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Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse
Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse
Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse
eBook153 Seiten3 Stunden

Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse

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Über dieses E-Book

So brav kann doch kein Kind sein! Mit Kindern hat Frau Bartolotti nicht viel am Hut. Darum fällt sie auch aus allen Wolken, als sie mit der Post einen Sohn geschickt bekommt: Konrad. Konrad wird wirklich in einer Konservenbüchse angeliefert! Er ist schrecklich ordentlich und nahezu perfekt und Frau Bartolotti sehr chaotisch. Deshalb müssen die beiden sich erst aneinander gewöhnen. Aber dann gewinnt die Frau Bartolotti ihn so lieb, dass sie ihn nie wieder hergeben will - auch wenn die unheimlichen Menschen aus der Konservenfabrik schon nach ihm suchen ...

Christine Nöstlingers Welterfolg "Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse" wurde in 21 Sprachen übersetzt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Mai 2012
ISBN9783862746026
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    Buchvorschau

    Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse - Christine Nöstlinger

    978-3-7891-4327-4_2.pdf

    D.pdf ie Frau Berti Bartolotti saß im Schaukelstuhl und frühstückte. Sie trank vier Tassen Kaffee und aß drei Brötchen mit Butter und Honig und zwei weiche Eier im Glas und eine Scheibe Schwarzbrot mit Schinken und Käse und eine Scheibe Weißbrot mit Gänseleberpastete. Weil die Frau Bartolotti beim Essen und Trinken schaukelte – Schaukelstühle sind ja schließlich zum Schaukeln da –, bekam ihr hellblauer Morgenmantel braune Kaffeeflecken und gelbe Eierflecken. Außerdem fielen eine Menge Brotbrösel und Brötchenbrösel in den Halsausschnitt vom Morgenmantel.

    Die Frau Bartolotti stand auf und hüpfte so lange auf einem Bein durch das Wohnzimmer, bis alle Brösel unten aus dem Morgenmantel herausgefallen waren. Dann schleckte sie ihre honigverklebten Finger ab. Und dann sprach sie zu sich: »Liebes Kind, jetzt wirst du dich waschen und ordentlich bekleiden und an die Arbeit gehen, aber hurtig!«

    Wenn die Frau Bartolotti mit sich selber sprach, sagte sie zu sich immer »liebes Kind«.

    Seinerzeit, als die Frau Bartolotti wirklich noch ein Kind gewesen war, hatte ihre Mutter immer zu ihr gesagt: »Liebes Kind, nun mach doch die Aufgaben, liebes Kind, nun trockne doch das Geschirr ab, liebes Kind, nun halt den Mund!«

    Und später dann, als die Frau Bartolotti schon kein Kind mehr war, da hatte ihr Mann, der Herr Bartolotti, immer zu ihr gesagt: »Liebes Kind, nun koch doch Mittagessen, liebes Kind, nun näh doch einen Knopf an meine Hose, liebes Kind, nun wisch doch den Boden auf!«

    Die Frau Bartolotti war daran gewöhnt, Aufträge und Befehle nur dann auszuführen, wenn jemand »liebes Kind« zu ihr sagte. Ihre Mutter war längst gestorben und der Herr Bartolotti war längst fortgezogen; warum, das geht keinen was an, das ist eine Privatangelegenheit. Jedenfalls hatte die Frau Bartolotti niemanden außer sich selber, der zu ihr »liebes Kind« sagte.

    Die Frau Bartolotti ging ins Badezimmer. Sie hatte Lust auf ein schönes, heißes Bad. Leider schwammen in der Badewanne die Goldfische. Es waren sieben kleine und vier große Goldfische und die Frau Bartolotti hatte sie gestern aus dem Aquarium herausgeholt und in die Badewanne getan, weil sie gefunden hatte, dass die Fische Wasserveränderung brauchten. Jeder Mensch, hatte sich die Frau Bartolotti gedacht, jeder Mensch fährt in Urlaub und macht Reisen. Nur die armen Goldfischviecher schwimmen das ganze Jahr über rundherum, rundherum in ihrem runden Glas.

    Die Frau Bartolotti beschloss mit einer schönen, warmen Dusche zufrieden zu sein. (Sie hatte eine Extra-Duschkabine im Badezimmer.) Leider klemmte die Falttür von der Duschkabine. Eigentlich klemmte die Falttür nicht, sondern sie ging deshalb nicht auf, weil die Frau Bartolotti einen Wäschestrick viermal kreuz und quer vom Fenster zur Duschkabine gespannt hatte, um darauf ihre Jeans und Baumwollpullis zu trocknen. Und im Waschbecken lagen die Jeans und die Pullis, die sie noch nicht gewaschen hatte.

