Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Eine WG zum Verlieben (Band 2: Katrin)
Eine WG zum Verlieben (Band 2: Katrin)
Eine WG zum Verlieben (Band 2: Katrin)
eBook331 Seiten4 Stunden

Eine WG zum Verlieben (Band 2: Katrin)

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Polizistin Katrin Brant ist nach einer gescheiterten Beziehung mit Paula wieder Single und fest integriert in den Freundeskreis rund um die WG aus der Pfeiffstraße. Sie ist glücklich mit ihrem Leben und hält sich für eine gestandene Frau. Als Alex (mit der sie im ersten Band eine Affäre hatte) mit ihrer Freundin Nico in eine gemeinsame Wohnung zieht, sucht die WG eine neue Mitbewohnerin. Eine der Bewerberinnen ist die Journalistin Hanna Reuters, von der Katrin sofort fasziniert ist. Aber schnell stellt sich heraus, dass es nicht so einfach ist, diese Faszination zu leben ...
SpracheDeutsch
Herausgeberédition eles
Erscheinungsdatum29. Apr. 2013
ISBN9783941598843
Eine WG zum Verlieben (Band 2: Katrin)

Mehr von Corina Ehnert lesen

Ähnlich wie Eine WG zum Verlieben (Band 2

Titel in dieser Serie (3)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Lesbische Literatur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Eine WG zum Verlieben (Band 2

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Eine WG zum Verlieben (Band 2 - Corina Ehnert

    Corina Ehnert

    EINE WG ZUM VERLIEBEN

    Band 2

    »Katrin«

    Roman

    Originalausgabe:

    © 2010

    ePUB-Edition:

    © 2013

    édition el!es

    www.elles.de

    info@elles.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    ISBN 978-3-941598-84-3

    Kapitel 1

    Ich griff nach einer großen Kiste, die auf der Ladefläche des gemieteten Transporters stand. Als ich sie heraushievte, geriet ich ins Taumeln. Der Umzugskarton war höllisch schwer. Ich hatte bestimmt wieder Bücher erwischt, die ich in den fünften Stock tragen mußte. Seufzend wandte ich mich dem Haus zu.

    Ein Umzug ist niemals nur ein Einzug in eine neue Wohnung. Vielmehr ist er ein Übergang in einen anderen Lebensabschnitt. Man trägt zwar einen Teil der alten Gewohnheiten, sorgsam in Kisten verpackt, mit in das neue Domizil, doch hat sich längst ein Wandel vollzogen. Das eigene Leben hat sich verändert. Vielleicht rasant, vielleicht schleichend. Auf jeden Fall aber so grundlegend, daß es zur Ursache für einen Auszug wurde.

    Neubeginn hin oder her, Umziehen war leider vor allem eine schweißtreibende Angelegenheit. Außerdem haftete diesem Wohnungswechsel allenfalls ein Hauch von Veränderung für mich an. Denn nicht ich zog heute in diese nette Dachgeschoßwohnung. Seit Stunden schleppte ich die Sachen von Alex und Nico, die sich hier ihr neues Zuhause einrichteten.

    In meinem Leben war hingegen noch alles beim alten. Daß sich das bald ändern würde, ahnte ich nicht einmal. Ich dachte nur an die mir bevorstehenden Treppen. Denn wie das so ist: Wann der erste Stein ins Rollen kommt, bleibt meist unbemerkt. Es ist die Lawine, die wir nicht übersehen können. Geschweige denn aufhalten.

    Beladen wie ein Packesel schritt ich auf das Haus zu. Vielleicht zum fünfzigsten Mal an diesem Nachmittag, weshalb sich meine Arme anfühlten, als wären sie gut einen Meter länger geworden.

    An der Tür begegnete ich Franzi, die ihrerseits erschöpft dreinblickte. Sie trug heute ein schwarzes Rippshirt und besonders lässig sitzende Jeans. Ich schmunzelte. Franzi nutzte diese Umzugsaktion natürlich, um den Macho heraushängen zu lassen.

