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Himmerlandsgeschichten
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eBook233 Seiten3 Stunden

Himmerlandsgeschichten

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Über dieses E-Book

Johannes V. Jensen (1873–1950) schuf in seinen "Himmerlandsgeschichten" Figuren, die er den Menschen aus seiner Kindheit nachempfand und in der Literatur unsterblich werden ließ. Jensen erfasste menschliche Regungen und Eigentümlichkeiten mit so wenigen konzentrierten Worten, dass das individuelle Schicksal und die existenzielle Tiefe der Charaktere gleißend zum Vorschein treten. Wir lernen Donnerkalb kennen, einen verwachsenen Einzelgänger, der eigensinnig und unverdrossen den Geschäften seines Lebens nachgeht. Auch das junge Genie Jens, Protagonist einer anderen Geschichte, der erfüllt ist von hochstrebenden Plänen, die er bis zum frühzeitigen Sterbebett nicht aufgeben wird, rückt uns berührend nahe. Außerdem erfahren wir von der Ankunft des Wanderzirkus Wombwell, durch den die weite Welt ins Himmerland einzieht und der die Bewohner in hellen Aufruhr und Erregung versetzt. Jede Geschichte enthält ganze Existenzen und ist doch nur ein Mosaikstein im Kosmos des Jensen'schen Himmerlands.

Ulrich Sonnenberg hat die Geschichten aus der spärlich besiedelten, kargen Gegend Himmerland in eine Sprache übertragen, die prägnant verknappt und gleichzeitig elegant daherkommt, immer mit einer Prise lakonischen Spotts, aber voller Zuneigung. Seine Übersetzung lässt Jensens Erzählungen scheinbar mühelos in der Gegenwart zur Entfaltung kommen. Vielleicht lesen sich diese Geschichten aus einer untergegangenen Welt so gut, weil sie uns ewig menschliche Regungen und Lebensbilder nahebringen und, der historischen Zeitgenossenschaft enthoben, ihren Kern umso strahlender offenbaren.
SpracheDeutsch
HerausgeberGuggolz Verlag
Erscheinungsdatum21. Feb. 2020
ISBN9783945370865
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    Buchvorschau

    Himmerlandsgeschichten - Johannes V. Jensen

    BIOGRAFIEN

    DER STILLE MOGENS

    »Heutzutage lieben die Bauern sich doch genauso zärtlich wie die feinen Leute«, behauptete die Schmiede-Kirsten, die beim munteren vorweihnachtlichen Schlachten inmitten der Frauen saß und Würste speilte. Sie hatte die dicke Messingbrille auf ihr Kopftuch geschoben und sprühte geradezu vor guter Laune und lebhafter Erinnerungen an ihre Jugend.

    »Wie gesagt, die Leute sind heute einfach zärtlicher und empfindsamer als früher. Sie haben gelernt, was dazugehört, sie können sich ausdrücken und sprechen offenherzig aus, was sie empfinden. Und als müssten sie es sich beweisen, benötigen sie goldene Ringe, müssen in der guten Stube turteln oder spazieren gehen und den Vögeln lauschen. Die Leute lesen viel in Albenachen, und auch unsere Pastoren sind von einem anderen Schlag als früher. Die Bauern dürfen jetzt keine Sünder mehr sein, in meiner Jugend mussten wir das sein, sonst wäre die Vergebung ja sinnlos gewesen. Durchaus möglich, dass es heutzutage gewissermaßen mehr Gefühl zwischen den Leuten gibt, und meinethalben kann das auch so bleiben, denn heute gibt’s ja weit mehr Menschen als früher, um die wir uns kümmern müssen. Und wie die Zeiten so sind, mögen wir die Leute ja auch, aber in meiner Jugend war das anders. Wir waren ziemlich grobe Gesellen, verwegen geradezu – ja, wahrhaftig, das waren wir, aber wir hatten doch überhaupt keine Ahnung, was sich hinter unseren Rippen tat, was uns lenkt und leitet. Wir waren einfache Leute, außer uns gab’s doch niemanden, der auf uns achtete, und wir kamen übrigens auch ganz gut damit zurecht, solange wir die grobe Arbeit zu erledigen hatten – für das Schlimmste und Beste hier auf Erden hat der Schöpfer schon selbst gesorgt, das braucht man nicht zu lernen, wahrlich nicht, eher fällt’s schwer, damit wieder aufzuhören. Das machte uns zu schaffen, will ich meinen, aber so ist das nicht mehr. Bei den braven Leutchen kommen die Kinder heutzutage nur mit viel Kopfzerbrechen zustande: Lieben wir uns oder lieben wir uns nicht, können wir die Verantwortung übernehmen, und müssen wir das, oder sind wir uns zu gut dafür, und so weiter und so fort, mit vielen Paragraphen. Wir anderen hingegen, wir sind rasch umgefallen …«

    Die alte Kirsten unterstrich ihre Rede mit einem deftigen Sprichwort, wobei sie sich wie eine Henne aufplusterte und lautstark gluckte.

