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Als Tiyaani noch ein Kind war ...: Kurzgeschichtensammlung 4 von Uwe Lammers
Als Tiyaani noch ein Kind war ...: Kurzgeschichtensammlung 4 von Uwe Lammers
Als Tiyaani noch ein Kind war ...: Kurzgeschichtensammlung 4 von Uwe Lammers
eBook312 Seiten4 Stunden

Als Tiyaani noch ein Kind war ...: Kurzgeschichtensammlung 4 von Uwe Lammers

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Über dieses E-Book

Inhaltsbeschreibung E-Book 38: „Als Tiyaani noch ein Kind war... Phantastische Geschichten von Uwe Lammers“
In der vorliegenden vierten Kurzgeschichtensammlung findet ihr drei längere Novellen aus meinen phantastischen Welten, und zwar diese hier:
„Als Tiyaani noch ein Kind war...“ – Die zweitgeborene Tochter der Göttin Neeli, Tiyaani, ist ein quirliges Mädchen und will immerzu beschäftigt werden. Der Legende nach ist sie im Archipel die Schutzpatronin der kleinen tropischen Vögel. Doch wie mag sie dazu geworden sein, und was hat es mit der gespenstischen Insel des Schweigens auf sich? Hierhin begibt sie sich auf Ratschlag ihrer älteren Schwester Ansiina ... und bekanntlich ist Ansiina ein Mädchen, das die Zukunft vorhersehen kann ...
„Der Platz der Steine“ – Auf dem Planeten Shoneei/Swamp im KONFLIKT 19 des Oki Stanwer Mythos (OSM) herrscht für das Mädchen Senyaali erdrückende Langeweile. Als sich für sie die Gelegenheit bietet, einer rätselhaften Tierfährte nachzuspüren, ergreift der siebenjährige Wildfang prompt die Chance zum Abenteuer ... ohne zu ahnen, dass sich Senyaali damit in tödliche Gefahr begibt ...
„Heimweh“ – Im KONFLIKT 21 des Oki Stanwer Mythos droht in der Galaxis Leucienne Krieg. Aber davon hat der käfergestaltige Oheetir namens Shaygül keine Ahnung. Er ist noch ein Jugendlicher, als er an einer tödlichen Seuche erkrankt und dahinsiecht. Bei seinem Tod verliert seine Mutter Yülshii schlagartig den Verstand ... aber eines Nachts ist ihr verstorbener Sohn auf einmal wieder da, doch unbegreiflich verwandelt ...
Abgerundet wird diese Storysammlung durch ein Glossar, das sowohl Begriffe aus den beiden OSM-Geschichten wie aus der Archipelgeschichte vereint.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum10. März 2022
ISBN9783986466299
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    Buchvorschau

    Als Tiyaani noch ein Kind war ... - Uwe Lammers

    Inhalt

    Als Tiyaani noch ein Kind war…

    Der Platz der Steine

    Einleitung:

    1. Kapitel: Senyaalis Verdruss

    2. Kapitel: Auf der Pirsch

    3. Kapitel: Rätselhafte Funde und ein Schreck

    4. Kapitel: Sprechende Schlangen und andere Seltsamkeiten

    6. Kapitel: Weitere Stolpersteine

    7. Kapitel: Der Platz der Steine

    8. Kapitel: Im Palast der Träume

    9. Kapitel: Das Geheimnis vor der Tür

    10. Kapitel: Die Glassärge

    11. Kapitel: Die Ratsaudienz

    12. Kapitel: Enthüllte Geheimnisse

    13. Kapitel: Der Wächter

    Heimweh

    Glossar der Stories

    Leseprobe

    Anmerkungen

    Als Tiyaani noch ein Kind war…

    Phantastische Geschichten von Uwe Lammers

    Liebe Leser meiner Geschichten,

    auch für das Jahr 2016 schien es mir nützlich zu sein, euch einmal mehr das Füllhorn meiner bislang weitgehend unpublizierten Geschichten auszuschütten und eine ganze Reihe unterschiedlichster Werke zu präsentieren, die eigens für diese Veröffentlichung gründlich durchgesehen und, wo notwendig, überarbeitet und textlich geschliffen wurden.