    »Schon wieder Bücher?« Sie deutete auf die Kiste in meinen Armen. Ich lächelte gequält. Franzi schob den Pappeinschlag des Kartons beiseite und rollte mit den Augen. »Wie viele von diesen Wälzern haben die denn, zum Teufel.«

    »Nico hat neulich sechshundertacht gezählt«, sagte Alex, die gerade aus dem Haus kam.

    Franzi zeigte ihr einen Vogel. »Sechshundert Stück! Ihr spinnt.«

    »Vielleicht.« Alex lachte. Dabei glänzten ihre wunderschönen, nachtgrauen Augen.

    Wahrscheinlich war es dieses Leuchten, in das ich mich ursprünglich verliebt hatte. Alex und ich hatten vor einer Weile eine Affäre miteinander. Beziehung konnte man das kurze Intermezzo zwischen uns beiden nicht nennen. Wir hatten ein einziges Mal das Bett geteilt und uns in wenigen Tagen mehr Nerven gekostet, als es so manches Paar in Jahren vollbrachte.

    Was uns heute verband, hatte nicht mehr viel mit diesem stürmischen Kennenlernen zu tun. Das anfängliche Interesse aneinander war letztendlich nur der Grundstein einer tiefen Freundschaft gewesen.

    »Ihr wißt gar nicht, wie dankbar ich euch allen bin«, sagte Alex.

    Wieder begegnete ich ihrem offenen Blick. Es ist unmöglich, sie nicht zu mögen, dachte ich.

    »Allen?« fragte Franzi. Dabei legte sich eine ärgerliche Falte auf ihre Stirn. »Wußtest du schon, daß sich deine Exfreundin gerade die Nägel lackiert, Katrin?«

    Ich seufzte. Paula hatte zwar im Gegensatz zu Alex tatsächlich die Bezeichnung Exfreundin verdient, aber unsere Beziehung war dennoch nichts anderes als ein drei Monate lang andauernder Irrtum gewesen. Länger hatten wir es nicht miteinander ausgehalten.

    Alex machte eine wegwerfende Handbewegung. »Paula wirst du nicht mehr ändern.«

    »Ich frage mich einfach nur, wie sie auf die Idee kommt, mit Stöckelschuhen . . .« Franzi ließ den Satz in der Luft hängen.

    »Nicht ärgern, Schatz«, sagte Sanny. Der kleine Wirbelwind mit den vielen Locken schlang von hinten die Arme um Franzi.

    »Du bist auch schwach und hilfst trotzdem mit.«

    »Schwach?« Sanny begann kurzerhand ihre Freundin zu kitzeln, so daß Franzi tatsächlich ein kleiner, hoher Quietscher entfleuchte.

    Ich verbiß mir das Lachen. Diese kurze Unbeherrschtheit empfand die überaus coole Franzi gewiß als schrecklich mädchenhaft.

    Sanny und Franzi waren ein ungleiches, aber glückliches Paar. Das einzige, was sie miteinander gemein hatten, war das Temperament. Sie stritten und liebten grundsätzlich italienisch.

    Alex zwinkerte mir zu. Wir dachten in diesem Augenblick wieder mal das Gleiche. »Ich rede Paula ins Gewissen«, sagte ich und trat mitsamt Umzugskarton ins Haus. Als ich die Wohnung im fünften Stock erreichte, war ich aus der Puste.

    »Allmählich gehen einem die Kräfte aus«, sagte Nicos große Schwester Laura, die aus der Wohnungstür gehuscht kam.

    »Die beiden wollten leider nicht Parterre wohnen«, rief ich Laura hinterher, die schon auf dem Weg nach unten war. Dieser Gedanke war mir mehrfach während der einhundertzehn Stufen auf dem Weg nach oben gekommen.

