Bitte habt euch wieder lieb!: Sophienlust - Die nächste Generation 46 – Familienroman
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Bitte habt euch wieder lieb! »Und wie lange wird das Aufpumpen dauern?« Mit gerunzelter Stirn blickte der achtjährige Stefan auf die Ladestation für E-Autos, von der ein schwarzes Kabel zur Batterie des schicken silberfarbenen Mercedes EQC 400 lief. Auf Laura Bongartz' verkniffene Lippen stahl sich ein Lächeln. »Ungefähr eine Stunde, schätze ich«, erwiderte sie und strich dabei mechanisch die widerborstigen dunkelbraunen Haare ihres Sohnes glatt. »Aber es heißt nicht aufpumpen, sondern aufladen, Stefan. Unser Wagen wird aufgeladen. Aufgepumpt werden die Reifen deines Fahrrads. Und deine Luftmatratze.« »Oh Mann. Das ist doch vollkommen egal. Du bist schlimmer als unsere Lehrerin«, moserte Stefan und schob die Hand der Mutter weg. »Außerdem ist es hier affenheiß. Und ich habe Durst.« »Ich auch«, meldete sich Stefans Schwester, die sechsjährige Silvia, zu Wort, während sie, ihre Lieblingspuppe im Arm, aus dem Fond des Wagens hopste und sich zu ihrem Bruder und zu ihrer Mutter gesellte. »Ich möchte eine Cola. Aber vorher möchte ich ein Eis.«
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Sophienlust - Die nächste Generation
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Buchvorschau
Bitte habt euch wieder lieb! - Carolin Weißbacher
Sophienlust - Die nächste Generation
– 46 –
Bitte habt euch wieder lieb!
Silvia und Stefan machen sich Sorgen um ihre Eltern…
Carolin Weißbacher
»Und wie lange wird das Aufpumpen dauern?« Mit gerunzelter Stirn blickte der achtjährige Stefan auf die Ladestation für E-Autos, von der ein schwarzes Kabel zur Batterie des schicken silberfarbenen Mercedes EQC 400 lief.
Auf Laura Bongartz‘ verkniffene Lippen stahl sich ein Lächeln. »Ungefähr eine Stunde, schätze ich«, erwiderte sie und strich dabei mechanisch die widerborstigen dunkelbraunen Haare ihres Sohnes glatt. »Aber es heißt nicht aufpumpen, sondern aufladen, Stefan. Unser Wagen wird aufgeladen. Aufgepumpt werden die Reifen deines Fahrrads. Und deine Luftmatratze.«
»Oh Mann. Das ist doch vollkommen egal. Du bist schlimmer als unsere Lehrerin«, moserte Stefan und schob die Hand der Mutter weg. »Außerdem ist es hier affenheiß. Und ich habe Durst.«
»Ich auch«, meldete sich Stefans Schwester, die sechsjährige Silvia, zu Wort, während sie, ihre Lieblingspuppe im Arm, aus dem Fond des Wagens hopste und sich zu ihrem Bruder und zu ihrer Mutter gesellte. »Ich möchte eine Cola. Aber vorher möchte ich ein Eis.«
»Ja, ein Eis und eine Cola«, bekräftigte Stefan. »Und dann ein Hotdog. Mit ganz viel Ketchup.«
Laura Bongartz seufzte. Sie schaute sich um und entdeckte einen Supermarkt ganz in der Nähe der Ladestation. »Bestimmt hat der Markt da drüben eine Cafeteria. Oder zumindest eine Imbisstheke«, meinte sie. »Wollen wir mal nachsehen?«
Stefan nickte eifrig.
»Ich mag aber nur Eis und Cola. Kein Hotdog«, verkündete Silvia. »Und Stefan darf auch kein Hotdog essen. Weil ich sonst dauernd an Sam denken muss. Und dann muss ich weinen. Wenn Sam hier wäre, hätte ich ihm meine ganze Wurst gegeben. Und von Stefans Wurst hätte ich so viel wie möglich für ihn stibitzt.« Silvia drückte ihre Puppe noch enger an sich. Dabei zog sie einen Flunsch und bedachte Laura mit einem vorwurfsvollen Blick. »Warum haben wir Sam nicht mit in den Urlaub genommen wie jedes Jahr?«
Bei dem Wort ‚Urlaub’ zuckte Laura Bongartz zusammen, hatte sich aber rasch wieder in der Gewalt.
