Sofie träumt von einem Pferd
Von Kerstin Backman und Ursula Isbel-Dotzler
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Buchvorschau
Sofie träumt von einem Pferd - Kerstin Backman
Kerstin Backman
Sofie träumt von einem Pferd
Übersezt von Ursula Isbel
Saga
Sofie träumt von einem Pferd
Übersezt von Ursula Isbel
Titel der Originalausgabe: Soffi drömmer om en häst
Originalsprache: Schwedischen
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1981, 2021 Kerstin Backman und SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726941661
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Eine Sternschnuppe fällt
„Wenn Papa nicht bald kommt, werde ich verrückt!" jammerte Sofie.
Sie sprang von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten. Dabei sah sie unentwegt zum Bahnübergang.
„Wenn ich auf einem Bein bis zum Bahnübergang hüpfen kann, verkaufen sie euch das Schleusenwärterhaus", sagte Krissan. Sie machte einen Sprung, doch unter der losen Schneedecke war das Eis spiegelglatt, und sie fiel so heftig aufs Hinterteil, daß ihre Zähne aufeinanderschlugen.
„Schau doch mal, da kommt er!" schrie Sofie und lief los. Beim Bahnübergang tauchten gerade die Scheinwerfer eines Wagens auf. Doch dann erhöhte der Fahrer das Tempo, und der Wagen verschwand in die andere Richtung.
Die beiden Freundinnen seufzten enttäuscht. Wie lange dauerte es denn noch, bis Sofies Vater endlich kam?
„Kaum zu glauben, daß ich erst seit einem halben Jahr hier bin", sagte Sofie nach einer Weile nachdenklich.
Krissan sah sie erstaunt an. „Was, ist das wirklich noch nicht länger her?"
„Kannst du dich erinnern, was ich anfangs für eine heillose Angst vor Pferden hatte? Sofie kicherte. „Jetzt fürchte ich mich überhaupt nicht mehr. Nur noch vor Sabrina ein bißchen, aber das wird wohl immer so bleiben.
„Hm, das glaube ich auch. Es ist zwar besser mit ihr geworden, aber richtig zuverlässig ist sie trotzdem nicht."
„Aber lieb! Und es macht Spaß, sie zu reiten. Vielleicht wage ich es das nächste Mal auch, zu galoppieren. Es ist eigentlich eine Schande, daß ich’s bis jetzt noch nicht geschafft habe."
„Da kommt ein Auto!"
Diesmal blieben sie stehen und warteten. Die Scheinwerfer bewegten sich auf und ab, als der Wagen über die Schienen fuhr.
„Das ist Papa!" schrie Sofie, und die Freundinnen stolperten und schlitterten die Zufahrt entlang. Sie erreichten den Wagen gerade in dem Augenblick, als Sofies Vater die Tür öffnete und ausstieg.
Sofie wollte ihn sofort mit Fragen überfallen, doch als sie sein mageres, erschöpftes Gesicht sah, schwieg sie. Stumm sahen sie sich an. Dann legte er seinen Arm um Sofies Schulter und sagte:
„Kommt jetzt mit ins Haus, ihr beiden, sonst erkältet ihr euch noch."
Enttäuscht gingen sie hinein und zogen ihre Mäntel aus. Die Pelzstiefel landeten zuoberst auf einem Berg aus Halbschuhen, Holzpantoffeln und Reitstiefeln, die in dem kleinen Hausflur lagen.
Maggie, Krissans Mutter, hatte inzwischen den Kaffeetisch gedeckt. Ihr Mann Sven saß auf dem Sofa und wartete.
„Na, wie ist’s gegangen?" fragte er.
Sofies Vater schüttelte den Kopf und setzte sich zu ihm. „Ich gebe langsam die Hoffnung auf, sagte er. „Seit fast vierzehn Tagen versuche ich jetzt schon, die Leute zu erreichen, denen das Grundstück gehört. Die einzige, mit der ich bisher sprechen konnte, war die Sekretärin des Direktors. Und sie hat gesagt, daß die Firma noch nie eines ihrer Häuser und Grundstücke verkauft hat.
„Das habe ich schon befürchtet, erwiderte Krissans Vater und nickte. „Aber so richtig nein gesagt hat doch noch keiner?
„Noch nicht."
Mehr brauchten Sofie und Krissan nicht zu hören. Sie nahmen sich etwas vom Kuchen und verschwanden nach oben in ihr gemeinsames Zimmer. Dort setzten sie sich auf Sofies Bett und starrten in die Luft, während sie den Kuchen aßen. Sie waren zu enttäuscht, um jetzt über alles zu sprechen.
Es lag wirklich erst ein halbes Jahr zurück, daß Sofie auf den Birkenhof gekommen war.
In ihrer alten Schule in der Großstadt hatte sie plötzlich nur noch Schwierigkeiten mit ihren Mitschülern gehabt. Schließlich war es so schlimm geworden, daß Sofies Eltern sich auf Anraten des Arztes entschlossen hatten, sie aufs Land zu schicken, wo sie in eine kleine, gemütliche Schule gehen konnte. So war sie zur Familie Ström auf den Birkenhof gekommen. Maggie Ström war eine ehemalige Schulfreundin von Sofies Mutter.
Maggie und Sven hatten zwei Kinder – Ingmar, der genau wie Sofie vierzehn Jahre alt war, und die ein paar Jahre jüngere Krissan. Der Hausherr war ein kräftiger, gutmütiger und ziemlich wortkarger Mann. Die Ströms hatten auch vier Pferde: Sabrina, Graf, die Stute Schmetterling, die eigentlich Pavlova hieß, und Max, das kleine Shetlandpony.
