sie besuchen sie regelmäßig zu am Ende festen Terminen und durchleben so die Nachkriegszeit, ebenso statten die Holländer ihren deutschen Kindern Besuche ab,in Essen und in Göttingen. Die Situation unmittelbar nach Kriegsende ist verworren, es fehlt an ordnenden Kräften und Verwaltungseinheiten, sowohl die Essener als auch die Göttinger leben in der britischen Besatzungszone und erleben dort hautnah mit wie sich ganz allmählich die Verhältnisse konsolidieren. Die Essener Familie Theißen nimmt Flüchtlinge aus Königsberg bei sich auf und arrangiert sich mit ihnen,sie wohnen am Ende im Hause der Theißens.
Goldschmids, die Familie des Sohnes von Robert aus Amsterdam, lebt in einem Arzthaushalt, Manfred führt die alte Praxis seines Vaters weiter und Petra, die Tochter von Gerrits aus Amsterdam, ist Tierärztin, Marga, die Tochter von Rozenbaums, ist Studienrätin geworden und lebt mit Werner Theißen im Hause von dessen Mutter zusammen, Werner ist Philosophieprofessor in Düsseldorf geworden, von daher geht es den Protagonisten überdurchschnittlich gut. Gerda, die Tochter von Goldschmids, lebt zusammen mit Siegfried Lamprecht in Göttingen und betreibt mit ihm dort eine psychotherapeutische Praxis mit zunehmendem Erfolg.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Jan. 2014
ISBN9783847672388
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    Buchvorschau

    Margas Leben - Familien nach dem Krieg (3) - Hans Müller-Jüngst

    Die Alten

    „Uns sind natürlich die schrecklichen Folgen des Krieges erspart geblieben, und wir konnten uns einrichten so gut es ging, ich denke, wir werden auch immer dafür dankbar sein, dass es uns heute so gut geht", sagte Agnes.

    „Ich glaube, dass für Euch auch bald die Zeit anbrechen wird, in der sich alles wieder zum Guten wenden wird, und sich allgemein der Lebensstandard heben wird, meinte Robert, „zuerst müsst Ihr noch die Kriegsfolgen tragen, aber Ihr seid ja nicht so betroffen wie andere, davon konnten wir uns überzeugen, als wir bei Euch in Essen waren, Euch geht es doch vergleichsweise sehr gut, ich denke, dass diejenigen, die hungern, die Konsequenzen aus dem Krieg als besonders schlimm empfinden, und mit denen sollten wir Mitleid haben! Piet entgegnete:

    „Warum sollen wir mit denen Mitleid haben, die Kriegstreiber erfahren doch nur ihre gerechte Strafe, nach aller Not, das sie über ihre Nachbarvölker gebracht haben, müssen sie nun selbst unter solchen Übeln leiden", und damit brachte er wieder eine seiner Thesen hervor, mit der sich die anderen auseinandersetzen sollten, so seine Vorstellung. Werner entgegnete:

    „Dieser Bestrafungsgedanke lässt sich, wenn überhaupt, nicht auf ein ganzes Volk übertragen, große Teile des deutschen Volkes wollten diesen Krieg nicht, weil sie den Ersten Weltkrieg noch in schlimmer Erinnerung hatten, wenn man von Bestrafung sprechen will, dann doch nur auf die Befehlshabenden bezogen, die die anderen doch mit hineingerissen haben!"

    „Als Außenstehendem fällt einem ein solches Urteil leicht und ich enthalte mich da auch, Agnes und ich sind ja noch rechtzeitig aus Deutschland weggekommen", sagte Robert.

    „Eins hat doch der Zweite Weltkrieg wie jeder andere Krieg auch gezeigt, kein Krieg kann irgendwelche Probleme, welcher Art auch immer, lösen, „si vis pacem para bellum, dieser Grundsatz ist durch die Erfahrung und die Geschichte widerlegt!

    „Da gebe ich Dir Recht, erwiderte Piet, „dennoch waren es doch Menschen, die den Krieg geführt haben und jetzt unter seinen Folgen leiden sollen! Die Diskussion führte zu keinem alle zufriedenstellenden Ende und sie brachen sie ab.

