Schicksal einer Halbwaise: Sophienlust Extra 59 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Andrea von Lehn legte ihren Zeigefinger an die Lippen. »Pst! Du bekommst ja deinen Nachmittagskaffee, Hans-Joachim«, flüsterte sie ihrem Mann lächelnd zu. »Aber ich will erst nachschauen, ob Peterle noch schläft. Wenn er schon wach ist, will ich ihn erst wickeln. Sonst komme ich nie dazu, mich in Ruhe zu dir zu setzen.« Die junge Frau wollte das Wohnzimmer verlassen, aber Dr. Hans-Joachim von Lehn ergriff ihre Hand, sah sie mit einem herausfordernden Lächeln an und erwiderte: »Gut, aber ich gebe dir nur zehn Minuten. Wenn du dann nicht wieder bei mir bist, trinke ich allein Kaffee. Ich muss nämlich noch einen Besuch machen.« Sie strich ihm kurz, aber liebevoll über das Haar und verließ das Wohnzimmer. Im Vorbeigehen öffnete sie die Küchentür und bat Betti, sich um den Kaffee zu kümmern. Dann betrat sie auf Zehenspitzen Peterles Zimmer. Die winterliche Sonne sandte mildes Licht durch die hellen Vorhänge, aber Peterle bemerkte das nicht. Er lag in seinem Stubenwagen und schlummerte friedlich vor sich hin. Mit einem zärtlichen Blick betrachtete Andrea ihren kleinen Sohn. Wie schon so oft konnte sie kaum fassen, dass dieses wonnige Baby ihr gehörte. Sie musste sich zusammennehmen, um ihren Sohn nicht zu wecken und sich an seinem glücklichen Lächeln zu erfreuen. Langsam richtete sie sich auf.
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Buchvorschau
Schicksal einer Halbwaise - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 59 –
Schicksal einer Halbwaise
Wird Nathalies Glück wieder vollkommen?
Gert Rothberg
Andrea von Lehn legte ihren Zeigefinger an die Lippen. »Pst! Du bekommst ja deinen Nachmittagskaffee, Hans-Joachim«, flüsterte sie ihrem Mann lächelnd zu. »Aber ich will erst nachschauen, ob Peterle noch schläft. Wenn er schon wach ist, will ich ihn erst wickeln. Sonst komme ich nie dazu, mich in Ruhe zu dir zu setzen.«
Die junge Frau wollte das Wohnzimmer verlassen, aber Dr. Hans-Joachim von Lehn ergriff ihre Hand, sah sie mit einem herausfordernden Lächeln an und erwiderte: »Gut, aber ich gebe dir nur zehn Minuten. Wenn du dann nicht wieder bei mir bist, trinke ich allein Kaffee. Ich muss nämlich noch einen Besuch machen.«
Sie strich ihm kurz, aber liebevoll über das Haar und verließ das Wohnzimmer. Im Vorbeigehen öffnete sie die Küchentür und bat Betti, sich um den Kaffee zu kümmern. Dann betrat sie auf Zehenspitzen Peterles Zimmer.
Die winterliche Sonne sandte mildes Licht durch die hellen Vorhänge, aber Peterle bemerkte das nicht. Er lag in seinem Stubenwagen und schlummerte friedlich vor sich hin. Mit einem zärtlichen Blick betrachtete Andrea ihren kleinen Sohn. Wie schon so oft konnte sie kaum fassen, dass dieses wonnige Baby ihr gehörte. Sie musste sich zusammennehmen, um ihren Sohn nicht zu wecken und sich an seinem glücklichen Lächeln zu erfreuen.
Langsam richtete sie sich auf. Wenn Peterle noch so fest schlief, dann konnte sie sich ruhig wieder einmal eine Kaffeepause mit Hans-Joachim gönnen, überlegte sie.
So leise, wie sie gekommen war, wollte Andrea das Zimmer auch wieder verlassen. Aber da horchte sie auf. Lautes Pferdegetrappel näherte sich dem Haus.
Andrea vergaß alle Vorsichtsmaßnahmen und eilte mit zwei großen Schritten zum Fenster. Sie riss die Vorhänge beiseite, sah neugierig hinaus und erkannte ihren Bruder Sascha, der gerade von der Stute absaß, sie tätschelte und an den Pfosten des Gartenzauns festband.