Eines Tages hatten sich Sofies Eltern entschlossen, ebenfalls aufs Land zu ziehen, da Sofies Vater eine neue Stellung bei einer Firma nicht weit vom Birkenhof angeboten wurde. Sofie und Krissan hatten großartige Pläne geschmiedet, wie schön es werden würde, wenn Sofies Familie das kleine Schleusenwärterhaus ganz in der Nähe des Birkenhofs kaufen konnte, das schon seit langem leer stand. Dann wollten sie zusammen mit Ingmar lange Ausritte machen, sie wollten Dressur reiten und Hinternisse aufbauen . . .
Doch so einfach war die Sache leider nicht. Im Augenblick schien es unmöglich zu sein, mit einem der zuständigen Herren der Firma zu sprechen, der das Schleusenwärterhaus gehörte. Eigentlich sah es ja so aus, als hätte die Firma überhaupt keinen Nutzen von dem alten Haus am Fluß. Es war klein und ziemlich verfallen, und das Grundstück war auch nicht besonders groß.
Sofie stand auf und trat ans Fenster. Draußen war es schon so dunkel, daß sie nicht einmal mehr die Umrisse des Schleusenwärterhauses sehen konnte. Doch sie wußte ganz genau, wo es stand und wie es aussah.
„Ich möchte so furchtbar gern dort wohnen – dort und nirgends sonst", murmelte sie düster.
„Und ich war so sicher, daß ihr schon ins Schleusenwärterhaus einziehen könnt, ehe dein Vater in seiner neuen Firma zu arbeiten anfängt, erwiderte Krissan. „Ich verstehe einfach nicht, weshalb die Erwachsenen immer alles schwieriger machen müssen, als es ist. Warum können diese komischen Kerle in der Firma sich nicht dazu herablassen, den Brief deines Vaters zu beantworten! Schließlich haben sie doch ihre Sekretärinnen zum Schreiben!
Sofie nickte und sagte: „Wir haben unsere Wohnung in Stockholm bis Ende März gekündigt. Was ist, wenn wir bis dahin kein Haus gefunden haben?"
„Das kann ich dir sagen! erwiderte Krissan sofort. „Ich hab nämlich gestern abend gehört, wie meine Eltern sich darüber unterhielten. Wenn ihr bis zum Umzug nichts gefunden habt, räumen wir das Hühnerhaus aus. Da könnt ihr dann vorerst wohnen. Es wäre natürlich viel zu teuer für euch, wenn ihr in einer Pension wohnen müßtet. Eure Möbel müssen wir irgendwo im Holzschuppen oder auf dem Heuboden unterbringen.
Sofie mußte trotz ihrer düsteren Stimmung kichern. Das Hühnerhaus war ein winziges Nebengebäude, ungefähr vier Meter lang und drei Meter breit, und hatte vor langer Zeit einmal als Hühnerstall gedient. Es fiel ihr sehr schwer, sich ihre ordentliche, gepflegte Mutter vorzustellen, wie sie in dieser kleinen Hütte hauste, in der es nur einen eisernen Ofen zum Kochen gab. Fließendes Wasser gab es im Hühnerhaus überhaupt nicht.
Krissan kicherte mit, und plötzlich lachten die beiden laut los, bis ihnen der Bauch weh tat.
„Aber man kann nie wissen, sagte Sofie schließlich, als sie sich wieder beruhigt hatten. „Manchmal denkt man, Erwachsene wären so und nicht anders, und plötzlich tun sie etwas, was man ihnen nie zugetraut hätte.
Die Mädchen waren in besserer Stimmung, als sie wieder nach unten gingen. Auch Sofies Vater wirkte munterer, nachdem er ein paar Tassen starken Kaffee getrunken hatte. „Jetzt gehe ich mit euch hinaus und helfe euch, die Pferde in den Stall zu bringen, sagte er. „Morgen ziehe ich ja schon in die Pension um, und wenn ich mit meiner neuen Arbeit anfange, bin ich sicher so beschäftigt, daß ich erst am Wochenende wieder herkommen kann.
Sofie ging rasch zu ihm und umarmte ihn.
„Meinst du, daß wir ein Haus bekommen?" flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Sicher. Irgendwo steht eins und wartet nur auf uns! Vielleicht ist es nicht das Schleusenwärterhaus, das wir uns jetzt in den Kopf gesetzt haben, aber wir finden schon etwas, verlaß dich drauf!"
Er wirkte so zuversichtlich, daß Sofie wieder leichter ums Herz wurde.
„Eigentlich ist’s ziemlich aufregend, so zu leben, sagte sie nachdenklich. „Ich glaube, im letzten halben Jahr ist mehr passiert, als vorher in meinem ganzen Leben!
Als sie aus dem Haus traten, in den kalten Februarabend, standen alle Pferde wie dunkle Schatten am Koppelgatter.
„Hallo, Sabrina!" rief Sofie.
Die Stute spitzte die Ohren und hob die Nase. Plötzlich kam ein leises, heiseres Wiehern als Antwort.
„Habt ihr das gehört? schrie Sofie. Ihr wurde vor Freude ganz warm. „Sie hat geantwortet – das war das erste Mal, daß sie mir geantwortet hat!
Für Sofie war das wie ein wunderbares Geschenk. Sie öffnete das Gatter, und die kleine Pferdekarawane setzte sich in Bewegung. Ein Pferd nach dem anderen ging über den schmalen, eingezäunten Pfad von der