    »Aber «, fuhr sie klug und amüsiert fort, während sie eifrig eine neue Wurst stopfte und in die Pelle stach, damit die Luftblasen entwichen, »dafür verklagten wir auch niemanden, wenn wir zu Schaden kamen, nein. So viele gröbere Fehler gab’s schließlich nicht, die wir nicht auch selbst hätten machen können. Und wenn nirgendwo geschrieben steht, dass alles so groß und gut zu sein hat, kann es auch nie vollkommen schief gehen. Wenn das, was geschehen soll, geschieht, dann ist es ein Segen für uns, davon bin ich überzeugt. Dabei fällt mir Martine ein, Justs Tochter aus Stenbæk – ja, sie ist nun auch schon viele Jahre tot, und von euch hat sie niemand gekannt oder wird sich an sie erinnern können.

    Tja, Martine … aber lasst mich die Geschichte lieber der Reihe nach erzählen. Ihr sollt nicht das Ende zuerst hören, meine Lieben, denn dann wär’s ja keine Lehre mehr für euch, dann wärt ihr alle hinterher genauso klug wie zuvor. Martine war das wildeste und hübscheste Mädchen, nicht nur in Stenbæk, sondern auch in vielen anderen Dörfern der Gegend. Sie hätte jeden haben können, den sie wollte, sie wurde von allen Burschen umworben, und doch gab sie jedem einen Korb. Martine wollte nicht heiraten. Für sie war es noch nicht an der Zeit. Ihre Zeit sollte noch kommen.

    Ich diente damals als Magd auf dem Stenerslev-Hof, nicht weil ich es musste, sondern weil ich das Leben der feinen Leute kennenlernen wollte. Ich war eine sechzehn Jahre alte Göre und ich war neugierig, das könnt ihr mir glauben; im Umkreis von vielen Meilen gab es kaum ein Ereignis, bei dem ich nicht lange Ohren bekommen hätte. Ich habe schon immer alles ganz genau wissen wollen, als hätte ich gewusst, dass ich als alte Frau einmal diejenige sein sollte, die davon erzählen würde. Ich kannte Martine gut und bin eine der Ersten gewesen, die Bescheid wussten, obwohl das, was passiert ist, ein Geheimnis war. Und als sich dann später niemand mehr darüber aufregen konnte, kam es in aller Stille heraus; alle wussten es, aber niemand redete darüber, und für Martine war es keine Schande. Ja, und nun sind alle, die damit zu tun hatten, längst tot. Martine wurde in einer Johannisnacht geschändet …«

    Kirsten sah sich um und nickte schweigend jedem einzelnen der Mädchen zu, die mit seufzenden Ausrufen ihrem Entsetzen und ihrer Neugierde Ausdruck verliehen. Lange sagte sie kein Wort und genoss das Mienenspiel der Mädchen, in deren Gesichtern sich mehr und mehr eine drängende Frage abzeichnete.