    Ursprünglich dachte ich an sechs Geschichten, aber als ich dann neulich im Zuge der E-Book-Aufarbeitung von „Annalen 6" saß, also dem Roman „Mein Freund, der Totenkopf", da fiel mir auf, dass es wahrscheinlich äußerst hilfreich für euch sein würde, wenn ich vorab noch eine weitere Geschichte „Aus den Annalen der Ewigkeit" veröffentlichen würde. Der einzig mögliche Ort dafür ist diese Kurzgeschichtensammlung. So lernt ihr also in dieser Ausgabe die unheimlichen Elitesoldaten TOTAMS kennen, die Totenköpfe – nämlich in der Story „Heimweh".

    Doch fangen wir vorne an.

    Die Titelfindung dieses E-Books ergab sich fast von selbst, weil ich ein wunderschönes Bild von Heidi Koch zu der Archipel-Titelgeschichte „Als Tiyaani noch ein Kind war…" vorliegen hatte. Sie hat es unmittelbar nach der Lektüre der Geschichte spontan erschaffen, und es gefiel mir ganz hervorragend. Nun, und da lag es einfach nahe, dass ich mir dachte: das gehört unbedingt zusammen, das darf ich nicht irgendwo im Innern des E-Books als verkleinerte Illustration „verbuddeln". Ihr mögt vielleicht überrascht sein, weil dieses E-Book nun eine Schwarzweiß-Illustration als Cover hat und so etwas aus dem Rahmen der normalen Titelbildgestaltung herausfällt, aber ich denke, so kommt der elegante, holzschnittartige Stil von Heidis Bild einfach ideal zur Geltung, als wenn man da irgendwie nachträglich mit Farbe experimentierte.

    Mit „Der Platz der Steine" folgt dann die aktuellste Geschichte aus dem Oki Stanwer Mythos, die ich mit viel Spaß im Jahr 2015 im Anschluss an meine zweite Lesung (6. Juni 2015) vollenden konnte. Ich trug damals ein Stück des noch rudimentären Werkes vor, und ich denke, das Resultat kann sich sehen lassen.

    Den Abschluss macht dann „Heimweh", jene eingangs erwähnte OSM-Story, die euch in den bislang noch unbekannten Kosmos 21 des Oki Stanwer Mythos führt. Eigentlich ist sie, wie auch „Annalen 4: Heiligtum der Shonta" eine Crossover-Story, die in den Kontext von KONFLIKT 21 eingebunden werden sollte. Da ich aber beizeiten sowieso daran denke, diese Serie „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne" zu veröffentlichen und dieses E-Book hier dann noch erhältlich sein sollte, dürfte es euch leicht fallen, zum vollständigen Genuss des Handlungsbogens dann auf die erneute Lektüre dieser Geschichte zurückzugreifen.

    Die Lektüre der Story „Heimweh" ist in gewisser Weise auch ein gutes Training für „Annalen 6" und bereitet einige der dortigen Aha-Effekte vor, selbst wenn „Annalen 6" rund 20 Milliarden Handlungsjahre später spielt …

    Sehr viel mehr der einleitenden Worte möchte ich gar nicht machen, dafür gibt es zu den einzelnen Geschichten immer noch kleine Einführungen. Stattdessen lasse ich euch einfach auf das Abenteuer dreier weitgehend unbekannter Geschichten aus meiner Feder los.

    Möget ihr die Lektüre genießen.

    Oki Stanwers Gruß,

    euer Uwe.

    Die Titelstory der Sammlung führt euch einmal mehr in den tropischen Archipel zurück … genauer gesagt: in die Metropole Asmaar-Len auf der Insel Coorin-Yaan, und hier speziell in die Mauern des „Gartens der Neeli", der vage schon in der Story „Shareena und das Mädchen mit dem Zauberhaar" in der vergangenen Kurzgeschichtensammlung „Reinkarnation und andere phantastische Geschichten" Erwähnung fand.

    Diesmal geht es um zwei Dinge, die im Archipel einfach klassisch zu nennen sind: um die Erzählkultur, die dort sehr gut ausgeprägt ist und um diesen unablässigen Verbindungsbogen zwischen Mythologie und Realität. Außerdem lernt ihr bei der Gelegenheit einen guten Teil der Bewohner des „Gartens der Neeli" kennen, allen voran natürlich das geheimnisvolle, kluge Mädchen Rhonda.