    Ich schleppte den Karton ins Wohnzimmer, wo später einmal die Bücherregale stehen sollten. Tatsächlich hatten Nico und Thea mittlerweile eines davon aufgebaut und knieten, mit Schraubenziehern bewaffnet, vor einem weiteren Bausatz. Paula war derweil dabei, lustlos die ersten Bücher einzuräumen. Ich mußte feststellen, daß ihre knallroten Fingernägel verdächtig frischlackiert aussahen. Langsam setzte ich die Umzugskiste ab.

    »Ist noch viel unten?« hörte ich Nicos sanfte Stimme.

    »Ich habe vorhin etwas von sechshundert Büchern gehört«, sagte ich und schenkte ihr ein Lächeln.

    Sie schaute sich verlegen im Raum um, der inzwischen vor Umzugskartons aus allen Nähten platzte. »Davon sind mehr als man glaubt von Alex.« Inzwischen überzog eine zarte Röte ihre Wangen.

    Nico war der Grund, weshalb aus Alex und mir am Ende kein Paar geworden war. Während ich mich mit jedem Tag unsterblicher in Alex verliebte, hatte sie ihr Herz längst an diese feingliedrige Schönheit verschenkt.

    »Ich gebe es ja zu«, hörte ich Alex sagen. Zwei Sekunden später stand sie mit einem weiteren Karton im Wohnzimmer. »Aber das sind zur Abwechslung mal keine Bücher, sondern der CD-Player.« Sie stellte die Umzugskiste ab.

    Zwischen dem Paar flogen verliebte Blicke hin und her. In Momenten wie diesem wußte ich, daß damals alles genau richtig gekommen war. Diese beiden gehörten einfach zusammen.

    »Billard um halb zehn, Heinrich Böll«, las Paula laut den Titel eines Buches vor, das sie gerade in den Händen hielt, und wandte den Kopf in Nicos Richtung. »So was liest du?« Sie reckte das Kinn.

    Ich sah, wie Thea mit der Arbeit innehielt und den Schraubenzieher weglegte. »Es würde dir auch nicht schaden, das eine oder andere Buch aus diesen Kartons zu lesen, liebe Paula. Aber vielleicht begnügst du dich vorerst damit, sie mit ein bißchen mehr Elan in das Regal einzusortieren.«

    Thea war gereizt. Ein untrügliches Warnsignal für Paula, den Bogen nicht noch weiter zu spannen. Denn es kam selten vor, daß die ruhige Thea aus der Haut fuhr. Vermutlich war es ausschließlich ihr zu verdanken gewesen, daß die WG bis zu Alex’ Auszug harmonisch zusammengelebt hatte. Bei dem bunt zusammengewürfelten Haufen, den Franzi, Paula, Thea und Alex abgegeben hatten, war das keinesfalls eine Selbstverständlichkeit gewesen. Aber die WG würde es in dieser Konstellation fortan nicht mehr geben. Ich war gespannt, wer demnächst das freigewordene Zimmer beziehen würde. Soweit ich wußte, hatte Alex ein Inserat in der Stadtzeitung aufgegeben.

    »Habt ihr schon einen Nachmieter?« fragte ich in die Runde und beobachtete, wie Paula beleidigt die Lippen aufeinanderpreßte. Wortlos stellte sie das Buch ins Regal.

    »Nein, noch nicht«, sagte Alex indessen, »aber morgen abend kommen ein paar Interessentinnen, um sich das Zimmer anzusehen.«

    »Redet ihr über das Casting?« Franzi kam gleich mit zwei Kisten beladen ins Wohnzimmer. Auf ihren Armen traten straffe Muskeln zum Vorschein.

    »Was für ein Casting?« fragte ich, während Franzi sich der Kartons entledigte.

    Thea räusperte sich übertrieben. »Irgend jemand ist auf die geniale Idee gekommen, alle Interessentinnen gleichzeitig einzuladen, damit wir einen direkten Vergleich zwischen ihnen ziehen können.« Sie sah mißbilligend in Franzis Richtung.

    »Ich finde, Franzi hat das hervorragend arrangiert; so haben wir kaum Scherereien. Ein Abend und die Sache ist gelaufen«, sagte Paula.