    »Ja, das wurde sie«, sagte Kirsten schließlich und nickte noch einmal, ausgesprochen zufrieden über die Wirkung ihrer Worte. »Ja, das wurde sie, meine Lieben, wie in Kriegszeiten wurde sie geschändet, in einer Johannisnacht. Und jetzt passt auf. An diesem Abend zündeten die jungen Leute auf dem großen Hügel in der Heide von Stenbæk das Johannisfeuer an. Das ist jetzt über ein halbes Jahrhundert her. Ich war auch dabei, tatsächlich war es das allererste Mal, dass ich am Johannisabend einen Tanzpartner bekam. Sie hatten mir einen der jungen Knechte vom Hof zugeschanzt, und es vergingen viele Tage, bevor wir uns wieder ansehen konnten, so verschämt waren wir beide. Wie es scheint, waren die Burschen damals schüchterner als heute. Ich könnte euch eine Geschichte von einem Knecht erzählen, der auf die Knie fiel, unter Tränen um Gnade flehte und sich mit einer Flasche Schnaps freikaufen musste, als die Mädchen, mit denen er allein auf der Wiese geblieben war, ihn unbedingt küssen wollten. Solch ein Angsthase war der Bursche auch, den ich als Tanzpartner bekommen hatte; noch lange danach bekamen wir beide einen roten Kopf, wenn wir uns begegneten. Tja, Mogens, von dem ich euch jetzt erzählen will, gehörte nicht zu dieser Sorte, denn man wird wohl kaum einen Kerl als schüchtern bezeichnen können, der es über sich bringt, das zu tun, was Mogens getan hat. Eifersüchtig würde ich ihn aber auch nicht nennen. Allerdings war er ein außerordentlich stiller Mensch. Ja, das war Mogens. Er brachte einfach kein Wort heraus. Er kam von einem stillen Hof. Ich sage euch, in meiner Jugend gab’s Gutshöfe, auf denen tagelang kein Wort gesprochen wurde. Man ging schweigend seiner Arbeit nach und tat, was getan werden musste, und trotzdem kam man gut miteinander aus. Die Leute waren nicht weiter traurig darüber, wieso auch, es gab einfach keinen Grund zu reden, sie vermissten es nicht. Von so einem Hof kam Mogens. Nur übertrieb er es, jedenfalls habe ich nie wieder einen Menschen erlebt, der so wenig geredet hat wie er. Einige behaupteten, er sei stumm gewesen, aber das ist nicht richtig, denn ich habe ihn sowohl ›ja‹ als auch ›nein‹ sagen hören. Aber viel mehr gab es eben nicht zu sagen, wenn ihm erst einmal eines dieser beiden Worte über die Lippen gekommen war. Durch Geschwätzigkeit hat er gewiss niemandem geschadet, aber sich zu erklären, sich auszudrücken, mehrere Worte auf einmal zu benutzen, all das war nicht Mogens’ Sache. Das konnte er nicht. Beredsamkeit war ihm fremd.

    Mogens und Martine waren beide zu dem Johannisfeuer gekommen. Sie waren einander nicht als Johannislämmer zugeteilt worden, so hatte es nicht begonnen, und doch hatte Mogens sich an diesem Abend in Martine vergafft, und zwar so, dass er nicht recht wusste, wie ihm geschah. Im Übrigen erging es allen so. Oh, alle wollten ihr nahe sein, alle wollten ihr unbedingt etwas Nettes sagen. Mogens sagte nichts. Er konnte es nicht, der arme Kerl, er wusste sich nicht zu helfen. Schmeicheleien waren seinem Mund fremd. Nun kann man es einem Burschen ja von den Augen ablesen, wenn er Liebesqualen erleidet, und bei Mogens fiel es besonders leicht. Doch um dies tatsächlich zu begreifen, musste man als Mädchen schon aufmerksam sein. Denn schließlich gehört mehr dazu: Galante Worte und ›willst du mich haben‹ und ›du bist so hübsch‹ und all das, na ja, ihr wisst schon. Mogens sagte nichts. O nein.

    Und als das Feuer heruntergebrannt war und Martine nach Hause ging, stieß sie in der Heide auf Mogens. Eigentlich war sie zusammen mit ein paar anderen aufgebrochen, doch einer nach dem anderen hatte auf dem Heimweg seine eigene Richtung eingeschlagen, und schließlich war Martine allein. Justs Hof lag abgelegen zwischen den Hügeln am Stenbæk-Bach. Offenbar hatte Mogens damit gerechnet, dass sie das letzte Stück allein gehen würde, denn er war vorausgelaufen und hatte sich in der Heide versteckt. Vermutlich wollte er nur sichergehen, dass sie gut nach Hause kam. Doch mit einem Mal taucht er vor Martine aus dem Heidekraut auf – und brachte doch kein Wort heraus! Sie erschrak, was ja auch nicht verwunderlich war, und stieß einen Schrei aus, der von einigen gehört wurde, die sie begleitet hatten. Allerdings hielten sie es für ein wildes Tier oder irgendein anderes Unding und kümmerten sich nicht weiter darum. Und dann fing Martine an zu rennen.