»Ach, Silvia! Das habe ich dir doch schon mindestens hundert Mal gesagt«, antwortete sie so geduldig und ruhig, wie es ihr angesichts ihrer angespannten Nerven möglich war. »Tante Konstanze hat eine Hundehaarallergie. Wenn sie mit einem Hund in Kontakt kommt oder wenn ein Hund auch nur im gleichen Haus ist wie sie, tränen ihre Augen und sie muss ganz schrecklich niesen und husten. Es fühlt sich für sie dann an, als hätte sie eine richtig schlimme Erkältung.«
»Und warum fahren wir überhaupt zu dieser Tante Konstanze?«, hakte Silvia nach. »Wir hätten doch mit Papa in die Berge fahren können. Oder ans Meer wie letztes Jahr. Da hätten wir auch Sam mitnehmen können.«
»Ja, genau«, pflichtete Stefan seiner Schwester bei. »Warum machen wir bei dieser komischen Tante Konstanze Urlaub und nicht einfach irgendwo, wo es richtig schön ist?«
»Weil, weil…« Laura Bongartz schluckte trocken. »Bei Tante Konstanze ist es auch schön. Vielleicht machen wir einen Ausflug an den Bodensee. Oder in den Schwarzwald«, rang sie sich ab. »Und außerdem ist Tante Konstanze nicht komisch. Sie ist meine ältere Schwester, und sie ist sehr nett. Ich… ich habe sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ich wollte einfach wieder einmal mit ihr zusammen sein. Das… das müsst ihr doch verstehen. Ich kann schließlich…«
»Aber Papa wollte nicht mit Tante Konstanze zusammen sein«, fiel Stefan seiner Mutter ins Wort. »Sonst wäre er mitgekommen. Wahrscheinlich findet er diese Tante Konstanze mit ihrer dämlichen Hundehaarallergie doof. Und hatte deshalb keine Lust, sie zu besuchen.«
»Jetzt ist aber Schluss. Zuerst ist Tante Konstanze komisch, dann ist sie doof. Redet man so über seine Tante? Und überhaupt – dass Papa in diesem Jahr nicht mit uns in die Ferien fährt, hat mit Tante Konstanze nicht das Geringste zu tun. Papa mag Tante Konstanze sehr gerne. Papa… ist nur…« Laura brach ab, weil plötzlich vor ihrem geistigen Auge ein von goldblondem Lockenhaar umrahmtes Frauengesicht auftauchte: das zarte, ebenmäßige Gesicht von Karina Winter, der mit Sicherheit äußerst tüchtigen Gründerin und Chefin der exklusiven Kosmetikfirma ‚Dreams of Beauty’.
»Was ist mit Papa?«, beharrte Stefan eigensinnig.
»Er ist…«
»Wenn es nicht wegen Tante Konstanze ist … Ist es dann … wegen mir? Oder wegen Stefan? Hat … hat Papa uns nicht mehr lieb?«, kam es von Silvia, noch ehe Laura ihren Satz hätte vollenden können.