Über Andreas Gesicht zog ein erfreutes Lächeln, das sie jung und mädchenhaft wirken ließ. »Sascha!«, rief sie erfreut aus. »Besuchst du mich auch wieder einmal?«
Anstelle einer Antwort ihres Bruders, der ihre Stimme durch das geschlossene Fenster gar nicht hören konnte, war ein zartes Glucksen zu hören. Nun war Peterle doch erwacht. Mit großen strahlenden Augen sah er seine Mutter an, die sich schuldbewusst lächelnd über ihn beugte.
»Verzeih, mein Kleiner. Jetzt habe ich dich doch geweckt. Aber Sascha ist gekommen. Dein Onkel Sascha. Darüber habe ich mich so gefreut …«
Andrea beendete den Satz nicht, sondern eilte hinaus auf den Flur, um ihren Bruder zu begrüßen.
»Du wirst ja direkt erwachsen«, frotzelte sie ihn liebevoll und ließ sich von Sascha umarmen. Dann sah sie ihn voller Stolz an und fuhr fort: »Ich habe ganz vergessen, dass ich einen so hübschen Bruder habe. Wir haben dich wohl deshalb so lange nicht mehr gesehen, weil dich die Studentinnen in Heidelberg nicht fortlassen, nicht wahr?«
Sascha von Schoenecker lächelte, aber seine braunen Augen wirkten betrübt. »Liebste Andrea, wenn du wüsstest …«
Arm in Arm traten die beiden Hans-Joachim gegenüber. Herzlich begrüßten die Männer sich. Andrea aber eilte in die Küche, um das Tablett mit dem frisch zubereiteten Kaffee zu holen. Als sie sich jedoch an den Tisch setzen wollte, erinnerte sie sich an Peterle.
»Ich wickle nur schnell deinen Neffen, Sascha. Ich bin gleich wieder da. Du wirst sehen, er freut sich auch, seinen Onkel endlich mal wiederzusehen.«
»Verzeih mir, Hans-Joachim.« Auch Sascha hatte sich erhoben. »Ich sehe den Kleinen so selten, dass ich gern dabei wäre, wenn er frisch gewickelt wird. Verstehst du das?«
Natürlich verstand Hans-Joachim von Lehn das. Und weil er es sowieso eilig hatte, blieb er sitzen und begann seinen Kaffee zu trinken.
Andrea hielt Peterle auf dem Arm, drückte ihn zärtlich an sich und sah Sascha dabei lächelnd an.
»Dein ungewöhnlicher Familiensinn in Ehren, mein lieber Bruder, aber du hast doch bestimmt etwas auf dem Herzen. Du willst mir etwas beichten, nicht wahr? Etwas, wozu du mit mir allein sein musst. Ich kenn dich doch. Also, raus mit der Sprache!«
»Du hast recht, Schwesterherz. Mich treibt nicht nur die Liebe zu dir und deinem Sohn in euer gastliches Haus, sondern ein tiefgreifendes Problem.« Er fasste nach Peterles kleiner Hand und liebkoste sie ungeschickt.
Trotzdem rührte Andrea dieses Bild. Völlig unbeabsichtigt war es zwischen ihr und Sascha lange nicht mehr zu einem Gespräch unter vier Augen gekommen. Das lag daran, dass ihr Bruder seit einigen Jahren in Heidelberg studierte, nur noch gelegentlich am Wochenende nach Hause kam und sie selbst mit dem Baby, ihrer Ehe und dem Tierheim Waldi & Co. vollauf beschäftigt war.
Trotzdem hatte sich an dem guten Verhältnis zu ihrem Bruder nichts verändert. Die alte vertraute Herzlichkeit zwischen ihnen bestand noch immer.
Andrea legte Peterle auf die Wickelkommode und ließ sich von ihm die Haare zerzausen.
Amüsiert sah Sascha dem Mutterglück seiner Schwester zu. Dann räusperte er sich und begann: »Es ist weniger ein Problem, das ich habe, sondern nur eine einfache Frage.«
»So einfach kann die Frage gar nicht sein, wenn du extra deswegen aus Schoeneich hierher kommst«, konterte Andrea belustigt. Sie zog Peterle ein frisches Windelhöschen und danach ein Strampelhöschen an und legte ihn auf den Bauch, um das Strampelhöschen zuzuknöpfen.
Sascha antwortete nicht.
»Also, nun sprich schon«, forderte Andrea ihren Bruder ungeduldig auf. »Es wird doch nicht etwas Ernstes sein? Oder geht es um Mutti, Vati oder die Jungens?«
»Nein, Andrea. Nick und Henrik sind wohlauf. Und unsere Eltern sind glücklich wie immer. Es geht wirklich nur um mich.«
»Du brauchst Geld?« Fragend sah sie ihn an.
