Das ausgeplünderte System
Von Uwe Lammers
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Über dieses E-Book
Am Ziel machen die Raumfahrer erschreckende Entdeckungen - doch ein Zurück gibt es nicht mehr...
Dies ist Band 2 der Science Fiction-Serie "Oki Stanwer und das Terrorimperium" (TI) von Uwe Lammers.
Der ideale Einstieg in den Oki Stanwer Mythos (OSM).
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Buchvorschau
Das ausgeplünderte System - Uwe Lammers
1. Zyklus: „Oki Stanwer und das Terrorimperium"
Band 2
Das ausgeplünderte System
[1]
Mit der GHANTUURON im System der Minen.
Was bisher geschah: Das kleine Sternenreich des humanoiden Volkes der Yantihni am Rande der Kleingalaxis Twennar ist seit 440 Jahren auf der Suche nach weiteren Kontakten mit fremden Völkern. Bislang wurden aber lediglich ausgestorbene Zivilisationen entdeckt.
Als die hoch angesehene Sternenforscherin Sianlee stirbt und ihre Studentin Nayeen als Nachlassverwalterin einsetzt, muss diese ein entsetzliches Geheimnis erkennen: Sianlee, die immer die Auffassung vertreten hat, draußen gäbe es keine lebendigen intelligenten Kulturen mehr, hat in einer Hinsicht gezielte Desinformation betrieben. In einem Sonnensystem, das sie aus ihren Katalogen gestrichen hat, fand sie sehr reale und nicht allzu alte Spuren einer machtvollen außeryantihnischen Rasse, der niemand mehr folgen soll.[2] Doch ihr Rat wird nicht befolgt. Stattdessen schickt der Rat der Yantihni eine Expedition in das ausgeplünderte System...
1. Teil
Prolog: Bebenwellen I
Wissenschaftswelt Shoylon, 129 Lichtjahre von Rilecohr entfernt, 2. Nuursh 440
Der Alarmton jaulte durch das Großraumbüro der Wissenschaftlerin rüstigen Sternenforscherin Siyalan, als sie gerade den Moment der Ruhe nach ausgiebigen Instruktionen an ihre Untergebenen genießen wollte und den Blick dabei über die in gleißendem Sonnenlicht daliegende Kakteenlandschaft acht Stockwerke tiefer schweifen ließ. Die vereinzelten Hochhausbauten der Wissenschaftsinstitute der Verwaltungsmetropole Ansagoy dazwischen ignorierte sie standardmäßig.
Die hagere, immer etwas verhungert wirkende Siyalan fuhr bei dem unerwarteten Laut erschrocken zusammen und fasste sich die bekittelte Brust. „Gütiger Quin … diese Signaleinstellung wird mich noch einmal umbringen!"
Sie reckte ihren Hals und schrie einen Moment später durch den fast dreißig Neen langen Saal, an dessen linker Seite eine breite Glasfront helles Licht des späten Vormittags einfallen ließ, hinweg über die Köpfe ihrer drei männlichen Wissenschaftsadepten, die dabei zusammenfuhren: „Gaa! Ich habe dir schon tausendmal gesagt, du sollst diesen verfluchten Signalton leiser stellen!"
„Ich bitte tausendmal um Verzeihung, Forscherin Siyalan", meldete sich sogleich entschuldigend die Künstliche Intelligenz des Labors des Technikzentrums, die auf diesen Namen hörte. „Üblicherweise respektiere ich Ihre Entscheidung voll und ganz und entspreche ihr selbstverständlich, aber diesmal habe ich die Lautstärke mit voller Absicht so belassen …"
„So! Du willst mich also doch umbringen!", schnaufte sie wütend. Als sie ein dezentes, sofort verstummendes Kichern aus den Tischreihen hörte, flog ihr Kopf zornig herum. Sie wusste sofort, wer das war. „Und Sie, Adept Trengin, DENKEN nicht mal daran, dass das irgendwie … vergnüglich gewesen sein könnte, ja? Ich lasse mir von Ihnen nicht immerzu auf der Nase herumtanzen! Sie melden sich nachher bei mir!"
