Rätselhafte Retter
Von Uwe Lammers
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Über dieses E-Book
Die Aktivierung der extrayantihnischen Maschinerie auf dem Planeten „Vhentars Grab“ hat einen Kreislauf der Zerstörung ausgelöst, und die yantihnischen Raumfahrer der GHANTUURON befinden sich in lebensbedrohlicher Situation wieder, scheinbar der sicheren Vernichtung ausgeliefert... doch da taucht ein unbekanntes Raumschiff auf...
Dies ist Episode 7 der OSM-Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ von Uwe Lammers.
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Buchvorschau
Rätselhafte Retter - Uwe Lammers
1. Zyklus: „Oki Stanwer und das Terrorimperium"
Band 7
Rätselhafte Retter
[1]
Dramatische Ereignisse im System Sianlees Rast.
Was bisher geschah: Das kleine Sternenreich des humanoiden Volkes der Yantihni am Rande der Kleingalaxis Twennar ist seit 440 Jahren auf der Suche nach weiteren Kontakten mit fremden Völkern. Als endlich im gut 2400 Lichtjahre entfernten Sonnensystem Sianlees Rast eindeutige Spuren hoch technisierter Fremdintelligenzen entdeckt werden und nach langem Zögern der Beschluss gefasst wird, die Apparaturen wieder in Gang zu setzen, leiten die Yantihni damit beinahe ihren eigenen Tod ein.[2] Denn eine schreckliche, monströse Maschine erscheint nun im Sonnensystem, ein technologischer Alptraum.
Und dann sind da noch andere Wesen – sie werden für die Yantihni zu rätselhaften Rettern...
2. Teil
14. Wütende Gedanken
System Sianlees Rast, GHANTUURON, 15. Thaab 440, wenige Minuten vor dem Totalabsturz der Bordsysteme
„…unsere Systeme sind in erst sieben Minuten startklar, Pilot Alyechin. Beschleunigung des Prozesses ist unmöglich", sagte die Bord-KI des Beiboots GHANTUU-5 mit jener säuselnd-sanften, weiblichen Stimme, die in diesem Moment vollkommen unangemessen schien. Alyechin war überhaupt nicht der Ansicht, dass es irgendeinen Grund gab, so ruhig und gelassen zu sein… aber Maschinen kannten eben die Nöte lebender Yantihni nicht. Auf Rilecohr stellte so etwas in Notfällen üblicherweise einen enormen Vorteil dar, da so der Schockmoment wegfiel, der so häufig in Notlagen sofortiges zielgerichtetes Handeln erschwerte oder ganz vereitelte.
Aber in diesem Augenblick, in dem sich Alyechins rascher Atem allmählich wieder normalisierte und er in den alten Trott zurückfiel, den ihm sein schikanöser Ausbilder Jijaan beigebracht hatte[3], da war es zumindest trostreich, überhaupt eine Stimme zu hören. Und mochte sie tausendmal der künstlichen Intelligenz des Beibootes gehören. Ansonsten herrschte nämlich fast völlige Stille ringsum im Cockpit der GHANTUU-5, leider.
„Haben wir Kontakt zu den anderen Beibooten?", erkundigte er sich, um die unerwartete Pausenphase zu überbrücken. Er fragte sich, warum er wohl so gerannt war, wenn er hier von der Technik einfach so munter ausgebremst wurde.
„Negativ, Pilot Alyechin. Ihr wisst doch, dass die Hangarwände den Direktkontakt mit Hilfe von Quantenfunk blockieren…"
Hatte er vergessen. Natürlich.
In dieser Lage vergaß man so ziemlich alles.
Es war, wenn er genau sein wollte, eine verfluchte Scheißsituation, so hätte sein Pilotenkollege Chayquin das sicherlich ausgedrückt. Und wenn sie nicht höllisch aufpassten, konnten sie binnen kürzester Zeit die am weitesten gereisten Yantihni-Forscher aller Zeiten sein – und genauso tot wie der mumifizierte Vhentar oben im Kühlraum neben der Medostation.[4]
‚Wir hätten echt auf ihn hören sollen! Oder auf Nay. Vielleicht sogar auf Sianlee’, dachte er fieberhaft.
Aber derlei Gedanken halfen ihm und dem Rest der Besatzung jetzt natürlich nicht mehr weiter. Das Kind war in den sinnbildlichen Brunnen gefallen, so schnell und schockierend unaufhaltsam, dass die gesamte Besatzung der GHANTUURON davon überrumpelt wurde.
Begonnen hatte das alles eigentlich vor knapp drei Wochen, als das Expeditionsschiff hier im Sonnensystem Sianlees Rast eintraf – in jenem Sonnensystem, in dem zum ersten und letzten Mal vor 38 Jahren yantihnische Sternenforscher gewesen waren. Sianlee und ihr Gefährte und Geliebter Vhentar. Bis zu dem Moment eben, in dem die junge Nachwuchsforscherin Nayeen, die herausfand, was auf Sianlees letzter Reise tatsächlich geschehen war[5], galt das, was alle Raumfahrer auf der Raumfahrtakademie lernten: Dass diese letzte Reise in die Region nahe der Bebengrenze selbst die berühmte Sternenforscherin Sianlee an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht hatte. Weswegen sie sich dann auch konsequent von der Tiefenraumforschung fortan abwandte und ihren ursprünglich optimistischen Standpunkt, dort draußen in den Weiten Twennars müsse es intelligente Spezies geben, radikal ins Gegenteil verkehrte.