    Hätte ich sie nicht besser gekannt, hätte ich ihr das geglaubt. Doch obwohl sie gerade vollkommenes Desinteresse zeigte, war ihr bei dem Gedanken an eine neue Mitbewohnerin bestimmt mulmig zumute. Paula war in Wahrheit wahnsinnig liebesbedürftig. Sie würde es kaum ertragen, anstelle der sensiblen Alex vielleicht mit einem reservierten Eisklotz unter einem Dach leben zu müssen.

    Ich suchte Paulas Blick. Als sie mich ansah, schenkte ich ihr ein Lächeln. Paula lächelte zurück. Sehnsuchtsvoll.

    Es rumpelte im Flur, und ich wandte den Kopf. Sanny hatte den Lärm verursacht, sie mußte soeben einen der Kartons fallengelassen haben. »Nichts passiert, waren nur Bücher.« Schwer atmend kam sie herein und stellte den ramponierten Umzugskarton demonstrativ mitten im Zimmer ab. »Das hier ist der letzte.« Sie hockte sich auf die Kiste.

    »Und wo ist Laura?« fragte Nico. Vorhin war Nicos Schwester auf dem Weg nach unten gewesen; Sanny war jedoch allein in die Wohnung zurückgekehrt.

    »Sie gibt den Transporter bei der Autovermietung ab«, sagte Sanny.

    »Tja, dann sind wir dich jetzt endlich los.« Franzi boxte Alex sachte gegen die Schulter.

    »Wartet bloß ab, was für einen Drachen ihr am Ende als neue Mitbewohnerin bekommt.« Alex hob warnend den Zeigefinger.

    Paula strich nervös eine Falte an ihrem Rock glatt. Es würde schwierig werden, jemanden zu finden, der genauso umgänglich war wie Alex.

    »Also, die neue Mitbewohnerin muß schon gewisse Maßstäbe erfüllen, damit wir sie aufnehmen.« Franzi grinste frech.

    In Nicos grünen Augen funkelte es amüsiert. »Laß mich raten: blond, Beine bis zum Hals und mindestens Körbchengröße Doppel-D?«

    »Nichts da, mit Beinen bis zum Hals«, sagte Sanny empört, allerdings mit nur gespielter Eifersucht; Franzi war ihr bedingungslos treu. Eine Eigenschaft, die sie nicht immer ihr eigen genannt hatte.

    »Gut, daß du das nicht entscheiden wirst, Liebling. Sonst hätten wir sicherlich eine alte, häßliche Schabracke am Hals.«

    Sanny schnappte nach Luft, wurde aber sogleich von Franzi in die Arme geschlossen. »Ich mag kleine Frauen sowieso viel lieber«, flüsterte sie zärtlich an Sannys Ohr.

    »Welche Entscheidungskriterien legt ihr denn zugrunde, wenn ich fragen darf?« mischte ich mich in die Diskussion ein. Die Idee, ein Casting zu veranstalten, war mir suspekt.

    »Ich dachte mir, daß Alex unseren Anwärterinnen zunächst das Zimmer zeigt, und wir uns dann in der Küche zu einer Vorstellungsrunde zusammensetzen«, erläuterte Franzi den geplanten Ablauf der Zimmervergabe. »Na ja, und diejenige, die Thea, Paula und mir am sympathischsten erscheint und vielleicht nicht aussieht wie Shrek, macht das Rennen.«

    »Ich bin gar nicht stimmberechtigt.« Seufzend setzte sich Alex zu Nico auf den Boden, die ihren Kopf an Alex’ Schulter lehnte. Ein ganz klein wenig trauerte offenbar auch Alex der turbulenten Zeit mit der WG nach.

    Nico strich ihr sanft durchs Haar. »Vielleicht tröstet es dich, daß Sanny und ich auch nicht mitentscheiden dürfen.«

    »Verstehe ich das richtig, daß ihr alle bei diesem Casting dabei sein werdet?« Ich deutete in die Runde. Ich stellte es mir schrecklich vor, nichts Böses ahnend zu einer Wohnungsbesichtigung zu kommen und plötzlich von sechs Frauen ins Kreuzverhör genommen zu werden.