Der junge Mann verstummte sofort und schrumpfte unter ihrem stechenden Blick verschüchtert zusammen. Er war schon verschiedene Male wegen unangemessenen Verhaltens aufgefallen und saß nicht ohne Grund in diesem Zusatz-Praxiskursus.
Die KI machte sich wieder bemerkbar. „Forscherin Siyalan, darf ich Ihre Aufmerksamkeit bitte auf den Grund meiner akustischen Benachrichtigung lenken?"
Schnaubend wandte die grauhaarige Forscherin sich wieder zu dem funkelnden Punkt am Hauptpult des rechteckigen Saales um, auch wenn sie genau wusste, dass die Wahrnehmungssensoren der KI über den gesamten Raum verteilt waren und es ganz egal blieb, in welche Richtung sie sprach. Sie hatte sich an diese dezentrale Vernetzung noch nicht gewöhnt. Das gehörte zu einem neuartigen technischen Konzept, das erst zwei Jahre alt war und hier auf Shoylon entwickelt worden war, um frühestens in den Jahren 442 oder 443 den allgemeinen yantihnischen Wohnungsstandard darzustellen. Siyalan war nicht davon überzeugt, dass dieses dezentrale Konzept überhaupt ein Fortschritt war … aber vielleicht war sie darin auch nur altmodisch.
„Na schön, gab sie nach. „Ich hoffe sehr, dass diese Störung einen bedeutsamen Grund hat. Erzähl schon, was du auf dem Herzen hast!
Das war natürlich auch altmodisch, weil KIs nun einmal kein Herz besaßen, aber … nun, gütiger Quin, sie WAR eben auch mit ihren 62 Jahren nicht eben mehr jung. Und richtig glücklich war Siyalan auf Shoylon noch nie gewesen … immerhin hatte sie in der Spiralakademie in glanzvolleren Tagen den Beruf der Sternenforscherin gelernt, damals, als die bewunderte Sianlee noch voll und ganz hinter dem Raumfahrtprogramm der Fernexploration stand. Selbstverständlich hatte Siyalan sich nicht in ihren kühnsten Alpträumen vorstellen können, dass ausgerechnet Sianlee schließlich ihre Beförderung (Siyalan nannte es heute noch manchmal „Deportation") nach Shoylon befürwortete.
Sie kam sich abgeschoben vor. Auch heute noch, nach Jahrzehnten!
Statt zwischen fernen Sternen aufregende Entdeckungen machen zu können, vielleicht fremde Völker zu finden – wovon JEDER Sternenforscher träumte, und dass das selbst Sianlees früherer Traum gewesen war, wusste Siyalan nur zu gut –, statt dass Sonnensysteme, Monde, Planeten oder sonstige stellare Phänomene einstmals ihren Namen tragen würden, hatte Siyalan das Kommando zu führen über Wissenschaftsadepten, die sich mit so albernen Dingen beschäftigten wie der Optimierung von Einrichtungsdesign yantihnischer Wohnungen oder – günstigstenfalls! – von Nahflug-Raumverbindungsfahrgastzellen.
Gütiger Quin … welch ein Abstieg!
Sie kam sich nicht nur auf ein Abstellgleis geschoben vor, sondern sie WAR es!
Eine glitzernde Formenergiewand wuchs aus dem Präsentationstisch an der Stirnseite des Raumes. Darauf funkelte eine reliefartig gestaltete Darstellung der Galaxis Twennar, wie man sie von Shoylon aus zu sehen bekam. Eine blaue, zittrige Linie durchzog sie, und Siyalan wusste sofort, was das bedeutete. Die Linie war hellblau, viel blauer als sonst. Ihr Zorn verrauchte auf der Stelle.
„Gütiger Quin!", flüsterte sie.
Alle Anwesenden im Raum starrten die Abbildung ebenfalls an. Sie kannten sie, ja … aber die Farbe der Linie war verwandelt, gründlich verwandelt.
„Ein Beben!"
