Der flüchtige Stern: Ein Pfarrer Jacques Krimi
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Über dieses E-Book
Denise Remisberger
Denise Remisberger, geboren am 13.12.1967 in St. Gallen, Schweiz; Berufe: Autorin, Kunstmalerin, mediale sowie psychologisch-astrologische Beraterin, Übersetzerin und eidg. dipl. Kauffrau.
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Buchvorschau
Der flüchtige Stern - Denise Remisberger
1
Das Fenster des Büros im Kirchgemeindehaus Kreis Fünf in Zürich stand sperrangelweit offen, der Duft nach Frühling strömte herein und die Vöglein trillerten fröhlich. Die Atmosphäre draussen war einfach himmlisch, was vermuten liesse, dass es drinnen genauso angenehm sein würde, doch dem war nicht so. Sabine Pfau, Mitglied der Frauensinggruppe, stand in voller Höhe neben Pfarrer Selris Arbeitstisch, bückte sich leicht nach vorne und schlug dann mehrmals mit der Faust auf das arme Holz, sodass sowohl die Kaffeetasse als auch der Pfarrer selber erzitterten.
„Sabine, reg dich doch nicht so auf, versuchte Pfarrer Jacques, der, zusammen mit Marie Krug, einem weiteren Mitglied der Frauensinggruppe, Pfarrerin Rosamunde, Pfarrer Kinden und Pfarrer Sebastienne, auf einem wirklich schmalen und auch noch wackeligen Sofa aus dem Brockenhaus sass, die aufgebrachte Dame zu beschwichtigen. „Wir werden schon ein paar neue Nasen finden.
„Dafür müssen wir aber etwas tun!", schrie die Angesprochene.
„Sie hat Recht", meldete sich Marie Krug zu Wort.
„Ihr seid mal einer Meinung?", staunte Sebastienne und hob seine Fersen aus den engen Damenschuhen, die wieder höllisch drückten, obwohl er sie schon seit einem Monat einlief.
„Ausnahmsweise", betonte Marie und zog ihren karierten Rock, der im Stehen bis über die Knie reichte, zurecht. Sabine trug natürlich wieder etwas Kurzes, obwohl sie auch nicht mehr die Allerjüngste war.
„Wir können doch nicht mit einer Büchse auf der Strasse rumrennen, auf der steht: ‚Wir sammeln kein Geld, wir brauchen nur einige neue Mitglieder für den Frauensingchor‘", war Selri am Verzweifeln.
„Wir könnten gezielter vorgehen", fand Rosamunde, welche die Drögeligruppe betreute, befreite sich aus der eingeklemmten Position auf dem Kanapee und setzte sich auf einen Stuhl, nachdem sie die drei Ordner, welche Selri darauf platziert hatte, weggeräumt hatte.
„Nur zwei Sängerinnen machen tatsächlich keine Gruppe aus. Schade, dass die anderen gegangen sind", sagte Sebastienne, der den Frauensingchor leitete.
„Na, die arme Eleonore ist gestorben, da kann sie wirklich nichts dafür", seufzte Kinden, Mitarbeiter in einer auswärtigen Kita.
„Roland, Margritte und Thea hätten aber bleiben können!", schaute Sebastienne vorwurfsvoll.
„Ich würde vorschlagen, dass Sabine, Marie und Sebastienne gemeinsam überlegen, wo sie mit der Suche nach neuen Singvögeln anfangen wollen", erhob sich Jacques mit Schwung vom Sofa, sodass die anderen fast nach hinten kippten. Und mit Jacques’ Vorschlag waren alle einverstanden.
2
Alberta Flakes war gelandet. Sie hatte ein Taxi am Flughafen Zürich genommen und sich zu ihrer von den anderen angemieteten Wohnung bringen lassen. O.K. Nicht genau dorthin. Drei Strassen weiter weg. Niemand sollte wissen, wo sie wohnte.
Nun sass sie in ihrer bereits möblierten Stube und überlegte. Um die Person zu finden, musste sie den Mann zuerst suchen gehen. Dafür war es nötig, sich unter die Leute hier in dieser fremden Stadt zu mischen. Und dann war da noch die private Angelegenheit. Auch in dieser Sache musste sie jemanden finden.