    Agnes sagte:

    „Wir sollten vor dem Abendessen alle noch ein paar Schritte laufen, auch wenn Ihr heute Mittag schon an der Gracht wart!" Sie räumten den Kaffeetisch ab und die Kinder nahmen einige Süßigkeiten aus ihren Osterkörbchen, die sie auf dem Spaziergang essen wollten. Genau wie am Mittag verzichteten sie alle auf warme Kleidung und liefen in Pullovern die Gracht entlang. Sie genossen die milde Luft, die ihnen um die Nasen strich und redeten nicht viel, als sie am Ufer der Gracht entlangliefen, ganz langsam. Die Kinder packten ihre Bonbons und Schokoeier aus, damit hatten sie so viel zu tun, dass sie nicht dazu kamen, Steine ins Wasser zu werfen, was sie sonst immer taten.

    „Wenn wir morgen nach Zandvoort fahren wollen, müssen wir uns aber früher treffen als sonst immer!", sagte Bärbel.

    „Wenn wir um 9.00 h bei Euch sind, sollte das doch wohl reichen!", entgegnete Doris und Agnes sagte, dass das in Ordnung wäre. An der Herenstraatbrücke kehrte sie alle wieder um und schlenderten zurück, es war 17.30 h geworden, und es wurde langsam doch etwas frischer, sodass die Frauen zu frieren begannen, und alle froh waren, als sie wieder zu Hause waren.

    „Soll ich den Kamin anzünden?", fragte Robert und alle waren dafür. Robert knubbelte alte Zeitung zusammen und legte sie unter einen Stapel Anmachholz.

    Er gab Peter die Streichhölzer, und er durfte das Papier anstecken, im Nu brannte das Holz lichterloh und die Kinder legten kurze Zeit später mit Roberts Hilfe dickere Holzstücke auf. Als die Flammen an den größeren Holzstücken entlangzüngelten, begann es im Kamin zu knistern und zu knacken, und der Kamin strahlte nach kurzer Zeit eine Wärme ab, die die Kinder zwang, ein paar Schritte zurückzugehen. Der lodernde Kamin war eine Reminiszenz an die Winterzeit, die den Frühling aber nicht aufhalten konnte. Dennoch genossen alle noch einmal das Wärme spendende Feuer und fühlten sich an ihm wohl. Gerda sagte:

    „Im Sommer, wenn wir uns wiedertreffen, kommt ihr alle zu uns nach Göttingen in unser neues Haus, Siegfried und ich werden Euch unsere Stadt zeigen und einiges mit Euch unternehmen." Agnes hatte einen Rinderbraten im Backofen und wollte Erbsen und Möhren dazu reichen. Sie verschwand mit Bärbel in der Küche, schälte mit ihr zusammen Kartoffeln und setzte sie auf. Das Fleisch erwärmte sie noch zwanzig Minuten und kochte in der Zwischenzeit die Erbsen und die Möhren, bis sie weich waren. Die jungen Frauen deckten zusammen mit Martha den Tisch und alle setzten sich daran und warteten darauf, dass das Essen gebracht wurde. Als der Rinderbraten schließlich auf dem Tisch stand, duftete der ganze Raum nach dem guten Fleisch und den Zutaten. Die Kinder ließen sich Kartoffeln mit Soße und Erbsen und Möhren geben und waren zufrieden.

    Die Erwachsenen fielen in höchstes Lob über das gute Essen und Agnes hörte es gern. Ein Rinderbraten galt als der Inbegriff exquisiten Essens und es gab ihn ausschließlich an Feiertagen oder wenigstens Sonntagen, weil das Rindfleisch sehr teuer war und man es sich deshalb nur selten leisten konnte. Sie redeten während des Essens über Göttingen und ihren geplanten Besuch bei Gerda und Siegfried im kommenden Sommer.

    „Habt Ihr in Eurer Praxis auch harte Fälle?", fragte Bärbel die beiden, ohne sich über die Arbeit eines Psychotherapeuten wirklich im Klaren zu sein. Sie hatte krude Vorstellungen wie jeder von irgendwelchen gestörten Menschen, mit denen niemand außer den Therapeuten umzugehen in der Lage war.