    »Dann wirst du dich eben chemisch reinigen, liebes Kind«, sprach sie zu ihrem Spiegelbild und holte einen Wattebausch und eine große Flasche aus dem Badezimmerschrank. Sie schüttete rosa Saft aus der großen Flasche auf den Wattebausch und rieb dann mit dem Wattebausch emsig über ihr Gesicht. Der Wattebausch wurde ganz bunt. Er wurde rosa vom Make-up und rot vom Lippenstift und schwarz von der Wimperntusche und braun vom Augenbrauenstift und grün vom Lidschatten und dunkelblau vom Lidstrich.

    »Wunderschön schaut das aus!«, sagte die Frau Bartolotti zum Wattebausch und warf ihn dann genau neben den Abfalleimer unter das Waschbecken. Dann holte sie etliche Tuben und etliche Fläschchen und Stifte aus dem Badezimmerschrank und machte ihr Gesicht wieder rosa und rot und schwarz und braun und grün und dunkelblau. Dabei entdeckte sie, dass das Wimperntuschefläschchen fast leer war. Sie schrieb deshalb mit dem Lippenstift auf die weiß gekachelte Badezimmerwand:

    WIMPERNTUSCHE KAUFEN!!!!

    Dann nahm sie den Badeschwamm und wischte das ebenfalls mit Lippenstift geschriebene KLOPAPIER KAUFEN von den Kacheln, denn das Klopapier hatte sie gestern schon besorgt.

    Bevor die Frau Bartolotti das Badezimmer verließ, blickte sie in den Spiegel über dem Waschbecken, weil sie wissen wollte, ob sie jung oder alt ausschaute. Sie hatte nämlich junge Tage und alte Tage. Heute hatte die Frau Bartolotti einen jungen Tag. Sie war mit ihrem Gesicht zufrieden. »So jung, wie es nur geht, so schön wie möglich«, murmelte sie sich anerkennend zu. Alle Falten um die Augen und um den Mund herum waren vom rosa Make-up verdeckt.

    Wie alt die Frau Berti Bartolotti war, sagte sie niemandem und deshalb wusste es auch niemand. Und deshalb war sie verschieden alt.

    Die uralte Frau Meier, die Nachbarin, sagte, wenn sie von der Frau Bartolotti sprach: »Die junge Frau Bartolotti.«

    Der Enkel von der uralten Frau Meier, der kleine Michi, sagte: »Die alte Frau Bartolotti.«

    Der Herr Egon, der in der Apotheke die Pulver und die Zäpfchen und die Salben verkaufte und der vom vielen Rezeptelesen zwei Kummerfalten auf der Stirn hatte, sagte: »Die Berti Bartolotti ist eine Frau in den besten Jahren!«

    Der Herr Egon war auch ein Herr in den besten Jahren. Er war fünfundfünfzig Jahre alt. Und er war mit der Frau Bartolotti zweimal die Woche befreundet. Einmal in der Woche besuchte er sie und einmal in der Woche besuchte sie ihn. Dann gingen sie ins Kino oder ins Theater und nachher gingen sie essen und nachher gingen sie Wein trinken und nachher gingen sie in ein Kaffeehaus. Zweimal in der Woche sagte der Herr Egon zur Frau Bartolotti »Bertilein« und die Frau Bartolotti sagte zum Herrn Egon »Egilein«. Doch wenn sie sich auf der Straße sahen – an den anderen Tagen – oder wenn die Frau Bartolotti in der Apotheke Hustensaft kaufte, dann sagte sie zu ihm »Herr Magister« und er zu ihr »gnädige Frau«. Sonst redeten sie an den anderen Tagen nichts miteinander.

    Die Freundschaftstage waren übrigens immer der Samstag und der Dienstag.

    Die Frau Bartolotti ging, nachdem sie sich lange genug im Spiegel betrachtet hatte, ins Wohnzimmer zurück. Sie setzte sich wieder in den Schaukelstuhl, zündete sich eine Zigarre an und dachte darüber nach, ob sie jetzt mit der Arbeit anfangen oder ob sie einkaufen gehen oder ob sie sich vielleicht doch lieber wieder ins Bett legen sollte. Gerade als sie sich für das Bett entschieden hatte, klingelte es an der Wohnungstür. Es klingelte sehr laut und sehr lang. Die Frau Bartolotti zuckte erschrocken zusammen. Es klingelte so, wie nur Briefträger und Telegrammboten und Feuerwehrmänner klingeln.

    Die Frau Bartolotti legte die Zigarre auf die Untertasse mit dem Blümchenmuster und ging zur Wohnungstür. Sie hoffte, der Laut-und-lange-Klingler möge der Geldbriefträger sein. Die Frau Bartolotti wartete immer auf den Geldbriefträger und hin und wieder kam der Geldbriefträger wirklich und brachte Geld.

