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Hinter dem schwarzen Mantel
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eBook229 Seiten3 Stunden

Hinter dem schwarzen Mantel

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Über dieses E-Book

Peter Globisch stammt aus Templin in Brandenburg und kommt als Jobsuchender auf den Hopfenhof von Herbert Zacher nach Weinlinden an die Donau. Schnell macht er sich dort einen Namen als guter Techniker und wird eine Art Vorarbeiter, der seinem Chef ergeben ist und dieses Vertrauensverhältnis geht so weit, dass Herbert Zacher in eines Tages für einen Anschlag auf die Berger Mühle gewinnen kann. Diese Mühle liegt auf dem Gebiet des verhassten Nachbarortes Leopoldsau, das als sozialdemokratisch gilt, während Weinlinden streng christsozial ist. Die Mühle soll ein sozialdemokratisches Schulungszentrum werden, was Herbert Zacher durch einen Brandanschlag, zu dem er Peter Globisch heranzieht, verhindern will. Die Mutter des Mühlenpächters kommt beidem Bandanschlag ums Leben, und Peter Globisch kommt wegen Totschlags für elf Jahre hinter Gitter. Die Karriere des Hopfenbauers Herbert Zacher ist abrupt beendet, und für Peter Globisch stellt sich nach seiner Entlassung die Frage nach einem Neuanfang. Er lernt Petra Gerber kennen und zieht zusammen mit ihrer kleinen Tochter und ihr in ein altes Donauhaus, schreibt sich an der Fernuni ein und studiert Wirtschaft, die große Frage nach der Resozialisierung scheint damit beantwortet. Sie ist für Peter Globisch gelungen, er schafft es dank vieler Zufälle und Glücksmomente, den Weg zurück in ein normales Leben zu finden.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Jan. 2015
ISBN9783738036275
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    Buchvorschau

    Hinter dem schwarzen Mantel - Hans Müller-Jüngst

    Leopoldsau und Weinlinden

    „Bitte gehen Sie doch weiter, bleiben Sie doch nicht hier stehen und behindern den ganzen Verkehr!" rief der Polizist den Leuten zu, die sich das Unfallgeschehen auf der Herrnhuther Straße aus nächster Nähe ansehen wollten. So etwas passierte nicht alle Tage, wenn überhaupt einmal etwas passierte. Von daher waren die Leute schon neugierig und wollten wissen, ob jemand verletzt war; Sachschaden hatte es ja gegeben, das konnte man hören, wie da zwei PKWs ineinandergescheppert waren. Der eine kam aus Leopoldsau, der andere aus Weinlinden.

    Die Herrnhuther Straße verengt sich beim Hutgeschäft Mayer. Eigentlich musste der aus Leopoldsau kommende Wagen warten und dem entgegenkommenden Fahrzeug Vorfahrt gewähren. Offensichtlich hatte der Fahrer aus Leopoldsau bei diesem Mal das Wartegebot nicht beachtet. Die Autos stießen mit ihrer jeweils linken Seite an den Scheinwerfern zusammen. Die Unfallwucht war ziemlich mächtig, wenn man sich die Verformung der Karosserien ansah. Die Fahrgastzellen waren aber nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. In punkto Sicherheit hatte sich doch einiges getan. Auch waren in beiden Autos die Airbags ausgelöst worden, sodass den Fahrern nichts geschehen war.

    Das enttäuschte die Umstehenden doch ein wenig, bloße Blechschäden waren relativ uninteressant. Viele verließen die Unfallstelle auch wieder und gingen desinteressiert von dannen. Mütter nahmen ihre Kinder bei den Händen, Männer zogen eiligen Schrittes nach Hause, nur einige Jugendliche blieben stehen und schauten sich die Aufräumarbeiten an. Inzwischen hatte sich der Verkehr in beide Fahrtrichtungen doch beträchtlich gestaut. Es näherte sich ein Werkstattwagen mit Aufladevorrichtung.