    „Natürlich haben wir auch harte Fälle, wie Du das nennst, Fälle von Patienten eben, die nur sehr schwer therapierbar sind, antwortete Siegfried, „ich denke da zum Beispiel an einen ehemaligen Kriegsteilnehmer, der so traumatisiert worden ist, dass er sich in Gewaltorgien gegen seine Familie verlor und seine Frau und Kinder brutal schlug, ein anderer hatte an der Ostfront dermaßen schlimme Dinge erlebt, Kriegsgräuel eben, dass er völlig in sich gekehrt dasaß und nichts von sich geben konnte, an den heranzukommen war natürlich besonders schwer! Bärbel hatte bei ihrer Frage gar nicht so weit gedacht und im Grund auch überhaupt keine Vorstellung von den Patienten, die zu Gerda und Siegfried kamen.

    „Wenn Ihr uns im Sommer Eure Praxisräume zeigt, könnt Ihr uns ja mehr über Eure Patienten erzählen!", sagte Bärbel mehr oder weniger hilflos. Agnes hatte sich schon öfter mal Gedanken darüber gemacht wie denn wohl die Arbeit ihrer Tochter aussähe, sie wusste es aber nicht und hatte auch noch nie mit Gerda darüber gesprochen, sie nahm sich vor, das im Sommer zu tun. Robert hatte sich auch noch nie um das Berufsfeld seiner Tochter gekümmert. Die Psychotherapie hatte auch keinen sehr guten Ruf, weil sie psychisch Kranke behandelte und psychisch Kranke wurden während der NS-Zeit ausgesondert und von der Gesellschaft ferngehalten.

    Niemand hatte deshalb eine Ahnung, was mit solchen Menschen überhaupt los war und wie und ob man ihnen helfen konnte. Das gesamte Feld der Psychotherapie lag vollkommen im Dunkeln, es entzog sich auch dem öffentlichen Interesse und so wusste kaum jemand Bescheid. Nach dem Essen setzten sie sich auf die Sitzgarnitur im Wohnzimmer und Robert holte Getränke. Sie sprachen über ihren Zandvoort-Ausflug, der am nächsten Tag anstehen würde. Für Gerda bedeutete Zandvoort etwas ganz Besonderes, schon als Kind war sie ganz vernarrt, wenn es an die Nordsee in Urlaub gegangen war, und sie ins Meer gehen konnte. Sie hat sich die Affinität zur See bis heute bewahrt und war schon ganz verrückt darauf, nach Zandvoort zu fahren. Gerda wollte versuchen, etwas von ihrer Liebe zum Meer auf ihre Kinder zu übertragen, aber die waren ja noch sehr klein.

    „Piet und ich sind früher nicht sehr oft mit Petra ans Meer gefahren, weil wir alle keine großen Schwimmer sind, sagte Iris, „und bei der Hitze am Strand zu liegen fanden wir zu langweilig, das ist mit den Kindern natürlich etwas anderes.

    „Ich finde, wir sollten uns glücklich schätzen, dass wir eine solche Erholungsmöglichkeit wie Zandvoort bei uns in der Nähe haben, sagte Robert, „ich bin genau wie Gerda, Agnes und Manfred sehr gern am Meer, und ich meine, wir müssen auch der Kinder wegen zum Strand fahren, denn bei Euch zu Hause in Deutschland wird so etwas ja nicht geboten! Doris sagte:

    „Wir sind schon öfter mit Marga nach Zandvoort gefahren, ich kann aber nicht sagen, dass mich das immer begeistert hat, Max war eher jemand, der sich am Meer wohlgefühlt hat."

    „Ich war früher in Deutschland ein leidenschaftlicher Schwimmer und fühle mich am Wasser immer wohl, und natürlich freue ich mich darauf, wenn wir morgen nach Zandvoort fahren!", entgegnete Max.

    „Ich denke, dass es noch eine ganze Zeit dauern wird, bis man in Deutschland an Nord- und Ostsee wieder Urlaub machen kann, die Menschen haben im Moment natürlich auch andere Sorgen", sagte Werner. Gegen 20.30 h brachten sie die Kinder ins Bett und die Mütter setzten sich anschließend noch zu den anderen, sie beendeten den Abend aber schon um 22.00 h und gingen alle schlafen.