    Sanny nickte verlegen. »Ich bin so schrecklich neugierig.«

    »Du könntest auch ein bißchen spannen«, sagte Franzi.

    Meine Stirn legte sich schlagartig in skeptische Falten. »Ich glaube, das wäre ein bißchen zuviel des Guten.«

    »Oder du könntest dich als Anwärterin für das Zimmer ausgeben«, spann Paula sofort die Idee weiter, »und den anderen Bewerberinnen heimlich auf den Zahn fühlen.« Ihr Blick war flehend.

    Sie vertraute auf meine Menschenkenntnis. Doch hatte ich nicht die Absicht, an diesem Casting in irgendeiner Weise teilzunehmen. Weder verdeckt noch als ich selbst. Die Angelegenheit ging mich nichts an. Ich sah noch einmal zu Paula. Warum kann sie nur so traurig gucken? Ich zögerte mit meiner Antwort.

    »Wäre sicherlich spaßig«, sagte Franzi.

    Alex verzog das Gesicht. »Ich halte nichts davon, sich für jemanden auszugeben, der man nicht ist. Das bringt Unglück.«

    Alex und Nico hatten sich bei einem Blind Date kennengelernt. Allerdings nur, weil Alex sich notgedrungen an diesem Abend als Paula ausgegeben hatte, mit der Nico in Wahrheit verabredet gewesen war.

    Ich sah zu dem verliebten Paar herüber und mußte schmunzeln. »Na, wenn Unglück so aussieht.«

    Alle lachten.

    »Du machst es!« interpretierte Paula meine Aussage vollkommen falsch. Sie strahlte, als hätte sie im Lotto gewonnen.

    Ich sog die Luft ein und bereitete mich innerlich auf die Enttäuschung vor, die ich gleich in ihrem Gesicht sehen würde.

    »Wir haben die anderen auf halb sieben bestellt, schaffst du das?« fragte Franzi.

    Ich atmete nur heftig aus, anstatt Paula zurückzuweisen. »Halb sieben?« Ich fühlte mich Theas durchdringendem Blick ausgesetzt. Daß sie meine Entscheidung mißbilligen würde, wußte ich, noch bevor ich antwortete: »Ich werde pünktlich sein.«

    »Wie immer«, sagte Alex.

    Ja, ich war immer pünktlich. Normalerweise besaß ich auch Prinzipien und ein gefestigtes Verständnis von Moral. Aber diese würde ich morgen abend zurückstellen, um Paula beizustehen. Denn bei ihrem Anblick meldete sich mein Beschützerinstinkt zu Wort.

    Theas Lippen kräuselten sich, aber sie ließ sich zu keinem Kommentar hinreißen. Ihr offensichtliches Mißfallen war für mich Bestrafung genug.

    Bevor ich ein gänzlich schlechtes Gewissen bekommen konnte, kehrte Laura zurück. »He, Mädels!« rief sie und betrat mit einem Getränkekasten das Wohnzimmer. »Ich dachte, ihr habt nach der ganzen Schufterei vielleicht Durst.« Sie stellte die mitgebrachte Bionade ab.

    »Kein Bier?« Franzi klang ein wenig enttäuscht.

    Laura nahm dennoch ohne Verdruß die erste Flasche aus dem Kasten. »Das schont Gehirnzellen.« Ohne Vorwarnung warf sie Franzi die Flasche zu. Perplex fing diese die Bionade auf und vergaß anschließend vor lauter Überraschung sich über die Bemerkung zu ärgern.

    »Du bist die Beste«, sagte Nico und streckte die Arme nach ihrer Schwester aus, um sie zu drücken.

    »Zur Feier des Tages. Jetzt habe ich die Wohnung für mich allein.« Laura umarmte Nico.