    Nachdem der Polizist den Unfallhergang dokumentiert hatte, wurden die Fahrzeuge an den Straßenrand geschoben, um dann später zur Werkstatt gebracht zu werden. Erst einmal floss der Verkehr wieder, es dauerte aber, bis sich der Stau aufgelöst hatte. Alle hatten sich mittlerweile von der Unfallstelle entfernt, bis auf einen Herrn im langen schwarzen Mantel, der vor dem Schaufenster von Wäsche Hermeling stand, er beobachtete noch, wie die Unfallbeteiligten von der Polizei mit zur Wache genommen wurden. Danach ging auch er fort und schritt schnell Richtung Stadtzentrum. Dort lief er in einen Hofeingang und verschwand von der Bildfläche.

    Auf der Wache wurden die Fahrer zum Unfallhergang befragt. Der Leopoldsauer Fahrer war sich seiner Schuld bewusst und gestand alles ein, meinte aber:

    „Ich habe gesehen, wie ein Mann im langen schwarzen Mantel das Schild „Achtung Fahrbahnverengung absichtlich verdeckt hat. Da ich die Strecke nicht kannte, fuhr ich mit unverminderter Geschwindigkeit weiter, bis mir im letzten Moment die Verengung auffiel, da war es jedoch zu spät, angemessen zu reagieren, und ich kollidierte mit dem Weinlindener Auto.

    Der diensthabende Polizist nahm die Angaben des Mannes auf, ohne sie zu kommentieren. Die beiden Männer wurden entlassen und konnten gehen. Der Leopoldsauer Fahrer wusste nicht so recht, was er tun sollte und bewegte sich Richtung Stadtzentrum. Dort setzte er sich in das Cafe Kurtz und trank ein Bier. Es war Sommer, und er saß draußen. Er hieß Hans Diekmann und war stellvertretender Chefredaktuer des Leopoldsauer Anzeigers. Er kam eigentlich nie nach Weinlinden, weshalb er auch die Verengung auf der Herrnhuther Straße nicht kannte.

    Das Hutgeschäft Mayer war in einem uralten Fachwerkhaus untergebracht, das noch aus dem 18. Jahrhundert stammte und im Zuge des Straßenneubaus aus Denkmalschutzgründen stehen gelassen worden war, so ragte es in die Fahrbahn hinein.

    Hans Diekmann ging der Mann im langen schwarzen Mantel nicht aus dem Kopf. Er hatte ganz kurz dessen Gesicht gesehen und glaubte, den Mann von früher her zu kennen. Vielleicht hatte er sich aber auch getäuscht, es war wirklich nur der Bruchteil einer Sekunde, in dem der Mann ihm seine Gesichtszüge gezeigt hatte. Er trank nachdenklich sein Bier und schaute auf den Marktplatz. Plötzlich sah er auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes Peter Globisch herlaufen.

    Peter Globisch war ein Krimineller, der auf einen Artikel hin, den er im Leopoldsauer Anzeiger veröffentlicht hatte, wegen Mordes verhaftet worden war und eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt hatte. Hans Diekmann kam damals auf einen Tipp hin an der Stelle im Leopoldsauer Stadtpark vorbei, wo eine Frauenleiche gefunden worden war, die Leiche seiner Freundin. Er sah Peter Globisch wegrennen und schrieb über das Geschehene einen Artikel im Anzeiger. Er hatte seine Angaben auch bei der Polizei zu Protokoll gegeben. Die verhaftete Peter Globisch aber erst, als mehrere Zeugen aussagten, aufgrund des Artikels hellhörig geworden zu sein und Peter Globisch nach Hause kommen gesehen zu haben. Er hätte Blut an der Hose gehabt und sich schnell umgezogen.

    Daraufhin fuhr die Polizei zu Peter Globisch und ließ seine Hose untersuchen. Das Blut stimmte mit dem der Rita Huber, so der Name der Toten, überein. Man fand auch das Messer, das eindeutig Peter Globisch zugordnet werden konnte. Er bekam 12 Jahre Gefängnis aufgebrummt.