    Alles beginnt, als ein seltener Vogel gesichtet wird, und dann passiert Folgendes …¹

    Als Tiyaani noch ein Kind war…

    Eine Archipel-Legende von Uwe Lammers

    (2009)

    Einleitung:

    Die Geschichte des Archipels ist voll von Legenden, und die weitaus meisten ranken sich um mythische, göttliche Gestalten. Beispielhaft sind die Liebesgöttin Neeli und ihre pflanzliche Herkunft, der Sonnengott Laraykos mit seinen unzählbaren Liebschaften mit Frauen des Archipels … und auch die Töchter der beiden sind nicht ausgenommen.

    Neeli und Laraykos besitzen drei Töchter: Ansiina, deren gespenstische Gabe darin besteht, die Zukunft zu sehen, ist die älteste. Tiyaani, die Schutzpatronin der kleinen tropischen Vögel, stellt die zweite dar. Die jüngste Tochter aber ist zugleich wohl die berühmteste – Shareena, die Schutzherrin aller Sklavinnen, deren eigene erotische Eskapaden legendär und schrecklich zugleich sind.

    Eine Verkettung von unerwarteten Umständen führt im Herbst des Jahres 871 dazu, dass in Panjit al Choors „Garten der Neeli" in der Archipelmetropole Asmaar-Len im Zusammenhang mit einem Vogel der Name Tiyaani erwähnt wird. Und Rhonda, das geheimnisvolle Gartenmädchen, das jüngst die lange verschollenen Heiligtümer von Cooriday wieder ausfindig machte², fragt natürlich nach, weil sie von Tiyaani wirklich fast nichts weiß. So erfährt das neugierige Mädchen, wie das einst gewesen ist, als Tiyaani noch ein Kind war…

    8. Cuchaan 871: Garten der Neeli, Asmaar-Len

    „…habt das Beste verpasst, echt, Rhonda! Ihr hättet mal dabei sein sollen, als das passierte …", plapperte die ganz aufgekratzte Ina, als das Gartenmädchen Rhonda endlich den Weg aus dem Haus fand und in Richtung auf den Feuerrundenplatz strebte. Sie führte dabei ihre sehr geschwächte, blasse und schweigsame Gefährtin Francesca an der Hand und achtete mehr darauf, dass Ces nicht über ihre eigenen Füße stolperte, als dass sie ein Ohr für Inas Geplapper hatte.

    Ina besaß für diese Dinge in ihrer hektischen, aufgeregten Stimmung gar keinen Blick. Sie eilte neben ihren Freundinnen her und kam noch vor ihnen auf dem rechteckigen, rasenbedeckten Platz an. Ihre schönen grünen Augen funkelten im Licht der Feuerschalen auf dem Feuerrundenplatz im Garten der Neeli wie kleine Edelsteine. Selten waren sie so wunderbar zur Geltung gekommen. Und wieder begann Ina, zu reden: „Also wirklich, das glaubt ihr überhaupt gar nicht…!"

    Aber Rhonda, das dunkellockige Mädchen, das für ihr Alter von etwa zwölf Jahren viel zu abgeklärt wirkte und im Moment eigentlich nur Ruhe wollte, reagierte nicht in der erhofften Weise auf diese eifrigen Worte. Sie war erschöpft und das Allerletzte, was ihr erstrebenswert schien, war das hemmungslose Geplapper ihrer ungestümen jüngeren Freundin Ina. Sie stützte lieber ihre Freundin Francesca, die in den letzten beiden Tagen durch ihre extrem heftige Menstruationsblutung, die im Archipel so genannte ZEIT, schrecklich viel Blut verloren hatte. Sie sah darum noch blasser aus als sonst, und dass sie zu ihren ohnehin kupfernen Haaren auch noch ein helles Kleid trug, ließ Ces wie einen Geist ausschauen.

    „Ina, tu uns bitte einen Gefallen … lass uns erst mal ankommen, ja?" Rhonda fühlte sich in diesem Augenblick nur genervt und reagierte damit etwas schroffer als eigentlich beabsichtigt. Den Wink verstand Ina aber ebenso wenig wie alle subtilen, wortlosen Indizien für Rhondas und Francescas Stimmung.

    „Ach Mann, Rhonda! Bist du denn überhaupt nicht neugierig, was ihr versäumt habt? Das glaube ich jetzt echt nicht!"

    „Wir möchten uns einfach erst mal nur HINSETZEN, verstehst du? Auf eine freie Decke!"