Für einen Moment wich alle Farbe aus Lauras Gesicht. »Wie … wie kommst du denn auf so einen Gedanken, Silvia?«, stammelte sie und fügte mit einem ein wenig gekünstelten Lächeln hinzu: »Natürlich hat Papa euch noch lieb.«
»Und warum fährt er dann nicht mit zu Tante Konstanze?«
»Weil … weil er keine Zeit hat«, erklärte Laura. »Er hat in der Firma schrecklich viel zu tun, weißt du. Zurzeit bauen gerade ganz viele Menschen Häuser.«
Stefan verdrehte die Augen. Er glaubte seiner Mutter nicht, denn er hatte sich die Dinge inzwischen auf seine Weise zusammengereimt. »Das kann nicht stimmen, Mama. Wir haben in der Schule auch furchtbar viel zu lernen. Und trotzdem haben wir sechs Wochen Ferien wie jeden Sommer. Wenn Papa nicht mit uns kommen wollte, kann es also nur daran liegen, dass Tante Konstanze von Hunden Erkältung bekommt«, vermutete er. »Weil Sam nicht mit zu ihr nach Maibach kann, bleibt Papa daheim bei Sam und passt auf ihn auf. Damit Sam nicht traurig und einsam ist. Das ist richtig lieb von Papa.«
Silvia steckte die Spitze ihres Zeigefingers in den Mund und saugte daran, wie immer, wenn sie nicht so recht wusste, was sie von einer Sache halten sollte. Dann betrachtete sie eine Weile nachdenklich ihre Puppe. »Sonja findet, dass Stefan recht hat«, wandte sie sich schließlich an ihre Mutter. »Und deshalb … wären ich und Sonja viel lieber zu Hause bei Papa und Sam. Kannst du uns nicht wieder zurückfahren, Mama?«
Laura fühlte glühende Hitze in sich aufsteigen, obwohl es in der kleinen Supermarkt-Cafeteria, die sie soeben betraten, angenehm kühl war. Die Klimaanlage war eingeschaltet, und in der Ecke, auf die Laura zusteuerte, plätscherte ein üppig begrünter Zimmerspringbrunnen. »Genieß doch erst einmal die Tage bei Tante Konstanze, Silviaschatz«, schlug Laura mit dünner Stimme vor. »Es wird dir bei ihr in Maibach sehr gut gefallen. Da bin ich mir ganz sicher.« Sie griff spontan nach der Eiskarte und schlug sie auf. »Aber jetzt essen wir erst einmal einen schönen Eisbecher. Schau, da gibt es sogar verschiedene Kindereisbecher: Einen Eiskönigin-Becher. Und einen Pokémon-Becher. Und einen Wunderland-Becher. Das klingt doch richtig toll.«
»Weiß nicht«, murmelte Silvia, doch ihre Augen hatten sich bereits an den bunten Abbildungen festgesaugt. »Ich will den da«, sagte sie und zeigte auf den Wunderland-Becher.
Wenig später schaufelte sie begeistert grünes und himmelblaues Eis in sich hinein und ergötzte sich an den kleinen bunten Lutschern in Form von Drachen und Einhörnern, die über die Eiskugeln und über die mit bunten Smarties bestreuten Sahnehäubchen verteilt waren.
Laura nippte an ihrem Eiskaffee und war erleichtert, dass Silvias Heimweh nach Golden Retriever Sam zumindest vorübergehend vergessen war.
Stefan war leider weniger leicht abzulenken. Er hatte sich für den Pokémon-Eisbecher entschieden, aber im Gegensatz zu Silvia hatte sich seine Laune nicht gebessert. Immer noch mürrisch, nahm er ein paar Löffel Eis und spülte sie mit etlichen großen Schlucken Cola hinunter, dann fing er wieder von vorne an. Dazwischen griff er in die Tüte mit Pommes frites, auf der er unerbittlich bestanden hatte, wobei er die Fritten abwechselnd in Ketchup und in Eis tauchte.
Laura schwante für die kommenden Stunden Düsteres, doch sie hatte im Moment nicht die Kraft, Stefan zurechtzuweisen und damit einen seiner Wutanfälle zu riskieren.
Schweigend starrte sie stattdessen auf das sprudelnde Wasser des Zimmerspringbrunnens und hing ihren Gedanken nach. Wie so oft flogen sie zurück zu jener Nacht, in der sie auf der fast menschenleeren, regennassen Straße in der Münchner Innenstadt gestanden hatte, ihre Blicke auf das Gebäude gerichtet, in dessen oberstem Stockwerk sich die Büroräume der Baufirma Bongartz befanden. Es war fast dreiundzwanzig Uhr gewesen. Sämtliche Fenster des großen Firmengebäudes hatten sie mit leeren, lichtlosen Augen angestarrt, nur die Fenster der Bongartz-Büroräume waren noch hell erleuchtet gewesen.
Hanno hatte ihr zwar gesagt, dass er an diesem Abend wieder einmal länger würde arbeiten müssen, aber dass es bis tief in die Nacht dauern würde … Er schien über seinen Geschäftsbüchern wieder einmal die Zeit vergessen zu