    Die Frauenleiche wies mehrere Einstiche im Brustbereich auf, außerdem war ihre Kehle durchgeschnitten. Rosi Huber stammte aus Leopoldsau und war zu dem Zeitpunkt ihrer Ermordung 27 Jahre alt. Sie galt allgemein als hübsch. Sie war nicht verheiratet und fuhr am Wochenende immer in die Disco nach Weinlinden. Sie hatte damals einen alten Käfer, den hatte sie von ihrem Vater übernommen, der nicht mehr fahren wollte. Rosi Huber arbeitete bei der Stadt, genau gesagt beim Liegenschaftsamt. Sie hatte damals auf Anraten ihres Vaters die Stadtinspektorinnenlaufbahn eingeschlagen. In Leopoldsau an der Realschule hatte Rosi die Mittlere Reife gemacht. Viele Mädchen aus ihrem Bekanntenkreis wurden damals Friseurinnen oder Arzthelferin, auch MTA oder PTA. Aber Rosis Vater meinte, das wäre alles nichts für sie, sie sollte etwas Solides machen. So wurde sie Stadtinspektorin.

    Sie erledigte ihre Aufgaben auf dem Liegenschaftsamt nicht besonders gern, machte aber ihren Job ganz ordentlich. Man war bei der Stadt sehr zufrieden mit ihr.

    In der Schule hatte sie nie geglänzt, schaffte aber einen Abschluss, der etwas unterhalb der Note gut lag, das reichte für eine Ausbildung bei der Stadt. Rosi hatte ein Appartement im Stadtzentrum. Es lag in einem großen Mietshaus, wo die Mieter einander kaum kannten. Sie kam wochentags um 17.00 h nach Hause, machte sich etwas zu essen und verabredete sich mit einer Freundin zum Kino oder ins Cafe. Sie traf sich selten mit Männern, sie war auch mit niemandem liiert.

    Es gab einmal eine zweijährige Freundschaft mit Peter Latterer. Der wohnte in der Nachbarschaft und man hatte sich zunächst immer gegrüßt, bis man ins Gespräch gekommen war. Es gab die erste Einladung zu Peter und es begann eine feste Beziehung.

    Von Anfang an empfand Rosi diese Beziehung als eine Einengung ihres persönlichen Freiraumes. Sie ließ Peter das nie spüren, hatte es nach zwei Jahren aber satt, jeden Abend zu Hause sein zu müssen und sich nie mit jemandem verabreden zu können. Sie machte Schluss.

    Sie lebte von da an ein lockereres Leben, nicht in anrüchigem Sinne. Sie ging abends oft aus und war insgesamt guter Dinge. Sie traf sich gelegentlich auch mit Männern. Auf ihrer Arbeitsstelle war sie eine gern gesehene Kollegin. Sie war immer guter Laune und klagte nie, auch wenn mal länger gearbeitet werden musste, was aber selten vorkam und nur mit Vorankündigung anberaumt werden konnte.

    Rosi hatte schwarzes mittellanges Haar, ein ebenes Gesicht und eine schlanke Figur. Sie ging ins Fitnessstudio, um ihre Figur halten zu können und sich zu etwas mehr Kondition zu verhelfen. Dreimal pro Woche raffte sie sich dazu auf, darunter, hatte ihr Fitnesstrainer gesagt, hätte es gar keinen Zweck. Sie war eisern und ließ nie einen Fitnesstermin ausfallen.

    Manchmal ging sie auch schwimmen. Der Aufwand aber, den man für das Schwimmen treiben musste, war ihr zuwider: man musste sich anziehen, wieder ausziehen, duschen, in das kalte Wasser springen, wieder duschen, anziehen und zu Hause wieder ausziehen, sie ging deshalb nicht sehr oft schwimmen.

    Rosi fühlte sich recht wohl in Leopoldsau. Sie ging gern in die Stadt zum Shoppen und ließ sich bei ihrem Lieblingscoiffeur frisieren. Der erzählte ihr immer den neuesten Tratsch. Er wusste, dass die Kundinnen das gerne hörten. Leopoldsau war eine mittelgroße Stadt mit circa 20000 Einwohnern. Sie war sehr alt. Manche legten die Ursprünge der Stadt ins frühe Mittelalter, als die Burg des Grafen Leopold gebaut worden war, etwa um 800 n. Chr. Bauern siedelten um die Burg herum und hatten in ihrem Schutz ihr Auskommen. Sie mussten dem Grafen den Zehnten abgeben, das war ein Zehntel aller Ernteeinkünfte und der Viehwirtschaft. Demnach wäre Leopoldsau 1200 Jahre alt.