    „Komm, Ina, lass doch Rhonda und Ces in Frieden", mischte sich eine wohl vertraute Stimme ein, die gleichwohl ungewöhnlich war – die Köchin Neijeke stand auf einmal neben den Mädchen und sorgte dafür, dass die ein wenig eingeschnappte Ina tatsächlich den Mund hielt und sich schmollend auf ihre Decke setzte. Das schmächtige Mädchen verschränkte beleidigt die dünnen Arme vor der Brust und schaute ostentativ woanders hin.

    „Geht es mit Ces?", erkundigte sich die grauhaarige Köchin feinfühlig.

    „Ach ja … bin doch ganz in Ordnung", murmelte Francesca abwehrend.

    Aber selbst ihre Stimme klang dünn und wie ein Hauch. Sie war definitiv ziemlich fertig, und allein der Tatsache, dass sie nicht NOCH länger in ihrem Zimmer liegen und den Geruch von Kräutersud, süßlichem Süßholzwurzelaroma und trocknendem Blut einatmen mochte, war es zu verdanken, dass sie sich von Rhonda dazu hatte überreden lassen, an der Feuerrunde teilzunehmen. Rhonda war der Ansicht, dies brächte Ces wirksam von finsteren, depressiven Gedanken ab. Vielleicht würde das auch tatsächlich geschehen.

    Im Grunde genommen war nämlich die Feuerrunde ein geselliger Höhepunkt der Woche im Garten der Neeli. Das schöne Mädchen Rhonda schätzte sie sehr. An dem Abend, wenn die Feuerrunden stattfanden, wurde den neun hier lebenden Mädchen erlaubt, bis in die tiefe, wiewohl warme Nacht hinein zusammen auf dem grasbewachsenen Feuerrundenplatz zu sitzen, Scherze zu machen, Geschichten zu lauschen und einfach munter zu plaudern. Meist wurden bei der Gelegenheit die beiden Klientinnen des Gartens der Neeli ausgefragt oder ausgiebige Gespräche gepflegt, die sich um verschiedenste Themen und häufig genug um Tratsch drehten, den die Mädchen auf den Märkten Asmaar-Lens unter der Woche aufgeschnappt hatten. Manchmal gab es dabei auch ein wenig Obst oder Kräutertee. Langweilig wurde es jedenfalls nie.

    Üblicherweise fand die Feuerrunde am Eshjan statt, dem ersten Wochentag, auch natürlich, um die Mädchen hinreichend zu motivieren, in der Woche wieder artig zu sein und fleißig zu arbeiten, sei es auf den Märkten beim Stabdienst oder im Haushalt, wo ihre Arbeitskraft unverzichtbar war. Doch in dieser Woche ging alles gründlich durcheinander, und niemand musste erzählen, woran das lag. Jeder wusste Bescheid.

    Die Ursache waren natürlich die Heiligtümer von Cooriday.³

    Am 5. Cuchaan, also vor drei Tagen, hatte Rhonda auf der Suche nach Süßholzwurzeln unter einem Chuur-Busch einen in den Boden eingegrabenen und seit langem vergessenen tönernen Krug entdeckt und ihn geöffnet. In seinem Innern befanden sich unendliche Kostbarkeiten, mit denen man vermutlich ganze Häuserzeilen von Asmaar-Len hätte aufkaufen können – die legendären Heiligtümer von Cooriday, eine Fülle unglaublicher Schätze, die politische Turbulenzen auslösten und die gesamte Wochenplanung im Garten der Neeli durcheinander brachten.

    So kam es, dass alles aus dem Lot geriet: Weder fand nun noch Rhondas wöchentlicher Tanzunterricht statt, noch kam der Lehrer Lhentasch wie sonst einmal in der Woche, um den Kindern Lesen, Schreiben, Rechnen und Geschichtenerzählen beizubringen. Es sollten halt so wenige Leute wie nur irgend möglich von der Entdeckung der Schätze erfahren. Soweit war das ja auch alles nachvollziehbar.