    Der Ostermontag war ein Feiertag, der nicht ganz so heilig daherkam, es war immer noch Ostern, sicher, aber man war in Gedanken schon wieder beim Alltag. Dennoch gab es zum Frühstück wieder Soleier für die Erwachsenen, die die Kinder verabscheuten, daraus machten sich die Erwachsenen aber nichts und führten die alte Tradition mit den Soleiern fort. An diesem Tag erschienen die anderen schon um 9.00 h wie verabredet, wünschten sich Frohe Ostern und Piet machte sich auf die Schnelle ein Solei, während die Übrigen eine Tasse Kaffee tranken. Sie hielten sich aber gar nicht mehr lange bei Agnes und Robert auf, sondern alle nahmen ihre Sachen, die sie schon am Vortag zusammengelegt hatten und gingen, nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, vor die Tür zu den Autos und verteilten sich auf die Wagen, Robert fuhr vor, und die anderen folgten ihm nach. Sie passierten Haarlem, wo sie bei dem geringen Verkehr am Ostermontag keine Probleme hatten und kamen nach einer Dreiviertelstunde in Zandvoort an. Gleich fuhren sie zum Favauge-Boulevard und parkten dort, wie sie das immer taten, wenn sie in Zandvoort waren. Alle stiegen aus den Autos und warfen einen Blick auf den Strand, der bei dem frischen Wind, der dort blies, vollkommen verlassen war. Der Verkaufsstand mit den Kinderspielsachen war gar nicht aufgebaut, und so verzichteten sie auf den Kauf von Schüppen und Eimern für die Kinder. Sie standen an der Begrenzungsmauer zum Strand und schmeckten die salzige Luft auf ihren Lippen. Gerda lief gleich auf den Sandstrand und rannte barfuß zum Wasser, sie hatte die Kinder dabei, die sofort ins Wasser wollten. Aber da war natürlich kein Denken dran, weil das Wasser viel zu kalt war, und das merkten die Kinder auch, als sie mit ihren Beinen im Wasser standen. Sie schrien vor Schmerz, den ihnen das kalte Wasser an ihren nackten Beinen bereitete und Gerda nahm die Kinder und rieb ihre Beine mit einem Handtuch ab. Inzwischen waren auch alle anderen ans Wasser gekommen und hatten ihre Hosenbeine hochgekrempelt. Sie gingen mit ihren Füßen ins Wasser und schnell wieder raus, weil sie die Kälte des Wassers schreckte. Ganz langsam liefen sie eine halbe Stunde den Strand entlang, die Mütter sagten den Kindern mehrmals:

    „Lauft nicht ins Wasser, und macht Euch nicht nass, Ihr holt Euch sonst eine Erkältung!" Aber alles Ermahnen half nichts, die Kinder rannten immer wieder ein Stück ins Wasser und schnell wieder hinaus, um sich und ihre Sachen davor zu bewahren, nass zu werden. Einmal aber passte der kleine Daniel nicht genug auf, stolperte über seine eigenen Beine und fiel lang ins Wasser, das vorne an nicht tief war, es reichte aber, um Daniels Sachen vollkommen zu durchnässen. Wie war Daniels Geschrei doch groß, nicht nur, weil er sich erschreckt hatte, sondern auch, weil die Kälte des Wasser seinem Körper zusetzte. Petra riss ihn hoch und begann sofort, ihn auszuziehen. Jeder musste im Anschluss etwas von seiner Kleidung abgeben, in das Petra ihren Sohn wickeln konnte. Am Ende war Daniel in Handtücher, Schals und Pullover gepackt, nichts, was ihm als Kleidungsstück gepasst hätte, aber darauf kam es in diesem Augenblick auch nicht an, die Hauptsache war, dass Daniel nicht fror.

    Natürlich war der Strandspaziergang in diesem Moment beendet, und sie liefen zur Strandbar, die sie ein Stück weiter liegen sahen. Petra trug Daniel und hielt die Sachen, in die er gewickelt war, eng an seinen Körper gepresst. In der Bar wurden sie von den Gästen angeschaut, sie wunderten sich, was Petra da für ein Bündel auf ihren Armen trug. Der Wirt sah gleich, dass es sich um ein Kind handelte, das offensichtlich fror. Er wies Petra gleich einen Platz direkt vor der Heizung zu, sie setzte sich daraufhin mit Daniel davor und wärmte ihn. Seine nassen Sachen legte sie auf die Heizung und hoffte, dass sie in der Zeit, die sie sich in der Bar aufhielten, trockneten. Daniel war ganz friedlich und wusste wohl, dass er nicht ganz unschuldig war an dem Missgeschick, das ihm geschehen, war, aber daran war in diesem Moment nichts zu ändern. Petra hatte ihren Sohn auf ihrem Schoß und drückte ihn an sich, damit er nicht fror, während Robert Getränke bestellte und sagte:

    „Das war ein recht kurzer Strandspaziergang, aber er war erlebnisreich!", womit er natürlich auf Daniels Sturz ins Wasser anspielte.