    Im nächsten Jahr sollte tatsächlich das 1200. Gründungsjahr gefeiert werden. Über Jahrhunderte hinweg war die Stadt ein unbedeutender Marktflecken, der nur von seiner Lage an der Kreuzung zweier wichtiger Handelswege profitierte, der bayrischen Salzstraße und der Donau. Erst die aufkommende Binnenschifffahrt und der damit verbundene Handelszuwachs machten aus Leopoldsau ein blühendes Städtchen. Lepoldsau wurde das Stapelrecht verliehen. Das hieß, dass vorbeiziehende Schiffe ihre Waren für eine bestimmte Zeit in der Stadt zum Verkauf anbieten mussten. An alten Gebäuden waren der Pulverturm, der alte Hafenanleger und die katholische Stiftskirche erhalten. Diese war auf dem Fundament einer romanischen Basilika in spätgotischem Stil errichtet, sie war mithin circa 800 Jahre alt. Der Kirchenbesuch hatte in den letzten Jahren stark nachgelassen. Von dem Häuflein Aufrechter, die sonntags den Weg zur Messe fanden, waren zwei Drittel über 65 Jahre alt, die Jugend in die Kirche zu bekommen, war ein schweres Unterfangen, an dem die Kirchen beider Konfessionen hart zu arbeiten hatten.

    Es gab ganz erbärmliche Anbiederungsversuche, man brachte moderne Musik in den Gottesdienst, modern hieß, dass es zum Beispiel ein Schlagzeug gab; das war sehr ungewöhnlich für Gottesdienste, die nur die alte Instrumentenbesetzung kannten, so wie sie zum Beispiel zum Posaunenchor gehörte. Auch wurden die Instrumente elektrisch verstärkt, das zog für eine kurze Zeit. Schnell wurde den Jugendlichen aber klar, dass das alles nur dazu diente, die völlig überholten liturgischen Mottenkisten zu kaschieren, die Kirche hatte den Jugendlichen nicht wirklich etwas zu sagen. Die überholte Liturgie war das eine, inhaltslose Phrasendrescherei war das andere. Auch häufige Besuche von Pfarrern stießen sauer auf, was hatten sie den Jugendlichen schon zu bieten? Da waren nicht nur die Fragen der Sexualität, die die Jugend bedrückten, es ging allgemein um Fragen der Zukunftsperspektiven, um Ausbildungsplätze, um Lebensentwürfe, was sollte ein Pfarrer dazu sagen?

    Der Haupttreffpunkt für Jugendliche war in Leopoldsau die Eisdiele San Marco in der Hochstraße. Wer schon 18 war, hatte zumeist einen Führerschein und ein Auto, oft mit Unterflurlicht, wenngleich der Unterhalt eines Autos viele vor Riesenprobleme stellte. Spritpreise von 1.50 Euro und mehr waren kaum zu stemmen bei dem geringen Salär, über das die Jugendlichen verfügten. Selbst wer einen Ausbildungsplatz hatte, kam monatlich auf kaum mehr als 650 Euro. Davon musste sehr oft noch ein Teil zu Hause abgegeben werden. So überlegte man sich jede Fahrt mit dem Auto, fuhren Freunde mit, war es klar, dass sie sich am Benzingeld beteiligten. Am Wochenende fuhr man häufig ins Black Rose, die angesagteste Disco weit und breit. Viele soffen nur im Black Rose, andere hingen einfach rum, die Autofahrer tranken nichts. Man durfte sich in der Probezeit nichts erlauben, wollte man den Führerschein nicht sofort wieder verlieren. Und 0.5 Promille, die hatte man schon nach einem Bier intus. Da brauchte man auch gar nichts zu trinken. Gegen 2.00 h fuhren die meisten wieder zurück nach Leopoldsau. Auf dieser Strecke, der B 526, waren schon viele Unfälle passiert, gerade nach solchen Discobesuchen. Oft fuhren besonders Jugendliche mit viel zu hoher Geschwindigkeit in die kurvenreiche und mit Bäumen eingefasste B 526.