    »Wie mir scheint, sind wir bei unseren Mitmenschen nicht sonderlich beliebt«, sagte Nico, als sie sich wieder losgelassen hatten, und sah Alex tief in die Augen.

    »Das macht nichts, wir haben ja uns.« Alex gab ihr einen winzigen Kuß auf die Lippen.

    »Ich glaube, wir gehen jetzt lieber!« tönte Franzi, die inzwischen an ihrer Bionade nuckelte.

    Nicos Aufmerksamkeit gehörte weiterhin allein Alex, als sie antwortete: »Kommt nicht in Frage, ihr müßt uns noch helfen, das Bett aufzubauen.«

    »Ich bin deine große Schwester, davon will ich nichts wissen.« Laura hielt sich demonstrativ die Ohren zu.

    »Die paar lockeren Schrauben am Bett werden kein Problem sein«, sagte ich und sah mich im Raum um. Die lockeren Schrauben in den anwesenden Köpfen würde wohl niemand mehr festgezogen bekommen.

    Ich hatte in der Vergangenheit schon häufig Wohnungen besichtigt, mich mit Vermietern unterhalten und Einkommensnachweise präsentiert, aber ich hatte mich noch nie um einen Platz in einer WG beworben. Auch wenn ich in Wahrheit nicht vorhatte, in Alex’ ehemaliges Zimmer einzuziehen, war ich aufgeregter als vor einem Rendezvous.

    Natürlich war ich es als Kriminalkommissarin gewöhnt, Nachforschungen anzustellen und Verdächtigen Informationen zu entlocken, aber dies geschah in Verhören. Verdeckt hatte ich noch nie ermittelt. Daß die Premiere ausgerechnet in meinem Privatleben stattfinden würde, hatte ich mir auch nicht erträumt.

    Als ich im Badezimmer nervös vor dem Spiegel auf und ab ging, bereute ich bereits, in diesen Plan eingewilligt zu haben. Hektisch zupfte ich am Kragen meiner dunklen Bluse herum. Wie sieht man aus, wenn man vorhat, seine zukünftigen Mitbewohnerinnen kennenzulernen? Leger oder seriös? Ich hatte mich für letzteres entschieden. Wahrscheinlich weil ich mich immer korrekt kleidete, wenn ich im Dienst war. Die Aufgabe, die ich heute zu bewältigen hatte, kam meiner Arbeit zumindest nahe.

    Unruhig wandte ich mich vom Spiegel ab und warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Dreizehn Minuten nach sechs. Ich lag perfekt in der Zeit.

    Auf dem Weg zum Schuhregal beschloß ich, Turnschuhe zu tragen. Darin wirkten alle Menschen weniger bedrohlich. Ich zog ein modisches Paar an, warf mir meine Lederjacke über die Schulter und schnappte den Autoschlüssel von der Kommode. Noch ein Blick auf die Uhr. Viertel nach sechs. Ich verließ das Haus.

    Während der Fahrt meldete sich die Aufregung. Ich war mir sicher, meine Rolle halbwegs überzeugend spielen zu können, aber würde das den anderen gelingen? So sehr ich es mir wünschte, aber ich hatte diesbezüglich Zweifel. Sechs Frauen, und keine einzige von ihnen sollte sich verplappern?

    Ich parkte mein Auto vor dem Haus in der Pfeiffstraße und zog die Handbremse besonders fest an. Achtzehn Uhr siebenundzwanzig. Ich stieg aus und machte mich auf den Weg. Ich nahm mir vor, niemanden mit Namen anzusprechen. Kein Mensch konnte sich so viele Namen merken, wenn er sie bloß ein einziges Mal gehört hatte. Ein ›du‹ war unverbindlicher.

    Ich drückte kurz auf den Klingelknopf, prompt wurde mir geöffnet. Normalerweise mußte ich eine halbe Ewigkeit ausharren, bevor sich eine der Damen erbarmte und die Tür aufmachte. Ich stieg die Treppenstufen hinauf in den dritten Stock. Hundertmal war ich diesen Weg schon gegangen, man hätte mich als Freundin des Hauses bezeichnen können. Heute mußte ich eine Fremde sein.