3
Sabine, Sebastienne und Marie hatten bündelweise Flyer eingepackt und machten sich nun daran, diese zu verteilen. Überall, wo sie schwarze Bretter vermuteten, stöpselten sie ein paar der kleinformatigen Zettel hin oder sie legten sie auf Tischchen aus, auf denen bereits für Yoga- und Kochkurse geworben wurde.
„Die Ü-18-Schulen haben wir alle bestückt. Bibliotheken und Reformhäuser auch. Wo gehen wir als Nächstes hin?", fragte Pfarrer Sebastienne die beiden gähnenden Frauen.
„Ich brauche ein kühles Glas Rosé, irgendwo, wo es mehr Schatten hat als hier", hielt sich Sabine Pfau eine Hand auf den Kopf, um ihn vor weiterer Sonnenhitze zu schützen.
„Heute ist es ausgesprochen heiss, ja", zog Marie Krug ihr Wolljäckchen aus und stopfte es in ihre überdimensionale Handtasche.
„Wie wär’s mit der Bar dort", zeigte Sebastienne auf einen der vier beschirmten runden Tische, die vor einem Lokal auf der Gasse draussen, in der sie gerade standen, auf Gäste warteten.
„Au ja!", fand Sabine und auch Marie liess sich erschöpft nieder.
Nach der Bestellung der Flasche Rosé des Hauses legten sie ihre übrigen Flyer auf dem Tischchen zusammen – viele waren es nicht mehr – und weckten die Aufmerksamkeit einer etwa fünfzigjährigen Frau, die sich einen nahm und lachte: „Ich bin auf der Suche nach einem neuen Hobby. Kann ich da auch mitmachen, wenn ich nur ab und zu im Garten beim Jäten singe?"
„Ja, klar!", rief Sebastienne sofort begeistert.
„Ich bin Sabine, das ist Marie und das unser Chorleiter Pfarrer Sebastienne", stellte Sabine alle vor und hielt der Frau die Hand zur Begrüssung hin, eine inzwischen ungewohnte Geste.
„Ich heisse Gundula", freute sich die Frau und schüttelte allen ausgiebig die Hände. Und nein, es rannte niemand zum nächsten Brüneli.
„Jetzt sind wir schon drei. Nochmals drei wären schön", meinte Marie.
„Alles braucht seine Zeit", lächelte Sebastienne weise.
„Das ist leider so, ja, sagte Gundula. „Wir können noch so strampeln, nichts geschieht vor seiner Zeit.
4
Alberta Flakes war am Zürichsee entlangspaziert, vom Bellevue aus Richtung Zürichhorn, und sass nun auf einer niedrigen breiten Treppe. Sie schaute aufs nachmittäglich in der Sonne glitzernde Wasser, über sich Baumkronen, die im leichten Wind raschelnde Töne von sich gaben. Rechts von ihr, eine Stufe unterhalb ihres Ausgucks, hockten zwei Männer, die beide, anscheinend unverrückbar, an ihrem jeweiligen Standpunkt festhielten.
„Eine Tetanusimpfung ist eine sinnvolle Sache, bevor du nach Nepal reist", sagte der eine, der braune Locken bis zur Taille wallen liess und echte Ethnokleidung trug.
„Nein, Mik, ich will mich nicht anstechen lassen. Vielleicht breiten sich danach Nebenwirkungen aus und ich kriege einen richtigen Impfschaden."
„Ein Impfschaden einer Tetanusimpfung ist aber weniger schlimm als Wundstarrkrampf, Anbert. Dort gibt’s nicht an jeder Ecke einen Spital, wo du im Notfall was kriegst."
„Vielleicht verletze ich mich ja gar nicht."
„Und vielleicht eben doch!"
„Die Tetanusimpfung ist erprobt. Seit Jahrzehnten. Nicht wie der neue Mist, von dem sie alle reden", mischte sich Alberta ein, sodass sich die beiden Debattierenden nach ihr umdrehten.
„Den anderen unausgegorenen Mist würd ich auch nicht wollen", sagte Mik und stellte sich und seinen Freund vor.
„Ich heisse Alberta."
„Bist du aus den USA? Du hast einen lustigen Akzent." Das kam vom erfreuten Anbert, denn das