    Erst im letzten Jahr war ein mit 5 Personen besetzter Golf mit 90 km/h vor eine Eiche gerast, niemand hatte den Unfall überlebt. Heute steht ein Kreuz mit immer frischen Blumen an der Unfallstelle.

    Die Mütter der Verunglückten hatten ihren Schmerz nie verwunden und kümmerten sich um die Blumen. Seitdem ist die Geschwindigkeit auf der B 526 auf 60 km/h begrenzt, fast durchgängig von Weinlinden bis Leopoldsau.

    Auch Weinlinden war alt und durch seine Lage an der Salzstraße reich geworden. Es gab in der Nähe aber vor allem Weinbau und Landwirtschaft. Hopfenanbau war besonders wichtig für die Stadt, es gab gewaltige Hopfenfelder in der Umgebung. Fast alle deutschen Brauereien wurden beliefert, eine Menge Hopfen wurde aber auch exportiert, nach Österreich, in die Schweiz und nach Frankreich.

    Weinlinden lag ungefähr 8 km von der Donau entfernt, die Stadt profitierte so noch vom Donauhandel, insbesondere wurde der Hopfen donauabwärts nach Österreich verschifft.

    Zwischen Weinlinden und Leopoldsau gab es immer schon ein Konkurrenzdenken, welche Stadt die attraktivere wäre, in welcher Stadt die wirtschaftlichen Erfolge am besten umgesetzt würden. Wenn man in Leopoldsau mit Millionenaufwand den Stadtpark sanierte und einen Musikpavillon baute, zog man in Weinlinden gleich und errichtete ein neues Stadttheater. Die Neuschöpfungen würdigte man entsprechend in der jeweiligen Stadtpresse, die Stadtregierung wusste sich ins rechte Licht zu rücken.

    In Leopoldsau herrschte seit ewigen Zeiten die Sozialdemokratie, während Weinlinden von der CSU regiert wurde. Von daher bekam das Konkurrenzdenken auch politische Nahrung. Beide Städte wussten sich der Demokratie in besonderem Maße verhaftet, nur gab es da den kleinen parteipolitischen Unterschied. Die Weinlindener schimpften einen Leopoldasauer immer mit „rote Sau"

    Im Black Rose gab es öfters Schlägereien zwischen Leopoldsauern und Weinlindenern. Es bedurfte immer nur eines geringen Anlasses für eine Kneipenschlägerei, immer war natürlich Alkohol im Spiel.

    Besonders stark eskalierte der Städtestreit am 1. Mai. Nachts zogen die jungen Leute auf getrennten Wegen in die jeweiligen anderen Städte, um den Maibaum umzulegen. Der wurde bewacht, und die Wachen schrien dann um Hilfe, sodass eine mächtige Klopperei die Folge war, die Lädierten zogen wieder nach Hause und pflegten ihre Wunden. Auch den eigenen Maibaum hatte man unter großen Opfern zu verteidigen gewusst. Die Leopolsdsauer badeten während der Sommermonate gern in der Donau. Unweit des Stadtzentrums hatte man eine Badestelle angelegt, die in Zeiten des Massenauftriebs sogar von der DLRG bewacht wurde. Es kamen auch Weinlindener zum Baden, man legte sich aber an eine ganz andere Stelle auf die große Liegewiese.

    In dem Naturfreibad vermied man aber Schlägereien, man beließ es bei unflätigen Bemerkungen, wenn ein Weinlindener oder ein Leopoldsauer zu nahe am eigenen Lager vorbeikam.

    Die Mädchen ließ man dabei völlig unbehelligt, die Mädchen machten sich aus dem ganzen Streitgehabe ohnehin nichts. Sie liefen immer zu zweit zum Kiosk oder zur Toilette.