    Es dauerte lange, bevor wieder etwas zu hören war, denn in der Zwischenzeit rannte Martine in der Heide um ihr Leben. Mogens war ihr auf den Fersen. Nur sehr selten kann sich ein Mädchen durch Davonlaufen vor einem Burschen retten, doch Martine gelang es fast eine Stunde. Sie konnte unglaublich gut laufen, diese Martine. Und wenn jemand vor Angst wie von Sinnen ist, hält er lange durch. Schließlich holte Mogens sie aber doch ein. Und war ihm das Sprechen schon vorher schwergefallen, so hatte er nun vollends die Sprache verloren – er war außer Atem und ärgerte sich, dass Martine ihm davongelaufen war, und dann … na ja, dann nutzte er die Sprache, die keine von euch, meine Lieben, verstehen muss, bevor ihr sie nicht gutwillig und in aller Unschuld gelernt habt. Betet zu eurem Gott, dass ihr sie nicht so lernen müsst wie Martine. Euch muss das Lernen nicht einmal schwerfallen, um zu erleiden, was sie erlitten hat. Die Leute, die in Stenbæk in ihren Betten lagen, hörten, wie sie schrie und bettelte, aber sie glaubten, es seien wilde Tiere, die in der Heide bis aufs Blut miteinander kämpften. Sie standen nicht auf, um den Schreien nachzugehen. Sie heulte so grauenvoll, dass niemand ihre menschliche Stimme heraushörte, und sie rang so heftig mit ihm, dass in der Heide eine aufgerissene Stelle zurückblieb, als hätte ein Stück Vieh die Erde aufgewühlt. An dieser Stelle wurden später ganze Haarbüschel eines Menschen gefunden. Dann wurde es still. Eine halbe Stunde später jedoch, als es beinahe schon heller Tag war, hörte man erneut ihr Schreien, und da soll sie so unmenschlich gejammert haben, dass die Leute meinten, unter der Erde läge die Elfenmutter in Wehen. Da hatte Mogens sie herumgestoßen und hinunter zum Bach geschleppt, um sich mit ihr zu ertränken – aus Verzweiflung darüber, nicht mit ihr reden und sein Herz öffnen zu können. Dort war sie ihm jedoch noch einmal entkommen, und er hatte sie zwischen den Hügeln gejagt und nicht gewusst, was er sagen sollte. Sie kämpften miteinander auf Leben und Tod, und es wurden noch mehr Stellen gefunden, an denen die Erde zerwühlt war. Martine war ein starkes und kräftiges Mädchen, aber hier konnte sie nicht bestehen …

    Oh, das hätte mir passieren sollen!«, stieß Kirsten aus und sah sich mit Augen um, die hinter den stark vergrößernden Brillengläsern bedrohlich funkelten – »wäre ich es gewesen! Ich hätte ihm die Gurgel durchgebissen … ich hätte ihn geschlagen, gebissen, getreten, ihn zu Tode gekratzt …

    Wenn ich ihn nicht bereitwillig geküsst hätte«, fügte sie mit einer plötzlich leiseren Stimme hinzu, schlug die Augen nieder und hielt den Kopf schräg über ihre Arbeit, die ihr unablässig von der Hand ging, während sie erzählte. Kirsten beugte sich vor und kicherte vor sich hin, ohne dass ein Laut zu vernehmen war.

    »Nun ja – so ist es Martine ergangen. So eine grausige Johannisnacht hat sie erleben müssen. Aber damit ist die Geschichte noch nicht vorbei. Am nächsten Tag brannte Justs Hof. Niemand wusste, was in der Nacht vorgefallen war. Das Feuer brach um die Mittagszeit aus, als die Leute schliefen, es dauerte also lange, bis jemand kam, um zu löschen. Und der Hof lag ja weit vom Dorf entfernt. Eigentlich war es ein ganz schönes Feuer, wenn man so will. Ich und die Mägde und Knechte von Stenerslev waren auf den Wiesen, um Heu zu binden, wir hielten unseren Mittagsschlaf auf den Schobern, als ich aufwachte, weil ein Hund heulte, als müsste er einen Toten beklagen. Das war am helllichten Tag so sonderbar, dass ich erwachte. Als ich nun in die Richtung schaue, aus der das Geheul kommt, sehe ich an einer Stelle oben in der Heide, hinter den Hängen, schwarzen Rauch in den Himmel aufsteigen. Mir war sofort klar, dass Justs Hof brannte. Im Inneren des Rauchs hüpfte und züngelte das Feuer, es sah grauenvoll aus; ich schrie auf, dann kamen wir auf die Beine. Die Knechte streiften ihre Holzschuhe ab und liefen so schnell sie konnten, ich habe meine Schuhe in die Hand genommen, denn ich wollte nicht mit nackten Füßen in die Glut treten. Wir waren die Ersten, die den Hof erreichten. Er stand von einer Ecke zur anderen in Flammen und brannte lichterloh; es war ein ruhiger Tag, die Sonne schien. Ich glaube, die Flammen schlugen so hoch wie ein Kirchturm, ein reines, helles Feuer, das bei Tageslicht kaum zu sehen ist. Allerdings war der Rauch hässlich und schwarz und wälzte sich schneller in den Himmel, als Vögel fliegen können – gut eine Viertelmeile direkt hinauf in die Luft, es wurde einem allein vom Hinsehen ganz schwindlig und wirr. Die Balken knackten und krachten, das Feuer raste und dröhnte, und, meine Lieben, diese Hitze, als wir uns dem Hof näherten! Man sollte es nicht glauben, aber viele Ellen vom Hof entfernt, wohin weder Feuer noch Rauch reichten, schnitt die Luft wie ein Schröpfmesser in die Wangen und trocknete den Mund aus, dass man nicht sprechen konnte.