    Tausend Schilling oder zweitausend Schilling oder sogar fünftausend Schilling. Je nachdem, wie groß der Teppich gewesen war, den die Frau Bartolotti verkauft hatte.

    Auf der Zahlungsanweisung stand dann:

    FIRMA BARTOLOTTI & COMPANY

    HANDWEBEREI UND HANDKNÜPFEREI

    Die Firma Bartolotti und Company war die Frau Berti Bartolotti. Die Company hatte sie nur erfunden, damit ihre Geschäftskarte vornehmer und solider aussah.

    Die Frau Bartolotti knüpfte die schönsten und buntesten Teppiche in der ganzen Stadt. Die Teppichhändler und die Möbelhändler, die ihre Teppiche verkauften, sagten immer zu den Kunden: »Die Frau Bartolotti ist eine Künstlerin. Eine wahre Künstlerin! Ihre Teppiche sind kleine Kunstwerke. Darum sind sie so teuer!«

    (Die Teppichhändler und die Möbelhändler verlangten von den Kunden nämlich dreimal so viel Geld, wie sie der Frau Bartolotti zahlten; darum waren die Teppiche so teuer.)

    Der Laut-und-lange-Klingler, der vor der Wohnungstür stand, war nicht der Geldbriefträger. Es war der Paketpostbote. Der Paketpostbote schnaufte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Verdammt schweres Ding«, sagte er und zeigte auf ein großes, weiß eingewickeltes Paket. »Mindestens zwanzig Kilo!« Dann schleppte der Paketpostbote das Paket durch den Flur in die Küche und die Frau Bartolotti unterschrieb eine Empfangsbestätigung und gab dem Postboten fünf Schilling Trinkgeld. Der Paketpostbote sagte: »Auf Wiedersehen«, und die Frau Bartolotti sagte auch: »Auf Wiedersehen«, und begleitete den Paketpostboten zur Wohnungstür.

    Dann holte sie ihre Zigarre aus dem Wohnzimmer und setzte sich auf einen Küchenstuhl vor das große weiße Paket. Sie griff sich in die blond gefärbten Haare, fuhr mit den himmelblau lackierten Fingernägeln durch die steif gesprayten Haarsträhnen und dachte nach.

    Wolle, dachte sie, Wolle ist das garantiert nicht! Wolle wiegt nicht so schwer. Ein Wollpaket in dieser Größe, dachte sie, hat höchstens fünf Kilo oder sechs.

    Die Frau Bartolotti stand auf und ging um das Paket herum. Sie suchte nach einem Absender auf dem Paket. Sie fand keinen.

    Sie fand auch keinen, als sie das Paket mühsam umkippte und auf der Unterseite nachschaute.

    »Liebes Kind«, sprach die Frau Bartolotti streng zu sich, »liebes Kind, durchforsche dein Gewissen!«

    Die Sache war nämlich die, dass die Frau Bartolotti einen Tick hatte: Sie liebte Kupons und Bestellscheine und Gratisangebote und Sonderangebote über alles. Wenn sie in einer Zeitung oder einem Buch oder einem Journal so eine eingeklebte Bestellkarte oder einen Kupon zum Ausschneiden fand, dann schnitt sie ihn aus oder riss ihn heraus und füllte aus und bestellte. Sie war derart versessen auf Bestellscheine und Kupons, dass sie nie darüber nachdachte, ob sie das Zeug auch brauchen konnte. Durch ihre Bestellwut war die Frau Berti Bartolotti schon zu den sonderbarsten Sachen gekommen: ein Tierlexikon in siebzehn Bänden, ein Posten grauer Zwirnherrensocken, ein Plastikteeservice für vierundzwanzig Personen, ein Abonnement für eine Fischzüchterzeitung und eines für eine Nackt-Bade-Kultur-Zeitung. Außerdem: eine türkische Kaffeemühle (aber nicht zum Kaffeemahlen, sondern als Nachttischbeleuchtung), zehn Angoraunterhosen in Übergröße und neun buddhistische Gebetsmühlen. Doch ganz ohne Zweifel, das Sonderbarste, was Frau Bartolotti je bestellt und auch erhalten hatte, war ein Teppich. Als damals der Postbote den sündhaft teuren scheußlichen Blumenmusterteppich brachte, da hatte die Frau Bartolotti richtig geweint über ihren Tick und sich geschworen nie, nie mehr etwas zu bestellen.

    Doch wie das so geht, wenn man einen richtigen Tick hat, füllte die Frau Bartolotti am nächsten Tag schon wieder eine Karte aus:

    Und bestelle hiermit

    per Nachnahme und portofrei

    144 (in Worten: HUNDERTVIERUNDVIERZIG)

    Teelöffel versilbert

    Die

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