    „Ich finde, es gibt Schlimmeres und Wasser hat noch niemandem geschadet!", rief Bärbel aus, sie wusste aber, dass sich Daniel eine Erkältung hätte zuziehen können und das wollte ja niemand.

    „Möchte jemand eine Kleinigkeit essen?", fragte Robert in die Runde, er schlug vor, ein paar Sandwiches zu bestellen, und niemand war abgeneigt. So bestellte er beim Wirt zehn Käse-Schinken-Sandwiches und ließ sie von ihm halbieren. Er ließ ein Messer bringen und die Mütter schnitten den Kindern mehrere Hälften klein. Nach einer halben Stunde prüfte Petra, ob Daniels Sachen auf der Heizung getrocknet waren, aber sie waren noch feucht und Daniel würde wohl in seiner Wickelkleidung nach Hause fahren müssen. Dort würde sie ihm sofort frische warme Sachen anziehen. Als sie ihre Sandwiches gegessen hatten, wollte niemand noch länger in der Bar bleiben und Robert bestellte die Rechnung.

    „Wir müssen aber unbedingt im nächsten Sommer noch einmal herkommen!, sagte Gerda, „wir treffen uns zwar in Göttingen, müssen aber zu einem weiteren Treffen noch einmal nach Amsterdam kommen, ich schlage vor, dass Ihr im Juli alle nach Göttingen kommt und wir uns im August wieder in Amsterdam treffen!

    „Lasst uns das doch hier und jetzt verabreden!, sagte Agnes, „wir kommen Mitte Juli zu Euch nach Göttingen, und Ihr kommt alle Ende August wieder nach Amsterdam! Damit war die Sache abgemacht, Manfred müsste sich unter Umständen ein, zwei Tage freimachen und sich mit David absprechen, auch Petra müsste sich freimachen und den Bauern Bescheid geben, dass sie für eine Zeit nicht verfügbar wäre, Gerda und Siegfried müssten ihre Praxis schließen, das ließ sich aber sicher alles einrichten. Sie liefen zu den Autos, stiegen ein und fuhren nach Amsterdam zurück.

    Piet, in dessen Auto Petra mit Daniel fuhr, hatte die Heizung voll aufgedreht und kam selbst beinahe ins Schwitzen, aber er dachte natürlich zuerst an den Kleinen. Zu Hause angekommen, lief Petra mit Daniel sofort auf ihr Zimmer und zog ihm komplett neue warme Sachen an. Als Daniel wieder bei den anderen erschien, blickte er ein wenig verstohlen, so als wüsste er, warum sich alle über ihn so erregt hatten.

    „Heute Abend kommt Ihr alle zu uns zum Essen!", sagte Doris und sie freuten sich über die Einladung. Es war noch früher Nachmittag und sie hatten sich alle nach draußen in die schon leicht wärmende Sonne gesetzt. Die Kinder waren im Haus und spielten in ihrer Spielecke. Das ganze Spektakel am Strand in Zandvoort hatten sie schon längst wieder vergessen, und Daniel benahm sich so, als wäre nie etwas geschehen, er saß bei Christine, die mit den Kleinen ein Bilderbuch anschaute. Die Essener und Göttinger würden noch den Dienstag in Amsterdam verbringen und am Mittwoch Mittag wieder nach Haue fahren. Das fanden sie alle sehr schade, wäre aber nicht zu ändern, denn die Göttinger, Lisa, Petra und Manfred müssten wieder arbeiten, die anderen hätten noch Ferien, aber Christine und Bernd mussten sich darauf vorbereiten, danach in die Schule zu gehen und brauchten ein wenig Vorlauf. Aber sie sähen sich ja alle in drei Monaten in Göttingen wieder, von daher ließ sich die Trennung schon ganz gut verkraften.