    Allerdings, das war für die älteren Mädchen am schlimmsten, durften auch die anderen Kinder das Grundstück nicht mehr verlassen, um ja niemandem von dem Geheimnis zu verraten, das sie hier auf dem Grundstück gerade horteten. Solange, bis Panjit al Choor, der Herr des Hauses, die entscheidenden Personen in der Hierarchie Asmaar-Lens kontaktiert hatte, blieben die Mädchen sozusagen hier „eingesperrt. Jedes Beteuern, sie würden doch ganz, ganz, ganz schweigsam sein, war von Seiten der blonden Haushälterin Carina mit einem nachsichtigen Lächeln und Kopfschütteln bedacht worden. Keiner brauchte sich Illusionen hinzugeben – kein Mädchen würde den Mund halten können, wenn es mit solch einer Geschichte prahlen konnte! Da konnten sie noch soviel das Gegenteil beteuern. Sie hatten ja nicht mal gegenüber den Klientinnen „dichthalten können …

    Und wie das mit Mädchen eben so war, denen man auf diese Weise einen wesentlichen Teil ihres Wochenablaufs „gestohlen" hatte, so begannen sie sich natürlich zu langweilen. Wen sollte das auch wundern? Der Stabdienst wurde zwar oft genug als Arbeit verstanden und deshalb herrschte ein paar Stunden lang Erleichterung, als das Ausgehverbot ausgesprochen wurde … doch naturgemäß hielt das nicht lange. Der Frust, im Garten der Neeli eingesperrt zu sein, überwog schnell. Darum hatte die Haushälterin Carina ausdrücklich ihre Zustimmung signalisiert, an diesem Abend, dem Thau, unplanmäßig eine Feuerrunde abzuhalten.

    Glücklicherweise waren sogar Rhonda und die immer noch recht angeschlagene Francesca erschienen, so dass die Mädchen alle vollzählig versammelt waren. Die blonde Klientin Tatjana, im flackernden Lichtschein der Feuerschalen wie eine schöne Sagengestalt aus einer erotischen Archipellegende aussehend, hatte sich ebenso eingefunden wie ihre schlankere, dunklere Gefährtin Annette. Beide absolvierten leider zu einer ausgesprochen chaotischen Unzeit ihren Vorbereitungsdienst im Garten der Neeli. Denn durch Rhondas Fund war natürlich auch das wöchentliche Fest am Neel – übermorgen also – abgesagt worden. Das bedeutete: die beiden Klientinnen würden keine Gelegenheit bekommen, ihre artige Erziehung und ihre Liebesdienste den Festgästen vorzuführen, und sie konnten auf diese Weise natürlich auch kein Geld verdienen, um die durch die Ausbildung entstehenden Kosten zu verringern.

    Alles war halt etwas … ja … chaotisch eben.

    Ungewöhnlich fand das Mädchen Rhonda in diesem Durcheinander lediglich, dass Neijeke zugegen war. Wie ihre Gefährtin und Kollegin, die Köchin Hani, nahmen sie normalerweise nicht an einer Feuerrunde teil. Sie zeigten sich sonst ganz froh darüber, ein wenig Ruhe vor ihnen, den „turbulenten, anstrengenden Mädchen" zu haben, wie Neijeke sich gelegentlich halb ironisch ausdrückte. Und die Mädchen selbst waren ja auch gern unter sich …

    „Wie kommt es, dass du heute Abend hier bist?", murmelte das dunkelgelockte Mädchen. Rhonda hatte sich inzwischen neben Ces auf einer der quadratischen Decken niedergelassen.

    Neijeke seufzte. „Ich hätte vorhin nichts sagen sollen."

    Rhonda runzelte die Stirn. Doch selbst dieses Verziehen der Gesichtsphysiognomie vermochte ihr herzförmiges Antlitz nicht zu verunzieren. Rhonda, das blieb ganz unübersehbar, stellte einfach das schönste Kind im Garten der Neeli dar. Häufig wurde sie immer noch so genannt wie im vergangenen Jahr, als sie hier buchstäblich in den Garten „fiel – nämlich das „Gartenmädchen.⁵ Sie war überdies der kleine Schatz, die kindliche Geliebte der Haushälterin Carina, und auch das konnte niemanden verblüffen.

    „Du warst ja nicht dabei, Rhonda. Also, das war so …"

    „Erzähl es nicht jetzt schon! Nicht jetzt schon!, rief Ina plötzlich von ihrem Platz aus. Jetzt wurde klar, dass sie, ungeachtet ihres Frustes von eben, sorgfältig gelauscht haben musste. Und als Neijeke Rhonda Aufklärung geben wollte, wedelte Ina aufgeregt mit den dünnen Armen. „Bitte! Sag es, wenn ALLE zuhören! Du siehst doch, sie quasseln alle noch!