    An der Tür empfing mich Franzi. »Hi! Komm rein. Ich bin Franzi.« Sie sah auf die Uhr. »Bist du immer so pünktlich?« fragte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich war beeindruckt. Sie war eine bessere Schauspielerin, als ich erwartet hatte.

    »Ich heiße Katrin, und ja, ich bemühe mich um Pünktlichkeit.« Ich betrat die Wohnung und ließ den Blick umherschweifen, als stünde ich zum ersten Mal in diesem Flur.

    »Wenn du möchtest, kannst du deine Jacke hier ablegen.« Franzi deutete auf die Garderobe. Ich hängte meine Lederjacke über einen der Haken. Die Situation hatte etwas Groteskes, aber inzwischen war ich gezwungen, den Plan durchzuziehen. Seitdem ich den ersten Schritt in diese Wohnung gesetzt hatte, gab es kein Zurück mehr.

    »Es wollten sich heute noch ein paar andere das freie Zimmer ansehen. Zwei sind bereits auf Besichtigungstour. Vielleicht möchtest du dich anschließen?« Franzi wies auf Alex’ Zimmertür.

    »Gern.« Ich ließ mich von ihr den Flur entlangführen. Im Vorbeigehen erhaschte ich einen Blick in die Küche, wo Paula, Thea, Sanny und Nico wie die Hühner auf der Stange warteten. Der unangenehme Teil dieses Abends stand mir erst später bevor. Wir betraten das leer geräumte Zimmer.

    Alex stand mit zwei Frauen, die etwa Mitte zwanzig waren, vor dem Fenster und plauderte. »Hallo«, sagte sie, als sie uns hereinkommen sah und ging auf mich zu. »Ich bin Alex. Wir hatten telefoniert?« Sie reichte mir die Hand.

    Schauspielkönigin Nummer zwei, dachte ich klammheimlich und erwiderte den Händedruck. »Katrin, hallo.« Ich tat so, als würde ich erste Eindrücke vom Zimmer sammeln. In Wahrheit beäugte ich die zwei Anwärterinnen. Es handelte sich um eine aparte Brünette mit vollen Lippen und langen Beinen und eine biedere Blondine. Welche der beiden in Franzis Augen die Nase vorn hatte, war offensichtlich.

    »Fehlt noch jemand?« fragte Alex.

    Franzi nickte. »Eine müßte eigentlich noch kommen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Kann ja nicht jede so pünktlich sein.« Sie schenkte mir ihr charmantestes Lächeln.

    Ich grinste schief. »Ich schaue mich mal um«, sagte ich und drehte den beiden den Rücken zu. Mit langen Schritten durchquerte ich das Zimmer. Im Grunde kannte ich jeden Quadratzentimeter hier drinnen. Alex und ich hatten im letzten Jahr unzählige Stunden miteinander in diesen vier Wänden verbracht. Allerdings hatte ich den Raum niemals zuvor so ordentlich gesehen. Alex war, gelinde ausgedrückt, eine Chaotin, aber sie hatte das Zimmer immerhin besenrein hinterlassen.

    Ein Klopfen an der Tür riß mich aus meinen Gedanken. »Ich weiß, ich bin zu spät«, hörte ich eine energische Frauenstimme rufen.

    Was ich sah, erinnerte mich im ersten Augenblick an einen verwegenen Straßenköter. Im Disneyfilm hätte sie sicherlich Strolch verkörpert. Auf der Türschwelle stand eine junge Frau, die die Energie aller Duracell-Hasen dieser Erde ausstrahlte. Und diese Frisur! Ihre kurzen, dunkelblonden Haare standen in alle Richtungen ab. Ich hatte nicht gewußt, daß zerzaust derart attraktiv aussehen konnte. Dennoch war ich mir sicher, daß sie jede einzelne Strähne vor dem Spiegel sorgsam zurechtgelegt hatte. Schlagartig war ich so gefesselt von ihr, daß ich meinen Blick nicht abwenden konnte.