    Als wir uns dem Hof näherten, hörten wir die Pferde, die nicht aus dem Stall konnten, wiehern und ausschlagen, dass die Trennbalken dröhnten. Die Knechte rannten auf den Hof, über ihnen brannte das Tor, und hier sahen sie den Mann, Just, der mit versengtem Haar umherirrte und sich mit einem Eimer in der Hand abmühte. Er war halb von Sinnen und wusste nicht, was er tat. Mit einem Heubaum stemmten sie die Stalltür auf, und ein kleiner Bursche stürzte in den Rauch und das Feuer und schnitt die Halfterriemen durch. Es war übrigens mein Tanzpartner, hier war er also nicht schüchtern. Es war allerdings auch höchste Zeit, denn wären die Pferde noch wilder gewesen, hätten sie die Stalltür nie gefunden. Jetzt liefen sie ohne Weiteres nacheinander hinaus, beim letzten brannte bereits die Mähne. Und als sie erst einmal im Hof waren, sprengten sie im Galopp durch das Tor auf die Felder, schlugen aus, drehten sich um und wieherten, als würden sie sich bei uns bedanken, bleiben wollten sie auf einem solchen Hof aber auf keinen Fall.

    Die Kühe waren auf der Weide, ihnen war nichts passiert. Allerdings verbrannten nicht wenige Schweine, und das mitanzuhören war schrecklich. Sie quiekten und schrien jämmerlich, und wir hörten, wie sie hochsprangen und mit den Hufen am Schweinekoben kratzten, um herauszukommen. Jemand kam auf die Idee, mit einem Balken ein Loch durch die Außenmauer zu stoßen, aber bis auf ein Schwein, das sich alle vier Hufe verbrannt hatte, waren bereits alle tot. Es lief auf Stümpfen, das arme, unschuldige Tier, und man konnte gleichsam am Grunzen hören, wie erleichtert es war, als es abgestochen wurde und sein Leben ließ.

    Inzwischen waren eine Menge Leute mit Feuerhaken und Leitern gekommen, ganz Stenbæk, um wenigstens ein bisschen etwas zu retten, löschen war unmöglich. Sie schlugen die Fensterrahmen ein und versuchten, mit den Feuerhaken etwas vom Inventar herauszuziehen, viel war es allerdings nicht. Fast alles brannte. Wir sahen, wie der Tisch in der Wohnstube brannte, bis das Bier im Tonkrug kochte und der Krug zersprang, wo er stand, wir sahen, wie die Schränke und die Bilder an den Wänden brannten, die Betten und alles andere.

    Und mit einem Mal fingen die Leute an zu schreien und verstört durcheinander zu laufen, und wir hörten Justs Ehefrau so unglücklich jammern und weinen, dass es kaum zu ertragen war. Sie hatte ohnmächtig im Küchengarten gelegen, seit ihr Mann ihr aus dem Fenster der Schlafkammer geholfen hatte; und als sie wieder zu sich kam, fragte sie die Frauen, die ihr zu Hilfe gekommen waren, wo Martine sei. Martine, wo war Martine? Nun ja, alle glaubten, sie sei mit dem Knecht und der Magd auf der Wiese und schliefe auf einem Heuschober. Nein, nein, nein, Martine hielt ihren Mittagsschlaf im Haus! O lieber Gott, sie mussten die Mutter festhalten, damit sie sich nicht ins Feuer stürzte; es war erbarmungswürdig, wie sie da lag und nach Martine schrie. Nun wussten wir es alle, und es war wirklich ein unerträgliches Grauen. Ich hatte das Gefühl, als wollte sich die ganze Brust durch meinen Mund nach außen stülpen. Martine!, riefen wir. Martine, Martine!

    So nah wie nur irgend möglich liefen sie ums Haus, blickten in die Fenster und versuchten sie zu entdecken. Martine war nirgendwo zu sehen. Oh, aber selbst wenn man sie gefunden hätte, wäre es sinnlos gewesen, denn längst hatte

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