„Ja, Forscherin Siyalan. Deshalb habe ich Sie alarmiert."
„Wie weit entfernt?" Ihr alter Instinkt als Sternenforscherin wurde sofort wieder wach. Das Geheimnis der Beben war nie gelöst worden – und diese verdammte Sianlee hatte das auch gar nicht mehr interessiert! Siyalan begriff das bis heute nicht.
„Das ist nicht ganz konkret zu sagen. Die Sensordaten, die bei uns bislang eingegangen sind, sprechen von etwa 2410 bis 2475 Lichtjahren", sagte die KI beflissen, die den schwunghaften Wechsel im Temperament der Forscherin nicht weiter kommentierte. Sie arbeitete schon seit ein paar Jahren mit Siyalan zusammen und war das gewöhnt.
„Zeitpunkt der Eruption?"
„Zweiter Nuursh 440 yantihnische Zeitrechnung, 14.12 Uhr."
Siyalan schaute auf die Uhr. Es war 14.26 Uhr.
Die hyperenergetische Schockwelle des rätselhaften kosmischen Bebens hatte keine Viertelstunde bis Shoylon gebraucht. Über 2400 Lichtjahre Distanz! Phantastisch. Das war wirklich nur noch phantastisch!
Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, und es war völlig unumgänglich, dass sie in Gedanken zurückreiste bis zu dem Zeitpunkt, da die ersten Hypermessgeräte dieses Phänomen erstmalig ausfindig machten.
Der selige, lange wieder zu Licht gewordene Antriebstechniker Yolaan, mit dessen Wirken die neue yantihnische Zeitrechnungsepoche aus plausiblen Gründen wieder auf Null zurückgestellt worden war, hatte vor mehr als vierhundert Jahren die realistische Vermutung ausgesprochen, dass die Tiefen von Twennar Erkenntnisse für ihr Volk bereithalten könnten, von denen sie sich zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Vorstellung machten.
Damals war das nur ein wissenschaftlicher Allgemeinposten gewesen. Notwendig, denn Yolaan formulierte diesen Gedanken so allgemein, wie er auch als Wissenschaftler vorsichtig gewesen war.
In den Folgejahrhunderten, der Sturm- und Drangzeit der yantihnischen Raumfahrt, gab es zahlreiche Entdeckungen, die die Sternenforscher zumeist im direkten Umfeld von Rilecohr machten. Bis zum Jahre 348 neuer Zeitrechnung wurden nicht weniger als 62 besiedelbare Planeten im Umkreis von zweihundert Lichtjahren um Yinihr erkundet und nach und nach durch kleine Kolonialgründungen erschlossen. Eine der am weitesten vorgeschobenen Welten war dabei Shoylon – eine steppenhafte Welt mit tektonisch ruhiger Struktur, die sich dadurch auszeichnete, dass sie über enorme unterirdische Reservoire an Wasser verfügte und über ein atemberaubend ausgedehntes Netz unterirdischer Flüsse. Außerdem war der Planet reich an Metallen, was dann den Raumflugkontakt hierher rasch sehr stark intensivierte. Dass Shoylon schließlich zur Haupttechnologiewelt des yantihnischen Reiches wurde, als die Umweltschutzauflagen auf Rilecohr die fast vollständige Renaturierung der Heimatwelt vorschrieben, lag einfach auf der Hand.
In all diesen Jahren und Jahrhunderten blieb das Diktum Yolaans in Geltung, doch erst an der Schwelle zum 5. yantihnischen Jahrhundert moderner Zeitrechnung, im Jahre 392, wurden die so genannten Hyperscanner aufgestellt – moderne Lauschgeräte, mit denen insbesondere nach extrayantihnischen Zivilisationen gehorcht werden sollte. Denn um der Wahrheit die Ehre zu geben – inzwischen gab es eine starke Opposition gegen die Tendenz der Sternenforscher, immer weiter ins unbekannte Niemandsland von Twennar hinauszufliegen, gewissermaßen „im Dunkeln zu stochern". Das hing natürlich mit den Kosten zusammen.
Die charismatischste und energischste