    In der Tat murmelten die versammelten Mädchen momentan noch durcheinander, aber so allmählich kam Ruhe in die Runde. Ulrica, erkennbar an dem langen, glatten und honigfarbenen Haar und ihren wasserblauen Augen – Rhondas beste Freundin, die nur wenig jünger als sie war – schenkte gerade dampfenden Tee aus. Das würzige Aroma wehte herüber und ließ Rhonda das Wasser im Munde zusammenlaufen. Es musste STUNDEN her sein, bildete sie sich ein, dass sie etwas Gescheites getrunken hatte.

    Neijeke schmunzelte bei Inas etwas schrillen Worten. Sie zuckte in komischer Verzweiflung mit den Schultern. „Du hörst es, Rhonda. Du musst dich noch einen Moment gedulden."

    „Ich denke, du musst was erzählen …"

    Die Köchin schaute die blasse Francesca an, die diese Worte nachdenklich gemurmelt hatte. Sie lächelte ihr freundlich zu. „Du bist scharfsinnig wie immer, meine Liebe. Du hast natürlich Recht."

    Damit nahm sie die beiden Tonbecher der Mädchen und ging zu Ulrica, um sie mit Tee füllen zu lassen.

    „Woher wusstest du DAS denn schon wieder?", wisperte Rhonda ihrer Freundin zu. Irgendwie sah oder nahm Ces Dinge wahr, die ihr entgingen. Und dabei war Ces nicht mal so alt wie sie. An Lebenserfahrung schien Francesca aber weit überlegen. Vielleicht lernte man als Tochter einer Dirne in einem Bordell einfach viel schneller als in einem Dorf an der Küste …

    Ces zuckte mit den Schultern und gab ebenso leise Antwort: „Gibt nicht viele Möglichkeiten. Für das Essen sorgt doch Rica. Das kann’s also nicht sein. Und so, wie Ina sich aufgeführt hat, kann es nur um etwas gehen, was Neijeke vorhin erlebt oder erzählt hat … aber frag mich nicht, was. Ich habe keine Ahnung."

    Die nächsten fünfzehn Minuten wurde auch keine Klarheit geschaffen. Die Mädchen begrüßten sich, als hätten sie einander – was natürlich absurd war – lange nicht mehr gesehen. Sie prosteten einander kichernd mit dem Kräutertee zu und reichten helles Brot mit weichen, leckeren Käsescheiben herum, die regen Zuspruch fanden und nicht zuletzt Rhonda und Ces für den Anfang sättigten. Erst im Anschluss an die erste Teerunde meldete sich Tanya, neben Francesca das dienstälteste Mädchen im Garten der Neeli zu Wort, und sie wandte sich sogleich an Neijeke.

    „Neijeke … du hast vorhin uns alle neugierig gemacht, als der Vogel kam. Und ich bin ganz sicher, mich erinnern zu können, dass du mir und Ces vor langer Zeit schon mal die Geschichte erzählt hast… ich meine, die Geschichte, die zu so einem Vogel gehört. Aber ich würde sie nicht mehr zusammen bekommen …"

    „Und Ces ist doch zu erschöpft, sie kann man jetzt nicht beanspruchen!", fügte Ina emsig hinzu. Ihre Blicke in Ces´ Richtung waren eindeutig mahnend: Sag nichts! Sag bloß nichts, wenn du was weißt! Verdirb nicht alles! Freu dich lieber, dass du nichts tun musst!

    Das kupferhaarige Mädchen zuckte kaum wahrnehmbar mit den Schultern.

    Rhonda fühlte sich immer noch nicht viel schlauer.

    Ein Vogel …? Was sollte das für ein Vogel sein? Und was gehörte dazu für eine Geschichte …? Da sie von Natur aus schrecklich neugierig war, mehr noch als gleichaltrige Mädchen, heizten die Andeutungen Rhondas Aufmerksamkeit nur an.

    Neijeke verschaffte ihnen rasch zumindest eine teilweise Aufklärung. „Ist ja schon gut, ihr Lieben. Ihr braucht mich gar nicht so sehr überreden. Dass unsere liebe Ces heute sicherlich erst mal geschont werden muss, ist ja völlig eindeutig. Ich werde euch die Geschichte also so gut erzählen, wie ich es kann… aber ihr wisst natürlich auch, dass ich das im Gegensatz zu euch nie gelernt habe. Und so sehr viel erzählen tue ich sonst auch nicht. Seid also ein bisschen geduldig und gnädig, ja?"

    Die Kinder kicherten ausgelassen. Da war doch nichts dabei, vor ihnen eine Geschichte zu erzählen… da musste Neijeke wirklich keinen solchen Aufstand machen.