Das war zumindest die gängige Meinung in der yantihnischen Öffentlichkeit, denn irgendeinen Grund für diesen drastischen Richtungswechsel musste es ja geben. Und was war besser geeignet, als eine vollständige Desillusionierung durch einen letzten Misserfolg anzunehmen, der sogar noch auf unklare Weise ihren damaligen Begleiter Vhentar das Leben kostete? Leider war diese Ansicht grundfalsch.
Nayeen fand nämlich heraus, dass Sianlee derlei Dinge wider besseres Wissen behauptete.
Dass sie durchaus Spuren von Intelligenz dort draußen gefunden hatte.
Und sie verschwieg.
Achtunddreißig lange Jahre.
Dann deckte Nayeen das Geheimnis nach Sianlees Tod auf, und die Regierung auf Rilecohr entschied kurzerhand, dass das neu geschaffene Expeditionsschiff GHANTUURON, der ganze Stolz der Raumflotte, die Fährte dort aufnehmen sollte, wo Sianlee sie aufgegeben hatte. Eigentlich geschaffen, um das Rätsel der mysteriösen Bebengrenze aufzuhellen, war die GHANTUURON das einzige Schiff, das leistungsfähig genug und einsatzfähig war, um eine solche Reise zu realisieren. Und Nayeen gab ihnen nun auch noch einen Grund, den Abflug zu beschleunigen. Mehr noch: sie war gewissermaßen als „Pfadfinderin" an Bord!
‚So fanden wir dieses verfluchte System’, dachte Alyechin grimmig. ‚Wir hätten nie hierher kommen dürfen!’
„Außenscheinwerfer an!", befahl er.
„Verstanden, Pilot Alyechin."
Die gleißenden Scheinwerfer der GHANTUU-5 flammten auf und ließen die Hangar-Notbeleuchtung zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Nun sah man deutlich, dass weite Teile des Expeditionsschiffes allein nach Zweckmäßigkeitskalkülen geschaffen worden waren: sterile Nüchternheit regierte hier, von Raumfahrerromantik keine Spur. Die Hangars für die fünf Großraumbeiboote des Schiffes waren in den zahlreichen Filmreportagen vor dem Jungfernflug nie detailliert gezeigt worden… dafür waren sie einfach zu unspektakulär. Es handelte sich auch wirklich nur um geradezu antiseptisch-kühle Hallen, recht klein dimensioniert und gerade mit hinreichend Platz ausgestattet, damit die Laderoboter und die Montagemaschinen Raum besaßen, um die Beiboote zu beladen oder Aggregatgruppen auszutauschen, wenn sie schadhaft werden sollten.
Auf keiner der Seiten war mehr als zwei Neen Platz zwischen Raumwand und Beibootwandung. Wenn die Beiboote nicht gebraucht wurden, gab es komplizierte Haltearme, mit denen die GHANTUU-5 und ihre vier Schwesterboote geradezu in den Hallenboden fest verdübelt wurden. Dann begannen die unermüdlichen Werkstoffprüfungsmaschinen und die automatischen Routinecheckroboter damit, das Beiboot einer Generalüberholung zu unterziehen. Im Grunde genommen wirkte jeder Hangar mehr wie eine automatische Reparaturwerkstatt, wie es sie auf yantihnischen Welten zu Tausenden gab. Unspektakulär eben.
Die meisten dieser hier im Hangar stationierten Roboter funktionierten derzeit nicht – die GHANTUURON war von einem hyperenergetischen Schockimpuls kurzzeitig lahm gelegt worden[6], und viele der Drohnenroboter und Reparaturmechanismen arbeiteten jetzt irregulär oder gar nicht mehr. Die zentrale KI des Expeditionsschiffes war zwar inzwischen dabei, nach der eigenen Notabschaltung die Systeme wieder hochzufahren, aber es sah wirklich nicht gut aus.
Die GHANTUU-5 war während der Geschehnisse – wie die drei anderen noch stationären Beiboote – ohne Schäden davongekommen, weil sie sich nicht im Aktivmodus befand, als der Schockimpuls eintraf. Erst Alyechins Auftauchen im Hangar und das Einspeisen seines ID-Codes fuhren die Systeme hoch. Von da an ging alles seinen normalen Gang… und das hieß in diesem Moment: quälend langsam.
Immer dann, wenn man keine Zeit hatte, ging es naturgemäß nie schnell genug.
Die Order war eindeutig: die Beiboote sollten die GHANTUURON verlassen und so schnell wie möglich auf die Schuttwelt unter ihnen herabstoßen, um Hilfe zu leisten. Dort befand sich die GHANTUU-2 unter dem Kommando seines Pilotenkollegen Chayquin. Und nach allem, was sie momentan wussten, sah die Lage da unten alles andere als rosig aus.