    Für die Großeltern war der Trennungsschmerz besonders stark, sie liebten ihre Enkelkinder abgöttisch, und Agnes und Robert zählten immer die Tage, die bis zu einem erneuten Zusammentreffen mit ihnen vergingen. Und wenn sie sich schließlich alle wiedersahen, verging die Zeit wie im Flug und sie waren anschließend wieder allein. Aber Agnes und Robert waren gefestigt genug, mit ihrer Zeit etwas anzufangen, sie lasen viel und gingen öfter ins Konzert oder ins Theater, von daher wussten sie die Zeit sinnvoll zu überbrücken. Auch Iris, Piet, Doris und Max kamen zurecht, weil sie mit sich etwas anzufangen wussten, im Übrigen trafen sie sich auch untereinander, spielten zusammen Karten und unterhielten sich. Doris und Max standen auf und gingen, weil sie noch Vorbereitungen zu treffen hatten, und auch Iris und Piet gingen noch einmal zu sich nach Hause, bevor sie sich alle wieder in der Tuinstraat trafen. Bei Goldschmids machten alle eine kleine Nachmittagspause, während der sich die Alten hinlegten, und die Kinder nach Möglichkeit keinen Krach machen sollten. Die Pause dauerte nur eine Dreiviertelstunde, und die jungen Eltern saßen draußen auf der Terrasse und sprachen über den Sommer, der nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen würde. Aber es waren immerhin noch vier Monate, die sie vom Sommer trennten, und in diesen vier Monaten würde für Christine und Bernd ein ganz neuer Lebensabschnitt beginnen. Lisa und Marga wollten sie mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Kraft unterstützen, wenn sie Schülerin und Schüler geworden wären.

    Als die Nachmittagspause vorüber war, zogen sich alle ihre Jacken über, denn es würde sicher frisch werden, wenn sie am Abend von Doris und Max wieder nach Hause laufen würden. Sie liefen vor die Tür und sammelten sich zuerst einmal alle, jeder überprüfte, ob er alles beisammen hatte und als das der Fall war, gingen sie los. Die Temperatur draußen war noch sehr angenehm, sobald die Sonne verschwunden wäre, würde es aber empfindlich kalt werden. Sie erreichten nach zehn Minuten die Tuinstraat und schellten. Früher war es immer Doris´ Angewohnheit, in der Tür zu stehen und dort auf den eingeladenen Besuch zu warten, heute hatte sie aber in der Küche zu tun. Max öffnete die Tür zu dem Haus, in dem damals alles mit den jungen Leuten angefangen hatte, in dem sie sich kennen gelernt hatten, und in dem sie ihre ersten Liebeserfahrungen machten. Da gab es schon ein großes Erinnerungspotenzial bei den jungen Leuten, aber sie hatten sich vorgenommen, nicht in Erinnerungen zu schwelgen, sondern Doris´ gutes Essen zu genießen. Iris und Piet saßen schon am Esstisch, Doris und Max hatten wie üblich den Terrassentisch und die Terrassenstühle hereingeholt und alles zusammengeschoben. Doris hatte ein großes Laken über die Tisch gelegt, und so war von dem Provisorium nichts mehr zu erkennen. Als sie alle saßen, war es sehr gemütlich, weil sie eng beieinander saßen, was die gute Stimmung förderte und als Max auch noch nach Schnaps fragte, und alle Alten einen tranken, war die Stimmung perfekt.

    Max hatte immer schon einen jonge Genever und einen guten Remy Martin im Angebot, und Bärbel, Agnes und Martha ließen sich einen Cognac geben, Max nahm auch einen. Max hob sein Schnapsgläschen hoch und wünschte der Runde einen schönen Abend, alle kippten ihren Schnaps in einem Zug hinunter, und die Frauen und Max nahmen noch einen zweiten Cognac. Agnes und Bärbel halfen Doris dabei, das Essen hereinzutragen und auf den Tisch zu stellen. Doris hatte zwei Puten im Backofen gebraten, es gab deshalb ordentlich Fleisch für alle und Doris könnte mit Max noch einige Tage von den Resten essen. Vielleicht würde sie die anderen noch einmal einladen, hatte sie überlegt. Wenn man Doris und Agnes miteinander verglich, fiel auf, dass Doris in ihren Charakterzügen weicher war als Agnes. Sie

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