    »Besser spät als nie«, sagte Alex zu Strolch und winkte sie in den Raum. »Du kannst dich gern in aller Ruhe umsehen.«

    Sie betrat das Zimmer und ließ die Tür offenstehen. »Was für ein Hochbetrieb.« Ihr Blick schweifte neugierig durch den Raum. »Ihr wohnt aber nicht wirklich alle hier, oder?«

    »Nein, das tu’ nur ich«, sagte Franzi. »Alex zieht aus, die anderen besichtigen.«

    Strolchs Augenbraue schnellte in aufreizendem Bogen nach oben. »Und in der Küche?« Sie zeigte mit dem Daumen hinter sich.

    »Zwei der Hühner haben hier ein Zimmer, die beiden hübscheren sind unsere Mädels.« Franzi grinste und erntete dafür von Alex einen Stoß mit dem Ellenbogen.

    »Aber wir hatten vor, uns später zu einer Vorstellungsrunde zusammenzusetzen«, sagte Alex, »und falls du Fragen zur Wohnung hast, sprich mich einfach an.«

    Als Antwort erhielt Alex ein Lächeln. Dabei zeichneten sich um Strolchs Augen feine Fältchen ab. Sie lachte wohl viel. »Ich komme darauf zurück.« Das Energiebündel begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie besah sich die Fenster, Decke, Boden, Leisten; ihrem aufmerksamen Blick schien nichts zu entgehen.

    Wir besichtigten nach und nach die gesamte Wohnung. Während Alex uns in einem kleinen Rundgang von Raum zu Raum führte und die drei Bewerberinnen Eindrücke sammelten, war ich dabei, Strolch zu beobachten. Und das aus nächster Nähe, denn aus unerfindlichen Gründen stand sie immer neben mir. Oder ich neben ihr?

    Vielleicht hatte mich wirklich etwas zu ihr hingezogen. Sie verströmte eine Energie, die alle Elektronen in der Luft zum Schwingen brachte, sie geradezu statisch auflud. Strolch selbst schien dagegen in sich zu ruhen. Mit Interesse lauschte sie Alex’ Erklärungen und stellte hier und da Fragen. Alsbald waren die beiden nur noch im Zwiegespräch, die anderen Interessentinnen hielten sich zurück. Auch ich war aus der Unterhaltung ausgestiegen. Irgendwie hatte ich den Faden verloren. Indessen schien sich die Ladung in der Luft auf mich übertragen zu haben. Woher sonst kam dieses Kribbeln, das sich, ausgehend von meinem Magen, in alle Körperregionen ausbreitete?

    Nach dem Rundgang fanden wir uns in der Küche zur angekündigten Kennenlernrunde ein. Ich quetschte mich zusammen mit der Brünetten und der Blondine zu Thea, Sanny und Paula an den Küchentisch. Alex hockte sich zu Nico auf die Fensterbank, ihrem Stammplatz. Strolch allerdings scheute sich nicht, es Franzi gleichzutun und sich kurzerhand auf die Arbeitsplatte der Küchenzeile zu setzen. Als würde sie hier schon wohnen.

    »Wir haben uns gedacht, daß vielleicht reihum jede ein paar Worte zu sich selbst sagt«, eröffnete Franzi die Vorstellungsrunde und wies einladend in den Raum. »Möchte jemand anfangen?«

    Als erste ergriff die Brünette das Wort: »‘allo, meine Name ist Aurelie, wie Aubergine. Ich bin in Frankreich geboren und ernähre mich ausschließlich vegan. Dazu muß ich sagen, ich habe ein kleines Problem mit totem Tier im Kühlschrank.«

    Obwohl Aurelie jedes Wort mit einem hinreißend französischen Akzent aussprach, den Franzi eigentlich hätte lieben müssen, spiegelte sich wenig Begeisterung in

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1