    Neben dem Hopfenbau gab es in Weinlinden als wichtigsten Arbeitgeber die Haber Maschinenbau GmbH. Fast jeder dritte Weinlindener arbeitete da. Der Geschäftsführer war ein strammes CSU-Mitglied und hatte Verbindungen bis nach München zur Landesregierung. Es fand sogar einmal ein Landesparteitag der CSU auf dem Firmengelände der Haber GmbH statt. Dr. Steilmeyer, so hieß der Geschäftsführer, mischte sich selbstverständlich in die Stadtpolitik ein, es gab hier mal eine Spende, da gab es eine Unterstützung für den Sportverein von Weinlinden, hinter vorgehaltener Hand erwartete man da natürlich Wohlwollen seitens der Kommunalpolitik. So erwarb man sehr günstige Firmengrundstücke, oder es wurde bei der Gewerbesteuer Zurückhaltung geübt. Dr. Steilmeyer wohnte in einer Villa am Stadtrand. Seine Frau war Hausfrau, seine beiden Söhne besuchten das Gymnasium. Er erwartete von seiner Frau, dass sie sich um die Schulbelange kümmerte. Seine Söhne sahen ihn kaum, in der Regel nur abends und am Wochenende.

    Sie waren 16 und 17 Jahre alt und viel unterwegs. Sie interessierte es kaum, was ihr Vater machte oder wie es um die Haber GmbH bestellt war. Sie waren sehr häufig in Streitereien mit Leopoldsauern verwickelt. Ihre Schulleistungen bewegten sich im Mittelfeld, sie kamen immer problemlos mit. Sie waren geachtete Mitschüler und hatten unter der Schülerschaft viele Freunde. Für sie alle war das Black Rose der Dreh- und Angelpunkt in ihrer Freizeit. Dort traf man sich, dort soff man, dort versuchte man, Mädchen anzubaggern.

    Paul Steilmeyer war der ältere, er sah gut aus und vertrug auch schon einiges an Alkohol. Dieter Steilmeyer war klein und von zierlicher Gestalt. Er versteckte sich oft hinter seinem großen Bruder. Manchmal wurde er zum Gespött wegen seines Äußeren, dann drohte er, seinen großen Bruder zu holen, woraufhin er in Ruhe gelassen wurde.

    Vielen Erwachsenen in Weinlinden war das Black Rose ein Dorn im Auge, ein Sündenpfuhl, eine Rauschgifthölle, ein Sextempel. Den Leopoldsauern war das Black Rose relativ egal, es war ja 12 km entfernt und spielte in deren Erfahrungsfeld deshalb kaum eine Rolle. Höchstens, wenn ihre Kinder besoffen aus Weinlinden nach Hause kamen, dann gab es schon Antipathien gegen das Black Rose. Das war dann so ziemlich der einzige Punkt, in dem sich Weinlindener und Leopoldsauer einig waren. Im übrigen befehdete man sich, wo man nur konnte.

    So log Dr. Steilmeyer vor Gericht, als er Hans Diekmann wegen eines Artikels im Leopoldsauer Anzeiger verklagte, weil dieser behauptet hatte, die Haber GmbH hätte während der NS-Zeit Konzentrationslagerinsassen unentgeltlich beschäftigt. Das sei an den Haaren herbeigezogen und deshalb völliger Unsinn, so Dr. Steilmeyer. Hans Diekmann gewann schließlich seinen Prozess, weil er eindeutige Belege für seine Ausführungen beibringen konnte, es gelang im schließlich sogar, einen Zeitzeugen zum Prozess vorladen zu lassen. Die Haber GmbH hatte versucht, diesen gegen Geldzahlungen von seiner Aussage abzubringen, haarscharf war sie an einer Anzeige wegen Zeugenbestechung vorbeigeschrammt. Von da an war das Kriegsbeil zwischen beiden Städten erst recht ausgegraben. Der Haber GmbH drohte sogar ein gewaltiger Exportrückgang, denn ihre Maschinen wurden vornehmlich ins Ausland exportiert. Als man in Italien, Frankreich und den Niederlanden von der Verstrickung der

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