    Dass sie sich dabei in diesem Moment etwas widersprüchlich verhielten, fiel den neugierigen Mädchen natürlich nicht auf – wenn sie nämlich selbst im Lhentasch-Unterricht vor allen anderen eine Legende zu wiederholen hatten, waren sie meist so schrecklich zerfahren und durcheinander, dass selbst einfachste Geschichten Schiffbruch erlitten und in verzweifeltem Gestotter endeten.

    Rhonda und Ces schauten sich bei den Worten der Köchin überrascht und fasziniert an. Die beiden Freundinnen hatten auf einmal, mit ein bisschen Verspätung, sehr ähnliche Gedanken und steckten wieder die Köpfe zusammen.

    „Vogel, sagen sie …"

    „Ja, ich hab’s gehört. Denkst du dasselbe wie ich?", wisperte Rhonda zurück. Ihr war ein Gedanke gekommen.

    „Bestimmt: Tiyaani!"

    „Oh, das wäre toll!"

    Tiyaani, die zweite Tochter der Göttin Neeli und des Sonnengottes Laraykos galt, soviel war Rhonda bislang bekannt, als die Schutzpatronin der kleinen tropischen Vögel.⁷ Viel mehr wusste sie von ihr allerdings noch nicht, nicht einmal, wie sie in den Ruf der Schutzpatronin gekommen sein mochte. Dazu gab es zweifellos ebenso eine Geschichte wie zur dritten Tochter der Neeli, der abenteuerlustigen Shareena, die die Schutzherrin der Sklavinnen war.⁸ Deren Hintergrundgeschichte, wie sie zu ihrer Bestimmung gekommen war, kannte das Gartenmädchen freilich schon. Die hatte Rhonda schlimm genug gefunden, aber auch extrem faszinierend.

    Die Vorstellung, jetzt aus Neijekes Mund mehr über die andere Neeli-Tochter Tiyaani zu erfahren, fand das Gartenmädchen daher einfach klasse! Sie war ganz Ohr.

    „Also, zunächst sollten wir vielleicht unsere eifrige Ina zu Wort kommen lassen …", überraschte die Köchin die versammelten Kinder mit ihrer nächsten Bemerkung. Insbesondere Ina saß auf einmal da, als hätte sie jemand am Boden festgeschmiedet. Mit offenem Mund und noch größeren Augen als sonst starrte sie völlig entgeistert Neijeke an, die schmunzelnd fortfuhr: „Denn der Anlass für all diese Dinge kam ja nicht von mir. Ich war nur tapsig genug, um eine dumme Bemerkung zu machen. Also, Ina, sag doch einfach mal Rhonda und Ces, die es ja nicht mitbekommen haben, was eigentlich heute Nachmittag passiert ist."

    „Ja … äh … also … äh …" Das überrumpelte Stabmädchen druckste erst ziemlich dumm herum, aber beharrliches Nachfragen und Insistieren seitens Neijekes sowie ein paar Ergänzungen von Ulrica brachten dann folgendes Geschehnis zum Vorschein:

    Heute am späten Nachmittag – etwa so gegen fünfzehn Uhr, wie Inas Freundin Janine eifrig sagte (sie habe angeblich auf die Sonnenuhr geschaut, aber das glaubte ihr niemand so recht. Vielleicht wollte sie sich einfach nur wichtig machen) – am späten Nachmittag irgendwann also, da hätten sich die Mädchen und die Klientinnen wie schon in den letzten Tagen an den beiden Teichen befunden und sich gelangweilt … als plötzlich ein Vogel auf dem gekachelten Rand des größeren Beckens landete.

    „Ein Vogel", echote Rhonda einfallslos.

    „Ja, ja", versicherte Ina eifrig. Sie sah Rhonda eindringlich an und erklärte dann, mit starker Betonung: „Aber nicht irgendein Vogel, Rhonda! Es war ein Smaragdvogel, echt wahr! Ein echter Smaragdvogel!"

    „Aha."

    Ina zog einen Flunsch, als sie begriff, dass diese Bemerkung so gar keinen Effekt auslöste. „Ach, Rhonda, du kapierst es nicht, nicht wahr? Du weißt nicht, was das bedeutet …?!"

    „Sie kennt doch die Tiyaani-Legende nicht", half Francesca freundlich aus, nicht ohne leicht rügenden Tonfall. Ina sollte sich bloß nicht so aufspielen! Im

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