Sascha schüttelte den Kopf. »Nein, viel schlimmer. Es geht um eine Frau.«
Andrea nahm ihr Baby auf den Arm. Mit großen Augen betrachtete sie dabei ihren Bruder. »Um eine Frau? Du und eine Frau?« Sie konnte es nicht glauben. Waren nicht erst ein paar Jahre vergangen, seit sie noch Kinderstreiche mit ihm ausgeheckt hatte?
»Na und? Du bist doch auch schon Mutter, Andrea!«
»Jaaa …« Sie drückte ihren Sohn voller Stolz an sich. Dann aber starrte sie Sascha erschreckt an. Ein beunruhigender Gedanke hatte sie erfasst.
»Soll das etwa heißen, dass du …? Um Gottes willen!«
Nun lachte ihr Bruder hellauf. Aber obwohl er Andrea um einen halben Kopf überragte und ein ausgewachsener junger Mann mit klaren, energischen Gesichtszügen war, wirkte er nun doch noch etwas jungenhaft und unreif.
»Nein, Andrea, Vater werde ich nicht. Die Frau, um die es geht, weiß ja noch gar nicht, dass ich mich für sie interessiere. Sie übersieht einfach alle meine Bemühungen. Es ist zum Verrücktwerden!«
Andrea war neugierig geworden. »Wer ist es denn? Kenne ich sie?«
»Nein.« Sascha schüttelte energisch den Kopf. »Sie ist die Schwester meines Studienkollegen Markus Hamm. Sie heißt Cornelia und ist wunderschön. Hellblondes Haar, braune, lebhafte Augen und eine Figur, ich sage dir …«
»Uff!«
Andrea fasste Peterle fester und sank mit ihm auf den bequemen Sessel, der beim Fenster stand. »Dich hat es ja erwischt, Bruderherz. Und was soll ich nun dabei tun?«
Sascha vergrub seine Hände in die Taschen seiner Reithosen und lehnte sich an die Wand. Fast wehmütig sah er drein, als er mit seinem Anliegen herausrückte. »Wie würdest du dich verhalten, wenn du Cornelia wärst? Antworte bitte ganz ehrlich, denn diese Frage kann ich nicht einmal Mutti stellen. Mutti würde mir immer den gut gemeinten Rat geben, dem Mädchen auf diskrete Weise anzudeuten, wie es um mich steht. Und das ist doch wohl zu …«
»Nein, Sascha. Das ist gar nicht zu altmodisch. Wenn ein junger Mann mir gefiele und mir nicht ein wenig entgegenkäme, würde ich denken, ich interessierte ihn nicht. Du musst der schönen Cornelia schon zeigen, dass du dich für sie interessierst.«
»Aber sie tut so, als merke sie nichts.« Ungeduldig stampfte Sascha mit dem Fuß auf, sodass Peterle sein Köpfchen herumdrehte und seinen Onkel neugierig ansah.
Andrea lachte laut auf. In diesem Moment trat Hans-Joachim ein.
»Was ist denn das hier für eine Familienversammlung? Ich dachte, ihr wolltet mit mir Kaffee trinken?«
»Hans-Joachim!« Andrea sprang auf und drückte ihrem Mann das kleine Peter-Bündel in den Arm. Sogleich wurde das Gesicht des Tierarztes weich und zärtlich. »Hans-Joachim, bitte, gib uns eine Auskunft«, wandte Andrea sich an ihren Mann. »Wenn du eine Frau lieben würdest, und sie würde es nicht merken, was würdest du dann tun?«
Er sah sie verwundet an. Dann zog er sie mit dem freien Arm an sich. »Ich würde sie küssen.«
»Der Ratschlag ist nicht gerade gut«, murrte Sascha. »In meinem Fall kann ich ihn nicht anwenden.«
»Aber du kannst es ihr sagen. Du musst auf sie zugehen und sie fragen, ob sie mit dir ins Theater oder ins Kino gehen will. So macht man das.«
Hans-Joachim nickte. »Andrea hat recht. Du musst nicht gleich mit Küssen anfangen. Bei uns ist das etwas anderes«, meinte er verschmitzt lächelnd. »Wir haben ja schon einen Sohn.«
»Und Kaffee«, fuhr Andrea fort. »Er wird jetzt kalt.«
Sascha seufzte. Aber dann folgte er den beiden ins Wohnzimmer. Er wollte ja alles tun, was Andrea und Hans-Joachim vorschlugen. Hauptsache, diese Cornelia würde ihn ernst nehmen.
*
In der geräumigen Villa